FREIMAUREREI UND VATIKAN II
von Yves Dupont, "World Trends", Nr. 3, übersetzt von Ambros Kocher
"Brüder, gebt nicht zu, daß die Freimarerei eine Gegenkirche sei: dies bedeutet nichts mehr als eine zufällige Behauptung. Im Grunde genommen will die Freimaurerei eine Über-Kirche sein, die Kirche, die alle Kirchen vereinigen wird." ("Permanences Nr. 359 v. "Le Symbolisme", publ. in Nr. 37 des Bulletins des Dok-Zenters des franz. Gross-Orientes).
1. Eine Warnung. Obige Erklärung bedeutet das Eingeständnis, daß die Freimaurerei auf ihre frühere gehässige und kämpferische Haltung verzichtet hat zu Gunsten einer Politik des freimaurerischen "Ökumenismus". Es geht nicht mehr um eine Herausforderung und Konfrontierung mit der katholischen Kirche in offener Kriegsführung, sondern mehr um eine Infiltration mit dem Ziele, den freimaurerischen Brand des Ökumenismus zu verstärken. Wegen dieser neuen Strategie wurden viele Katholiken dazu verleitet zu glauben, "die Freimaurerei habe sich verändert", und daß ein Dialog notwendig sei, oder daß "die Vergangenheit begraben werden müsse, wie auch eine mehr erleuchtete Annäherung zu erfolgen habe." In Wirklichkeit ist die Fraumaurerei nicht ein Jota von ihren Zielen abgewichen, namentlich was die Zerstörung der katholischen Kirche angebt. Das ist es, was dieser Artikel darlegen möchte.
2. Ein aufschlußreiches Buch. Vor mir liegt ein Buch mit dem Titel "Ökumenismus, wie ihn ein traditioneller Freimaurer ansieht", veröffentlicht in Paris 1964. Der Autor ist kein Anfänger oder Neuling, der seine unbefugte Stimme erhebt, um eine mehr persönliche Ansicht zu äußern, es ist kein geringerer als Yves Marsaudon, dessen offizieller Titel in der Zunft lautet "Staatsminister des Obersten Rates in Frankreich" (Schott. Ritus). Ein lobreiches Vorwort stammt von Charles Riandey, dessen Titel lautet "Erhabener Großer Befehlshaber des höchsten Rates Frankreichs" (Schottischer Ritus). Es ist daher klar, daß diese Männer im Namen ihres Ordens sprechen, und es leuchtet ebenfalls ein, daß sie wissen, worüber sie sprechen.
3. Eine eigenartige Widmung. Das Buch hat eine Widmung; und diese Widmung richtet sich nicht, wie zu erwarten wäre an Oswald Wirth oder andere "Meister", sondern an zwei Päpste der katholischen Kirche. Hier ist sie:
Zum Andenken an Angelo Roncalli, Priester, Erzbischof von Messembria Apostolischer Nuntius in Paris, Kardinal der römischen Kirche, Patriarch von Venedig, Papst unter dem Namen Johannes XXIII., der geruhte, uns seinen Segen zu geben, sein Verständnis und seinen Schutz,
Dem Papst der Armen, dem Papst des Friedens, dem Vater aller Christen, dem Freund aller Menschen, seinem erhabenen Nachfolger, Seiner Heiligkeit Papst Paul VI.
4. Ruhm und Ehre dem Papste. Dieses Buch spart tatsächlich nicht mit Lob für Papst Johannes und Papst Paul. Charles Riandey, der Erhabene Befehlshaber, sagt in seinem Vorwort: "Diese Studie (d.h. der Entwurf) war fast vollendet, als die zweite Session des Konzils einberufen wurde und die Voraussagen gerechtfertigt wurden, und die Wünsche erfüllt, die ausgedrückt worden waren. Daher revidierte der Autor den Text dementsprechend." (S. 14). "Ich gehe einig mit Marsaudon in der Begeisterung für die Absichten dieses Papstes (Paul VI.), der groß ist durch seine Intelligenz, wie sein Vorgänger (Johannes XXIII.) groß war in den Tugenden seines Herzens."
5. Ein besonderer Ökumenismus. Der Verfasser dieses Vorwortes fährt mit seiner Warnung weiter fort, daß der christliche Ökumenismus nur einen Schritt vorwärts bedeutet zu dem, was er als "totalen Ökumenismus" bezeichnet, und daß die gegenwärtigen Strukturen (der Kirche natürlich) zerstört werden müssen, bevor dies erreicht werden kann. Aber diese ehrliche Warnung bedeutet für ihn erneut eine Gelegenheit, Lob über die Päpste Johannes und Paul zu streuen. Ist damit gemeint, er erwarte von diesen Päpsten, daß sie "die Strukturen zerstören"? Die Antwort auf diese Frage folgt gleich. "Die rettenden Worte können nicht einem Zusammenflicken oder einem Vermischen von abgenützten Dogmen entspringen. Sicher braucht nicht alles verworfen zu werden; aber was erhalten werden soll, kann nicht bewahrt werden, ohne daß es erneuert wird." (S. 16). (Und wie soll diese Erneuerung vor sich gehen?) "Wir alle sind überzeugt von der Enge der geistigen, kulturellen, wissenschaftlichen, sozialen und ökonomischen Strukturen, die bis zur heutigen Zeit Handlungen und Gedanken der Menschen behinderten... Aber diese Strukturen wurden zum Teil schon zerbrochen. Manche päpstliche Entscheidungen haben schon dazu beigetragen. Wir sind überzeugt davon, daß sie schließlich alle zerstört werden." (S. 15) Zerstören, um zu erneuern; auflösen, gerinnen lassen... wie Oswald Wirth in seinem Buche "An introduction to the study of the Tarot", (1931) ausführt. Das Bild dieses 15. Tarot ist das des Genius der Erde, der Teufel mit Widderkopf und -Füßen, Leib und Armen einer Frau und Flügeln einer Fledermaus. Sein rechter Arm erhebt die gelbe Kerze, die Flamme, die die Revolution entfacht, und sein linker Arm erhebt das Symbol der Fruchtbarkeit oder der schöpferischen Tätigkeit, dargestellt durch die Vereinigung der Geschlechter. Zerstöre und erneuere; solches ist das Ideal aller Revolutionen und die Methode des Teufels; während die Kirche bis zu Vatikanum II. lehrte, daß jedes Werk der Erneuerung auf der organischen Entwicklung der Überlieferung beruht. Doch wir haben seit 1963 gesehen, daß die Modernisten im Auftrage der Kirche systematisch zerstören, um zu erneuern. Sie haben die Freimaurer-Methode übernommen, die Methode Luzifers, und gerade dies anerkannte Riandey selber: "Einige päpstliche Entscheidungen haben dazu beigetragen etc.." Das erklärt nun wahrlich ihre plötzliche Begeisterung für das Werk der Kirche!
6. Zitate aus dem Okkulten. "Alles ist Geist", sagte Hermes Trismegistus, "eine Formel, die in eine der Stufen des Schottischen Ritus aufgenommen worden ist..." "Alles ist Energie", sagt die moderne Wissenschaft..." (Dann folgt ein Zitat aus Teilhard de Chardin) (S. 15). Hermes Trismegistus, zitiert von Charles Riandey in seinem Vorwort, ist der Name, der zuweilen einem Priester des alten Ägypten zugeteilt wird, manchmal dem heidnischen Gotte Thot Ägyptens. Er steht in Beziehung zu verschiedenen astrologischen und alchimistischen Schriften, mit dem Okkulten und der Geheimwissenschaft.
7. Mit den höchsten Beglaubigungen. Auf dieses Vorwort folgt eine Einführung des freimaurerischen Herausgebers dieses Buches, J. Vitiano. Ich werde nur jene Punkte erwähnen, welche für die Katholiken von Interesse sind. Erstens das freimütige Eingeständnis, daß die Kirche infiltriert worden ist (wenn auch das Wort Infiltration nicht verwendet wurde). Ich besitze recht viele Bücher, die von der freimaurerischen Infiltration der Kirche handeln; sie sind von wissenschaftlichem Anstrich, gut dokumentiert und zuverlässig. Aber es wirkt noch überzeugender, da es von einem Freimaurer bestätigt wird. Vitiano sagt uns, daß Yves Marsaudon zum "Bevollmächtigten Minister" ernannt worden war durch den Großmeister des souveränen Malteserordens". Er berichtete später darauf infolge der "Angriffe" , von Seiten der "Römischen-Integristen-Clique" und des Kardinals Canali zur Zeit von Pius XII. Aber er wurde sofort befördert zu der hohen Auszeichnung eines "Emeritus Ministers", ein Titel, den nur ein Malteserritter tragen kann, und das hohe Magisterium des Malteserordens unterließ es nie, Marsaudon auf jede Art zu unterstützen, wie uns Vitiano erklärt.
Es sei nebenbei bemerkt , daß es zwei verschiedene Orden gibt, welche die Malteser Nachfolge in Anspruch nehmen. Ich diskutiere nicht über den amerikanischen Malteser-Ritterorden noch den römischen, außer er werde in dem Buche ausdrücklich erwähnt. Wie es auch sein mag, es zeigt sich darin, daß er in der Hand der Freimaurerei war eben in jener Zeit von Pius XII. Die Adresse dieses Ordens ist: Sovereign Order of Saint John of Jerusalem of Rhodes and Malta, Via Candatte, Rom. Der amerikanische Orden, der den gleichen Ursprung in Anspruch nimmt, ist zu Shickshinny, Pennsylvania 18655, und seine Echtheit bildet den Gegenstand einer bitteren Kontroverse.
8. Ein Volksmythos. Bei dieser Gelegenheit möchte ich es versuchen, einen Mythos zu zerstreuen, der unter den Katholiken weit verbreitet ist. Er besteht in der Vorstellung, jeder Freimaurer trage einen Dolch unter dem Mantel, immer dazu bereit, einem in den Rücken zu stechen. Freilich gab es solche Kerls: Robespierre, der bekannte französische Revolutionär, der trotz seines Glaubens an ein höheres Wesen Tausende von Köpfen in den Korb der Guillotine sandte. Und Philipp Egalité zögerte nicht, für den Tod seines Cousins König Ludwig XIV. zu stimmen. Aber es ist auch wahr, daß die Freimaurer als Ganzes an ihre humanistischen Utopien glauben. Ihr Wunsch, die katholische Kirche zu zerstören, beruht nicht notwendigerweise auf Haß (obgleich Haß leicht die Oberhand gewinnen kann, wenn die Opposition zu stark wird" sondern eher auf ihrer "Überzeugung", daß die katholische Kirche einfach eine Sekte darstellt, die von ihnen einer Erleuchtung bedarf. Aber ich werde noch Gelegenheit haben, erneut darauf zurückzukommen. Was ich eben gesagt habe, wird genügen, um klar zu machen, warum zwei prominente französische Freimaurer unserer Zeit größte Ehrfurcht und Bewunderung zeigen gegenüber Johannes XXIII. und Paul VI., trotz ihrer Eigenschaften als katholische Päpste. Auch verwenden die Freimaurer den Ausdruck "Zerstörung der Kirche" nicht offen. Was für uns katholische Traditionalisten auf eine Zerstörung hinausläuft, betrachten sie eher als eine "Supervision". Die Freimaurer verlangen nach Kontrolle über die Kirche die Zerstörung der engherzigen Dogmen. Aber sie verlangen nicht notwendigerweise nach der Zerstörung ihrer menschlichen Organisation. Im Gegenteil, eine menschliche Organisation, die schon besteht, kann sehr nützlich sein um die Massen zu kontrollieren. Es genügt, daß diese menschliche Organisation gewillt ist, den Gläubigen einen "erneuerten Glauben" aufzuerlegen, befreit von Sünde, Hölle, Jungfrau Maria etc.. Und wenn das vollbracht werden kann, dann besteht wenig Zweifel, daß sie bereit sind, die katholische Kirche zu dulden, eben als einen Ritus oder eine Oboedienz inmitten des freimaurerischen Bundes von Riten und Oboedienzen. Zu beachten ist obendrein, daß es viele "Stufen" in der Freimaurerei gibt. Der gemeine Freimaurer-Soldat merkt die teuflischen Absichten seiner Meister nicht, und die Freimaurerei kennt wie jede andere Kirche ihre Wohlfahrtsorganisationen für Kranke, Betagte etc.. Das ist ein Schaufenster der Sekte, das attraktiv wirkt; es handelt sich also um eine Irreführung. Das grundlegende Ziel der Sekte besteht in der Errichtung einer humanistischen Ein-Welt-Regierung.
9. Gesegnet von Papst Johannes. Es verbleibt zu untersuchen, wie weit Papst Johannes in Wirklichkeit "seinen Segen und seine Förderung" gegenüber der Freimaurerei selber verstanden haben wollte, gegenüber der Freimaurerei als solcher oder gegenüber einem Einzelmitglied der Sekte in der Person von Marsaudon. S.S. 3). Aber wenn der Autor die Absichten des Papstes Johannes mißverstanden hat, dann muß doch angenommen werden, daß die Worte vom Papste (damals Nuntius) gebraucht worden sind, und daß der Ton und die Umstände günstig genug haben sein müssen, um das natürliche Mißtrauen eines Freimaurers gegenüber allem Katholischen zu zerstreuen und zu überwinden. Hierin hat also Papst Johannes unzweifelhaft einen bemerkenswerten Mangel an Klugheit und Klarsicht entfaltet. Wir werden dessen heute vollauf gewahr. Es bedeutet dies angesichts des Konzils keine ungewöhnliche Zufälligkeit.
10. Eine Autorität: Die Rosenkreuzler. Wir haben eben eine Bezugnahme auf Hermes Trismegistus festgestellt, einen heidnischen oder götzendienerischen Priester, der sich mit dem Okkultismus verbunden hat. Der Autor macht kein Geheimnis daraus, daß der Schottische Ritus, dem er angehört, die Templer und Rosenkreuzler als Erbschaft und Tradition beansprucht, und dies "um das Gewicht auf die unabdingbare Universalität der Freimaurerei zu legen, bis weder nationale noch dogmatische Engherzigkeit dies vermindern kann". Wir haben hier das Ideal von Welteinheit und Freidenkerei, einen Ökumenismus einziger Art, seitdem er Templer, Rosenkreuzler und den ägyptischen Götzendienst in sich schließt. Ist dies die Art von Ökumenismus, der verteidigt wird von Freimaurern und Freimaurer-Priestern wie Fr. Bertelcoot S.J., Fr. Riquet u.a.? Ist dies die Sekte, der angehören zu dürfen durch einen Entscheid des Vatikans bald den Katholiken erlaubt sein wird.
11. Freimaurerei und Staats-Schule. Wenn ich nun daran erinnere, daß die Freimaurerei eine weltweite Organisation darstellt, dann werdet ihr gerne zugeben, daß die Freimaurer alles Interesse daran haben, in allen Ländern Änderungen einzuführen, die am meisten dazu geeignet sind, einer grundlegenden neuen Haltung zu dienen, und das gilt besonders in bezug auf die Erziehung, weil sie die Denkweise der Jugend formt. Dieses Ziel zu erreichen gestehen sie offen ein. Vor etwa 50 oder 60 Jahren wurden Geschichte und Geographie ersetzt durch "Sozialstudien" im Lehrplan. Eine Abhandlung über diese Änderung würde ein Büchlein füllen. Geschichte und Geographie waren zu "engherzig national". "Sozialstudien", verleihen dem sozialen Aspekt mehr Gewicht. Dasselbe gilt in der Tat für die sog. "New Maths", mit ihrem radikalen Einbau in den Denkprozeß der Jugend. Auch hierüber ließe sich viel schreiben. Es genügt für den Moment die Feststellung, daß die Freimaurerei auf der ganzen Welt direkt oder indirekt Ideen und Methoden fördert, mit denen sie ohne Zweifel jene Einheitswelt des Antichrist aufrichten, wie wir es aus den Prophezeiungen kennen. Das Geheimnis der Bosheit muß in der Tat erfüllt werden, bevor Christus wieder kommt, um auf Erden alles zu erneuern.
12. Willkommenes Vatikanum II. Seitdem es das Ziel der Freimaurer ist, eine Weltregierung aufzurichten, und seitdem wie sie sagen, dieser Universalismus nicht bewerkstelligt werden kann, außer es werden die "bestehenden Strukturen zerstört", S. folgt daraus, daß die Freimaurer ein großes Interesse am Verlaufe von, Vatikanum II. haben mußten. Dieses ökumenische Konzil war in der Tat das Konzil des Ökumenismus. Marsaudon gibt dies offen zu und er bemerkt, daß die Bischöfe der Welt, indem sie versuchten, die Nachfolger Christi wieder zu vereinigen, in Wirklichkeit viel weiter Ausschau hielten (S. 24). Wir kennen dies. Er erwähnt die Judenfrage und preist Kardinal Bea wegen seiner "mutigen Initiative". Kardinal Bea wurde auch in der jüdischen Presse gelobt, weil er auf ihre Beschwerden gehört habe, wie es im "Herald of Freedom" gesagt wird. Die Konzilsdekrete allerdings wurden vorsichtig abgefaßt. Die Bischöfe, "die weiter vorausschauten", zogen es vor, zu Zweideutigkeiten ihre Zuflucht zu nehmen. Die Hauptsache bestand darin, ein Klima zu schaffen, in welchem es später möglich werden sollte, "im Namen des Geistes des Konzils", Neuerungen einzuführen. Diese Handlungsweise ist keine Erdichtung unserer traditionalistischen Einbildung; es wurde anerkannt von einem anderen prominenten Freimaurer, J. Mitterand in seinem Buche "La Politique des Francs-Macons", wo er auf S. 189 schreibt: "Diese informierten Katholiken (d.h. Progressisten) ...waren sich der Ungenügendheit und der Versäumnisse des Konzils bewußt, aber sie bedienten sich selber des Klimas, das ihnen dazu verhalf auf rechtmäßige Art die authentische Erneuerung der Kirche zu verlangen. Der befreiende Charakter ihres Kampfes kann aber die Sympathie der Freimaurer nicht mindern." Und S. schaut es in der Tat aus, als ob "auf Johannes XXIII. die Revolution folgen wird", ein Wunsch, den Marsaudon äußerte (S. 26).
13. Ein Vorläufer. Der Autor gibt eine kurze Übersicht über die Geschichte der Kirche bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dies gibt ihm die Gelegenheit, einige Päpste zu verurteilen, und zwar besonders die Herrschaft von Pius X. zu Beginn unseres Jahrhunderts; er nennt ihn einen "pharisäischen, heuchlerischen und haßerfüllten Papst". (S. 31). Die Herrschaft von Pius XII. kommt kaum besser weg. Er erwähnt die Versetzung des Mgr. Montini nach Mailand, der größten italienischen Diözese, ohne ihn zum Kardinal zu ernennen, was ungewöhnlich war. S., folgerte Marsaudon, "wurde es für Montini schwierig, je Papst zu werden." Aber dann, S. fügte er hinzu, "kam ein Mann, sein Name war Johannes, gleichsam der Vorläufer... und alles begann sich zu ändern".
14. Marsaudon und der "gute" Papst Johannes. Im Gegensatz zu dem sarkastischen Tone in Kapitel 1 und 2 gegenüber Papst Pius X. und Pius XII. bedeutet Kp. 3 eine lautere Lobrede für Papst Johannes. Er erwähnt mehrfache private Gespräche, die er mit ihm zu Paris geführt hat, er als Minister des Malteserordens, mit Mgr. Roncalli, dem päpstlichen Nuntius in der französischen Hauptstadt. Während eines solchen Gesprächs schnitt er die Frage bezüglich des Dogmas von der Aufnahme Mariens an, das von Pius XII. proklamiert werden sollte, und das bekanntermaßen in Rom diskutiert wurde. Die Antwort, Roncallis war eine solche eines Diplomaten: Weder Ja noch Nein. Seine Antwort aber betonte klar die Menschheit Mariens, woraus man den Eindruck gewann, daß das Dogma von der Aufnahme Mariens nicht am Platze sei oder zum mindesten nicht zeitgemäß. Nicht daß es Mgr. Roncalli an der Verehrung gegenüber Unserer Lieben Frau gefehlt hätte, im Gegenteil, er trug tiefe und ehrliche Ehrfurcht Ihr gegenüber, eine Tatsache, die Marsaudon anerkannte. Doch war seine Ehrfurcht "privater" Natur; (und das Bekenntnis? der Übers.); wenn das Gespräch darauf kam, dann trat der Diplomat in den Vordergrund, damit ULF in weltlichen Ohren nicht zum Ärgernis wurde (S. 46). Als Roncalli Papst wurde, gerieten die Dinge in Bewegung. Zum ersten "rief die göttliche Vorsehung den alten Kardinal Canali zu Gott zurück, der überall sich erkühnte, sich allen Schriften Marsaudons unter Pius XII zu widersetzen; (Welch merkwürdige göttliche Vorsehung!). Dann wurde ein prominenter "Priester", der einige Zeit wegen Veruntreuung im Gefängnis zugebracht hatte, freigelassen; er hat nun eine sehr hohe Stellung im Vatikan inne. Natürlich, da ja dieser ungenannte "Priester" bloß die Befehle von Kardinal Canali ausführte, der "sich immer mit Finanzgeschäften befaßte", S. ist zu schließen, daß der eigentliche Schuldige der Kardinal war. Dieser arme "Priester" hätte nie ins Gefängnis gehört.
Marsaudon zeigte die größte Bewunderung für Papst Johannes. Er nannte ihn einen Heiligen, einen Heiligen in jedem Sinne, aber in keiner Weise in Parallele zu stellen mit der hl. Theresia von Avila!", oder in dieser Beziehung mit dem hl. Pius X., den er S. heftig angriff, einige Seiten vorher. Es gibt "gute" Heilige und "schlechte" Heilige; der Begriff der Heiligkeit, wie ihn Marsaudon hat, ist ein solcher der Unterscheidung. Ja, die Dinge kamen ins Rollen. Marsaudon hörte die verschiedenen Würdenträger, Freimaurer, Juden, Kommunisten, Islamiten, Lutheraner. Er fügte bei "der hl. Vater muß gelächelt haben beim Gedanken an den betrübten Ausdruck an den Pharisäer-Gesichtern (d.h. der unsrigen!) als die Tochter von Kruschtschov und ihr Mann im Vatikan willkommen geheißen wurden." (S. 49). Der Autor erwähnte auch, wie Kardinal Ottaviani zu mehreren Gelegenheiten das Konzil verließ, und S. das Gerücht bestätigte, daß er im Konklave gegen Montini opponierte, sowie gegen die Enzyklika "Pacem in Terris", welche die Verantwortung trägt für den Sieg der Kommunisten in Italien bei den Wahlen (und die, wie man weiß, von Montini geschrieben wurde" der auch einen großen Einfluß ausübte auf Gedankengang und Beschlüsse von Papst Johannes. Als Papst Johannes starb, bemerkte der Autor: "Die ganze Welt schien schmerzlich bekümmert: Buddhisten, Mohammedaner, Juden, Kommunisten, alle sandten sie Beileidstelegramme an den Vatikan. (Der "gute" Papst Johannes wurde unverkennbar mehr geliebt von den modernen Ungläubigen, als Christus selber seiner Zeit von den Ungläubigen). Und warum solche weltweite Trauer? Worin besteht denn der Verlust wegen eines alten freundlichen Mannes, Marsaudon gibt hierzu seine offene Antwort: "Jedermann begriff den Ernst der Lage: Der Papst des Konzils nahm Abschied. Doch das Konzil war nicht beendigt ..." (S. 58).
15. Gewünscht: Ein wirklich progressiver Papst. Was man nicht erwartet hatte. Der "echte Sprung nach vorne" unter der Herrschaft von Papst Johannes (S. 59) das wundervolle "Aggiornamento", die aufmunternde "Erneuerung" gepriesen von allen mitratragenden Schmeichlern des Landes, das konnte man durch die Wahl eines "reaktionären" Papstes nach Art eines Pius XII. nicht erwarten. Schließlich hat "er sich nicht gegen die Nazis ausgesprochen" (S. 38) und trug er eine fixe Voreingenommenheit gegenüber dem atheistischen Kommunismus (S. 37). Auch nicht ein Papst wie Pius X., der auf Betreiben jenes allgegenwärtigen Kardinals Canali von Pius XII. heilig gesprochen wurde (S. 40). Die Zeit war reif für einen wahrhaft progressiven Papst, mehr bedacht "auf die Bedürfnisse des modernen Menschen", als "auf unzeitgemäße Disziplinen und verhärtete Dogmen, (S. 59). Der Fortschritt der menschlichen Wissenschaften hat die freimaurerische Auffassung vom großen Architekten des Universums und den Punkt Omega des Teilhard de Chardin einander näher gebracht. Teilhard ist heute sicher der meistgelesene Schriftsteller in den Logen und Seminarien (S. 60). In der Tat wirken heute gewisse dogmatische Begriffe wie die Hölle eher erheiternd". (S. 65).
16. Eine Abschweifung.....
17. Es ist Zeit. Um auf Papst Johannes zurückzukommen: Bei seinem Tode war die Zeit reif für radikale Änderungen in den vatikanischen Geschäften. Papst Johannes hat die Türe geöffnet, und die Außenseiter, wenn sie auch an Zahl die treuen Katholiken nicht übertrafen, waren nun drinnen und ließen ihre Gegenwart fühlen. Das Buch von Marsaudon war vier Jahre zu früh erschienen. Es ist deswegen unmöglich, das volle Maß freimaurerischen Lobes zu geben, das ein später erschienenes Buch in verschwenderischer Weise der Person des Papstes Paul VI. hätte angedeihen lassen. Aber was es enthält, ist bedeutungsvoll: "Zweifellos hat sich der römische Katholizismus verändert ... alberne Begriffe wie etwa Hölle haben eine Definition verloren..." (Wir alle wissen in der Tat, daß Hölle wie andere Grunddogmen der katholischen Kirche den Angriffen ausgesetzt wurden, und sie werden in katholischen Schulen nicht mehr länger gelehrt. Paul VI. bestätigte die Dogmen in seinem Credo, erwähnte aber die Hölle nicht). "Es wäre unbillig, nicht anzuerkennen, daß diese Bewegung - von der ökumenischen Bewegung nicht zu reden - ihren Ursprung in der protestantischen Welt hat... Rom ist gefolgt und unter den kräftigen Impulsen von Johannes XIII. tat es einen mächtigen Sprung nach vorwärts." (S.108).
Folgendes ist ganz klar: Der Ökumenismus ist geboren in Genf mit der Weltkirchenkonferenz. Prominente katholische Priester nahmen im Geheimen Fühlung mit den protestantischen Führern. Die Beziehungen gestalteten sich freundlich. Dies geschah zur Zeit von Pius XII., als Zeuge dient mir ein Buch von Fr. Edward Duff, veröffentlicht 1956: "Das soziale Denken der Weltkirchenkonferenz". Im folgenden Jahre erschien in englischer Sprache Congars Buch "Laien in der Kirche". Es wurde gelesen, obschon von Papst Pius XII. verurteilt. Alle diese Ideen, ökumenische und andere, fanden im Vatikan plötzlich Eingang, als Papst Johannes "die Türe öffnete", und gewannen hier Hochschätzung. Unter Paul VI. wurden sie zu einer Angelegenheit der Politik.
18. ...Zeit für Papst Paul. Bezugnehmend auf die Diem-Affäre (sie war damals aktuell) fährt Marsaudon weiter und sagt. "Papst Paul VI. gestattete es sich nicht, durch Schein irregeführt zu werden. Die grimmige Madame Nhu wurde im Vatikan nicht empfangen; ihr Bruder, Erzbischof von Hue, erhielt keine Audienz..." (S. 112). (Diese Abweisung wurde der Familie Nhu auferlegt kurz nach der Ermordung des katholischen Präsidenten Diem auf Anordnung des Präsidenten Kennedy, des "guten" Katholiken, des Heiligen mancher neuen Katechismen, wo sein Name erscheint neben Jesus, Martin Luther King und Che Guevara. Welch eine verrückte Welt, Nhu wurde ermordet. Sein Weib und ihr Bruder mußten Vietnam in Eile verlassen, und sie wollten nach Rom, dem Herzen des Katholizismus, wohin jeder gute Katholik als zu seinem zweiten Heime gehen möchte). Aber der "Vater" dieses Heimes, so fährt Marsaudon fort, schloß die Türe vor ihren Augen. "Es ist unleugbar", so fährt Marsaudon fort, "daß seit Beginn der zweiten Session des Konzils manche Ideen offenbar wurden und von einer beachtenswerten Mehrheit unterstützt wurden ... Vereinfachung der Messe ... Volkssprache ... Kommunion unter beiden Gestalten ... Kollegialität ... es ist außer rage, daß eine mächtige Vorarbeit geleistet worden war. Der Marsch nach Vorwärts, von Papst Johannes so eifrig gewünscht, geht voran und erntet Triebkraft." (S. 114 f). Auf Seite 119 nennt der Autor einige Theologen, wie Congar und Rahner, deren Werke auf dem, Index standen, und die in Rom unmittelbar nach seiner Wahl von Paul VI. empfangen wurden. Kardinal Ottaviani war natürlich im Feuer. Er nährte noch den naiven Glauben, es existiere seine Hölle! (S.118) und er opponierte im Konklave gegenüber Montini.
19. Die seligen Schwingen der Freiheit. Der Autor macht folgende ehrliche Bemerkung, wie er auf die Verkündigung der "Freiheit des Ausdruckes" zu sprechen kam: "Geboren in unsern Freimaurerlogen hat sie sich nun wundervoll über dem Petersdom ausgebreitet; dies ist in der Tat eine Revolution!..." (S. 121). In Bezug auf den Ökumenismus begeisterte er sich: "Das ist die Revolution von Paul VI. Es ist klar, daß Paul VI. sich nicht damit zufrieden geben konnte, einfach der Politik seines Vorgängers zu folgen, er beabsichtigte in der Tat, viel weiter zu gehen..." (S. 125, 127). Daß dies geschah, bedeutet heute, 1974, eine vollendete Tatsache. "Revolution" bedeutet "Kehrtwendung". Alles wurde während des gegenwärtigen Pontifikates umgedreht, vom Altar zum Priester, der zum "Vorsteher" wird, und die Laien, die zu Priestern gemacht werden; von der Messe, die zum Erinnerungsmahl wurde, zu dem Kalender und zu den Sakramenten. Wie recht hatte doch Marsaudon anno 1964! Er konnte keinesfalls voraussehen oder er erkühnte sich nicht, die Hoffnung zu hegen, daß der Bann gegenüber der Freimaurerei aufgehoben würde. Papst Paul hat diesen Wunsch vorausgenommen: die Aufhebung des Bannes ist nun beschlossen, und der einzige Knoten ist, wie vorgegangen worden ist. Die Lehre von mehr als 10 Päpsten läßt sich nicht leicht umgehen. Es ist wahrscheinlich daß das Problem gelöst wird durch das Fallenlassen der Exkommunikationsklausel im Codex J.C.. Die "ruhige" Art ist ein Charakterzug dieses Pontifikates. Es ist die diplomatische Kunst, eine ganz neue Religion aufzustellen, ohne den Anschein zu erwecken, der alten zu widersprechen. Wir haben das gesehen in der Liturgie: Die neue Messe wurde aufgedrängt durch eine Reihe von zweideutigen und häufig widersprechenden Dekreten, mit einem gelegentlichen Schritt rückwärts vor den folgenden zwei Schritten nach vorwärts; aber nie wurde die Bulle "Quo Primum", die unter der Strafe der Exkommunikation bindet, formell abgeschafft.
20. Schlußfolgerung. Wir sehen nach allem, daß die Freimaurer der katholischen Kirche günstig gesinnt sind. Dieses freundschaftliche Gefühl ist nicht eine Folge der Herzensänderung oder Konversion, im Gegenteil, die Freimaurer haben uns über ihr Endziel nicht im Unklaren gelassen. Warum hat die konziliäre Kirche eine Freimaurer-Politik so gerne angenommen? Ist es christliches, naives oder mißverstandenes Wohlwollen? Oder müssen wir nach bösen Motiven suchen? Es gilt beides. Die Modernisten wollen ihre Auslegung des katholischen Glaubens wahren, aber ihre liberale Philosophie hat die menschliche Weisheit in der Kirche verfressen. Weil alle Liberalen "Vertrauen zum Menschen haben", haben sie es den Feinden der Kirche erlaubt, einzutreten, ohne ihre Absicht, die Kirche zu zerstören, zu beargwöhnen. In ihrem Gedankengang sind es rechtschaffene Leute, die nach gegenseitigem Verständnis verlangen. Die konziliäre Kirche hat die den Freimaurern genehme Politik aus christlichem Wohlwollen heraus angenommen. Aber seitdem die Feinde der Kirche drinnen sind, gelingt ihre Absicht äußerst leicht. Und sie sind nun in der Lage, daß die Beschlüsse des Vatikans bei den Freimaurern die Verfasser haben. Und die Beweggründe sind unheilvoll. Dreizackiger Angriff: von seiten der Marxisten, Zionisten und Freimaurer. Ein weiterer Artikel wird von der Infiltration der Freimaurer in die Kirche handeln.
|