EHE, FAMILIE UND ERZIEHUNG
15. Fortsetzung von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
DIE HEILIGE SCHRIFT.
Das Lesen der heiligen Schrift ist aus den katholischen Familien beinahe verschwunden. Selten wird man selbst das Buch finden! Der Mangel an Übung im geistigen Leben entspringt in erster Linie einer Unlust zur geistigen Lesung, besonders der heiligen Schrift. Wenn wir wirklich zu unserer Wiedervereinigung mit Gott zurückkehren wollen, müssen wir das Buch der Bücher in die Hand nehmen. Wollen wir aber den Geist besonders des Alten Testamentes verstehen, dann müssen wir zuerst einige historische Tatsachen im Auge behalten. Wir können uns das Christentum als einen Baum vorstellen, dessen Wurzeln die natürliche Offenbarung ist, das heißt, wir können so manches von Gott aus der Natur allein schon erkennen. Der Stamm ist das Alte Testament, seine Krone das Neue. Alle drei sind notwendig, wenn wir Freude an den Blüten und Früchten haben wollen.
Die Wurzel, die natürliche Offenbarung zusammen mit dem Nachklang der Uroffenbarung, können wir z.B. bei der alten Kultur der Sumerer verfolgen. Dieses Volk herrschte in Mosopotamien von dem vierten Jahrtausend vor Christus bis zum zweiten. In ihren noch erhaltenen Mythen lesen wird, wie die Sünde zu Beginn der menschlichen Existenz auf dieser Erde eingetreten war, auf Rat eines Drachen oder einer Schlange von einem Weib begangen. Die Folgen waren kosmisch, wie wir sie nach den Worten des hl. Paulus noch heute erleben können, "Wir wissen ja, daß die ganze Schöpfung bis zur Stunde seufzt und in Wehen liegt."(1) Die Gottheit aber, so setzt der Mythos fort, erbarmte sich der Welt und versprach Hilfe. Aus einer rein geistigen Welt wird von der Urmutter-Madonna der Erlöser kommen, in dem Gott und Mensch eins sind. Folgendes wird dann angedeutet: 1.) Das Erlöserkind wird von der Madonna geheimnisvoll geboren. 2.) Sein Kommen wird durch kosmische Zeichen und jubilierende Prophetien erläutert. 3.) In der Kindheit des Heilands spiegelt sich das kommende Heilbringer-Geschick. Das Kind wird verfolgt und geborgen. 4.) Im Mysterianalter steigt der Heilbringer hervor, durch kosmische Weisheit sich kundgebend. 5.) Der Heiland kämpft wider die antipolarische Macht und siegt oder leidet und stirbt (fährt in die Unterwelt), 6.) Der Siegende oder Leidende und Auferstehende feiert seinen Triumpf: er erhält die Leitung der neuen Welt im neuen Äon; er empfängt den "neuen Namen; er feiert himmlische Hochzeit." (2)
Denken wir über das soeben Angeführte nach, dann sehen wir plötzlich die Person Jesu vor unseren Augen auftauchen. Niemand von den Großen in der Vergangenheit entspricht so genau dieser Skizze. Mit diesem Bilde war nun unser geistiger Urvater Abraham sicher vertraut.
Sein Vater, in Adeliger, der mit dem Hof von Sumer in engster Verbindung stand, ließ dort auch seine Kinder erziehen. Aus diesen Wurzeln, welche wir hier nur erwähnen können, d.i. von der natürlichen Offenbarung und den Überresten der Uroffenbarung, die Adam und Eva zuteil wurde, wächst der Stamm hervor, das Alte Testament. Gott Übergab Abraham seine Sendung wie eine brennende Fackel, welche von einer Generation der anderen übergeben wurde, bis der versprochene Erlöser, das LICHT der Welt gekommen sein würde. Abraham sollte das Haupt einer geistigen Gesellschaft werden, deren Mitglieder durch ein geistiges Band miteinander verbunden waren. Ihre Aufgabe war, den Glauben an einen wahren Gott inmitten einer der Gottlosigkeit und dem Götzendienste immer mehr verfallenden Welt aufrecht zu erhalten, nach diesem Glauben in einer sittenlosen Welt zu leben, und sich, wie auch die ganze Welt, auf das Kommen des Erlösers vorzubereiten,
Diese Fackel wurde von Abraham dem Isaak übergeben, hierauf Jakob und seinen Söhnen, verschwand aber fast ein halbes Jahrtausend in Ägypten. Von neuem sehen wir sie in der Hand des Moses aufflammen, dessen Aufgabe es war, das Volk zu seiner historischen Sendung wieder zurückzubringen. Der vierzigjährige Aufenthalt in der Wüste sollte der Schulung des Volkes dienen. Ein neues, vom Geiste Gottes wiedergeborenes Volk, kräftig an Seele und Leib, sollte das Land der Väter betreten. Die fünf ersten Bücher der Heiligen Schrift werden der Pentateuch oder hebräisch die Thora genannt. Sie beschreiben den Zeitraum von der Erschaffung der Welt bis zum Tode Moses, der ihr Autor ist. Das erste Buch, welches von der Schöpfung spricht, wurde für die Israeliten bestimmt, um sie von der Anbetung der geschaffenen Dinge, so wie es in Ägypten damals Brauch war und wie das auch zu unserer Zeit keine Seltenheit ist, abzubringen, um den unsichtbaren Schöpfer des Himmels und der Erde anzubeten. Es ist nicht Aufgabe dieses Buches, über die Schöpfung einen naturwissenschaftlichen Einblick in das Weltgeschehen zu ermögliche, sondern das anvertraute Volk zur ewigen Heimat zu führen. Leider sind die Bücher Moses nicht mehr so erhalten, wie sie aus seinen Händen gekommen waren. Auch dürfen wir uns nicht an den zahlreichen Eigentümlichkeiten stoßen, welche alten Quellen entnommen wurden, wie aus Moses Zeit, die er selbst benützte und revidierte, oder dies unter seiner Führung geschah. Beim erhaltenen Text müssen wir verschiedene Interpolationen, Noten, Erklärungen der Abschreiber berücksichtigen. Nicht weniger dann Fehler beim Lesen und Abschreiben. All diese Einflüsse bedrohen aber nicht das Wesen und die Vollständigkeit des ursprünglichen Wortlautes. Der Stamm muß fest und hart sein, er kann nicht die Eigenschaften der Krone haben, wie sehr es auch anstrebt, so hoch zu wachsen wie nur möglich, Der Leser darf sich also nicht an der nicht selten derben Form mancher Kapitel stoßen. Die Kapitel und Bücher der Heiligen Schrift des Alten Testamentes sind Granitblöcke, grob geschlagen, fest, so daß sie selbst keinen Mörtel brauchen, um verbunden zu bleiben. Es wurde einer auf den anderen gelegt, bis zuletzt der Tempel Gottes erbaut wurde, mit dem Neuen Testament als Kuppel! Die Bücher des Alten Testamentes sind Stufen, auf denen wir zum Allerheiligsten, zu Christus emporsteigen! Gerade die Tatsache der Derbheit, welche den Leser leicht dazu bringen könnte, das Buch beiseite zu legen, ist Bürgschaft für die Geschichtlichkeit des beschriebenen Geschehens. Die Taten werden so dargeboten, wie sie sich zugetragen haben, ohne jede Sentimentalität. Nichts wird verschönert, verbessert oder übergangen. Was gut ist, ist gut, und was schlecht ist, ist schlecht! Heiligkeit und Sünde, höchste Weisheit und Torheit, Vertrauen auf das äußerste und Verzweiflung stellen sich unseren Augen vor, als wären es grelle Blitze, welche, die Finsternis des Gewitters durchbrechen. Die Geschichte des Alten Testamentes beschreibt nicht nur die Treue des Menschen seiner göttlichen Sendung gegenüber, sondern auch die Untreue mit all ihren traurigen Folgen. Sechs Tage sind zur Arbeit bestimmt, der siebente jedoch für den Gottesdienst und das Studium Seines Gesetzes. Deshalb ist auch die Geschichte von der Schöpfung in sechs Tage aufgeteilt. Schwere Strafen, ja selbst der Tod, drohen denen, die den Tag des Herrn verletzen. "Höre, Israel, so beschwört Moses vor seinem Tode das Volk, "der Herr ist unser Gott, der Herr allein!" (3) Wie oft nur hat dieses Volk seinen Gott verlassen und ist Götzen nachgelaufen! Diese Worte müssen auch heute laut in inseren Familien erschallen, denn von der richtigen Reaktion hängt das zeitliche wie ewige Glück ab! "Glaubt nicht", ermahnt der Heiland, "ich sei gekommen, das Gesetz oder die, Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um sie aufzuheben, sondern um sie zu erfüllen!" (4) Und so müssen auch wir mit Christus und in Christus das Gesetz erfüllen. Wir müssen endlich mit der wahren Erziehung in der Familie beginnen. Wir müssen uns von unseren Götzen abwenden, derer wir mehrere haben als sie es zu Zeiten Moses gab, und dazu noch abscheulicher, als die im Tale Hinnom. Wir müssen zurückkehren zu dem Einen und Wahren Gott, der auf unseren Altären gegenwärtig ist. Wir müssen den Tag des Herrn vollauf ehren und zwar auf das genaueste, wenn wir gerettet werden wollen! (Fortsetzung folgt)
Anmerkungen. 1) Röm. 8,22 2) Der Alte Orient, Bd. 32, Heft 1, 1932; Alfred Jeremias: Der Kosmos von Sumer, S.20 3) Deut. 6,4 4) Matth. 7,21 |