Die hl. Magareta Maria Alacoque
von Ernst Hello
Vorbemerkung: Schon früh mit besonderen Gnaden ausgerüstet trat die hl. Maria Alacocque in das Kloster zu Paray le Monial, wo sie ein Leben intensiver Beschaulichkeit führte, welches sich durch die Liebe zum Leiden auszeichnete. Sie erhielt von Christus den Auttrag, für die öffentliche Verehrung seines göttlichen Herzens tätig zu sein. Sie starb am 17.10.1690. Papst Benedikt XV. sprach sie 1920 heilig. Ihr Fest, welches von Papst Pius XI. für die ganze Kirche verpflichtend eingeführt wurde, wird an ihrem Sterbetag gefeiert. (Anm.d.Red.)
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Wenn der Mensch etwas ausführen will, so wählt er das für sein Vorhaben geeignetste Werkzeug. Wenn ein Herrscher ein Ministerium erwählt, so besetzt er es oder versucht es mit den Männern zu besetzen, die den Erfordernissen der Ämter am besten entsprechen. Wenn ein Mann sein Bild malen lassen will, so wendet er sich an einen Maler und nicht an einen Schuster. Wenn Gott etwas ausführen will, so wendet er das gerade entgegengesetzte Verfahren an. Er wählt das allerungeeignetste Werkzeug. Er hält sehr darauf, zu zeigen, daß er allein handelt. Er sucht die äußerste Schwäche auf, sich ihrer zu bedienen, damit wir nicht versucht werden, dem Werkzeug die Kraft zuzuschreiben. Schon zur Zeit des heiligen Paulus hatte er die Schwäche gewählt, um die Kraft zu beschämen: in der Person des heiligen Petrus, der doch die Kraft vertreten sollte. Petrus, dem alle Gewalt verliehen werden sollte, die amtliche Gewalt, die Statthalterschaft, er, der binden und lösen sollte, der heilige Petrus, der Bewahrer der Schlüssel, dem es obliegen sollte, den Himmel zu öffnen und zu schließen, er ist gekennzeichnet durch eine unberechenbare Schwäche. Dreimal verleugnet er, aus Furcht vor einer Magd, den, dessen Antlitz er auf dem Berge Thabor in der Verklärung gesehn hat. Man muß diese Schwäche durchforschen, muß in diese Tiefe dringen, wenn man verstehen will, bis zu welchem Grade der heilige Petrus die Kraft vertritt. Denn die Tiefe fordert die Tiefe, und Petrus vertritt die Kraft mit um so größerer göttlicher Wirklichkeit, je unmeßbarer seine menschliche Schwäche war.
(...) Aber wenn wir Maria Alacocque betrachten, der die Bürde einer großen Aufgabe zuteil wurde, so sehen wir ein Hauptstück menschlicher Kläglichkeit ohne jeden versöhnlichen Zug. Sie ist keine große Natur, die sich in große Leidenschaften verirrt hat; sie ist eine kleine, enge Natur, ohne Reiz, ohne natürliche Einsicht, ohne Stil, ohne die Fähigkeit des Wortes. Sie besitzt nur eins: die Liebe, die Hingabe. Aber die Dürftigkeit ihrer natürlichen Mittel ist so groß, daß sogar die Liebe sie nur selten beredt macht. Sie stammelt, sie stottert, sie stößt beim Sprechen an. Sie besitzt keine Kenntnisse. Nur: sie liebt, und sie gehorcht. So ist sie in der ewigen Herrlichkeit. Sie ist auserwählt.
"Ich habe dich erwählt, spricht Christus zu ihr, als einen Abgrund der Unwürdigkeit und Unwissenheit, um diesen großen Zweck zu erfüllen, auf daß alles durch mich geschehen sei." Was die Unwissenheit angeht, so hätte man schwerlich einen unwissenderen Menschen finden können. (...) Aber Maria Alacocque ist eine Herausforderung an den menschlichen Geist. Niemand hätte sie zu irgendetwas ausersehen, niemand außer Gott. Gott wollte hier sein Werkzeug aller menschlich glänzenden Eigenschaften bar, wollte ihm nicht eine lassen. Ebenso arm an Verstand wie an Vermögen weiß sie nicht, wie sie Rechenschaft ablegen soll über das, was in ihr vorgeht. Ihre Hingabe ist unbegrenzt, ihre Liebe hochherzig bis zur vollkommensten, herzzerreißendsten Selbstaufopferung. Und doch sagt ihr Biograph, der hochwürdige Pater Giraud, Oberer der Missionare von La Salette, bei der Besprechung einer ihrer Offenbarungen: "Diese Sprache mag dem frommen Leser unseres Herrn wenig würdig erscheinen. Man muß den Leser darüber aufklären, um jeden unünstigen Eindruck bei ihm zu verhüten ... Was nach dem Urteil einiger Kritiker an der Ausdrucksweise Marias klein und kindisch erscheint, das wird man nicht Jesus Christus zuschreiben, sondern der Einfachheit des Menschen, den Christus sprechen läßt, und dem göttlichen Meister wird man nur den Kern und den Gehalt der Gedanken und Gefühle zuschreiben." (...) Diese arme Nonne sieht Jesus Christus trotz ihres völligen Mangels an Einbildungskraft, und sie hört ihn sprechen: "Mein göttliches Herz ist von so leidenschaftlicher Liebe entzündet für die Menschen und besonders für dich, daß es die Glut seiner Barmherzigkeit nicht mehr in sich zurückhalten kann, sondern sie durch dich verbreiten muß." Viele Leute mögen glauben, daß die arme Nonne sich selbst in Überspannung hineinsteigerte und daß ihre Umgebung sie hierzu anspornte. Das Gegenteil geschah. Ihre außergewöhnlichen Wege seien unziemlich, und sie müsse ihnen entsagen, so erklärten ihr die Schwestern der Heimsuchung Mariä. Man gab ihr eine Eselin und deren Füllen zu hüten, um ihren Geist zu beschäftigen und zu zerstreuen. Sie aber sagte: "Da Saul das Königreich Israel gefunden hat, als er die Eselinnen hütete, so werde ich das himmlische Königreich erwerben, wenn ich diese Tiere bewache." Nach der beachtenswerten Bemerkung des Paters Giraud führt diese arme Jungfrau, die ganz unwissend ist, unablässig die Heilige Schrift an. Sie besitzt ein ihrer Natur weit überlegenes Verständnis für die Schrift. Man gibt bald der Natur, bald dem Dämon die Schuld an den Erscheinungen, die sich in ihr vollziehen. Man kämpft mit allen nur möglichen Mitteln gegen sie, gegen Natur und Dämon. Aus Gehorsam macht sie sich selbst zum Mitschuldigen an den Vergehen, die man an ihr begeht. Alles ist gegen sie verschworen, sie selbst einbegriffen. Sie besitzt weder Begabung noch Verstand, noch Ansehen, noch Einfluß. Man läßt ihr eigenes Gewissen am Kampf gegen ihre Visionen teilnehmen. Gegen sich hat sie alles. Für sich hat sie nichts. Dennoch hat sie gesiegt, siegt sie noch immer und vor allem: wird sie siegen. Ohne Waffen, ohne Fähigkeiten, ohne Geist, ohne Verbündeten hat sie den Ruhm erworben, dem sie zu entfliehen suchte. Der Ruhm floh sie, sie floh den Ruhm, und doch sind sie vereint in Zeit und Ewikeit.
(...) Das ganze Leben der seligen Margareta Maria Alacocque ist ein Kampf zwischen der Plumbheit ihrer Natur und der Erhebung, die ihr verliehen ist. Eines Tages will sie eine körperliche Buße verrichten, über deren Art sie sich nicht ausläßt, "die indessen", so sagt sie selbst, "durch ihre Härte ihr Begehren weckte." Christus verbietet es ihr, denn, so fährt sie fort, "er ist Geist und will daher die Opfer des Geistes." Das ist einfach und klare aber ihr natürliches Denken ist unfähig, es zu erfassen. Ein anderes Mal spricht Christus zu ihr: "Ich werde dich so arm, so niedrig und so verächtlich machen in deinen eigenen Augen, und ich werde dich so sehr zugrunde richten im Denken deines Herzens, daß ich mich stützen kann auf dieses Nichts." Man muß das Wort "im Denken deines Herzens" beachten, das ist der Stil der Heiligen Schrift. Hier drückt sich Margareta Maria vortrefflich aus. Wie fängt sie das an? Und wer lehrt sie, zu denken wie der heilige Paulus?
Wer lehrt sie ferner, zu denken wie Moses? Christus zeigt ihr eines Tages die Züchtigung, die er für gewisse, der Margareta Maria feindliche Seelen vorbehält. "Ich warf mich", so heißt es bei Margareta Maria, zu seinen geheiliten Füßen und sprach zu ihm: "O mein Heiland! Laß deinen ganzen Zorn aus an mir, lösche eher mich aus in dem Buche des Lebens, als daß du diese Seelen vernichtest, die du so teuer erkauft hast!" Und er entgegnete mir: "Aber sie lieben dich nicht und werden nicht aufhören, dich zu betrüben." "Was liegt daran, o mein Gott! Wenn sie nur dich lieben, so will ich nicht aufhören, dich zu bitten, daß du ihnen verzeihst." - "Laß mich, ich kann sie nicht länger ausstehen." Und ich umklammere seine Füße noch heftiger und spreche: "Nein, o Herr! Ich werde dich nicht verlassen, bis du ihnen verziehen hast." Und er sagte zu mir: "Ich will es tun, wenn du für sie bürgen willst." Ja, mein Gott, aber ich werde dich immer nur mit deinen eigenen Gütern bezahlen, das ist, mit den Schätzen deines Heiligen Herzens." Dabei ließ er es bewenden." (...)
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aus: SPRÜCHE DER VÄTER, Seite 44:
Wieder sprach er: "Wenn wir Gott suchen, wird er sich uns zeigen; und wenn wir ihn festhalten, wird er bei uns bleiben."
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