ADAM, WO BIST DU! (Wurzel, Stamm und Krone XXVI.)
von H.H. Dr. theol. Otto Katzer
Wir haben uns alles sehr einfach gemacht, damit wir nichts machen müssen, und machen auch meistens nichts, wenigstens nicht das, was wir machen sollten. Wir werden uns später noch daran erinnern müssen, daß nicht nur dadurch gesündigt wird, daß das getan wird, was nicht getan werden soll , aber auch, daß das nicht getan wird, was getan werden soll! Da wir nun von unserer subjektiven Intention zu sprechen haben, müssen wir dieses letzte scharf ins Auge fassen und uns nicht scheuen, unsere Verantwortung als Glieder des mystischen Leibes, (die wir ja wirklich sind, aber auch alle die es sein sollten), wie auch unsere Verpflichtungen zu bedenken. Wir haben uns angewöhnt, unsere Zugehörigkelt zur Kirche wie ein Verhältnis der Angehörigkeit zu einer politischen Partei zu nehmen, wo es genügt, den entsprechenden Mitgliedsbeitrag zu bezahlen, ab und zu bei einer Versammlung zu erscheinen und nicht offen gegen die Linie der Partei aufzutreten. So begnügt sich der Durchschnittschrist unserer Tage damit, daß er, wenn auch nicht immer regelmäßig, den Sonntagsgottesdienst besucht, wobei es ihm die jetzige "Ordnung" noch leichter macht, indem er seiner Verpflichtung schon am Samstag nachkommen kann; ab und zu an einem Feiertage, so etwa zu Weihnachten und Ostern in der Kirche erscheint, es gibt ja eigentlich, jetzt angeblich nur noch zwei gebotene Feiertage, Weihnachten und Neujahr. Das Fastengebot zu umgehen, dazu bieten sich ihm tausende Möglichkeiten, außerdem darf man es nicht so ernst nehmen, der liebe Gott ist ja doch so gut, ist er denn nicht die Liebe selbst? Wer solch ein Leben führt, ist in den Augen unserer Zeit ein vollwertiger Christ, und etwas mehr zu tun, ist bereits ein Zeichen von Übergeschnapptheit. Daß aber in der Wirklichkeit damit kaum einem Bruchteil der Verpflichtungen nachgekommen wird, wollen die meisten nicht eingestehen, da sie vom Entwicklungswahn ergriffen sind, die Mangel bereits bei den Eltern "sehen", von den Urahnen überhaupt nicht zu sprechen, die vielleicht ganz stolz auf ihre tierischen Verwandten waren. Diesbezüglich übergeben wir aber das Wort dem Kulturhistoriker Richard Kralik. "Die heilige Überlieferung nennt das erste Menschenpaar Adam und Eva, andere Völker haben andere Namen, die Iranier Meschia und Meschiane, die Germanen Ask und Embla. Die Bibel gebraucht "Adam" auch als Kollektivbezeichnung für die Menschheit überhaupt (Gen. 6,1 f.). Die menschliche Sprache entwickelt sich aus der Benennung der Tiere. Die monogamische Ehe erscheint als die Wiedervereinigung zweier ursprünglich als Einheit geschaffener Geschlechter. Die Ehe ist zugleich eine Gehilfenschaft. Die Erde ist ein Garten, ein Paradies. Dieser uranfängliche Zustand entspricht dem, was die Griechen das "Goldene Zeitalter" nannten (Hesiod, Werke und Tage 109). Es ging verloren durch den Ungehorsam Evas (bei den Griechen: Pandoras). Die ersten Menschen waren also nach der Bibel Gärtner, sie lebten vom Ertrag der Gärtnerei. Dieser glückselige Zustand hörte auf, durch eigene Schuld , durch Spaltung des guten Willens in einen bösen, durch eine Umwandlung des ganzen seelischen und moralischen Zustandes, der Erkenntnis, wodurch sich nicht nur das geschlechtliche Verhältnis, sondern auch die Stellung des Menschen zur Natur völlig änderte. Auch das sind Dinge, die an der Grenze menschlicher Vorstellbarkeit liegen. An die Stelle der leichten Gartenkultur tritt mühsamer Ackerbau und Hirtenleben. In die Familie tritt Zwietracht, Neid, Brudermord, Trennung. Bemerkenswert ist die hervorragende Rolle, die der Frau zugeteilt ist. Sie erscheint als die letzte, also vollendetste Schöpfung, ihr kommt beim Sündenfall die aktivste Beteiligung zu, denn sie ist es, die den Mann verlockt, gegen das Gebot des Gewissens und Gottes zu handeln. Ihr wird auch das "Protoevangelium" zuteil, die erste Verheißung einer Erlösung. Das Weib soll der teuflischen Schlange den Kopf zertreten. Die Kirche sah darin allzeit die Stellung Marias symbolisiert. Der vollkommenste: "Mensch" sollte ein Weib sein, vom Gottmenschen abgesehen."((1))
Nun wird so mancher sagen: "ist alles recht schön wir es mit einem nur und gut! Beruht es aber auf Wahrheit?" Soweit wir es mit einem nur dubium scientificum zu tun haben, einem sogenannten nur wissenschaftlichen Zweifel, also nicht mit einem Glaubenszweifel, ist dagegen nichts einzuwenden. Bestünde bereits ein Glaubenszweifel, dann ist es höchste Zeit, ernsthaft das Gewissen zu erforschen und den Beichtstuhl aufzusuchen, damit man nicht auf Irrwege kommt.
"Um das Geschehen zu begreifen" - bemerkt Richard Kralik, "gibt es zwei Möglichkeiten: das Materielle aus dem Geistigen abzuleiten, oder umgekehrt das Geistige aus der Materie. Der Materialismus scheitert daran' daß er aus der Urmaterie weder eine erste Bewegung; noch das organische Leben, noch das Geheimnis des Geistes, der Sinneswahrnehmung erklären kann. Auch ohne Offenbarung ist der Schluß gültig, den der Psalm ausspricht: Wie sollte der nicht sehen und hören, der Auge und Ohr geschaffen hat? Der Vermittlungsversuch, in die Materie Zielstrebigkeit hinein zu legen, setzt eine vorhergehende Intelligenz voraus. Der andere Vermittlungsversuch, die erste Ursache als "Denken und Ausdehnung", als Geist und Materie zugleich zu fassen (wie wir es erneute etwas umgebaut bei Teilhard finden; O.K.), übersieht den sekundären Charakter des Zeitlich=Räumlichen. Zudem ist uns der Geist direkt bekannt, das Materielle nur indirekt durch Vermittlung des Geistes, dessen wir allein unmittelbar sicher sind. Der geistig-sinnliche Mensch konnte nur von einem geistigen Urprinzip herkommen. Er konnte sich nur als Ebenbild eines geistigen Schöpfers betrachten. Selbst die Offenbarungstatsache der Dreieinigkeit, dieses geistigen Prinzips, wird durch die Persönlichkeit des Menschen und (nach dem hl. Augustinus) durch die Dreinigkeit seiner drei Seelenvermögen erläutert. "Im Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen", und damit auch den Raum, die Zeit, die Bewegung, die Welt und ihre Geschichte. Die hymnische Darstellung der Schöpfung im ersten Kapitel der Genesis teilt diese Tätigkeit Gottes in sechs Akte, sechs Tage ab, um damit den Rhythmus der Woche mit dem siebenten Ruhetag zu erklären. Auf die ausgleichenden oder entgegengesetzten Anschauungen der Naturwissenschaft über die Schöpfungsgeschichte lassen wir uns nicht ein; sie sind Spekulationen, die vorläufig und wohl für alle Zeit sehr weit von exakten Ergebnissen fernbleiben werden und das schon deshalb, weil sie, was man gewöhnlich übersieht, es mit Grenzbegriffen des menschlichen Erkennens zu tun haben, mit Kategorien des Denkens, die gegenüber solchen Problemen an der Grenze des Denkbaren versagen müssen. Dies gilt meines Erachtens ebenso von den prähistorischen Zeiträumen wie von der Schöpfung des Menschens. Die wissenschaftlichen Methoden versagen hier deshalb, weil der Mensch sich nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf herausziehen kann, wie Münchhausen log; er kann nicht mit einem auf der Erde angesetzten Hebel die Erde aus den Angeln heben, wie Archimedes richtig erkannte. Die Phantasien über die Abstammung des Menschen von affenähnlichen Tieren sind Rückfälle in die kindlichen Anschaunngen wilder, geschichtsloser Völker, unwürdig ihrer Intelligenz. Wir stoßen hier überall an die Grenzen unserer Erkenntnis, was eben unsere Naturhistoriker nicht verstehen können, da sie keine Philosophen sind, und die für das tägliche Leben geltenden Begriffe auf Probleme anwenden, für die sie per nicht eingestellt werden können.'' ((2)) Kralik spricht von wilden geschichtslosen Völkern; und das stimmt. Wo aber der Forscher, wie P.W. Schmidt S.V.D., und andere auf primitive Kulturen stoßen, bietet sich ein anderes Bild, welches nur ein Beleg dazu ist, daß die unverdorbene Seele des Menschen, klarer sieht, als wir es uns bis jetzt gedacht haben. So sagt dem P. Trilles einst ein kleiner Familienhäuptling der Pygmäen mit Stolz: "Was, wir sind keine Tiere, wir werden nicht wie die Tiere geboren! Wenn wir auf die Welt kommen, schaut uns der Schöpfer an, und wir schauen Ihn an, das Angesicht Ihm zugewandt!') ((3)) Der Holländische Katechismus ist allerdings anderer Meinung, und wir wollen nur hoffen, daß die glücklichen Armen, nicht von ihm des "Besseren" belehrt werden. Dann könnten sie auch nicht beim Gedanken an den Tod kindlich einfach sagen: "Sterben heißt dem Vater sagen, ich bin hier!" ((4)) "Die biblische Offenbarung", setzt Kralik fort , ''vereinigt die beiden sonst unvermittelt einander entgegengesetzten Anschauungen über die geschichtliche Entwicklung: 1. Niedergang aus ursprünglicher Vollkommenheit, 2. Aufstieg und Fortschritt von Wildheit zu einem Idealreich am Ende der Zeiten, das Himmelreich!" ((5)) Wir können uns hier nicht länger mit dieser, wenn auch noch so wichtigen Sache aufhalten. Wir mußten uns aber mit ihr befassen, da der Mensch, und zwar jeder Mensch, in erster Linie Glied des mystischen Körpers Adams ist, welches organisch mit allen anderen in Verbindung ist, was sowohl die Vergangenheit anbelangt, als auch die Zukunft. Im gewissen Sinne gilt hier: einer für alle und alle für einen, wie wir es bei dem Glaubenssatz "Gemeinschaft der Heiligen" später noch werden erwägen müssen. Hier sei nur etwas vorgreifend bemerkt, daß die Tragweite unserer Lebensäußerungen raumzeitlich unbeschränkt ist, und wir hierbei nicht so ruhelos wie an der Vergangenheit noch an der Zukunft vorbeigehen dürfen!!! Bevor wir an unsere eigentliche Frage herantreten, müssen wir noch einen Blick auf die körperliche als auch die seelische Ausstattung des ersten Menschen wer£en. Neben der Vollkommenheit der Natur, besaßen Adam und Eva noch viele übernatürliche, d.i. von der Natur nicht beanspruchbare Eigenschaften, welche ihnen Gott ganz unverdientermaßen und unverdienbarerweise hatte zukommen lassen, welche allerdings an die Beobachtung eines Gebotes gebunden waren. So waren sie vor dem Sündenfalle mit der heiligmachenden Gnade geschmückt, welche als lebendiger Abglanz des Dreieinigen sie an der Natur Gottes teilnehmen ließ, wenn auch nur auf eine Art, die einem erschaffenen Wesen entspricht. Diese wurde von den göttlichen und sittlichen Tugenden begleitet. Sie waren frei von der bösen Begierlichkeit und zeigten hierin einen völlig ausgeglichenen Charakter. Sie besaßen leibliche Unsterblichkeit, waren ausgerüstet mit eingegossener Wissenschaft natürlicher und übernatürlicher Wahrheit. Zu dem gesellte sich die Leidensunfähigkeit des paradiesischen Menschen. Ihr Leben war wahrlich ein Wonnezustand, wie ihn der hl. Augustinus in seiner "Stadt Gottes" (XIV, 26) ((6)) so schön schildert. (Wir haben bereits in der Einsicht 1/12 März 1972 S. 13 von der Erhabenheit des Menschen gesprochen, heute müssen wir uns mehr mit den unglücklichen Folgen seines Falles beschäftigen.) Die Vorstellungskraft scheitert beim Versuch sich ein - wenn auch nur annäherndes - Bild von den verheerenden Folgen der ersten Sünde, wie für Adam, so auch für die ganze Menschheit, zu verschaffen!
Im Augenblick war die heiligmachende Gnade verschwunden verloren die übernatürliche Liebe mit all den sittlichen Tugenden, nur der Glaube und die Hoffnung vegetierten weiter. Es ist wohl überflüssig darauf hinzuweisen, welche Auswirkungen sich da auf dem Gebiete der Natur zeigen mußten. Die Vernunft wurde geschwächt, der Wille zum Bösen geneigt, das Herz mit Selbstsucht gefüllt, Mühe, Leid und Tod, bemächtigten sich des Menschen und die Hölle sperrte ihren gähnenden Rachen auf. Dieses letzte wird wohl nicht gerade mit Begeisterung so angenommen, wie es dargebracht wurde, doch müssen wir betonen, daß dieser Vergleich ebenso notwendig ist, wie er unvollkommen in der Darbietung der Wirklichkeit ist. Die traurigen Folgen dehnten sich selbst auf die Umwelt aus, welche sich dem Menschen feindlich gegenüber stellte, wie der Körper dem Geiste, weil der Geist sich gegen Gott empörte!
A D A M, W O B I S T D U ! ! !
Das waren nicht Worte eines unwissenden Gottes, sondern ein Ausruf des höchsten Schmerzes eines verletzten Vaterherzens, des Allwissenden, der um das Schicksal seines Kindes bangte!!! Auch über die Verantwortung Adams können wir hier nicht mehr sprechen, wir müssen uns mit der Verantwortung eines jeden von uns, für einen jeden von uns befassen, denn, wie wir bereits angedeutet haben, die Auswirkungen unserer Lebensäußerungen können ihren Widerhall im gesamten Weltall haben wie es auch meistens ist - und das sowohl im Raume, als auch in der Zeit, wobei Vergangenheit und Zukunft zur Gegenwart werden. Nicht nur, daß wir unser Leben panoramatisch, alles auf einmal, erfassen, sondern unsere Äußerungen wirken sich raum-zeitlich an Stellen aus, welche wir bei Lebzeiten nicht wahrnehmen können, aber staunen werden, wenn wir alles beim Gerichte Gottes erfahren werden! Bedenken wir nur das, worauf wir vor kurzem aufmerksam machen mußten, als wir von den Werken der christlichen Barmherzigkeit gesprochen haben!
(Fortsetzung folgt!)
Anmerkungen: ((1)) "Grundriß und Kern der Weltgeschichte", von Richard Kralik, II. Auflage, "Styria", Graz und Wien 1922 Seite 7 - 8. ((2)) ebendort S. 6 - 7. ((3)) "Les Pygmées de la Forêt équatoriale", R.P. Trilles, Bloud - Gay, Paris 1932 Seite 342. ((4)) ebendort S. 251. ((5)) Kralik, op. cit. 8. ((6)) S. Augustinus, "De Civitate Dei" - XIV, 26; vgl. Summa 1. qu. 102.
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