"Da ihr mit ihm in der Taufe begraben wurdet und in ihm durch den Glauben auch auferstanden seid" (Kol II, 12)
von Rev. Fr. Courtney E. Krier übersetzt von Christian Jerrentrup
Während der Fastenzeit haben wir das Leiden Christi betrachtet, die Fastengebote gehalten und zusätzliche Bußwerke oder Opfer gebracht. So heilsam derlei Übungen auch sind, so haben wir dabei doch vielleicht das Geheimnis vergessen, das wir während dieser Zeit feiern und dessen wir gedenken. Dieses Geheimnis beginnt mit der Schöpfung und endet mit der Kreuzigung Christi. Die Fastenzeit umfaßt die gesamte Erlösung des Menschengeschlechts, und obwohl wir das Leiden und Sterben unseren Herrn Jesus Christus, das Gott Vater als Wiedergutmachung für unsere Sünden fordert, hervorheben sollten, können wir im Verständnis der wahren Bedeutung des Todes Christi irregehen, wenn wir nicht das Geheimnis unserer Erlösung in seiner ganzen Fülle einschließen. Es wäre deshalb sterile Aszeterei, wenn man die Fastenzeit auf derlei äußere Übungen reduzieren würde, ohne sich des tieferen Sinnes gewärtig zu werden.
Die Geschichte der Erlösung, wie wir sie in der Hl. Schrift finden und wie die Kleriker mit höheren Weihen sie in ihren Brevieren ab Sonntag Septuagesima lesen, beginnt damit, daß Gott alles gut geschaffen hat (Gen I, 10.12.18.21.25). Die Menschen zerstörten dann jenes Paradies (Gen III, 17f.). Und dennoch verhieß ihnen Gott die Erlösung (Gen III, 15). Wie sollte diese vonstatten gehen? Da sind zunächst einmal die Vorbilder. Das Opfer Christi wurde vorgebildet durch Abel (Gen IV, 4), durch Abrahams freiwilliges Opfer seines Sohnes Isaak (Gen XXII) und im Osterlamm (Ex XII, 8-12). Da gibt es die bekannten Prophetien, die den kommenden Erlöser ankündigen: seine Geburt, sein Leben, sein Leiden und Sterben. Aber darunter ist auch die Ankündigung seines zweifachen Sieges: der Sieg über Tod und Sünde genauso wie die Erlösung der Menschheit. Außerdem gibt es noch Vorbilder, die unseren eigenen Anteil daran zum Ausdruck bringen: die Erde wird gereinigt durch Wasser (Gen VII, 11), Israel zieht durchs Rote Meer (Ex XIV, 22) und durch den Jordan (Jos I, 2) - alles Hinweise auf das rechtfertigende Bad der Taufe.
Folglich ist die Auferstehung Christi nicht der Endpunkt der Erlösung. So etwas anzunehmen, würde uns in die protestantische Theologie hineintreiben (die jede weitere Mitwirkung an der Erlösung leugnet). Nochmals: ein solcher Schluß würde den größeren Teil der hl. Schrift überflüssig machen. Der Sieg Christi über die Sünde, d.h. über unsere Verdammnis aufgrund der Sünde, durch seinen Tod am Kreuz hat den trennenden Schleier hinweggehoben (vgl. Hebr IX, 11f.; Lesung am Passionssonntag), obwohl wir selbst noch nicht im Allerheiligsten sind. Was können wir daraus lernen? Sind wir bei diesem zweiten Sieg Christi, durch den er die, die ihm nachfolgen, himmelwärts führt, nur untätige Zuschauer? Keinesfalls! Jeder von uns muß sich bewußt für Christus entscheiden. Alles soll in Christus erneuert werden (Eph I, 10). Unsere Erlösung beginnt vielleicht mit der Taufe, aber sie findet ihre Vollendung, wenn wir, mit Christus vereint, mit Leib und Seele im Himmel sind. Das ist das Geheimnis, das in der Ostervigil ausgedrückt ist. Niemand braucht mehr auf die Auferstehung zu warten: Christus ist wahrhaft auferstanden (Ostersequenz); aber unsere eigene Auferstehung findet statt, wenn Christus wiederkommt. Darauf hoffen wir: wenn Christus, euer Leben, erscheinen wird, dann werdet auch ihr erscheinen in Herrlichkeit (Lesung der Ostervigil, Kol III, 4). Unser Ostern soll eine Bestätigung unseres Glaubens an unsere eigene Auferstehung sein. Das wird der endgültige Sieg sein, den der hl. Johannes während seines Aufenthaltes auf Patmos beschrieb: danach sah ich eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen, und Völkern und Sprachen; sie standen vor dem Throne und vor dem Lamme (Offb VII, 9). Angesichts dieser Hoffnung werden die Worte des Bräutigams, mit denen der hl. Johannes schließt und die eine baldige Wiederkehr verheißen, von der Braut, der Kirche, so beantwortet: Komm, Herr Jesus (Maranatha!, Offb XII, 20). Und diese Erwartung erfüllt die Kirche, die Braut, während der Ostervigil: sie wartet auf die Rückkehr des Bräutigams.
Schließlich erstreckt sich die Übereinstimmung, als Gegensatz zum Alten und als Erfüllung des Neu-en Testaments, auch auf uns, die Mitglieder der Kirche, ganz besonders auf jeden einzelnen. Auch wir haben uns die Erbsünde zugezogen, wurden durch das Wasser (der Taufe) aus der Knechtschaft der Sünde befreit und ziehen nun durch die Wüste (dieses Lebens), wo wir darauf warten, den Jordan zu überqueren und ins verheißene Land (den Himmel) einzuziehen. Wenn wir vom Passahfest hören, vom Auszug aus Ägypten und dem Durchzug durch das Rote Meer, von der Wanderung durch die Wüste und dem Einzug ins gelobte Land, dann müssen wir daran denken, daß das geschichtliche Ereignisse waren, die die inspirierten Schriftsteller aufgezeichnet hatten. Das ist nicht nur kennzeichnend für die Erlösung, sondern spiegelt auch die erlösende Gnade wieder, die in unserem eigenen Leben wirkt. Wir essen das himmlische Manna (hl. Kommunion) und trinken aus dem Felsen (heiligmachende Gnade, lebensspendendes Wasser). Die Feuersäule nachts und die Wolke am Tag (Gottes Wort) führen uns immer noch. Die Propheten sprechen zu jedem einzelenen von uns und ermahnen uns, uns nicht vom Hirten der Seelen zu entfernen. Wenn wir sündigen, müssen wir nur auf die eherne Schlange blicken, die zum Zeichen aufgerichtet ist (Beichte), um wieder zu genesen. Schließlich ziehen wir nach langer Verbannung in diesem Tal der Tränen ins verheißene Land (Himmel), wenn wir den Jordan überschreiten (Tod: Übergang von diesem Leben in das nächste).
Das sind die Geheimnisse der österlichen Zeit. Das ist die Hoffnung und Freude, die in der christlichen Seele wachgerufen wird: Christus, unser Passahlamm, ist geopfert (1 Kor V, 7-8); Christus ist auferstanden von den Toten (Mk XVI, 5): wir können ins Allerheiligste eintreten, ins verheißene Land, wo Gott gegenwärtig ist. Da ihr mit ihm begraben seid in der Taufe und mit ihm auch durch den Glauben auferstanden seid (Kol II, 12). Mögen auch Sie an dieser Hoffnung und Freude Anteil haben.
Mit dem Segen Gottes für die Osterzeit und einem Gedenken in der Osterliturgie verbleibe ich
Im Dienste Christi
Fr. Courtney Edward Krier
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