EHE, FAMILIE UND ERZIEHUNG
7. Fortsetzung
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
"Halte die Ordnung ein, und die Ordnung wird dich erhalten", sagt der hl. Augustinus. Die erste Frucht der Klugheit ist die Gerechtigkeit. Diese Tugend fordert, daß einem jeden das gegeben werde, was ihm gehört. "Selig die Hunger und Durst haben nach der Gerechtigkeit! Sie werden gesättigt werden." (1)
Ohne eine ängstlich befolgte Gerechtigkeit, wird das Chaos, dessen Frucht Leid und Weh ist, wie in die Familie, so auch in die Gesellschaft eindringen. Die christliche Gerechtigkeit fordert jedoch mehr als die weltliche.
"Wenn eure Gerechtigkeit nicht vollkommener sein wird als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr in das Himmelreich nicht eintreten!" (2) ermahnt uns der Herr. Wir müssen aus Liebe zur göttlichen Ordnung die Gerechtigkeit üben, nicht weil uns selbstische Interessen dazu antreiben oder die Angst vor der Strafe. Die weltliche Gerechtigkeit regelt nur einige Verhältnisse der Menschen, während die Tugend der Gerechtigkeit nichts außer acht lassen darf!
Sie schützt nicht nur materielle Worte, sondern auch geistige, die Ehre und den Namen unserer Mitmenschen. So wenn wir über sie nichts Gutes sagen können, das Schlechte, auch wenn es wahr sein sollte, dürfen wir nicht offenbaren, es sei denn wir sind dazu im Namen der Gerechtigkeit verpflichtet. Jedenfalls wird es am besten sein, vorher um Rat beim Beichtvater oder einem Priester anzusuchen. Gott hat uns nicht zu Richtern unserer Nächsten ernannt. "Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein auf sie", mahnt der Heiland im Falle der Ehebrecherin. (3).
Die Menschen vergessen meistens, daß die Gerechtigkeit fordert, all das zu widerrufen, was an Bösen gegen den Nächsten ausgesagt wurde, und jeden verursachten Schaden wieder gutzumachen. Nie dürfen wir vergessen, daß die Zunge gewöhnlich größeres Leid verursacht als das Schwert, und daß es unter Umständen selbst beim besten Willen nicht mehr möglich ist, den Schaden, wenigstens hier auf Erden, wieder gutzumachen.
"Gebt also dem Kaiser, was dem Kaiser gebührt, und Gott, was Gott gebührt." (4). Wobei wir stets bedenken müssen, daß zuletzt alles Gott gehört, ja auch der Kaiser selbst. Die Gerechtigkeit Gott gegenüber fordert von uns Anbetung und Frömmigkeit, da wir ja mit einem jeden Schlag unseres Herzens vom Schöpfer abhängen. Wir müssen um Seine Gaben bitten, wie auch für sie danken, wenn wir sie erhalten haben. Die ganze Schöpfung ist Gott gegenüber zu Dank verpflichtet, denn Gott hat nicht nur alles erschaffen, er erhält es und leitet es zum Guten. Umsomehr muß der Mensch dafür danken, der ja zu Gottes Ebenbilde geschaffen wurde, wie im natürlichen Bereich, so auch im übernatürlichen; soll er denn nicht aufgrund der heiligmachenden Gnade an der göttlichen Natur teilnehmen?
Da die Welt als Kosmos erschaffen wurde, d.i. eine wohlgeordnete Ganzheit, ist es Pflicht des Menschen, als des Kindes Gottes, jenen Teil der Welt mit dem er in Berührung kommt, zur größeren Ehre Gottes in einen Mikrokosmus umzubauen.
"Wißt ihr denn nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, und den ihr von Gott empfangen habt, und daß ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid um einen teuren Preis erkauft. Darum verherrlicht und traget Gott mit eurem Leibe." (5) Das ist natürlich keine leichte Aufgabe und fordert Starkmut, Tapferkeit, um die wir bitten müssen. Starkmut benötigen wir nicht nur bei schweren Unternehmungen, aber auch um gar manche Leiden zu erdulden können. Tapferes Handeln setzt einen festen Entschluß voraus, verbunden mit großmütigem Wagnis alles durchzuführen. Der Heiland selbst ist es, der es uns nahelegt: "Seit den Tagen Johannes des Täufers bis jetzt erleidet das Himmelreich Gewalt, und Gewalttätige suchen es zu entreißen." (6). Er betont weiter, daß das Beobachten der Gebote Gottes den Einsatz aller Kräfte fordert: "Du sollst den Herrn deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit allen deinen Kräften und mit deinem ganzen Gemüte." (7).
Vielleicht betrachten wir nicht scharf genug unser Vorbild, und glauben in unserer Fahrlässigkeit, daß wenn wir einige religiöse Handlungen verrichten, wir hiermit schon allen unseren religiösen Verpflichtungen nachgekommen sind. Die christliche Gerechtigkeit muß größer sein als die der Schrift~gelehrten und Pharisäer, und ihre Verwirklichung fordert wahrlich Starkmut. "Tretet ein durch die enge Pforte! Denn weit ist die Pforte und breit der Weg, der ins Verderben führt, und viele sind es die da hineingehen. Eng dagegen ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und nur wenige sind es, die ihn finden." (8).
Manchmal ist es wirklich schwer, etwas für Gott zu tun, aber meistens wird, wie Seneca sagt, die Ursache in unserer Trägheit liegen: "Wir wagen so manches deshalb nicht zu tun, nicht weil es schwer ist; es kommt uns aber deshalb schwer vor, weil wir es nicht wagen, eben aus Angst vor einem Mißglücken." (9). Es ist wirklich schwer, aus Liebe zu Gott viele und harte Prüfungen zu erdulden, Leiden, Krankheiten, Verleumdungen; in der Ehe kann es zu solchen kommen, welche jahrelang andauern, wobei in der Tat ein Heroismus gezeigt werden muß.
Ein französischer Spruch sagt: "Sei großzügig und du wirst glücklich sein!" Aus Großmut ist unsere Seele bereit, tatsächlich vieles aus Liebe zu Gott und den Nächsten zu erdulden, zu unternehmen. Der Egoismus jedoch schaut nur auf sich selbst und wagt es oft nicht zu handeln, ob der Angst, es könnte mißlingen, was für das Selbstbewußtsein nicht gerade angenehm ist. Ein Mann muß fähig sein, mit dem hl. Paulus zu sagen: "Ich habe gelernt, in jeder Lage zufrieden zu sein. Ich weiß mich in die Not zu schicken, ich weiß auch Überfluß zu tragen. Mit allem und jedem bin ich vertraut, mit Sattsein und Hungern, mit Überfluß haben und Darben. Alles vermag ich in dem, der mich stärkt." (10).
Das zweite Zeichen des Starkmutes ist Großmütigkeit, eine erhabene Güte, die uns dazu anleitet, von unseren Schätzen, mögen sie von dieser Welt oder von Gott gekommen sein, freigebig auszuteilen. "Da ist ein Bruder oder eine Schwester, denen es an der nötigen Kleidung und an der täglichen Nahrung fehlt. Wenn nun einer von euch zu ihnen sagt: "Geht in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!" aber er gibt ihnen nicht, was zum Leben nötig ist, was nützt das?" (11).
Unser Nächster kann sich in Not an irdischen Gütern befinden, häufiger wird er aber solcher Dinge bedürfen, welche notwendig sind um das Himmelreich erreichen zu können. Wie oft nun müssen wir, sollten wir die Rolle eines guten Samariter spielen und unserem Nächsten mit gutem Rat oder Tat, oder Opfer behilflich sein den Pfad der Sünde verlassen und den Weg des Lebens von neuem betreten!
Starkmut äußert sich in einer festen Disziplin: "Wer geduldig ist, den leitet viel Verstand, wer aber ungeduldig ist der richtet seine Torheit auf." (12). Nie dürfen wir vergessen, daß wir nur durch Leid und Kreuz zur Auferstehung gelangen können, und daß das Leiden die schönste Perle in der Krone Christi ist. "Weil nun Christus dem Fleische nach gelitten hat, so wappnet auch ihr euch mit dem gleichen Gedanken. Denn wer dem Fleische nach gelitten hat, hört auf zu sündigen." (13). "Mit Christus bin ich gekreuzigt. Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir!" (14). Allerdings kann es auch vorkommen, daß die Prüfungen zu hart werden. In einem solchen Falle müssen wir die Worte bedenken: "Selig die Verfolgungen leiden um der Gerechtigkeit willen, Ihrer ist das Himmelreich" (16).
"Denn das ist wohlgefällig, wenn einer aus Gewissenhaftigkeit gegen Gott Übles erduldet und so unschuldig leidet. Denn was für ein Ruhm wäre es, wenn ihr für Verfehlungen gezüchtigt würdet? Aber wenn ihr Gutes tut und dafür geduldig leidet, das ist Gott wohlgefällig. Dazu seid ihr ja berufen. Auch Christus hat für euch gelitten und so euch ein Beispiel hinterlassen, damit ihr in seine Fußstapfen tretet." Er hat keine Sünde getan, und in seinem Munde fand sich kein Trug. "Da er geschmäht wurde, schmähte er nicht; da er litt, drohte er nicht, sondern stellte seine Sache dem anheim, der gerecht richtet." (17).
In solchen Augenblicken, wenn es uns scheint, daß wir unverdient leiden, müssen wir unseren leidenden Heiland betrachten und mit dem reumütigen Schächer sagen: "Wir erleiden die gleiche Strafe mit Recht; denn wir empfangen die gerechte Strafe für unsere Taten, dieser aber hat nichts Böses getan" (18).
"Wer aber ausharrt bis zum Ende, wird gerettet werden." (19) Geduld muß mit Ausdauer verbunden sein, mit dem Willen bis zum Ende kämpfen oder leiden, sie darf keine Müdigkeit kennen, noch den Mut verlieren, oder der Weichlichkeit verfallen.
Das Geheimnis der Macht liegt in dem vollkommenen Vertrauen an Gott und absoluten Mißtrauen in sich selbst: "Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt viele Frucht denn ohne mich könnt ihr nichts tun." (20). Wenn wir nun unsere eigene Schwäche und Unvollkommenheit erwägen, wie auch die Größe unserer Aufgabe, so müssen wir uns stets zu Herzen nehmen: "Was der Welt töricht erscheint, hat Gott auserwählt, um die Weisen zu beschämen. Was der Welt schwach erscheint, hat Gott auserwählt, um das Starke zu beschämen. Was der Welt niedrig und verächtlich erscheint, was ihr nichts gilt, hat Gott auserwählt, um das, was etwas gilt, zunichte zu machen. So soll sich niemand vor Gott rühmen können .... wer sich rühmen will, rühme sich des Herrn." (21).
"Stark wie der Tod ist die Liebe ...." (22). "Denn du, Gott, bist meine Stärke." (23). Gerade in Kleinigkeiten ist die der Liebe entspringende Kraft unumgänglich notwendig.
Nur solch ein Mann, sagt Laktantius, ein Philosoph der ersten christlichen Jahrhunderte, kann als ein starker Mann betrachtet werden, dessen Benehmen wohl geordnet ist, der das Maß kennt und gerecht ist. Und der hl. Bernhard fragt: "Wo ist die wahre Milde, als im Leben Christi? Nur diejenigen können als milde bezeichnet werden, die Sein Leben nachzuahmen trachten. Umsonst bemüht sich jener um die Aneignung der Tugenden, der glaubt, daß sie von anderswo kommen könnten, als von dem Meister der Tugend." Mäßigung ist eine Tugend, durch welche wir alle verbotenen Neigungen, besonders unreine, dem Willen unterwerfen, und es nicht gestatten, daß sie über das Maß herauswachsen.
Das Maß zu kennen heißt, von den Dingen dieser Welt nur insoweit Gebrauch zu machen, als für unsere Lebensaufgabe notwendig ist, und auf sie sofort zu verzichten, wenn sie uns zum Hindernis am Wege zu Gott werden. Immer müssen wir erwägen, wie viel wir ihrer, bezugnehmend auf die Ewigkeit, bedürfen. Je mehr wir das letzte Ziel außer acht lassen, umso labiler werden wir im Maß!
"Der Gerechte lebt aus dem Glauben", (24) und Christus ist das Maß, für unser Leben. Da müssen wir von Zeit zu Zeit an Ihn herantreten, am besten in der Kirche vor dem Tabernakel, wo Er in Seiner Gottmenschlichkeit gegenwärtig ist, im Notfalle aber auch an einem jeden anderen Ort, da Er ja als Gott allgegenwärtig ist, mit der Bitte, Er möge unser Leben übersehen. Jedoch müssen wir Ihn reden lassen und es nicht etwa versuchen unsere eigenen Worte Ihm in den Mund zu legen. Wir müssen uns in Seine Gegenwart versetzen und nachdem wir Ihn adoriert haben, Ihm unsere Fragen vorlegen. "Herr, dies waren meine Gedanken - bist Du derselben Ansicht?" Und wir müssen unsere Gedanken, einen neben dem anderen, Ihm offenbaren. Sicher wird er mit der Antwort nicht zögern. "Herr, dieses oder jenes habe ich gesagt oder will ich sagen - würdest Du es ebenfalls sagen?" Und wir werden warten.... zuletzt werden wir ihn fragen: "Herr, dieses oder jenes habe ich getan oder will ich tun .... würdest Du dasselbe machen?" Christus ist unser Maß und Er will es auch sein: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als durch mich." (25).
Sicherlich ist es mannhaft, die Selbstsucht beiseite zu legen, wie auch ihre Früchte: Stolz, Geiz, Neid, Unkeuschheit, Zorn, Trägheit usw., und an ihrer Stelle Früchte des Lebens zu bringen, so daß wir nicht Tod und Leid um uns säen, sondern Leben und Freude.
Die Demut lernt uns alle Dinge richtig einzuschätzen, sie nicht über- oder unterschätzen, und befähigt uns zu großen Taten. Großmut und Freigebigkeit sind direkt dem Geiz, der sich der Menschen bemächtigt hat, entgegengesetzt. Es ist ein Zeichen eines wirklich mannhaften Charakters, wenn wir etwas z.B. zum Guten unseres Nächsten unternehmen, in der Ehe zugunsten der Frau, des Mannes oder der Kinder. Es wird wohl nicht notwendig sein, hier noch mehr von der Mäßigung zu sprechen. Die Mäßigung adelt den Mann mehr als alles andere, sie schenkt ihm die notwendige Kraft, seine Instinkte zu beherrschen und sie zu dem Ende zu gebrauchen, welches ihm von Gott im Lichte der Gnade gezeigt wurde.
Der Geiz ist es, der es den Menschen nicht gestattet, am Wohlsein der Nächsten Freude zu finden. Deshalb mahnt der hl. Paulus: "Die Liebe sei ohne Falsch. Verabscheut das Böse! Geht dem Guten nach! Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan und kommt einander mit Achtung entgegen. Erlahmt nicht im Eifer! Seid glühenden Geistes! Dienet dem Herrn! Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Trübsal und beharrlich im Gebete! Nehmt Anteil an den Nöten der Heiligen und pflegt die Gastfreundschaft! Segnet, die euch verfolgen; segnet sie und verflucht sie nicht! Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden! Lebt in Eintracht miteinander! Wollet nicht hoch hinaus, sondern laßt euch herab zum Niedrigen! Haltet euch nicht selbst für klug!
Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Seid auf das Gute bedacht, nicht allein vor Gott, sondern auch vor allen Menschen! Soweit es möglich ist und auf euch ankommt, lebt mit allen Menschen in Frieden! Schafft euch nicht selbst Recht, Geliebte, sondern überlaßt das dem Zorngerichte! Denn es steht geschrieben: "Mein ist die Rache, ich will vergelten," spricht der Herr. Wenn deinen Feind hungert, gib ihm vielmehr zu essen; wenn ihn dürstet, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, sammelst du glühende Kohlen auf sein Haupt. "Laß dich also nicht vom Bösen überwinden, sondern, überwinde das Böse durch das Gute!" (26). Anstelle des Zornes muß die Liebenswürdigkeit herrschen, so wie der Herr von sich sagt: "Nehmet mein Joch auf euch und lernet von mir. Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig." (27) Anstelle von der Maßlosigkeit, die in einem einzigen Augenblicke nicht nur das Leben des Mannes selbst vernichten kann, sondern auch die ganze Familie in Not und Elend stürzt, müssen Nüchternheit und Mäßigung herrschen! Die Trägheit, welche das ganze geistige Leben zuletzt vernichtet, muß der Eifer für den Dienst Gottes ersetzen, der allein fähig ist, uns und die Nächsten glücklich zu machen.
Leider ist die Gestalt eines tugendhaften Mannes zur Karikatur geworden. und mit ihr das Bild des Menschen überhaupt. Die unglückliche Verehrung des Körpers entwertet das geistige Leben und spricht nicht mehr zum Geiste, nur zu den Sinnen. Die Sinnenlust kann sehr leicht zu einer Flamme werden, die nicht selten für immer das geistige Leben vernichtet. "Augen und Ohren werden zu schlechten Zeugen, wenn die Menschen eine barbarische Seele aufweisen", sagt der griechische Philosoph Herakleitos. Und in Platons Politeia lesen wir, daß mit den Sinnen die Seele stets nach unten schaut, selbst wenn sie den Blick zu den Sternen emporhebt.
"Was aus dem Fleische geboren wird, ist Fleisch; was aus dem Geiste geboren wird, ist Geist." (28). Liebe ist es, die den Ehemann und die Ehefrau durchdringen muß. Werden sie aber von ihren den Sinnen entspringenden Leidenschaften beherrscht, dann wird zuletzt die Sinnlichkeit über sie herrschen; wird aber die Liebe sie führen, welche aus dem Geiste geboren wird, dann werden sie das Reich Gottes in ihren Herzen betreten können.
Die Welt jedoch und nicht selten die Frau, denkt anders. Die Tugend wird als eine Schwäche betrachtet, Untugend als Kraft. "Aber wir Brüder, sind nicht dem Fleische schuldig, nach dem Fleische zu leben. Denn wenn ihr nach dem Fleische lebt, werdet ihr sterben; wenn ihr aber durch den Geist die Triebe des Fleisches ertötet, werdet ihr leben." (29).
Der Mann als Haupt der Familie.
Nachdem, was wir uns bis jetzt gesagt haben, besonders im einleitenden Abschnitte "Werdet Männer, werdet Frauen", muß betont werden: In der Ehe ist und bleibt der Mann das Haupt seines Weibes, wie der hl. Paulus mahnt: "Ich möchte aber, daß ihr wohl beachtet: Das Haupt eines jeden Mannes ist Christus, das Haupt der Frau ist der Mann, das Haupt Christi ist Gott." (30) Un der Mann muß das Haupt der Frau sein, wie wir den Worten Gottes zur Eva nach der ersten Sünde entnehmen "Viele Beschwerden will ich dir auferlegen bei deiner Mutterschaft. In Schmerzen sollst du Kinder haben und doch wirst du nach deinem Manne verlangen, der über dich herrschen wird!" (31) So sprach Sara als ihr Gott in ihrem Alter einen Sohn versprochen hatte: "Nachdem ich verblüht bin, soll ich noch an Liebe denken. Mein Herr ist gleichfalls alt!" (32), was der hl. Petrus kommentiert: "So gehorchte Sara dem Abraham und nannte ihn Herr." (33) "Der Mann ist Gottes Ebenbild und Abglanz; die Frau aber ist der Abglanz des Mannes." Diese Wahrheit verpflichtet jedoch den Mann auf das äußerste, die Majestät Gottes in seinen Taten aufstrahlen zu lassen. Nach seinem Vorbilde muß es auch die Frau verwirklichen, da sie ja Abglanz des Mannes sein soll, denn: "Der Mann wurde nicht um der Frau willen geschaffen, sondern die Frau um des Mannes willen." (34).
Die angeführten Zitationen werden oft mißverstanden und in dem Sinne interpretiert, als sei der Mann der absolute Herrscher über seine Frau, mit der er nun machen könne, was er wolle. Wir dürfen jedoch nie vergessen, daß wir in unserer Abhandlung den Mann so sehen wollen, wie ihn Gott erschaffen hat, und wie ihn Gott haben will; seine Frau ist keineswegs seine Sklavin oder sein Spielzeug, mit dem er machen könnte, was er wollte. Liebe ist Leben. Durch Gottes Liebe lebt alles was lebt. Die Frau erfaßt diese Wahrheit mehr mit ihrem Herzen, beim Mann, wenn er Mann bleiben will, müssen Vernunftgründe hinzutreten. Nie aber darf vergessen werden, daß ein wirkliches Verstehen eine dementsprechende Einordnung des Lebens fordert. Deshalb ermahnt der hl. Paulus: "Ihr Frauen, seid euren Männern unterwürfig, wie es sich im Herrn geziemt. Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid nicht hart gegen sie." (35). An einer anderen Stelle lesen wir: "Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat.... Die Männer sollen ihre Frauen lieben, wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Denn kein Mensch hat je sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern er hegt und pflegt es, wie es auch Christus tut mit seiner Kirche. Wir sind ja Glieder seines Leibes, Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein." Darum wird der Mensch Vater und Mutter verlassen, und seinem Weibe anhangen, und die beiden werden zu einem Fleische. "Hier liegt ein erhabenes Geheimnis vor; ich beziehe es auf Christus und die Kirche. Möchte nur auch ein jeder von euch seine Frau lieben, wie sich selbst. Die Frau aber habe Ehrfurcht vor ihrem Manne." (36)
Wenn wir nun alle Glieder des Leibes Christi sind, dürfen wir nicht vergessen, daß alles, was wir dem Nächsten getan haben, ob Gutes oder Böses, wir Christus getan haben. "Ebenso sollt ihr Männer mit euren Frauen als dem schwächeren Geschlechte verständig umgehen und ihnen Achtung erweisen als den Miterben der Gnade des Lebens. So wird eurem Gebete nichts hinderlich sein." (37). Die Verpflichtungen sind gegenseitige und manchmal sehr schwere. Wenn aber die Entscheidung schon gefallen ist, gemeinsam durch das Leben zu gehen, dann: "leiste der Mann seiner Frau die schuldige Pflicht und ebenso die Frau ihrem Manne. Die Frau kann nicht über ihren Leib verfügen, sondern der Mann, und ebenso kann der Mann nicht über seinen Leib verfügen, sondern die Frau. Entzieht euch einander nur mit gegenseitiger Einwilligung und zeitweilig, um dem Gebet obzuliegen. Dann kommt wieder zusammen, damit der Satan euch wegen eurer Unenthaltsamkeit nicht in Versuchung führt." (38).
Das Bild eines christlichen Mannes ist sehr verschieden von dem, welches die Welt ausgearbeitet hat. Der hl. Augustinus sagt: "Vir enim dicitur a virtute eo quof libidines vincere debet - d.i. "Mann" kommt von Mannheit (virtus), da er die Leidenschaften beherrschen soll!" Nur ein tugendhafter Mann ist Haupt seiner Frau und der ganzen Familie. Wenn er ein korrektes und frommes Leben führen wird, wird er seiner Frau viele Schwierigkeiten ersparen und sie so ihrer eigenen Arbeit, und an der mangelt es nicht, überlassen. Wenn der Mann aber seinen Verpflichtungen Gott gegenüber nicht nachkommt, wie können wir dies dem Nächsten, besonders seiner Frau gegenüber erwarten?
Das Weib bedarf für die Familie der Geborgenheit, welche ihr allein ein fester Charakter des Mannes verbürgen kann. Sie muß sich ganz ihrer Familie widmen, für sie aufopfern, wenn diese gedeihen soll; ein jeder Augenblick, in welchem diese Pflicht übergangen wird, muß teuer von den Kindern, dem Manne, dem ganzen Haushalte bezahlt werden.
Werdet Frauen!
"Wer wird ein starkes Weib finden? Ihr Wert ist wie Dinge, die weit herkommen, von den äußersten Grenzen." (Sprüche 31,10)
Während der junge Mann seine Reise in die Welt der "Wirklichkeiten" beginnt, verbleibt das Mädchen in der Welt der Träume. Vergessen wir aber nicht, daß die "Wirklichkeit" auch von uns abhängig ist, ja in ihrer letzten Einschätzung dies erst von uns wird. So dürfen wir die Eigenwelt des Mädchens und der Frau nicht als ein bloßes, wenn auch schönes, Gedankengewebe betrachten, sondern als eine wirkliche, unabhängige Welt, welche der des Mannes fremd ist und ihm deshalb meistens unverständlich bleibt. Wie aber der Mensch zweier Augen bedarf, um räumlich und korrekt zu sehen, sind zwei Welten notwendig, wie die des Mannes, so auch die der Frau, um an die sie betreffenden Tatsachen näher heran kommen zu können.
Diese Eigenwelt der Frau, dort wo der "Blütenstaub" nicht verwischt wurde, weist einen ganz besonderen Reiz auf. Erbärmlich und elend ist es aber, wenn wir diese Blume abgepflückt auf der Straße des Lebens in Staub und Schlamm liegen sehen. Sie zum Leben wieder zu erwecken ist viel schwieriger als beim Manne. Meistens ist die Frau sich dieses geistigen Reizes, durch den sie den Mann bezaubert, nicht einmal bewußt, nur zu ihrem Glück! Wehe aber, wenn sie irgendwie sich dieser Tatsache bewußt wird! Es entsteht zugleich eine große Versuchung, die sie nur sehr selten überwindet, den Reiz zu egoistischen Zielen auszunützen, ja den Mann zu quälen, mit ihm zu spielen wie eine Katze mit der Maus. Dadurch wird sie aber langsam auf das Niveau der Sinne sinken, wo von der Sinnlichkeit sie nur noch ein kleiner Schritt trennt. Greift in einem solchen Falle nicht die Barmherzigkeit Gottes ein, dann ist sie unrettbar verloren, da jede menschliche Hilfe ausgeschlossen ist.
Die sittliche Reinheit strahlt aus der Frau sichtbarer hervor, als vom Manne. Der Akkord "Herz-Wille-Vernunft" ermöglicht es ihr, wo ihre Natur unberührt geblieben ist, sich zum notwendigen "Verstehen" durchzuarbeiten, welches die Liebe, für sie Leben und Schicksal ist, erst recht ermöglicht. Nicht nur allein der Mann wartet auf diese Liebe, es ist die ganze Umgebung, die ihrer benötigt. So wie die Unterwürfigkeit den Mann ganz besonders entehrt, entstellt die Lieblosigkeit die Frau. Herzenshärte verwandelt das Weib in ein abscheuliches Monstrum, welches leider häufiger, als es uns angenehm ist, gesehen werden kann. Und doch sollte sie mit der griechischen Heldin Antigone sagen können: "Nicht zu hassen, sondern zu lieben, bin ich geboren!" In der Mutter Gottes hat sie ihr unerreichbares Vorbild!
Der Tugenden bedarf nicht nur der Mann, wohl aber auch die Frau. Von diesen sind für sie die göttlichen von ganz besonderer Bedeutung, am meisten die Liebe. Richtig verstanden und verwirklicht birgt die Liebe alle anderen Tugenden in sich, da der, der Gott liebt, wie auch den Nächsten um Gottes willen, bereit sein muß, alle Tugenden zu praktizieren vom Augenblicke an, als er sich dieser seiner Pflicht bewußt wird.
Die Aufgabe der Frau-Mutter besteht darin, in die Person ihres Kindes die Umrisse der Persönlichkeit Christi einzuführen, wie sie es an ihr selbst versucht und bei ihrem Mann auffindet, soweit er seinen Verpflichtungen Gott und den Menschen gegenüber nachgekommen ist. Als Vergleich bemühen wir die Arbeit eines Bildhauers. Wie vorsichtig muß dieser vorgehen, wenn er seine Idee dem harten Steine anvertrauen will! Der Stein widersetzt sich diesen seinen Bemühungen, die menschliche Person aber oft, wenn nicht meistens, auf das äußerste! Unerschöpfliche Geduld wird da notwendig sein, um die Aufgabe zu erfüllen. Wie kompliziert ist der Leib des Menschen, wie zart seine Seele! Ist es der Mutter gelungen einen Zug zu vollenden, muß sie sofort mit einem anderen unter ganz veränderten Bedingungen von neuem beginnen. Nur eine starke Liebe kann ihr die zur Ausdauer notwendige Kraft geben.
Stets muß sie mit ihrem Vorbilde, dem Gottessohne, in Verbindung bleiben, ohne Welchen es nicht möglich ist etwas gesegnet wieder zu beginnen, noch zu beenden. Mehr als der Mann, der von seinen Aufgaben voll in Anspruch genommen wird, muß sie, wie Maria, die Schwester des Lazarus, zu den Füßen des Herrn sitzen, um Seinen Worten andächtig zuzuhören, und Seine Gestalt vor den Augen zu haben, in Welche sie ja sich und ihre Kinder umgestalten soll.
Fortsetzung folgt.
Anmerkungen: (1) Matth. 5,6. (2) Matth. 5,20. (3) Joh. 8,7. (4) Matth. 22,21. (5)1 Kor. 6,19-20. (6) Matth. 11,12. (7) Luk. 10,27. (8) Matth. 7,13-14. (9) Seneca ad Lucilium, ep. (10) Philip. 4,12-13. (11) Jakob 2,15-16. (12) Sprüche 14,29. (13) 1 Petrus 4,1. (14) Gal. 2,20. (16) Matth. 5,10. (17) 1 Petrus 2,19-23. (18) Luk 23,41. (19) Matth. 10,22. (20) Joh. 15,5. (21) 1 Kor. 1,27-31. (22) Das Hohelied 8,6. (23) Psalm 42,2. (24) Röm. 1,17. (25) Joh. 14,6. (26) Röm. 12,10-21. (27) Matth. 11,29. (28) Joh. 3,6. (29) Röm. 8,12-13. (30) 1 Kor. 11,30. (31) Gen. 3,16. (32) Gen. 18,12. (33) 1 Petrus 3,6. (34) 1 Kor. 11,8-9. (35) Kol. 3,18-19. (36) Ephes. 5,25-33. (37) 1 Petrus 3,7. (38) 1 Kor. 7,3-5.
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