"FRÜHER GLAUBTE ICH AN GOTT, JETZT GLAUBE ICH NUR NOCH AN GOTT."
von Joachim May
Dieses Bekenntnis eines französischen Katholiken von Rang, das ich irgendwo geschrieben fand, ist auf den ersten Blick verblüffend, ja absurd. Schaut man es genauer an, löst sich der scheinbare Widerspruch in einen befreienden Jubel.
1. "Früher glaubte ich an Gott ..." - Das tut, wie der zweite Teil des Bekenntnisses ausdrückt, der Sprecher auch heute noch. Aber er meint, früher habe er auch noch an die Mitwirkung des Menschen beim Heilswerk Gottes geglaubt, an das im göttlichen Sinne Mittun des Menschen, vor allem derer, denen der Heilige Geist verheißen ist, den Hirten der Kirche also, den Priestern, und darüber hinaus auch rechtgläubigen treuen Laien. Er habe geglaubt, daß auf dieser Welt irgendwie, aufs Ganze gesehen, auf den Weg für die Wiederkunft Christi hingewirkt werde, daß Gott, der Herr, das ganze menschliche Gewirr in seiner Güte, seinem Großmut, seiner Barmherzigkeit geschehen lasse, daß Irrungen und Wirrungen eben einmal zum menschlichen Tun gehdren, wenn nur das Ziel nicht aus dem Blick verloren wird.
2. "... Jetzt glaube ich nur noch an Gott." - Inzwischen mußt der Sprecher erkennen, daß die Welt hier noch nicht ganz so schlimm, dort weit entsetzlicher, insgesamt gesehen aber doch deutlich auf das totale Chaos hinläuft. Das Tun des Menschen dient weithin der Zerstörung - das müssen nicht nur Kriege sein, das gilt ebenso für Politik, Wirtschaft, den sozialen Bereich, überhaupt den Herausfall der Menschheit aus allen Ordnungen. Es gilt auch für die katholische Kirche, die zu einem chaotischen Tummelplatz jedweder Meinungen und Ansichten und Ideologien geworden ist. Weder die Menschheit insgesamt noch die katholische Kirche im besonderen gehen einen Weg nach "oben", wenn man die tatsächlichen Verhältnisse an so vielen Stellen betrachtet. Es hat tatsächlich den Anschein, daß Satan auch in der Kirche die Führungsrolle übernommen hat und sie weiter ausbaut.
In dieser Lage ist das Dictum "... Heute glaube ich nur noch`an Gott" zu verstehen. "Nur noch" - das heißt: die Lage, wie sie heute ist, kann nur noch von dem allmächtigen Vater im Himmel im Sinne seines Heilsplanes bereinigt werden. Menschliches Mittun hilft, auch wenn es hier und da noch genuin vorhanden ist nichts mehr. Die Lage ist so vorfahren, daß nur noch "von oben" ein Eingreifen Rettung bringen kann.
Und das ist die Befreiung: unser letztendlicher Glaube daran, daß jenseits aller Wirrnisse und Gefährdungen, jenseits aller Irrwege und Abweichungen und Verfälschungen, unendlich fern allem Versuch, alles und jedes auf dieser Welt "machbar" im Sinne irdischer Paradieseshoffnung zu machen - daß jenseits all dessen der Allmächtige thront, den so mancher Priester und Laie zum vertraulichen Duz-Kumpan gemacht hat, der aber das Unverfügbare im Menschen jene letzte Sehnsucht der Kreatur, über die Er auch verfügt, aktivieren wird.
Die Geborgenheit in diesem Glauben an Gottes Allmacht ist wirklich befreiend.
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