DER HL. BERNHARDIN VON SIENA - ZUM FEST AM 20. MAI
von Heinrich Storm
Bernhardin, aus dem adeligen sienesischem Geschlecht der Albizzeschi, wurde am 8. September 1380 in Massa Maritima, wo sein Vater Bürgermeister war, geboren. Also beginnt die irdische Laufbahn des "Apostels Italiens" im selben Jahr, in dem die der anderen großen Heiligen von Siena, der hl. Katharina, endet.
Beide Eltern Bernhardins verstarben sehr früh und hinterließen ihr Kind Verwandten. Unter diesen übten besonders 2 Frauen, eine Tante und eine Cousine Bernhardins, durch ihre lebendige Religiosität einen nachhaltigen Einfluß auf seine Entwicklung aus. Vielleicht ist es darauf zurückzuführen, daß Bernhardin, nachdem er das vorbereitende allgemeine Studium absolviert hatte, sich der Theologie und dem Kirchenrecht zuwandte.
Der junge Bernhardin wurde allgemein geschätzt und geachtet ob seiner Klugheit, aber mehr noch ob der Frische und Geradheit seines Charakters. "Er war ein Feind jedes Trübsinns, dumpfen Hinbrütens und schlaffer Mutlosigkeit. In seiner Gegenwart vermochte keine Trauerstimmung aufzukommen." Unsittliche und zweideutige Redensarten waren in der Nähe dieses jungen Mannes fehl am Platze. Als ein Unverschämter trotzdem einmal versuchte, Bernhardin mit einer großen Zote herauszufordern, mußte er erfahren, daß dessen Reinheit nicht wehrlos war, denn "kaum hatte er jene Äußerung vernommen, spürte er eine unbändige Lust, dem wüsten Gesellen vor allen Umstehenden das Gesicht zu zerbläuen. Und schon hatte er ihm einen kräftigen Fausthieb unter das Kinn versetzt, daß man den Schlag beinahe auf dem ganzen Platz hörte. Tiefbeschämt suchte der Zotenreißer unter allgemeinem Hohngelächter das Weite." Sicherlich zeigt diese Episode uns Bernhardin noch nicht auf der Höhe der Heiligkeit, sie ist aber ein Beweis für seine ungekünstelte, kraftvolle sittliche Haltung.
Von Jugend an war Bernhardin ein eifriger, kindlicher Verehrer der Allerseligsten Jungfrau. Daher waren für ihn Jungfräulichkeit und Keuschheit Werte, die er nie hoch genug schätzte und denen er nach seinem eigenen Bekenntnis mit stets gleichbleibender Festigkeit anhing. Ebensowenig scheute er Opfer und Sühne. Bereits mit 17 Jahren wurde er auf seinen Antrag hin in die strengste Geißelbruderschaft Sienas aufgenommen, wo er sich mit den anderen Mitgliedern in harter körperlicher und geistiger Entsagung übte. Als im Jahre 1400 die Pest Siena heimsuchte, und im Seuchenhospital der Stadt nicht nur ungezählte Kranke, sondern auch binnen kurzem einen großen Teil der Ärzte, Priester und Pfleger hinwegraffte, sammelte Bernhardin 12 weitere junge Männer um sich und trat mit ihnen in den Dienst der Pestkranken. Vier Monate lang setzte er sich mitten in diesem Chaos von Leid, Tod und Verwesung unter dem letzten Einsatz seiner Kräfte für die Opfer der furchtbaren Gottesgeißel ein. Keine noch so abstoßenden Wunden, kein noch so entsetzlicher Gestank konnte ihn von seinem Liebeswerk abhalten. Wenn ihn auch ein Großteil seiner Verwandten und Bekannten für einen Halbirren ansah, für Bernhardin gab es kein Zögern vor der Frage: "Wer ist denn mein Nächster?" : "Wie könnten wir auf unsere eigene Sicherheit bedacht sein, wenn wir doch mitansehen müssen, wie andere tagtäglich massenhaft dahinsterben...? Wenn wir mitten in dieser Liebestätigkeit starben, entschweben wir zu Gott empor. Bleiben wir aber vom Tod verschont, werden wir all unser Lebtag uns freuen... ."
Vom Tod blieb Bernhardin zwar verschont, nicht aber von einer schweren Krankheit, die ihn - ebenfalls 4 Monate lang - ans Bett fesselte. Für Bernhardin war sie und die ihr folgende Genesungszeit der Anlaß, um die endgültige Lebensberufung zu ringen. Erst jetzt fiel die Entscheidung für den geistlichen Stand. Wenn Bernhardin vorher, wie er später bekannte, sich am liebsten der schönen Literatur widmete und über der Lektüre der hl. Schriften manchmal sogar einschlief, so entdeckte er jetzt erst richtig, die in ihnen verborgenen Schätze und Weisheiten. Er studierte nun auch gründlich die verschiedenen Ordensregeln, um sich nach gewissenhafter Prüfung für den Orden des hl. Franziskus zu entscheiden. Obwohl er hier schon in ein Kloster der observanten Richtung eintrat, die die Regel in ihrer ursprünglichen Strenge, ohne die später durch die Päpste verfügten Milderungen befolgte, war seine Lebensweise als Novize dort immer noch strenger als vorgeschrieben, so "daß sie", wie ein alter Biograph urteilt, "nach dem albernen Urteil der Weltkinder eher dem Benehmen eines Geistesgestörten als dem eines Dieners Gottes glich."
Noch aber hätte niemand in diesem einfachen Mönch den späteren "Apostel Italiens" erkannt, den gewaltigen Künder des Gotteswortes. Im Gegenteil, als er seine erste Predigt halten sollte, war er so aufgeregt, daß "seine Stimme flackerte, seine Beine zitterten und er am ganzen Körper bebte, so daß er von den vorbereiteten Gedanken kein verständliches Wort herausbringen konnte." Auch machte ihm anfangs beim lauten Sprechen eine starke Heiserkeit zu schaffen, die aber eines Tages auf wunderbare Weise vollkommen verschwunden war. Erst jetzt und nach Überwindung der übrigen anfänglichen Schwierigkeiten wurden seine Mitbrüder auf die Redegabe Bernhardins aufmerksam, auf seine "klangvolle Stimme" und "gewaltige Zungenkraft". Er wurde zum Prediger ernannt und gründete 1405 das Observantenkloster Capriola, dessen Guardian er wurde. Von dort aus unternahm er erste Predigtreisen durch die umliegenden Landschaften der Toskana und Umbriens und setzte gleichzeitig seine theologischen Studien fort. Erst allmählich zog er den Kreis seines Wirkungsbereiches weiter, bis er schließlich ganz Italien umfaßte. Von 1417 bis zu seinem Tode reiste er durch die Städte und Fürstentümer Italiens, und es vergingen in diesen langen Jahrzehnten nur wenige Tage, an denen er nicht - oft mehrere Stunden lang - predigte.
Von diesem Italien dem "Acker", auf dem Bernhard den Samen des Gotteswortes ausstreuen wollte, entwerfen die Zeitgenossen ein düsteres Bild. Nach Jahrzehnten kirchlicher Spaltung - es war ja die Zeit nach dem Großen Schisma - und innerer Kriege lag das Land "in einem Sumpf von Lastern. Eine seit langem um sich greifende Verderbnis hatte die von den Heiligen der Vorzeit überkommene Zucht und Sitte ausgehöhlt. Das ganze Streben der Bürger galt der Vermehrung ihres Besitzes. (...) Durch immer höher ansteigende Wucherzinsen wurden riesige Vermögen angehäuft." Alle diese Mißstände griff Bernhardin nun mit unnachsichtiger Schärfe an. Sowenig er sich als junger Mann vor dem Gestank und den Eiterbeulen der Pest gescheut hatte, sowenig fürchtete er nun, den Pesthauch und die eiternden Wunden der Laster beim Namen zu nennen. Er kämpfte gegen die weit verbreitete Spielwut, der viele Männer leichtfertig ihr Vermögen opferten, gegen die übertriebene Putzsucht der Frauen, gegen die betrügerischen Vertragspraktiken vieler Händler, gegen alteingewurzelte abergläubische Bräuche, gegen die Sodomie und andere nicht nur vereinzelt vorkommenden Perversitäten. Sein größtes Anliegen war es aber, die Feindschaften und Parteiungen zu überwinden, die weithin nicht nur Fürstentümer und Städte, nicht nur die Angehörigen verschiedener gesellschaftlicher Schichten, Stadtviertel oder Straßenzüge, sondern sogar die Familien in tödlichem Haß entzweiten, so daß "Italien von gegenseitigen Mordgräueln erfüllt war und von Bruderblut troff." "Zwei Dinge", rief er einmal den Massen zu, "sind es, die ihr noch nicht guelfisch und ghibellinisch (so hießen die Parteien traditionsgemäß) gemacht habt, und vielleicht wäre es gut, wenn ihr sie auch noch dazu machtet. Wißt ihr, was das ist? Brot und Wein! Wenn ihr diese 2 Dinge auch zu Parteiangelegenheiten machtet, würdet ihr nicht mehr essen, nur um nichts mit der Gegenpartei zu tun zu haben."
Das einheitsstiftende Zeichen, unter dem Bernhardin Italien versammeln wollte, war der Name Jesu. Bei seinen Predigten hatte er ständig ein Täfelchen bei sich, auf dem die Initialen JHS in goldenen Lettern und mit einem Strahlenkranz verziert zu sehen waren. Dieses hielt er dem Volk entgegen und rief es auf, statt der Zwietracht stiftenden Parteiabzeichen das Wappen Jesu über ihre Portale zu hängen: "Dies ist euer Abzeichen, dies die Waffe des Gottesvolkes! Dies ist der Name, vielgeliebte Gläubige, und es gibt keinen anderen, in dem ihr selig werden könntet."
Die Wirkung der Predigttätigkeit Bernhardins war ungeheuer. Innerhalb weniger Jahre wurde er zum berühmtesten Prediger Italiens. "Wie Ameisen" drängte sich das Volk unter seiner Kanzel. Unter dem Eindruck seiner Worte bekehrten sich zahlreiche hartnäckige Sünder auf der Stelle und begannen ein neues Leben, nicht selten als Ordensbrüder oder -schwestern. In großen Städten hatten die Priester Mühe, den Massen der Beichtwilligen das Bußsakrament zu spenden, und auch der Meßbesuch und der Empfang der hl. Kommunion nahmen sprunghaft zu. In anderen Städten wurden Spielbretter verbrannt. Geldgier und Betrug gingen wenigstens zeitweilig zurück. Die Zahl der von Bernhardin geweckten Ordensberufe geht hoch in die Tausende. Massenweise wurden in den Städten die Parteiwappen entfernt und an ihre Stelle das Zeichen des Namens Jesu gesetzt. "Wer könnte mühelos berichten, wie viele durch Bruderzwist unheilvoll zerrissenen Städte und Bürgerschaften Bernhardin zu Ruhe, Eintracht und Frieden zurückgeführt hat. Wieviele Zerwürfnisse zwischen Provinzen und Gegenden, in denen Mordgemetzel blutige Greuel angerichtet hatten, hat er beseitigt! Wieviel todbringenden, schonungslosen und unversöhnlichen Haß mit der Wurzel ausgerottet!"
Neben der überaus anstrengenden Predigttätigkeit fand Bernhardin noch Zeit und Kraft zu weiteren Großtaten für das Reich Gottes. Für seinen Orden, den observanten Zweig der Franziskaner, wurde er wie ein 2. Gründer. Mehrfach bekleidete er darin hohe und höchste Ämter. Während bei seinem Eintritt die Observanten nur 130 Mitglieder zählten, die somit wie ein Chronist schreibt, "weißen Raben glichen", waren es bei seinem Tode runde 4000! Mehrfach betätigte sich Bernhardin als Friedensvermittler in kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den italienischen Staaten. Die Union mit den Ostkirchen von Ferrara/Florenz hat er durch die Predigt der Missionare seines Ordens, seiner Schüler, im Osten wesentlich vorbereiten helfen. Auf dem Unionskonzil selbst hielt er an die versammelten Väter eine Ansprache in griechischer Sprache. Blieb ihm aber neben all dieser Tätigkeit noch Muße, so verwandte er sie außer auf das Gebet vor allem auf das Verfassen populärer religiöser Traktate.
Der Erfolg des einfachen Minderbruders und die Macht seiner Predigt brachten es mit sich, daß nicht wenige Neider - leider meist Angehörige anderer Ordensfamilien - gegen ihn aufstanden und ihn mit ihrer Feindschaft verfolgten. Mehrmals wurde Bernhardin, vor allem wegen der damals ungewohnten Namen-Jesu-Verehrung, unter dem Vorwand der Häresie angeklagt. In einer dieser Anklageschriften heißt es etwa: "In den Gegenden Italiens ist ein Idiot und Seelenverführer aufgestanden, Bruder Bernhardin von Siena aus dem Orden der Kinderbrüder, der mit seinen Täuschungskünsten und neuen Lehren, vor allem über einen von ihm neulich aufgebrachten Namen Jesu die Seelen der einfachen Gläubigen hinter das Licht führt und nur ein paar Predigten auswendig kann". Zweimal mußte Bernhardin sich in Rom vor dem Papst verantworten, und beide Male wurde er glänzend gerechtfertigt. Von dem Bericht der Untersuchungskommission im Jahre 1426 heißt es: "Sie fanden in ihm nur lautere Herzenseinfalt, höchste Klugheit und vollkommene Rechtgläubigkeit." Oft wandelte sich unter dem bloßen Eindruck seiner Persönlichkeit Feindschaft in Anhänglichkeit. Bernhardin berichtet selbst über das, was er in Rom vor dem 1. Prozeß erlebte: "Über die Vorgänge in Rom will ich schweigen, kein weiteres Wort darüber, das sogleich nach meiner Ankunft der eine mich gerne gebraten, der andere geröstet gesehen hätte. Dann aber, als sie meine Predigten gehört hatten, weh dem, der ein Wort gegen mich fallen ließ!" Niemals wurde Bernhardin durch ungerechte Anfeindungen verbittert. "Wenn ich meine Zelle betrete," hat er einmal gesagt, "lasse ich alle Beleidigungen und Kränkungen, die mir widerfuhren, vor der Tür draußen, so können sie mich auch nicht stören oder belästigen."
Die Verkündigung und Auslegung des Gotteswortes blieb Bernhardins Hauptaufgabe bis in seine letzten Lebenstage. Obwohl körperlich schon sehr geschwächt, brach er im Frühjahr 1444 noch einmal zu einer Predigtreise ins Königreich Neapel auf. Mitte Mai hielt er die letzte seiner ungezählten Predigten. Wenige Tage später, am 20. Mai 1444 gab er in der Stadt Aquila, mit kreuzförmig ausgebreiteten Armen auf dem nackten Zellenboden liegend, seinen Geist in Gottes Hand zurück. Es wird berichtet, daß um die Stunde seines Hinscheidens die Brüder im Chor gerade die Antiphon anstimmten: "Vater, ich habe Deinen Namen denen geoffenbart, die Du mir gegeben hast. Jetzt bitte ich für sie - nicht für die Welt bitte ich, denn ich komme zu Dir. Alleluja!"
Au die Frage, was denn die ungeheure Wirksamkeit von Wort und Auftreten des heiligen Bernhardin ausmachte, müßte man als Antwort schon bei der äußeren Erscheinung des Heiligen beginnen. "Seine ganze Gestalt" , heißt es, "strahlte einen gewissen Liebreiz aus und weckte im Betrachter ein Gefühl der Ehrfurcht." Im Gegensatz zur monotonen Vortragsweise vieler anderer Prediger seiner Zeit verstand er es, in schlichter kraftvoller Sprache die Herzen seiner Zuhörer für sich zu gewinnen. "So groß war die Kraft der Wortverkündigung, die von den Lippen des Gottesmannes ausging, daß seine Worte, Brandpfeilen vergleichbar, selbst die härtesten Herzen der Zuhörer zu erweichen und bis ins Innerste heilsam zu verwunden vermochten." Diese Wirkung ist nicht zu erklären ohne den Eindruck unbedingter Glaubwürdigkeit, die von der Erscheinung des Gottesmannes ausging und keine Trennung zwischen Wort und Tat zuließ. Die schönen bildreichen Vergleiche, die er für das Ideal des Predigers geprägt hat, lassen sich wohl auf niemanden besser als auf ihn selbst anwenden: "Der Prediger muß sein wie ein Schaf, das zuerst trächtig wird und dann reichlich Milch liefert, wie die Muschel, die sich zuerst füllt und dann nach außen ergießt, wie der Spiegel, der fremde Flecken zeigt und sich nicht selbst befleckt. Die Prediger dürfen nicht sein wie die Mistkäfer, die in der Höhe fliegen, hernach sich aber im Kot wälzen, nicht wie die Sänger und Spielleute, welche die Heldentaten der Krieger verherrlichen, selbst aber keine vollbringen."
Bernhardin war gezeichnet von einer großen Bescheidenheit. Die Woge der Begeisterung und Verehrung für seine Person ertrug er eher wie eine Strafe als wie eine Wohltat und von seinen theologischen Kenntnissen sagte er einmal, er glaube von der Wissenschaft nach jahrzehntelangem Studium weniger denn je zu verstehen. Seiner demütigen Selbstverleugnung fehlte aber nicht das lächelnde Antlitz echt franziskanischer Heiterkeit. Eine Episode gegen Ende seines Lebens mag das verdeutlichen: Gefragt, ob er eine Stadt lieber zu Fuß oder beritten verlassen wollte, antwortete er: "Natürlich als Reiter. Wenn ich nämlich zu Fuß auszöge, würde man mir nur ein Grad Ehre antun. Ziehe ich dagegen als Reitersmann los, wird man mir stets deren 10 erweisen. Finde ich also größere Ehre wenn ich reite, so ist das ausschließlich das Verdienst meines Esels. Daraus geht deutlich hervor, wie groß der Adel meines Grauchens ist, wird mir doch seinetwegen größere Ehre und Ansehen zuteil.
Die tiefste Quelle, aus der Bernhardin lebte und wirkte, war zweifellos seine innige Gottesliebe. Daher versuchte er auch seinen Zuhörern in schlichten Vergleichen klar zu machen, daß die tiefste Erkenntnis in der tätigen Liebe besteht. "Wie kann man eine Frau, die ihren Gatten liebt, unterscheiden von einer, die ihn nicht liebt? (...) Durch die Erkenntnis, die von der Liebe herrührt. Diejenige, die ihren Gatten liebt, weiß, was ihn schmerzt, sobald sie ihn sieht, im Moment eines Augenaufschlages; sorgt für das, was er braucht, und glaubt, was er sagt... So ist es auch mit Gott. Ein Mensch kennt Gott in dem Maße als er ihn liebt." Wenn Bernhardin den Zugang zum Herzen seiner Zuhörer fand, dann deswegen, weil er seine Herde tief und aufrichtig liebte, und ihr diese Liebe mitzuteilen, sie daran zu entzünden wußte. Die Menschen sollten sich als Geliebte und Erlöste erkennen und in dieser Erkenntnis selbst zu Gefäßen der Liebe werden: Gott liebt eine Seele mehr als alle Kirchen der Welt. Christus wäre auf die Erde gekommen und hätte sein Leben hingegeben, (...) um eine einzige Seele zu retten." Und von daher die Aufforderung: "Wenn ihr von Gott sprecht, sprecht mit Liebe. Wenn ihr von euch selbst sprecht, sprecht mit Liebe. Seht doch zu, daß in euren Herzen nichts ist als Liebe, Liebe, Liebe."
Dieser kurze Bericht über das Leben und Werk des heiligen Bernhardin von Siena soll darum abschließen mit einem seiner ergreifenden Mahn- und Trostworte über die Ewigkeit der Liebe:
"Wenn wir dort drüben im Paradies sind - möge Gott uns die Gnade gewähren - wird die einzige Tugend, die uns begleitet, die Liebe sein. Wir werden kein gläubiges Vertrauen auf die göttlichen Dinge mehr brauchen, denn wir werden sie von Angesicht zu Angesicht schauen, und wir brauchen nicht mehr zu hoffen auf die nie gescheuten Dinge, weil wir all das erhalten haben werden, worauf wir gehofft haben. Aber die Liebe wird selbst im Paradiese bei uns bleiben."
Literatur: L. Schläpfer, Das Leben des hl. Bernhardin von Siena (Düsseldorf 1965). P. Bargellini, Bernhardin. Der Rufer von Siena (Freiburg 1937). Iris Origo, The World of San Bernardino (New York 1962).
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