EHE, FAMILIE UND ERZIEHUNG
- 16. Fortsetzung
von H.H. Dr. theol. Otto Katzer
Die heilige Schrift: Die Geschichte des Alten Testamentes hat uns vieles zu sagen, weil es unsere Geschichte ist, die Geschichte der Familie des Herrn, woran wir erkennen, inwieweit wir unseren Verpflichtungen nachgekommen sind und die Gebote beobachtet haben.
Als Moses Abschied von seinem Volke nahm, legte er ihm noch einmal das Gesetz an's Herz: "Lauft nicht fremden Göttern nach, den Göttern der Heiden, die rings um euch wohnen! Denn der Herr, Dein Gott, ist ein eifernder Gott gegen Dich. Es möchte sonst der Herr, Dein Gott, von grimmigem Zorn gegen Dich erfaßt werden, und Dich von der Erde vertilgen (...). Beobachtet sorgfältig die Gebote, Anordnungen und Gesetze des Herrn, Eures Gottes, die er Euch gegeben hat! Tue, was gut und gerecht ist in den Augen des Herrn, damit es Dir wohl ergeht!" (1) "Wenn du dem Herrn, deinem Gotte, getreulich gehorchest und alle seine Gebote, die ich dir heute gebe, gewissenhaft beobachtest, so wird der Herr, dein Gott, dich über alle Völker der Erde erheben. Alle, die folgenden Segnungen werden über dich kommen und bei dir eintreffen, wenn du dem Herrn, deinem Gott, gehorchst.
Gesegnet wirst du sein in der Stadt und gesegnet auf dem Felde. Gesegnet wird sein die Frucht deines Leibes, die Frucht deines Ackers, die Frucht deines Viehes, der Wurf deiner Rinder und die Tracht deiner Schafe. Gesegnet wird dein Erntekorn und dein Backtrog. Gesegnet wirst du sein bei deiner Ankunft und gesegnet bei deinem Weggang. Der Herr wird deine Feinde, die sich gegen dich erheben, vor dir niederstrecken. Auf einem Wege ziehen sie gegen dich, doch auf sieben Wegen fliehen sie vor dir (...).
Wenn du aber dem Herrn, deinem Gotte, nicht gehorchst und all seine Gebote und Satzungen, die ich dir heute gebe, nicht gewissenhaft befolgst, so werden alle folgenden Flüche über dich kommen und dich treffen: Verflucht wird sein dein Erntekorb und dein Backtrog. Verflucht wird sein die Frucht deines Leibes, die Frucht deines Ackers, der Wurf deiner Rinder und die Tracht deiner Schafe. Verflucht wirst du sein bei deiner Ankunft und verflucht bei deinem Weggang. Der Herr wird Fluch und Verwirrung und Schrecken schicken bei allen Arbeiten, die du unternimmst, bis in kurzer Zeit du ganz zugrunde gegangen bist ob deiner bösen Taten, durch die du den Abfall von mir vollzogen hast (...). Der Herr wird dich vor deinen Feinden niederstrecken. Auf einem Wege ziehst du gegen sie, doch auf sieben Wegen wirst du vor ihnen fliehen" (2)
Es ist höchste Zeit, mit dem wahren Gottesdienst zu beginnen! Jenem wahren Gott zu dienen, der auf unseren Altären auf uns wartet. Es wird sich nicht notwendig sein zu betonen, daß von der genauen Beobachtung der Anordnungen Gottes unser zeitliches und einmal ewiges Glück abhängig ist! "Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, wird in das Himmelreich eingehen!" (3)
Die Lage Israels in Palästina war die eines Getreidekörnchens zwischen zwei Mühlsteinen. Im Norden Assyrien und Babylonien, im Süden Ägypten und Äthopien. Beide Großmächte strebten danach, Palästina zu besitzen, da es eine .Brücke zwischen Ihnen war. Solange Israel den Geboten Gottes entsprechend lebte, hatte es nichts zu befürchten:, selbst von den stärksten Feinden nicht. In dem Augenblick aber, in welchem es Gott verließ und mehr der menschlichen Klugheit und Weisheit vertraute, mußte es die traurigen Folgen tragen. Umsonst warnten die Propheten den König und das Volk. Man hörte nicht auf sie, und das Volk samt ihren Führern ging seine eigenen Wege, bis das Unglück herannahte. Dann aber gedachten sie des Herrn und riefen: "Herr, komme uns zu helfen!" Sie mußten jedoch das Gericht Gottes und die Strafe vernehmen:
"Hat dir das nicht angetan, dein Abfall vom Herrn; deinem Gott...? Was soll jetzt dein Laufen nach Ägypten, um Schichorwasser zu trinken? Und was dein Laufen nach Assur, um Euphratwasser zu trinken? Deine Bosheit züchtigt dich, und dein Abfall straft dich. Hab Verstand und sieh, wie bitterböse es ist, daß du Gott, deinen Herrn verließest und keine Furcht vor mir besaßest (...).
Von jeher hast du dein Joch zerbrochen und deine Stricke zerrissen, indem du sprachst: Ich mag nicht Knecht sein! (...) Ja, sie kehren mir den Rücken zu und nicht das Gesicht, Aber geht's ihnen schlecht, so rufen sie: Auf, hilf uns! Aber wo sind deine Götter, die du dir selbst gemacht hast? Sie sollen sich erheben, wenn sie dir helfen können, wann du in Not bist! (4)
Jede Unordnung, sowohl im individuellen als auch im Familienleben, ist das Ergebnis des Ungehorsams gegenüber Gott. Es ist sicher, daß ein gewissenhafteres Erforschen des Gewissens uns sehr gut tun würde. Wir dürfen nicht sagen, daß das Alte Testament seine Sendung allein in der Vergangenheit hatte, und daß es uns heute nichts mehr zu sagen hat. Es ist für uns heute von derselben Bedeutung, wie sie in der Vergangenheit hatte. Deshalb bemerkt der hl. Paulus: "Dies alles, was ihnen widerfuhr, war vorbildlich. Es wurde zur Warnung für uns niedergeschrieben, die wir die Vollendung der Zeiten erleben!" (5), und der hl. Petrus: "Damit ihr eingedenk seid der Worte, die die heiligen Propheten verkündigt, sowie des Gebotes des Herrn und Heilandes, das ihr von den Aposteln erhalten habt." (6)
"Wer den Herrn fürchtet, nimmt seine Lehre an, und die bei ihm wachen, werden den Segen finden. Wer nach dem Gesetze strebt, wird seinen Frieden darin finden. Aber wer mit List handelt, wird sich daran stoßen. Die den Herrn fürchten, werden finden, was recht ist, und die Gerechtigkeit wie ein Licht leuchten lassen." (7)
Wir brauchen keine Angst zu haben, daß uns die Heilige Schrift betrügen werde, oder daß wir nicht die Hilfe finden werden, welche wir von ihr erwarten, denn: "Alle Worte Gottes sind feurig, ein Schild denen, die auf ihn bauen!" (8) "Welcher Mensch kennt das Innere des Menschen außer dem Geist, der im Menschen ist? Ebenso kennt auch niemand das Innere Gottes als nur der Geist Gottes. Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, damit wir erkennen, was uns Gott geschenkt hat. Und das verkünden wir auch, freilich nicht in Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern wie der Geist sie lehrt, und bieten so Geistesmenschen Geistiges dar." (9) Allerdings wird dieser Weg lächerlich für die, welche dem Geist der Welt entsprechend leben; sie müssen jedoch erwarten, daß die Früchte der Vergänglichkeit der Welt entsprechend sein werden.
Bevor wir mit der Lesung der Heiligen Schrift beginnen, ist es unbedingt notwendig, den Heiligen Geist um Erleuchtung zu bitten. Der hl. Augustinus sagt: "So tief sind die Schriften der Christen, daß ich jeden Tag fortschreiten müßte, sollte ich mich bemühen, von meiner Kindheit an bis zum Greisenalter in tiefstem Schweigen, mit höchster Anstrengung, bester Begabung sie zu verstehen, in welchen der Höhepunkt der Weisheit enthalten ist. Jene aber, welche eifrig mit Scharfsinn und Leidenschaft nach dem Wissen streben, müssen erfahren, was die Heilige Schrift an einer Stelle spricht: "Wenn der Mensch am Ende ist, beginnt er erst!" d.i., wenn der Mensch glaubt, daß er die Schrift versteht, er erkennen muß, daß er sich erst am Anfang seiner Studien befindet. - Da gibt es die Philosophie, weil die letzte Ursache aller erschaffenen Dinge sich in Gott befindet. Da gibt es die Ethik, weil ein gutes und ehrbares Leben nur dann geformt werden kann, wenn das geliebt wird, was geliebt werden soll, das ist Gott und der Nächste. Da gibt es die Logik, weil darin die Wahrheit und das Licht der vernünftigen Seele Gott allein ist. Darin mehr als anderswo liegt das Gedeihen des Reiches, denn die Gesellschaft kann nicht besser geschützt werden als durch das Band des Glaubens und die feste Eintracht, da das gemeinsame Gut geliebt wird, das höchste und wahrhaftigste Gut aber ist Gott!" (10)
"Die Sprache der Schrift lacht ob ihrer Erhabenheit über den Stolzen, durch ihre Tiefe erfüllt sie mit Staunen alle die, die ihr ergeben sind, mit ihrer Kraft befriedigt sie die Großen, und durch ihre Einfachheit die Kleinen." (11) "Was ein Mensch anderswo erkannte, wenn es schädlich ist, hier findet er es schon verdammt, wenn nützlich, hier ist es zu finden. Hier wird ein jeder das finden, was er mit Gewinn anderswo gefunden hat, ja er wird 'hier, sogar reichlicher, das finden, was er anderswo nicht finden konnte." (12) "Die Heilige Schrift wird wie ein Spiegel vor die Seele gestellt, so daß wir (auch) unser inneres Antlitz sehen können: hier sehen wir, was ekelhaft ist und was schön ist, hier werden wir uns überzeugen, ob wir Fortschritte machen, wie weit wir vom wahren geistigen Fortschritt entfernt sind!" (13) In der Heiligen Schrift wird der Vater und die Mutter ihr Vorbild finden, die Kinder ihre Belehrung. Daß dies einer Anleitung von seiten des Seelenführers bedarf, wird wohl nicht notwendig sein, besonders zu betonen! Für die ganze Heilige Schrift gelten die Worte der Geheimen Offenbarung: "Selig, wer die prophetischen Worte liest und hört, und wer beachtet, was darin geschrieben steht!" (14)
Anmerkungen: (1) Deut. 6,14-17. (2) Deut. 28. (3) Matth. 7,21. (4) Jerem. 2,17-19; 27-28. (5) 1 Kor. 10,11. (6) 2 Petr. 3,2. (7) Eccl. 32,18-20. (8) Sprüche 30,5. (9) 1 Kor. 2,11-13. (10) S. Augustinus, 2 epist. ad Volus. (11) S. Augustinus, lib. 2, ad Gen. (12) S. Augustinus, lib. de doctr. christ. (13) S. Gregorius in prolog. Moral. (14) Offenb. 1,3.
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