"BAUMGARTNER, BAUMGARTNER ... WARUM SCHWÄRMST DU?"
von H.H. Kaplan Felix Jeker
(Auszug)
Mitte Februar brachtedie "Neu Züricher Zeitung" einen Artikel- mit dem Titel "Kontestation der römischen Messe - Ein Krisensymptom im Katholizismus". Verfasser dieses Artikels ist Professor Jakob Baumgartner, Nachfolger auf dem Fribourger Lehrstuhl von Bischof Anton Hänggi für Liturgik. Wenn auch eine gewisse Zeit seit dem Druck dieses Elaborats schon verstrichen ist - eine Gazette hat spätestens beim Erscheinen der darauffolgenden Nummer ihre Aktualität verloren bleiben doch die darin enthaltenen Auffassungen und Irrtümer auch für die nächste Zukunft als Operationsmittel oder Giftpfeile "fortschrittlicher" Kreise in der Kirche erhalten. Erstaunlich ist, daß ein Blatt wie die NZZ anderthalb (!) Druckseiten für eine innerkirchliche Angelegenheit des Katholizismus, wie es die hl. Messe, resp. deren Ritus, ist, zur Verfügung stellt. So kann der Aufsatz Baumgartners auch als symptomatisches Teilstück der bunt orchestrierten Verfolgungswelle aufgefaßt werden, die sich gegen fast alle Gruppen und Organisationen, die sich zum Schutze unseres Glaubens und unserer Kirche einsetzen, richtet.
Um die Frage des Meßritus, Pianisch-tridentinischer, oder Paulinisch-Vatikanischer Ordo, wurde und wird Eifer ungleichen Grades an ungleichen Orten aufgeboten. Baumgartners langatmige Abhandlung bringt nun die meisten der kursierenden Irrtümer, kuriosen Behauptungen und auch perfiden Unterstellungen beisammen vereint, dem Leser der NZZ als Sonntagslektüre dar. Die wenigsten Leser dieses Blattes sind engagierte Katholiken, und diese waren mehr oder weniger überrascht, seien sie konservativer oder progressiver Provenienz. Die Thesen Baumgartners können den unvoreingenommenen Leser irreführen, den Informierten hingegen verunsichern. Der Ruf nach Widerspruch ist deshalb lautstark da, wiewohl ihm Mangels Zeit und Raum nur teilweise Folge geleistet werden kann.
Das Alter des römischen Meßritus
Baumgartner macht sich fast lustig über jene "Integralisten", die sich auf den Ritus des hl. Pius V. "versteifen'', weil diese Form ins Altertum zurückreiche und den "Duft der ursprünglichen Liturgie" bewahre. Nach ihm ist die Messe Pius' V. von 1570 hauptsächlich das Werk des Konzils von Trient (1545-1563), der Kern davon bilde die stadtrömische Liturgie aus der Zeit von Papst Gregor VII. (1073-1085). Tatsächlich ist aber der Ritus um einiges älter. Nur aus vielen Beispielen eines: In Archiven und Bibliotheken löst man heute Pergamenteinbände alter Bücher ab, weil oft von diesen Buchdeckeln kostbare alte Handschriften zum Vorschein kommen. So entdeckte man in einem Archiv der deutschen Schweiz zwei Seiten mit Text des "Liber Sacramentorum" von Papst Gregor d. Gr. (590-604). Diese Pergamentblätter waren mit karolingischer Minuskel beschriftet und entstanden im zweiten Viertel des 9. Jhs. in Tours! Der hier fohlende Anfang des besagten "Liber Sacramentorum'' bringt den Meßritus (abgedruckt bei Migne, Patrologia latina, Band 78 , Spalte 25-28). Vergleicht man diesen Ritus von Gregor d. Gr. mit dem des pianischen Missale, so fällt auf, daß nur kleine, unbedeutende Unterschiede vorhanden sind, im Kanon sodann sind gar keine Unterschiede vorhanden, mit der einen Ausnahme, daß Gregor d.Gr. 7 Heiligennamen (vorwiegend Heilige des Benediktinerordens) zusätzlich aufzählt. Also kann man nachweisen, daß die Messe Pius V. gute 15 Jahrhunderte alt ist, und nicht nur in Rom und Italien bekannt war, sondern wie das schweizer Fragment erhellt, auch u.a. in Tours in Gallien! Als Professor der Liturgik weiß Baumgartner um das Alter des römischen Ritus, er muß die Liturgie unter Papst Gregor d. Gr. kennen, er schweigt aber darüber! Die Tatsache würde sein Konzept umwerfen.
"Privat-Messe" oder Volksliturgie?
Als Mangel wirft Baumgartner dem Missale Pius' V. vor, es gehe "von der Privatmesse aus, als wäre diese die Grundform der Eucharistiefeier, und beschränkt die Teilnahme des Volkes auf ein Minimum". Man braucht nur einmal ein solches Altarmissale in die Hand zu nehmen und etwas durchzublättern: gerade das Gegenteil von dem, was Baumgartner behauptet, wird der Fall sein! Man denke an die im Missale vorhandenen Zeremonien für Kerzenweihe (2. Februar) , Aschermittwoch, Palmsonntag, Hoher Donnerstag, Karfreitag, Osternacht alles hätte ohne Teilnahme des Volkes keinen Sinn, - ja wäre laut kirchlichen Vorschriften verboten! Oder die Praefationen sind zuerst angeführt mit Choralnoten zum Singen, erst der feierliche Ton, dann alle Praefationen im Ferialton - für die Meßfeier mit dem Volk und erst an 3. Stelle kommen die Praefationstexte ohne Noten für die Privatmesse. Praktisch in allen Missale-Ausgaben ist der Text des Vater-Unser nur mit Noten zum Singen angeführt - sicher nicht in erster Linie für die Privat-Messe! Auch im Übrigen bietet das bisherige Missale nicht weniger Möglichkeiten zur Teilnahme des Volkes als das Neue; und wenn früher an Stelle des Volkes oft nur der Chor trat, hatte das bestimmt nicht nur negative Seiten.
Hl. Pius X. und die Liturgiereform
Es dürfte ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen sein, in Papst Pius X. (1903-1914) einen Kronzeugen oder auch nur einen ideenmäßigen Wegbereiter für den neuen Meßordo zu suchen, wie Baumgartner mit scheinbarer Treffsicherheit meint: "Interessanterweise war es Pius X., auf den sich die Befürworter der tridentinischen Messe mit Vorliebe berufen, der in der Bulle "Divino afflatu" (1. November 1911) erklärte, eine Verbesserung des Missale dränge sich auf. Leider versandeten seine Pläne infolge des ersten Weltkrieges und seines Ablebens."
Die Bulle "Divino afflatu" leitete die Reform des römischen Breviers ein, welches ebenfalls von Pius V. herausgegeben wurde. Die Neuordnung des Psalteriums, verteilt auf die Woche, war eine tatsächliche Verbesserung des Breviers und nahm eine mindestens 1400-jährige Tradition wieder auf, ohne daß die Ahfolge und der Aufbau der Tagreiten verändert worden wären. Hier blieb das Brevier Pius V, unangetastet. - Baumgartner wird selber nicht glauben, daß das Missale novum bei Pius X. Gnade gefunden hatte. Verbesserungen bedeutet etwas anderes als 'Ersetzen' oder 'neu Schaffen'. Tatsächlich meinte Pius X. aber Verbesserungen im Missale, besonders für die Sonntage im Kirchenjahr und die Wochentage der Fastenzeit, daß diese wieder den ihnen gebührenden Rang erhalten. Der "Ritus" wäre unangetastet geblieben. - So ist z.B. die Neuordnung der Karwochenliturgie durch Pius XII, im großen und ganzen als Verbesserung anzusehen, eine Verbesserung im Missale, - der Meßritus blieb aber intakt.
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