Die alles entscheidende Frage
von H.H. P. Albert Steiner
Die Kirche hat drei Dimensionen ihres Daseins: im Himmel, im Fegfeuer und auf der Erde. Ohne die Dimensionen des Himmels und des Fegfeuers zu beachten, kann die Dimension auf der Erde heute kaum recht verstanden werden. Denn es ist Tatsache, dass die von Christus gestiftete Kirche heilig, katholisch und apostolisch ist. Heilig? Im Himmel sicher, im Fegfeuer im Werden, auf der Erde heute fast ausschliesslich in Katakomben, in den von der Öffentlichkeit und praktisch der ganzen kirchlichen Hierarchie verachteten und verstossenen Seelen, die den Weg der Heiligkeit gehen. Im Äusseren hängt die heilige Kirche, die Heiligkeit der Kirche am Kreuz. Und aus dieser Situation ist verständlich, dass Maria und die von Christus besonders geliebten Seelen, die Johannes-Seelen, eine besondere Stellung für die Kirche haben. Frau, siehe deinen Sohn. Bis Pfingsten hat Mariens unbeflecktes, gnadenerfülltes Herz die Jünger im Besonderen geleitet, ins Coenaculum geführt. Heute in dieser Kreuzessituation der Heiligkeit der Kirche leitet und führt Maria, die Gnadenkönigin, die Kirche auch im Besonderen.
Der Stuhl Petri ist verwaist. In Rom regiert der Antichrist. Die Spitze der Hierarchie vereinigt sich mit dem Antichriten. Diejenigen, die sich Nachfolger des Petrus und der Apostel nennen, weichen der Cathedra Petri aus. PastoralKonzil, kein Glaubenskonzil, ein echtes Revolutionskonzil. Die Tiara ist den Kirchenfeinden übergeben, an ihre Stelle tritt eine Mitra mit dem Götzen Pan, vorn und hinten. Die äussere Macht und Form ist noch in etwa da, aber inwieweit sie tatsächlich die geistliche Macht, die Verwaltung der Gnadenvermittlung betrifft und beeinflusst, ist eine dunkle Frage. Jede Gruppe löst sie anders - weil sie in der Dunkelheit nicht Gottes lichte Führung zu erkennen vermögen. (...)
Sohn, siehe da deine Mutter. Sie leitet als Gnadenkönigin die vom verwaisten Stuhl Petri im Stich gelassenen Jünger. Und die ganze Macht Christi, des wahren Königs, des allmächtigen Gottes, des Sohnes des Vaters, fliesst über Maria in die Kirche, in die von ihr geführten Seelen, bis die Kreuzessitutation in dieser heute extremen Weise vergangen ist.
Die Öffentlichkeit aber fixiert mehr als zu andern Zeiten ihren Blick auf Rom. Nicht in Andacht. Aber in einer eigenartigen Hörigkeit. Diese Hörigkeit, ob in Bejahung oder im Widerspruch, diese Hörigkeit des höheren und niederen Klerus, ist mir seit Jahrzehnten ein Rätsel. Wie mir die Hörig-keit gegenüber Napoleon, Hitler, Stalin, Mao Tse-tung und anderen Menschenschlächtern ein Rätsel bleibt. Warum ist die Eigenständigkeit des menschlichen Denkens und Wollens so leicht zu vernichten?
Wenn ich an Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul II., Benedikt XVI. denke, klingt in mir ständig das Wort Christi "Weg von mir, Satan! Ein Ärgernis bist du mir. Denn du hast nicht Sinn für das, was Gottes, sondern für das was der Menschen ist" (Mt 16,23). Kurz vorher hatte Christus dem Petrus die Schlüssel des Himmelreiches, d.h. den Primat verheißen. Aber erst verheissen. Noch ist er nicht Papst. Noch ist er nicht bekehrt. Noch versucht er Christus das Kreuzesopfer auszureden. Und noch kommt die Stunde, wo er Christus dreimal verleugnet, und wo Judas Iskariot nach seinem Verrat sich erhängt.
Nach der Auferstehung Christi, wohl kurz vor der Himmelfahrt, ist es erst so weit, dass Christus den Petrus ins Papstamt einsetzt. Nachdem er sich bekehrt, und seine wahre Liebe zu Christus erklärt hat. Das ist der Weg für ihn und alle seine Nachfolger, das ist der Weg analog für jeden Apostel und auch für jeden Jünger Christi, für jeden Christen.
Mir kommt vor, dass dies leicht übersehen wird. Die Apologie beeilt sich, bei den Fragen um den Papst Christus zu zitieren: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen" (Mt 16,18). Und wenn nach dem Tod eines Papstes die Wahl erfolgt ist, pressiert es, den wartenden Gläubigen zu verkünden: Habemus Papam. Aber die Zeit, vielleicht die kurzen Momente zwischen der Wahl und dieser Vorstellung vor dem Volk, genauer, und der Annahme des Amtes durch den Erwählten, wird kaum beachtet. Und doch gehört zwischen die Wahl und die Annahme der Wahl die ganze Wirklichkeit, die bei Petrus zwischen der Verheissung und der Einsetzung geschah. "Weg von mir, Satan!"... Verklärung Christi... Belehrungen... Wunder... Mahnungen auch apokalyptische... letztes Abendmahl, Altarssakrament, Priestersakrament... dreimalige Verleugnung durch Petrus und Reue... Leiden und Kreuzigung Christi, Auferstehung, Sakrament der Sündenvergebung... Und erst dann die Einsetzung des Papstamtes am See Genesaret. Ist bei der Wahl des Papstes der Gewählte so vorbereitet, dass er diese ganze Wirklichkeit in einem Moment, oder in wenigen Momen-ten so erfassen und bejahen kann wie Petrus am See Genesaret? Schliesst die Wahl aus, dass Christus ihm sagen muss: Weg von mir, Satan!, wie er zu Petrus zwischen Verheissung und Einsetzung gesagt hat? Schliesst die Wahl durch die Kardinäle aus, dass der Gewählte sich schon vorher oder jetzt bei der Frage zur Annahme der Wahl auf die Seite des Judas Iskariot schlägt? Denn dann wird ihn Christus nicht einsetzen, wird ihm vom Himmel aus nicht die Amtsgnade gegeben. Auch später könnte ein von Christus eingesetzter Papst abfallen und den Weg des Judas Iskariot gehen. Die Unfehlbarkeit bleibt ihm nur, wenn er an der Spitze aller Christen seinen Willen auf die Wahrheit Christi richtet. Aber wir haben genügend Hinweise und Beweise um zu erkennen, dass das eigentliche Drama des jetzigen Papsttums in der Zeit sich zeigt zwischen der Wahl, sozusagen der Verheissung, und der Annahme, die die Einsetzung durch Christus ermöglicht. Waren sie in der Haltung und Bereitschaft des bekehrten Petrus, des unbekehrten Petrus - oder des Judas Iskariot, der seinen Weg des Verrates ging?
Damit dieser entscheidende Zwischenraum zwischen der Verheissung und der Einsetzung, d.h. der Wahl durch die Kardinäle und der Gnade des Amtes recht bedacht wird, bedenken wir noch einmal die Situation der Verheissung Christi an Petrus.
"Für wen halten die Leute den Menschensohn? ... Du bist der Christus (der Messias), der Sohn des lebendigen Gottes... Selig bist du, Simon, denn nicht Fleisch und Blut hat dir das geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel." (Mt 16,13-17). Der Fels, von dem Christus gleich sprechen wird, ist damit nicht das Fleisch und Blut des Petrus, nicht seine menschliche Natur, nicht seine Persönlichkeit, sondern liegt im dem Geheimnis, das Christus so ausdrückt: Mein Vater im Himmel hat dir das geoffenbart. Der Fels ist also letztlich im Vater, im Sohn und im Heiligen Geist begründet. Der hl. Thomas von Aquin sagt in seinem Evangelienkommentar, dass das Bekenntnis des Petrus: Du bist Christus, nur geschehen konnte durch den Heiligen Geist. Dann sagt er, dass Christus der Fels ist: "Wie ich der Fels bin, werde ich auf dir, dem Felsen (Petrus), die Kirche bauen." Nur durch das Bekenntnis des Petrus, durch seine Anerkennung Christi als Messias, als Sohn des Vaters, und durch sein Eins-Werden mit Christus kann Petrus von Christus zum Vikar auf Erden eingesetzt werden. Noch aber ist Petrus, auch wenn er den Namen schon als Verheissung erhält, darin noch nicht firm. Satan wird durch ihn sprechen können, Petri Persönlichkeit wird wanken... Darum gebraucht Christus die Form der Verheissung, der Zukunft: "Auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen - aedificabo - oikodomäso... Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben - dabo - doso..
Einsetzung und Schlüsselübergabe findet erst nach Christi Auferstehung am See Genesaret statt, nicht als Rechtstitel in erster Linie, wie es bei der Verheissung scheinen könnte durch die Bindegewalt (Mt 16,1v), sondern bei der Einsetzung als Titel der Liebe: "Simon, liebst du mich mehr als diese? - Liebst du mich?" "Weide meine Lämmer - Sei Hirte meiner Herde - Weide meine Herde" (Jn 21,15-7). Dreimal wird hier der Imperativ der Gegenwart, die Befehlsform Christi als jetzige Übertragung der Aufgabe gebraucht. Hier und so ist die Amts-Einsetzung des Petrus als Papst.
Die oben genannten vier "Päpste": sie waren bei der Annahme der Wahl nicht im Geringsten so bekehrt und so von der wahren Liebe durchdrungen wie Petrus. Und damit auch in der Antwort dem Petrus nicht ebenbürtig. Zwar war das vielen Aussenstehenden zumeist nicht bewusst. An ihren Früchten aber werdet ihr sie erkennen. Und weil die Früchte furchtbar sind für die Kirche Christi, haben viele es unternommen, genauer hinzusehen. Vor der Wahl und nach der Wahl. Nach der Wahl müssten die Gewählten die besondere Gnade der Unfehlbarkeit in ihrer Lehre für die ganze Kirche beweisen. Das Gegenteil ist bei allen Vieren nachgewiesen.
Vor der Wahl: Warum werden die Hinweise, dass Roncalli und Montini am gleichen Tag in Paris in eine Loge eingeführt worden seien, nicht widerlegt? Weil die späteren Taten sowieso schon mehr beweisen? Was Roncalli mit seiner falschen Mystik zur Einberufung des Konzils vorgetäuscht hat - wenige Monate nach der Wahl -; was er im Gegensatz zu den frommen, traditionellen Worten in den Taten und Intrigen für den Durchbruch der Modernisten getan hat, ist jedenfalls mehr als eine einfache Häresie. Es lässt sich nur erklären, dass übereinstimmend mit den andern Hinweisen seine Intention, seine Absicht bei der Annahme der Papstwahl der Intention und der Absicht Christi und des Petrus nicht im Geringsten ähnlich war. Ich denke nicht, dass Christus ihn eingesetzt hat. Es geht ja auch nicht um ein Sakrament ex opere operato. Intention und Absicht können hier nicht durch eine bestimmte Form fast ganz ersetzt werden wie bei den Sakramenten, wenn nur der Wille da ist, das zu tun, was die Kirche tut. Das wollten sie ja gerade nicht, sie wollten den Willen, die Ausrichtung der Kirche ändern, sie liessen sich auf den Thron setzen, um einen andern Weg zu gehen als Christus, um die Kirche auf einen andern Weg zu führen - offensichtliches Judas-Syndrom... Darum blieben sie zwischen der Verheissung (Wahl) und der Einsetzung durch Christus (Amtsgnade) stecken. Da sie aber die Verurteilung des mystischen Leibes Christi, der Kirche, noch nicht erkannten, haben sie die Konsequenz des Judas - der die 30 Silberlinge in den Tempel warf und sich erhängte - nicht vollzogen. Wenn die Kreuzigung der Kirche durch die Welt und die unbekehrte Hierarchie offensichtlich geworden ist, wird auch heute Judas seine Konsequenzen ziehen müssen. Wie das geschieht, ist nicht vorauszusehen. Aber geschehen wird es. Und es wird eine offensichtliche Situation entstehen, dass der Heilige Geist zeigen kann und die wenigen gläubigen Hierarchen der Kirche es erkennen, wer als begnadeter Vikar Christi zu bestellen ist und die Gnade des Amtes auch erhalten wird, wie es bis Pius XII. geschehen ist.
Die Kirche ist also heute nicht in der gnadenlosen Hierarchie zu suchen, auch wenn jede katholische Seele sehnsüchtig Ausschau hält nach dem schwer zu findenden Rest der begnadeten Hierarchie. Es ist schwer zu sagen, bis wohin die vollständige Trennung der gnadenlosen Hierarchie- von der wahren Kirche vollzogen ist. Thomas von Aquin würde die "ökumenische Kirche" (oder "Konzilskirche") eine erneute untreu gewordene Zweigkirche, eine getrennte Kirche wie die Protestantisierung nennen, die in ihrer Häresie alle früheren Entwicklungen aufgenommen hat und sie jetzt als allzeit gültigen "Glaubenssatz" öffentlich macht. Die Aushöhlung der Früchte hat durch den Revolutionsschlag mit dem 2. Vatik. Konzil begonnen. Die gelbe Flut ist der Rauch Satans, der als schwefelgelbe, übelriechende, versengende Masse über alles katholische Leben hinwegfliesst. Wer sich nicht retten kann, ertrinkt in ihr...
"Petrus, liebst du mich mehr als diese" ist die entscheidende Frage. Die Antwort ist die Bedingung, dass er "diese" und die ganze Herde nun weiden soll. Die Führung und Regierung in der Kirche muss also durch die Einsetzung, im Wesen eine Führung der Liebe zu Christus, zu Gott sein. Die Gottesliebe ist für Petrus, für die Apostel und für alle Jünger die zentrale Kraft, das lebendige Fundament. Wer Gott nicht liebt, ist nicht lebendig in der Kirche, ist vor allem zu keinem Amt befähigt.
In Gott: Der Vater, der seit Ewigkeit den Sohn zeugt, haucht ihm zugleich seine ganze göttliche Vaterliebe zu. Der Sohn, der Logos, der seit Ewigkeit als Gott Sohn und Wort des Vaters ist, haucht seine ganze göttliche Sohnes-Liebe seinem Vater zu. Der Liebeshauch des Vaters und der Liebeshauch des Sohnes, die liebende Mitteilung und Hingabe des ganzen göttlichen Wesens, ist so vollkommen göttlich, dass das Zusammentreffen des Hauches vom Vater und Sohn die Liebe in Person ist, Gott selber ist, der Heilige Geist, die göttliche personifizierte Liebe in Gott ist.
Auf die Schöpfung hin ist dieser Liebeshauch des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes die Gnade, die geschaffene Gnade, aber weil aus dem Liebeshauch Gottes geschaffen, im Auftreffen auf das Geschöpf immer erhabener als die Natur des Geschöpfes, immer gott-ähnlicher, und doch im Auftreffen auf die Natur des Engels oder der Seele des Menschen eine Eigenschaft, eine Qualität der Natur, die diese Natur erhebt, Gott ähnlicher macht, mit Gott verbindet. Die Gnade ist erst die eigentliche Fähigkeit des geschaffenen Menschen, seinen ungeschaffenen Schöpfer, Gott zu lieben. Die Gnade heiligt den Menschen. Die Gnade ist die Heiligkeit der Kirche. Die Gnade ist die Einigung, das Wesen der Gemeinschaft in der Kirche. Was nicht begnadet ist in der Kirche, ist trennend und tötend. Die Ur-Christen waren so begnadet, dass sie in allem, auch im Materiellen, "ein Herz und eine Seele" waren. Der Heilige Geist, die ungeschaffene Gnade, die vom Vater und Sohn gehauchte Liebe, war in den Ur-Christen durch die geschaffene Gnade auch als ungeschaffene göttliche Person so lebendig gegenwärtig, dass er die Seele der Seele der Kirche war. Im Heiligen Geist wurde die Kirche an Pfingsten öffentlich konstituiert. Ihr Seele ist der mystische Leib Christi - in dem Christus, der zur Rechten des Vaters sitzt, immer geheimnisvoll wirklich gegenwärtig ist.
Darum ist heute auch für jeden, ob er ein kirchliches Amt hat oder nicht, die zentrale Frage: Liebst du mich, deinen Gott - mehr als alles andere, mehr als die Welt, mehr als dich selbst? Lebst du in der Gnade der Liebe? Es liegt in Gottes Liebe, für diese Anfrage - als Hilfe zur richtigen Antwort - uns unsere zu irdisch geliebten Dinge der Religion, die sonst nützlichen Hilfsmittel, im Masse sie jetzt nicht der Gnade gemäss sind, wegzunehmen und die Frage direkter an die Seele zu stellen. Hier ist die göttliche Antwort auf die heutige Situation. Wir können dann nicht antworten: wir lieben den Papst - der selber die Gnade nicht anerkennt, die wahre Gottesliebe nicht mehr kennt - nein, wir werden, befreit von Zwischenstufen, direkt gefragt: Liebst du mich, deinen Gott, mehr als alles andere? Wir können auch nicht mehr antworten: wir tun die und jene (äusseren) Werke - wenn nicht zuerst die Liebe sie bewirkt.
Gott ist Liebe - und unsere Abbildlichkeit und ewige Glückseligkeit besteht darin, dass die Seele in Gnade in die Liebeshauchung Gottes einmündet. Und welch ein Wunder, der Leib ist davon nicht ausgeschlossen, er wird einst dazugeholt.
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