DIE LTURGISCHE REBELLION GEGEN PAPST PIUS XII.
von H.H. Walter W.E. Dettmann
IV.
Die Lawine der liturgischen Bewegung konnte sich nur deshalb zu so katastrophaler Wucht entwickeln, weil im Vatikan zu gleicher Zeit zwei Männer regierten, die in Bezug auf Intelligenz einander zwar ebenbürtig waren, die aber ganz entgegengesetzte Ziele im Auge hatten, nämlich Papst Pius XII. und sein Prostaatssekretär G.B. Montini. Die schlimme Rolle, die Montini bei Papst Pius XII. spielte, läßt sich bei zahlreichen Gelegenheiten erkennen. Eine davon ist der Brief, den Montini am 30. Juni 1953 an den Bischof Carlo Rossi von Biella schrieb. Bischof Rossi war der Führer der liturgischen Bewegung in Italien; seine Bischofsstadt Biella liegt ungefähr halbwegs zwischen Mailand und Aosta.
Mit auffälliger Betonung behaupteten die Führer der liturgischen Bewegung in Deutschland, Frankreich und der Schweiz immer wieder, daß Montini diesen Brief an Bischof Rossi in Auftrag und im Namen des Hl. Vaters, Papst Pius XII., geschrieben habe.
Dazu ist zu sagen: Der Brief beweist, daß die Führer der liturgischen Bewegung in Italien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz in ihren Absichten und in ihrem listigen Vorgehen gegenüber Papst Pius XII. durch die Person Montinis außerordentlich bestärkt wurden. Das Schreiben Montinis an Bischof Rossi machte nämlich jahrelang die Runde bei allen Feinden von Papst Pius XII., um sie in ihren Arbeiten zur Zerstörung des Hl. Meßopfers zu ermuntern:
1. Am 30. Juni 1953 war der Brief an Bischof Carlo Rossi geschrieben worden; 2. einen Monat später war der Brief bereits in der deutschen Herder-Korrespondenz in Freiburg gedruckt (August 1953); 3. am 14. September 1953 las der Bischof Jelmini von Lugano den ganzen Brief bei der Begrüßung von 150 Gästen im Palace-Hotel in Lugano vor (s.b. Liturg. Jahrbuch 1953, II, S.151); 4. am gleichen Abend beendete der Kanonikus Eugen Fischer vom Straßburger Münster seine Rede in Lugano mit einem Zitat aus dem genannten Brief Montinis (s.b. Liturg. Jahrbuch 1953, II, S.163); 5. kurz darauf stand der ganze Brief italienisch und deutsch im Liturg. Jahrbuch von Trier, 1953, II, S.323; 6. zwei Jahre später zitierte Bischof Stohr von Mainz diesen Brief beim 5. liturgischen Kongreß von 1955 in München (s.b. Liturg. Jahrbuch 1955, S.76); 7. im Protokoll über den Münchner Kongreß führte Prof. Johann Wagner von Trier den Brief Montinis eigens noch einmal an (Liturg. Jahrbuch 1955, S. 70).
In der deutschen Übersetzung (Litur. Jahrbuch 1953, II, S. 151) lautet der Brief Montinis an Bischof C. Rossi folgendermaßen:
"Die Arbeit, die das wohlverdiente Zentrum der Liturgischen Aktion ('benemerito Centro di Azione Liturgica') sich in den kommenden Sommermonaten zu leisten anschickt mit den beiden Wochen, über die Sie dem Heiligen Vater Bericht gegeben haben, ist eine Form des Apostolates, deren besondere Verdienste der Statthalter Jesu Christi mit großer Freude anerkennt.
Nichts ist in der Tat in dieser ernsten und doch an Hoffnungen reichen Stunde so dringend wie die Aufgabe, das Volk Gottes, die große Familie Jesu Christi zu der kräftigen Speise der liturgischen Frömmigkeit zurückzurufen, die vom Hauch des Heiligen Geistes erwärmt ist, der die Seele der Kirche und jedes einzelnen ihrer Kinder ist.
Wenn die Gläubigen zu jenem lebendigen Gebet zurückgeführt sind, das gleichsam die Stimme des Geistes ist, die unserer Schwachheit zu Hilfe kommt 'mit unaussprechlichen Seufzern', werden sie auch wieder Zugang zu den Werten des christlichen Lebens finden, die so oft in Vergessenheit geraten sind; auf diese Weise wird in ihnen auch leichter das Bewußtsein dessen wiedererwachen, was für den Christen der Kern des Glaubens ist: Die Gerechtigkeit des Evangeliums, von der wir alle verwandelt in neue Geschöpfe nach den Vorbild Christi, leben sollen.
Doch vor allem im Meßopfer, dem Mittelpunkt dieses Betens, werden die Seelen nicht bloß eine, wenn auch erhabene Frömmigkeitsübung, sondern zugleich die unerschöpfliche Quelle des geistlichen Lebens wiederentdecken, die von Jesus ausgeht, der unaufhörlich im Opfer des Altares dargebracht wird und sich den Seinen zur Speise gegeben hat, um sie mit seiner Gerechtigkeit und seiner Liebe zu nähren. Daher begleitet Seine Heiligkeit die Feier der beiden liturgischen Wochen vom Juli und September mit seinen wärmsten Wünschen, und ebenso wünscht er dem kommenden internationalen Treffen für liturgische Studien reiche Frucht. Und während er auf die ganze segensreiche liturgische Bewegung in reicher Fülle die göttlichen Segnungen herabruft, sendet er Ihnen, Exzellenz, den Mitgliedern des Zentrums der liturgischen Aktion, allen Teilnehmern der Zusammenkünfte den Apostolischen Segen.
Eurer Exzellenz ergebenster G.B. Montini, Prosekretär".
An diesem Brief und seiner Verwendung kann man die Rolle, die Montini bei Papst Pius XII. spielte, ausgezeichnet erkennen:
1. Montini bestätigt dem Bischof C. Rossi, daß dieser den Papst bezüglich seiner Arbeiten und Pläne für den Sommer 1953 benachrichtigt habe. Ob diese Benachrichtigung vollständig war, ist wohlweislich verschwiegen. Montini wußte genau, wie wenig der Papst über die wirklichen Ziele der Führer der liturgischen Bewegung unterrichtet war.
2. Montini behauptet, daß der Papst "auf die ganze segensreicheliturgische Bewegung" die göttlichen Segnungen in reicher Fülle herabrufe; er war also damals hauptsächlich dazu auf seinem Posten, um im richtigen Augenblick mit dem Segen des Papstes Propaganda für jene Kräfte zu machen, die das heilige Meßopfer in protestantischem Sinne "segensreich" verändern wollten. Im Liturg. Jahrbuch läßt sich dies auch bei zahlreichen anderen Gelegenheiten nachweisen, z.B. Liturg. Jahrbuch 1954, S. 246 u. 255.
3. Der zweite Absatz des Briefes scheint eigens für die modernen Geistlichen geschrieben worden zu sein; denn gerade auf diesen Teil ("Nichts ist in der Tat (...) so dringend" etc.) haben sie sich jahrelang am häufigsten berufen, um die radikale Änderung des Meßopfers zu rechtfertigen.
Montini mußte die gesamte kirchenfeindliche liturgische Bewegung gegenüber dem wachsamen Auge Papst Pius XII. abschirmen. In diesem Sinne war er die Hauptfigur der liturgischen Rebellion gegen das Oberhaupt der Kirche.
Der Brief Montinis an den Bischof Carlo Rossi ist nur ein kleines Meisterstück in der großen Rolle der Verstellung, die gespielt werden mußte, um den Papst zu täuschen.
(Fortsetzung folgt)
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