DIE TRAGWEITE LITURGISCHER WILLKÜR
von H. H. Walter W. E. Dettmann
II. Teil
Prof. Pascher hatte beim Eucharistischen "Weltkongreß" in München 1960 eine Rolle gespielt. Damals fand im Rahmen des Kongresses das 7. "Internationale Liturgische Studientreffen" statt. Bei dieser Gelegenheit gaben sich viele prominente Feinde der tridentinischen Messe ein Stelldichein. Auf dem Höhepunkt dieses "liturgischen Studientreffens" hielt Prof. Pascher am 3. August 1960 die sogenannte Festvorlesung vor mehr als 40 Bischöfen und vielen anderen Honoratioren. Der Titel seines Vortrages lautete. "Der Kelch in den Texten der römischen Messe".
Heute, 15 Jahre nach jener Zeit, verliert Prof. Pascher kein einziges Wort darüber, daß es mit dem Kelch in den Texten der neuen Liturgie ganz armselig aussieht.
Das Gebet: "Wie opfern Dir, Herr, den Kelch des Heiles" ist verschwunden. Pascher hat selbst geschrieben, dies sei der unwichtigste Teil der eigentlichen Eucharistie. Ferner wird in der neuen Liturgie nicht mehr gesagt: "Er nahm diesen Kelch in seine heiligen und ehrwürdigen Hände'', sondern in den drei neuen sogenannten Hochgebeten heißt es nur noch "Er nahm den Kelch ..." usw. Von dem "herrlichen Kelch" und von den "heiligen und ehrwürdigen Händen" des Herrn ist in der neuen Liturgie keine Rede mehr. Im alten römischen Kanon war nach der Hl. Wandlung das "heilige Brot des ewigen Lebens" und "der Kelch des immerwährenden Heiles" erwähnt. In der neuen Liturgie ist nur noch in einem einzigen der drei sog. Hochgebete der "Kelch des Heiles genannt; das Wort "immerwährend" fehlt ganz.
Das alte Kommuniongebet des Priesters: "Den Kelch des Heiles will ich ergreifen und den Namen des Herrn anrufen, ging in der neuen Liturgie ebenfalls verloren.
Trotz dieser sinnlosen und ersatzlosen Zerstörung heiligster Texte, die während des Eucharistischen Kongresses in München der Stolz und die Freude von Millionen Gläubigen waren, macht Pascher den Bischöfen nicht den Vorwurf der liturgischen Willkür; er macht ihnen auch nicht den Ungehorsam gegen frühere Kirchenversammlungen zum Vorwurf, sondern er wagt zu behaupten: "Die neue Liturgie ist getragen vom Willen der Kirche".
Er hätte sagen müssen. "Die neue Liturgie steht im Widerspruch zum Willen der gesamten bisherigen Kirche". Aber Pascher will die neue Liturgie mit aller Gewalt in den Adelsstand erheben und sagt: "es gibt keine Möglichkeit, dem Ergebnis so vieler Jahre die Würde der Liturgie, des Gottesdienstes der Gesamtkirche, abzusprechen".
Wenn Pascher noch an das heiligste Altarsakrament glauben würde, wäre dieser Satz überflüssig; denn auch dann, wenn das Hl. Meßopfer infolge irgend eines Zwanges - z.B. im Konzentrationslager oder bei einer Naturkatastrophe - gekürzt werden müßte, wäre die "Würde der Liturgie" immer noch bewahrt: Es wäre immer noch ein Gottesdienst der Gesamtkirche.
Aber Pascher spricht nicht vom Zwang der Verfolgung oder vom Zwang einer Naturkatastrophe, sondern er spricht vom "Ergebnis so vieler Jahre" und meint damit die Revolution gegen das Konzil von Trient. Vielleicht rechnet er zu den 15 Jahren seit dem Eucharistischen Kongreß in München auch jene Jahre, in denen er seine früheren Schüler mit Abneigung gegen die tridentinische Messe erfüllte. Wenn die 15 Experimentier-Jahre des Prof. Pascher als Ergebnis noch dieselbe Verwandlung von Brot und Wein in das Fleisch und Blut Christi aufweisen könnten wie die 1900 Jahre vorher, dann hätte Pascher gar nichts zu sagen brauchen.
Aber er weiß besser als viele andere Geistliche, daß alle alten Vorschriften, die die Kirche in 1900 Jahren zur richtigen Durchführung der heiligen Wandlung gegeben hatte, aus den neuen liturgischen Büchern verschwunden sind; und jenem sonderbaren "Ergebnis", das auf diese Weise entstanden ist, möchte er um jeden Preis die "Würde der Liturgie" zuerkennen.
Die Liturgiekonstitution des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils beginnt mit den Worten: ''Das heilige Konzil hat sich zum Ziel gesetzt, das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen ..." Prof. Pascher dagegen sagt als Sachverständiger "Das Vaticanum II hat es bewußt unterlassen, das Wesen des liturgischen Gottesdienstes zu definieren". Er ist also ein Zeuge dafür, daß die Liturgiekonstitution mit einer leeren Redensart beginnt. Wie soll das christliche Leben unter den Gläubigen vertieft werden, wenn die Konzilsbischöfe mit Paul VI. an der Spitze nicht sagen wollen, worin das Wesen des liturgischen Gottesdienstes besteht, und wenn den Priesterkandidaten nicht mehr gesagt wird, daß sie einen "herrlichen" Kelch berühren dürfen?
Tatsächlich findet man unter den vielen Schriftstellen, die in der Liturgiekonstitution angegeben sind, nicht einen einzigen Hinweis auf die Rede des Heilandes in der Synagoge von Kapharnaum (Joh. 6,52-60), wo er sagte "Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank".
Lange bevor die Liturgiekonstitution fertig war, hatte Pascher am 19.5.1963 geschrieben: "Das Konzil, dem die Würde des göttlichen Wortes sehr am Herzen liegt, wird Wert darauf legen, daß Lesung und Predigt künftig nicht mehr einseitig als bloße Vorbereitung zum eucharistischen Opfer erscheinen"; (vgl. Kath. Sonntagsblatt der Diözese Rottenburg, "Die Erneuerung der Liturgie".)
Wer so etwas sagt, braucht sich nicht über liturgische Willkür von Pfarrern und Kaplänen zu beklagen. Pascher beweist mit seinen Worten, daß er schon vor der Fertigstellung der Liturgiekonstitution Kenntnis besaß von der geplanten Zerstörung der Heiligen Messe. Zur Tragweite liturgischer Willkür gehört es auch zufällig, daß Prof. Pascher die Konzilsbischöfe des Widerspruches bezichtigt. Er sagte "Das Vaticanum II hat es bewußt unterlassen, das Wesen des liturgischen Gottesdienstes zu definieren".
Wenig später aber zitiert er den Wortlaut des Artikels 14 der Liturgiekonstitution, worin es heißt. "Die Mutter Kirche wünscht sehr, alle Gläubigen möchten zu der vollen, bewußten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden, wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt".
Pascher behauptet also auf der einen Seite, die Frage nach dem Wesen der Liturgie sei absichtlich offengelassen worden, während er auf der anderen Seite sagt, "das Wesen der Liturgie" verlange die volle Teilnahme der Gläubigen an den liturgischen Feiern.
Die wissenschaftliche Ehrlichkeit hätte den Prof. Pascher eigentlich dazu drängen müssen hinzuzufügen, daß er in diesem Punkt dieselbe Meinung habe wie Paul VI., der selbst das Wesen der Liturgie im Jahre 1969 mit den Worten definierte, die Liturgie sei "die Versammlung des Volkes unter dem Vorsitz eines Priesters zur Feier des Gedächtnisses Christi" (zitiert nach Kardinal Ottaviani: "Kurze Untersuchung des Novus Ordo Missae").
Ebenfalls hätte Prof. Pascher hinzufügen müssen, daß auch die "Konferenz der deutschsprachigen Pastoraltheologen" so denkt. Bei der Frage nach dem "Warum und Wozu des liturgischen Tuns, empfehle sich die Beschreibung der Liturgie als Handeln einer Versammlung, deren Eigentümlichkeiten und Besonderheiten dadurch ausgedrückt werden, daß sie Versammlung 'im Namen Jesu' oder 'gottesdienstliche' Versammlung genannt wird" ("Die gottesdienstlichen Versammlungen der Gemeinde", Mathias-Grünewald-Verlag Mainz 1973, S.24).
Anmerkung: Zur sog. Konferenz der deutschsprachigen Pastoraltheologen gehören neben vielen anderen z.B. Norbert Greinacher, Heinrich Kahlefeld, J. Maria Reuß, Ernst Tewes, Johannes Wagner, Alfred Weitmann (Rottenburg), Alfons Kirchgässner, Heinrich Rennings, Bruno Kleinheyer (Regensburg). Die falsche Definition Paul VI. vom Wesen der Liturgie hängt also nicht in der Luft, sondern sie ist aus verschiedenen Stellen der Liturgiekonstitution entnommen und wird auch vertreten von Professoren aller deutschen Priesterbildungsanstalten.
Prof. Pascher gibt sich alle Mühe, die Tragweite der liturgischen Willkür nur auf den allerniedrigsten Klerus zu beschränken. Aber er verstrickt sich dabei in große Widersprüche.
Zu dem, was Paul VI. und die "Konferenz der deutschsprachigen Pastoraltheologen" über das Wesen der Liturgie sagen, paßt ausgezeichnet die Art und Weise, wie in Rom die Kommunion ausgeteilt wird. In seinem Buch "Wohin steuert der Vatikan?" beschreibt Reinhard Raffalt als Augenzeuge, wie ein Geistlicher in Rom beim Austeilen der Kommunion zu den Gläubigen sagte: "Nehmen Sie dieses Stück Brot einfach als Zeichen der Freundschaft!" (S.102/103)
Nicht nur die deutschen Bischöfe, sondern fast alle Bischöfe der ganzen Welt haben Abschied vom Trienter Konzil genommen; sie haben sogar Abschied von der gesamten Überlieferung der römisch-katholischen Kirche genommen.
Die Tragweite liturgischer Willkür ist nicht nur etwas, was einige wenige Leute vom niederen Klerus angeht, wie Prof. Pascher seinen Lesern vormachen möchte; denn Prof. Dr. Josef Pascher muß wissen, daß die deutschen Bischöfe in ihrem Schreiben über das priesterliche Amt vom 11.11.1969 unter der Nr.35 gesagt haben: "Der Priester erscheint nicht mehr vornehmlich als 'Mann der Sakramente'." - Hierin liegt die eigentliche Tragweite der liturgischen Willkür des sogenannten Zweiten Vatikanischen Konzils. Wenn aber der Priester nicht mehr "vornehmlich" der Mann der Sakramente ist, dann ist auch der Bischof nicht mehr das, was er bisher war, und auch der Papst ist nicht mehr der oberste Hirte, der die Gläubigen auf die Weide Christi führt.
Die eigentliche Tragweite der liturgischen Willkür besteht darin, daß heute die gesamte Kirche unter dem täuschenden Schlagwort der Erneuerung völlig außer Rand und Band geraten ist.
Wer dies heute noch nicht sehen und erkennen will, der wird es nach dem Tode Paul VI. mit unausweichlicher Klarheit sehen, sobald das täuschende Gerede von der "Versöhnung im Heiligen Jahr" verstummt sein wird und die vorhandenen Gegensätze offen aufeinanderprallen müssen, weil Paul VI. nichts anderes als Uneinigkeit hinterlassen kann.
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Nachtrag hierzu
Im Januar und Februar 1971 verschickte die deutsche Bischofskonferenz an alle Geistlichen in der Bundesrepublik einen Fragebogen zu verschiedenen Dingen; unter anderem sollten die Geistlichen ihre Wünsche bezüglich freier Gestaltungsmöglichkeit des Gottesdienstes kundgeben. - Eigentlich hätten die deutschen Bischöfe, wenn sie schon diesbezüglich eine Frage stellen wollten, ein klares JA oder NEIN zur tridentinischen Messe verlangen sollen. Aber die Bischöfe wußten, daß sie von amtswegen eine solche Frage gar nicht stellen durften, ohne sich selbst eine Blöße zu geben und ohne ihre Untergebenen in Gewissensnöte zu bringen.
Gegen die "freie Gestaltungsmöglichkeit" der Messe durch den Priester sprachen sich die Geistlichen in folgender Weise aus:
Weihejahrgänge vor 1921: 77% 1921 - 25: 85% 1926 - 30: 83% 1931 - 35: 80% 1936 - 40: 78% 1941 - 45: 70% 1946 - 50: 72% 1951 - 55: 59% 1956 - 60: 43% 1961 - 65: 32% 1966 - 70: 28%
Aus dieser Übersicht ergibt sich, daß sich von dreißig Priesterjahrgängen, nämlich von 1920 bis 1950 im Durchschnitt 77,8 % der Geistlichen gegen die "freie Gestaltungsmöglichkeit" der Messe durch den Priester ausgesprochen haben. Ein solches Resultat ist eine vernichtende Ablehnung der neuen Liturgie Pauls VI.
Eine Änderung der Wünsche tritt erst ruckartig bei jenen Nachkriegsjahrgängen der Geistlichen ein, die nicht mehr die alte gründliche Schulung erhalten hatten: Der Durchschnitt von 1951 bis 1970 beträgt nur noch 40 %, der von 1961 - 1970 nur noch 30 % (siehe "Priester in Deutschland", Forschungsbericht über die im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz durchgeführte Umfrage unter allen Welt- u. Ordenspriestern in der BRD, Herder 1973, Seite 169).
Die Bischöfe machen sich bei diesem Resultat einer Irreführung schuldig; sie verschweisen nämlich, wie sehr das Urteil der jüngeren Jahrgänge auf den Einfluß solcher Professoren zurückgeht, die Feinde der tridentinischen Messe waren, wie z.B. Prof. J. A. Jungmann Prof. Pascher und viele andere. Jungmann und Pascher haben allein schon weit über tausend Geistliche ausgebildet.
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