DIE BEDEUTUNG DES WORTES MESSE
von H.H. Prof. P. Severin Grill SOCist
Die Auffassungen über den Sinn des Wortes Messe sind geteilt. Die einen sehen in ihm ein lateinisches, die anderen ein hebräisches Wort. Zwei Erklärungsweisen stehen einander gegenüber.
Die erste Gruppe leitet Messe ab vom lateinischen misse oder Missio, d.h. Sendung, Fortschickung oder auch von Dimissio = Entlassung. Ite misse est bedeutet: Gehet, denn jetzt ist Entlassung. Dabei ist umstritten, ob es sich um eine oder zwei Entlassungen handle, nämlich die Entlassung der Katechumenen vor der Opferhandlung oder auch um die aller Gläubigen nach derselben.
Diese Unklarheit liegt schon im Bericht des Diakons Florus von Lyon (+ um 860), der schreibt: "Unter Messe versteht man nichts anderes als Entlassung, d.i. Beendigung, die nach Vollendung aller (Riten) verkündet und das Volk von der Festfeier entlassen wird. Daher spricht man auch von einer Messe der Katechumenen, wenn nach der Lesung des Evangeliums die Feier der Geheimnisse einsetzt." (1)
Auch Thomas von Aquin ist für die lateinische Herkunft: Messe ist zu verstehen von der Entlassung der Katechumenen und Exkommunizieren. Er läßt aber auch eine mystische Erklärung gelten: Messe ist Hinwendung zu Gott (des Volkes) und Hinwendung Gottes zum Volk. Eine eigentümliche Ansicht möchte ich übersetzen: Gehet (nun daran), es ist jetzt die Opferung (und bringt eure Gaben dar). (2)
H. Hurter enthält sich der Kritik in seiner Notiz über die Herkunft des Wortes, neigt aber mehr der hebräischen Erklärung zu: "Obwohl das Wort Missa zum erstenmal in den Schriften des hl. Ambrosius erscheint, konnte es schon früher bei den Gläubigen im Sinne von Opfer gebraucht worden sein." (3)
Die zweite Gruppe sieht der Erklärer in dem Ausdruck "Messe" ein hebräisches Lehnwort, das wörtlich in das Lateinische herübergenommen wurde wie das Alleluja oder wie die Herübernahme des griechischen Kyrie eleison in die liturgischen Texte. Derartige Herübernahmen ohne Rücksicht auf den genuinen- hebräischen Text, begegnen in der Vulgata öfter z.B. Soph 3,18 nugae, Ps 73,15, fluvit Ethan, Prov 30,1 und 31,1, wo anscheinend Eigennamen vorliegen, während es sich um Verbalformen handelt und Ps 42,7 wo Jordanim und Chermonim allegorische Bedeutung haben. So ähnlich hat man auch "missa" vom hebräischen "missat" Dt 16,10 und dem "Massat" Ps 140,2 übernommen, wobei beide Ausdrücke die Bedeutung "Opfer" haben, ja sogar identisch sind.
Der Wechsel zwischen den S - Lauten Samek bei Missat und Sin bei Massat ist bedeutungslos. Missat Dt 16,2 ist vom Pfingstopfer die Rede und Massat wird die Erhebung der Hände doch wohl in der Opfergeste dem Abendopfer gleichgestellt. Massat ist in erster Linie Sühnopfer, das Substantiv geht auf das Verb "massa" zurück, das ist "Emporheben, die Opfergabe anbieten und zugleich im bildlichen Sinn eine Schuld aufheben, Verzeihen, Nachsicht üben." (4) (5)
Bis ins 4. Jahrhundert hat man missa als hebräisches Lehnwort verstanden für Opfer, wie aus einem Zeugnis des hl. Ambrosius hervorgeht. In einem Briefe berichtet er, da er bei einem Streit mit den Arianern wegen einer Kirche in persönliche Gefahr kam, da eine wilde Demonstration gegen ihn veranstaltet wurde: "Ich aber blieb in meiner Amtshandlung und begann, die Messe zu vollziehen" (Missam, facere coepi). Das sagt er nach der Entlassung der Katechumenen. Bei der Erklärung des 118. Psalmes kommt er auch auf die Feier der hl. Geheimnisse zu sprechen, wobei er sie wörtlich als sacrificium vespertinum bezeichnet. Damit ist nicht eine Abendmesse gemeint, sondern eine Anspielung an Ps 140,2 Pl 15; 1384.
Die Theorie der Hebräisten ist wahrscheinlicher als die der Latinisten. Als man etwa vom 5. Jahrhundert an missa nicht mehr als hebräischen Terminus für Opfer verstand, schlich sich die volksetymologische Erklärung "Entlassung" ein. Sie beherrscht heute das Feld und gibt damit einen kostbaren Beweis preis, daß Messe Opfer bedeutet.
Besonnene Protestanten sehen immer mehr ein, daß das Abendmahl ein Opfermahl ist, die Erfüllung des Friedopfermahls im Alten Testament. So schreibt J.J. von Allmen in der Theologie der Gegenwart: Der Sinn der Eucharistie liegt nicht im Motiv der Anamnese-Erinnerung - nicht in der Agape - nicht in der pädagogischen Anpassung (die Menschen sehnen sich einer greifbaren Nähe des Herrn) - sondern: das Abendmahl wurde eingesetzt, weil Jesus seinen Tod als Opfer verstand. Jesus hat sich als Messias gewußt (Is 52,13-53, 12) und seinem Tod den Charakter des messianischen Opfers gegeben.... Die Verbindung zwischen Christi Tod und Opfer einerseits und zwischen Christi Tod und Eucharistie andererseits ist unauflöslich.... Man bemerkt in der Tat, daß die biblische eucharistische Terminologie mit Anspielungen auf das Opfer betrachtet ist:
a) Paulus zieht einen Vergleich zwischen den heidnischen Opfern und dem christlichen Abendmahl (1 Kor 10, 14-22), b) Die Eucharistie ist das Ntl Passalamm (1 Kor 5,2), c) Alle Wendungen der Einsetzung deuten auf das sacrifizielle Mahl hin. (7)
Es ist hohe Zeit, daß wir uns im katholischen Schrifttum von der "Mahlfeier" oder "Eucharistiefeier" verabschieden und wieder zum Meßopfer zurückkehren, wobei der zweite Wortteil wegbleiben könnte. Denn Messe bedeutet allein schon Opfer und auf die Tautologie könnten wir verzichten. Die Messe ist ein Opfer, wie schon ihr Name besagt
Literatur:
(1) Expositio missae PL 119,72. (2) Summe III, 83,4-9 für lateinische Herkunft treten besonders J. Jungmann und M. Premm ein. Ersterer in dem Artikel "Zur Bedeutungsgeschichte des Wortes missa ZkTh 1940 S. 26-37; letzterer in seiner Glaubenskunde" Wien 1954? III, 1 S. 320. (3) D. Mark: Über Ursprung und Bedeutung des Wortes missa. Brixinae 1883. H. Hurter, Theologie dogmaticae compendium III, 392. Eine tiefschürfende Untersuchung über die Frage hat P. Odila Rottmanner in der Theologischen Quartalschrift Tübingen 1889 S. 531-557 geleistet. (4) Siehe Fr. Delitsch: Die Lese- und Schreibfehler im Alten Testament. Leipzig 1920. S. 125: Verwechslung der Zischlaute. (5) massa kommt in diesem Sinn im Indikativ, Infinitiv, aktivem und passivem Partizip vor. Siehe Salomon Mandelkern: Veteris Testamenti concordantiae. Lipsiae unter calah S. 529. (6) Brief 20, Pl 16, 103. Darüber ließe sich streiten. Jedenfalls setzt Migne "sacrificium vespertinum" und missa gleich. Pl 15, 1384. (7) Theologie der Gegenwart. 1969. S. 10-19.
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