WERDET MÄNNER, WERDET FRAUEN !
(Ehe, Familie und Erziehung - 5. Fortsetzung)
von Dr.theol. Otto Katzer
"So schuf Gott den Menschen als Sein Abbild. Als Gottes Abbild schuf Er ihn. Er schuf sie als Mann und Frau." (Genesis 1,27)
Alte Meister des geistigen Lebens verglichen gerne die Welt mit einem großen Theater, auf dessen Bühne wir zu spielen haben, während von einer Seite Gott und Seine Engel zuschauen, von der anderen der Teufel mit seinen Dienern. Bei einem Schauspiel kommt es zuletzt nicht darauf an, welche Rolle wir spielen, sondern wie wir sie spielen. Um korrekt zu spielen, ist eine vollkommene Kenntnis der Rolle notwendig, wie auch eine entsprechende Vorbereitung. Dann wird selbst die Rolle eines verachteten Bettlers, der in Elend sein Leben endet und vor dem sich ein jeder zurückzieht, in Wirklichkeit bezaubernd sein und dem Vorführenden donnernden Applaus bringen. So ähnlich verhält es sich im Leben der Heiligen. Von vielen unter ihnen könnte man mit den Worten des Buches der Weisheit sagen:
"Nach dem Urteil der Toren schienen sie tot zu sein, und ihr Dahingang wurde für ein Unglück gehalten und ihr Scheiden von uns für Vernichtung. Sie aber sind im Frieden. Denn wenn sie auch nach Ansicht der Menschen geplagt wurden, so war doch ihre Hoffnung der Unsterblichkeit voll. Und nach geringer Züchtigung werden sie große Wohltaten erfahren, denn Gott hat sie nur geprüft und fand sie Seiner würdig. Wie Gold im Schmelztiegel hat er sie erprobt, und wie die Gabe eines Ganzopfers nahm er sie an. Und zur Zeit ihrer Heimsuchung werden sie aufleuchten und wie Funken durch das Rohrgestrüpp fahren. Sie werden Völker richten und Nationen beherrschen, und ihr König wird der Herr sein auf ewig." (1)
Ist es denn von Bedeutung, ob einer die Rolle eines Mannes oder einer Frau zu spielen hat? Als Schauspieler sind sie, was den objektiven Wert anbelangt, vollkommen gleich, der einzige Unterschied besteht darin, wie weit sie sich in ihre Aufgabe eingelebt haben und wie diese von ihnen vorgetragen wird. Lebensaufgabe unser aller ist es, Christus in uns loben zu lassen , mit dem wir ja auf eine sakramentale Art eins geworden sind. "Denn durch den Glauben - so ermahnt uns der heilige Paulus - seid ihr alle Kinder Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Da gilt nicht mehr Jude oder Heide, nicht mehr Knecht oder Freier, nicht mehr Mann oder Weib. Denn ihr seid alle einer in Christus Jesus." (2) Der Mann, wie auch die Frau haben dasselbe Ziel, Gott in sich zu preisen. Eine gut geordnete Liebe beginnt bei sich selbst, das heißt, wir müssen die uns von Gott anvertrauten Werte, leibliche und seelische, natürliche und übernatürliche zur Kenntnis nehmen, wie auch ihre Besonderheiten und Bestimmung. Nie dürfen wir vergessen, daß eine Verschiedenartigkeit die Gleichwertigkeit nicht ausschließt und daß Mann und Frau für ihre spezifischen Aufgaben beide vollkommen ausgestattet sind. Es wäre unsinnig, wollten alle Schauspieler dieselbe Rolle spielen: Solch ein Spiel wäre eine Narrheit. Ein wahrer Mann wird nie eine echte Frau unterschätzen, noch eine wahre Frau einen echten Mann. Anders verhält es sich aber bei einem Weichling oder einem Mannweib, derer die Welt heute überfüllt zu sein scheint. Der Mann wie die Frau können Befriedigung nur in der eigenen Natur finden, wie auch das die eigene Person betreffende Wertbewußtsein. Ein Mannweib muß aber immer mit Minderwertigkeitskomplexen zu rechen haben und wird zuletzt nicht nur den anderen, sondern in erster Linie sich selber zur Last.
Häufig hören wir, daß im Leben des Mannes die Vernunft überwiegt, als ob dies etwas Erhabeneres wäre, während im Leben der Frau die Liebe, in unterschätzender Bedeutung genommen. Dazu müssen wir jedoch sagen, daß der Wert der Liebe größer ist als alles andere, wie auch daß eine lieblose Vernunft genau so wertlos ist wie eine vernunftlose Liebe.
Im Leben des Mannes liegt die Betonung auf der aktiven Seite seiner Person, im Leben der Frau auf der passiven, jedoch müssen wir zugleich bemerken, daß beide Seiten für das Leben notwendig sind: der Mann soll es ermöglichen, die Frau soll es gebären. Das letzte Ziel der Eheleute ist aber, wie wir soeben gesagt haben: Gott im Menschen zu loben. Nur die Art der Verwirklichung ist der spezifischen Sendung gemäß verschieden.
"Der christlichen Lehre entsprechend ist der mit einer sozialen Natur ausgestattete Mensch in die Welt gestellt worden, damit er, ein von Gott geordnetes gesellschaftliches Leben führend, alle seine Fähigkeiten Gott zu Lob und Preis voll entwickle und zur Vervollkommnung bringe, und indem er getreu der Ausübung seines Berufes nachgeht, sein zeitliches und ewiges Glück erlange." (3)
Das Zeichen unseres Glaubens ist das heilige Kreuz. Dieses besteht aus zwei Balken, einem vertikalen und einem horizontalen. Der vertikale erinnert uns an die Verpflichtung des Menschen Gott gegenüber gerecht zu sein, wie auch in die der gesamten Schöpfung ihrem Schöpfer gegenüber. Der horizontale weist auf die Verpflichtung der Menschen, der Schöpfung gegenüber gerecht zu sein. Das ist aber unmöglich, wenn wir nicht zuerst Gott gegenüber gerecht sind. Es ist ein verhängnisvoller Irrtum zu glauben, daß es möglich sei, ein geregeltes Leben zu führen , ohne Gott gegenüber gerecht zu sein. Wenn wir von Gott sprechen, dann haben wir aber nicht den abstrakten Gott der Philosophen vor den Augen sondern den konkreten Gott, der im allerheiligsten Altarssakrament unter uns gegenwärtig ist. Der Mensch hat nicht nur das Atom zertrümmert; aber indem er den konkreten Gott verlassen hat, hat er auch die Staaten, Völker, Familien und zuletzt sich selber gespalten, so daß er nun mit einer gespaltenen Seele ohne Möglichkeit herumläuft, für sie irgendwo den wahren Frieden zu finden. Wenn diese Bruchstücke wieder gesammelt werden sollen, muß zuerst der gemeinsame Nenner gefunden werden. Alle die verschiedenen -ismen haben sich als unfähig dazu erwiesen, der Humanismus am meisten, weil sie alle nicht auf Gott bauen! "In keinem anderen ist Heil; denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir Heil erlangen sollen." (4)
Sowohl der Mann, als auch die Frau weisen einen Mangel an menschlichem Werte auf, welcher nur durch ein Eheleben behoben werden kann, sonst nur noch im Gottesdienst oder im Dienste der Menschheit für Gott. Normalerweise bedarf der Mann der Frau wie diese des Mannes, um ein vollendetes menschliches Wesen zu werden, wie beide zuletzt in Gott verankert sein müssen. So mahnt der Heiland: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt viele Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun." (5) Dazu bemerkt der hl. Paulus: "Alles vermag ich in dem, der mich stärkt," (6) Deshalb:
"Denke an deinen Schöpfer in den Tagen deiner Jugendzeit, solange nicht kommen die Tage des Übels und herantreten die Tage, von denen Du sprichst: "Sie gefallen mir nicht!" Solange sich nicht verdunkelt die Sonne und das Licht und der Mond und die Sterne, indem nach dem Regen die Wolken zurückkehren. Dann wenn erschüttert worden die Wächter des Hauses, gekrümmt die Männer der Kraft ... Denn es geht der Mensch ins Haus seiner Ewigkeit, und es ziehen auf der Straße die Klageleute ... Solange nicht zerreißt der silberne Strang und die goldene Schale zerbricht; und zerschellt der Krug an der Quelle und in Brüche geht das Rad in den Brunnen, und zurückkehrt der Staub zur Erde, was er ist, und der Geist zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben hat." (7)
Wer ist nun ein Mann?
Ich habe euch geschrieben, ihr Jünglinge, weil ihr stark seid, das Wort Gottes in euch verbleibt und ihr den Bösen überwunden habt!" (8) Mit diesen Worten zeichnet der hl. Johannes den Charakter eines jungen Mannes.
Das Kind, ein Knabe wie auch ein Mädchen, leben in einer Welt von Träumen, und diese ist für sie eine Wirklichkeit. Es kommt aber die Zeit, in welcher der Jüngling ganz anderen Sachen nachzustreben beginnt als das Mädchen. Während es meistens in seiner "Traumwelt" verbleibt und diese auch später nicht verläßt, so daß Wilhelm Schmidt von der Frau als von einem über die Zeit hinübergerettem Kinde sprechen muß, muß der Jüngling sich in eine ganz andere "Wirklichkeit" versenken, die gewissermaßen weniger real ist als die des Kindes. Ganz bestimmt ist diese "Wirklichkeit" aber weniger ideal als die Welt des Kindes, weil sie meistens nicht aus dem Geiste der Liebe lebt und deshalb nicht jene Eigenschaften aufweist, welche allein imstande sind, den Menschen glücklich zu machen: das Gute, Wahre und Schöne! In dem Ausmaße, in welchem die Welt diese nicht aufweist, ist sie irreal; unwirklich.
Die verträumte Welt des Kindes ist so viel wirklicher, weil Gott viel, viel näher! So können wir unseren Heiland verstehen, wie Er ein Kind herbeirief, es mitten unter die Apostel stellte und sprach: "Wahrlich, ich sage euch: wenn ihr euch nicht bekehrt und nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr in das Himmelreich nicht eingehen." (9)
Ach wie gut ist es nur, wenn das Mädchen auch später als Frau in dieser Welt verbleibt. Selbst ein harter Nietzsche muß schreiben: "Unterschätzen wir auch die flacheren, lustigen, lachsüchtigen Weiber nicht, sie sind da zu erheitern, es ist viel zu viel Ernst in der Welt!" (10) Wie oft benötigt ein Mann gerade solch ein Frauenkind, welches ihn aufmuntern kann, wenn er von den Monstra der unwirklichen "wirklichen" Welt angeekelt ist, genauso wie ein staubbedeckter Garten vom kühlenden Regen erfrischt wird.
Die Pubertät ist hauptsächlich bei dem Jungen eine Zeit des Kampfes zwischen zwei Welten, der Übergang von der Traumwelt des Kindes in die unwirkliche "wirkliche" Welt, wobei die Seele in eine Verwirrung gestürzt wird, von welcher er sich selbst noch im reifen Alter nicht ganz befreien kann. In jedem erwachsenen Mann ist irgendwo ein Don Quijote verborgen. Die verträumte Seele des Kindes, welche mehr im Reiche der Liebe Gottes lebte, soll selbst schöpferisch werden und in die unwirkliche "Wirklichkeit" der Welt, die wahre Wirklichkeit des Reiches Gottes, das Gute, Wahre und Schöne, hineintragen.
Wie viele Möglichkeiten zeigen sich dem erstaunten Blicke des Jünglings, wie viele Aufgaben bieten sich ihm an, oder er sucht sie selbst, ja nicht zuletzt werden sie ihm von Gott gegeben! Nur das eine ist notwendig: Aufrichtigkeit, d.i. daß er das sei, was er sein soll. Erregt und im vollen Besitz seiner jugendlichen Kraft macht er sich an die Arbeit.
Leider ließ die moderne mechanistische Welt das Feld der Höflichkeiten für die meisten jungen Leute derartig zusammenschrumpfen, daß da kaum mehr Platz für ein schöpferisches Wirken übrigbleibt, ja dieses sogar verkommen läßt. Die moderne Welt fordert mehr eine physische Kraft und berechnende Schlauheit als eine unabhängige, konzentrierte, schöpferische Kraft. Deshalb gerät so mancher junge Mann auf Irrwege. Und doch soll der Mann "Gottes Ebenbild und Abglanz" sein (11). Er ist ein Kind des Schöpfers und eine geheimnisvolle Macht zwingt ihn, seine Würde in der Welt zum Ausdruck zu bringen. Bei Vergil lesen wir: "Flectere si nequeo Superos Acheronta movebo", d.i. "Wenn ich nicht die Götter erweichen kann, werde ich die Hölle in Aufruhr bringen". (12) Gelingt es ihm nämlich nicht, sein Ziel zu erreichen, oder wird er daran gehindert, ist er in seiner moralischen Existenz auf das äußerste gefährdet, und wenn es ihm nicht gelingen will, positiv auf das Geschehen der Welt einzuwirken, erreicht er es leicht im Negativen. Eine jugendliche Kraft kann schon die Unterwelt in Bewegung bringen. Beweise brauchen wir nicht allzu lange zu suchen:
Es ist heute sehr schwer für einen jungen Mann, Mann zu werden. Seine von allen möglichen Enttäuschungen genährte Sentimentalität treibt ihn leider sehr oft verschiedenen Leidenschaften in die Arme, welche ihn gerne überzeugen möchten, oder wie er es sich selbst einredet, daß er doch ein Mann ist. Diese untergraben aber seine Kräfte sosehr, daß er nicht mehr imstande ist, eine mannhafte Tat zu leisten, wenn sich zuletzt dennoch eine Höflichkeit dazu bietet.
Wie oft sehen wir, wie so mancher junge Mann in der Ehe den "Herrn" spielen will, während er außerhalb nur ein jämmerlicher Sklave seiner Leidenschaften und der Umwelt ist.
Sklaverei ist das, was der Natur des Mannes am meisten entgegengesetzt ist; die ärgste Sklaverei aber ist es, Sklave seiner selbst zu sein. Leichter ist es, sich gegen die Welt und den Teufel zu verteidigen, da sie nicht so eng mit uns verbunden sind wie die Seele mit dem Leibe. Gelingt es aber einem Manne nicht, das in sich zu unterdrücken, was Gott entgegengesetzt ist, so ist er unfähig, sich der Welt und dem Teufel zu widersetzen. In einem Brief an Eckermann schreibt Goethe, daß für die meisten Menschen selbst die Wissenschaft nur insoweit von Bedeutung ist, als sie von ihr leben können und daß sie bereit sind, selbst einen Irrtum zu verteidigen, wenn ihre Existenz davon abhängig ist. Das ist ein Zeichen, wie der Geist der Servilität selbst "hochstehende" Persönlichkeiten ergreifen kann.
Je mehr man Sklave anderer ist, umso mehr sehnt man sich danach, andere zu versklaven, und im Familienleben bieten sich dazu viele Gelegenheiten. Wenn es nun nicht leicht ist, ein tugendhaftes Leben in erfolgreichen Zeiten zu führen, umso schwieriger wird es in unruhigen sein. Mehr denn je muß der Mann sich seiner Unvollkommenheiten bewußt werden und den Himmel um Licht und Kraft bitten, ohne welche es ihm nicht möglich sein kann, seine erwünschte Welt aufzubauen.
Eine französische Sage erzählt von einem König, der ein Schloß, wo er bis jetzt gewohnt hatte, verließ, um in ein anderes zu übersiedeln. Deshalb nahm er alle seine Schätze mit, Perlen und Edelsteine, viele Wagen voll. Es ereignete sich aber auf dem Wege, daß ein Rad eines Wagens brach und der Wagen umkippte, wobei sich die Schätze über die Wiese verstreuten. Die Diener ersuchten den König, dem es an den Schätzen nicht gelegen war, um die Erlaubnis, sie für sich klauben zu können. Der König willigte ein. Mit gieriger Hast stürzten sich die Diener auf die Wiese, ein jeder versuchte so viel wie nur möglich für sich zu gewinnen. Der König aber ging traurig weiter, da er sah, wie seine Diener ihm ihre Liebe nur vorgeheuchelt hatten und seine Schätze mehr als ihn liebten, weshalb sie sich so leicht von ihm trennten und sich um ihn nicht mehr kümmerten. Nach einer Zeit hörte er leichte Schritte hinter sich. Er wandte sich um und sah einen Edelknaben. Seine Augen leuchteten, seine Wangen glühten; er war wohl bei den letzten Wagen gewesen und lief, so schnell er konnte, seinem König nach. Um die Schätze kümmerte er sich nicht. Erstaunt sah ihn der König an und fragte; "Und du, sammelst du keine Edelsteine?" Da richtet sich der Junge empor und antwortet stolz: "Ich, ich folge meinem König!"
Wieviele junge Männer werden sich beim Anblick auf so viele in der Welt verstreute Schätze dessen bewußt, daß es noch einen König gibt, einen mit Dornen gekrönten König, auf dessen Schultern ein schweres Kreuz liegt? Wie wenige von ihnen entscheiden sich nun, Ihm auf dem harten, steilen und steinigen Weg nachzufolgen, wodurch allein sie aber die notwendige Kraft erlangen können, die Welt zu verwandeln, wenigstens jene, die in ihrem Bereiche ist!
(Fortsetzung folgt) Literatur:
(1) Weisheit 3, 2-8. (2) Gal. 3, 26-28. (3) Quadragesimo anno, Benz. 2270. (4) Apostg. 4, 12. (5) Johannes 15, 5. (6) Pihilip. 4, 13. (7) Prediger 12, 1-7. (8) 1 Joh 2, 14. (9) Matth. 18, 2-3. (10) Nietzsche, Unschuld des Werdens, Nr. 872. (11) 1 Kor 11, 7. (12) Vergil, Aen. VII, 312.
|