Das ist das kostbare Geschenk, das Christus, der als
Friedensfürst vorherverkündet war, uns in seiner Geburt gebracht hat.
Der Friede war das ständige Thema seiner Verkündigung, das letzte
Abschiedswort und der erste Gruß nach seinem Leiden. Der Friede, der
die Versöhnung ist zwi-schen Gott, der beleidigt wurde, und dem
Menschen, der seine Sünden bekennt, der Friede, der die Erlösung des
gefallenen Menschen ist, welcher aufstehen und sich von den Fesseln
seiner Laster befreien will; der Friede, der die Freundschaft mit
unserem Gott ist, der Quelle des wahren Trostes, der Süßigkeit und der
Freude.
Lasst uns nachdenken, weil die Zeiten es
verlangen und weil wir unsere Verirrung bemerken: Was haben wir aus
diesem heiligen Frieden gemacht, den Gott uns gebracht hat? Wo ist der
Friede der Seelen, der Familien und der Völker in einer Gesellschaft,
die sich christlich nennt? Diese Ge-sellschaft ist nämlich einem
Frieden ohne Gott nachgejagt, einem Frieden, der auf materiellem
Wohl-stand beruht und der Armut der bescheidenen Krippe von Bethlehem
entgegengesetzt ist, einem Frieden ohne Liebe, gegründet auf den
Egoismus dessen, der dem anderen nicht dienen sondern nur bedient
werden will, einem Frieden ohne Gerechtigkeit, der die Rechte des
Nächsten nicht beachtet und, was schlimmer ist, die Rechte Gottes nicht
beachtet, dem es gebührt, dass man ihm mit größter Liebe dient, weil er
unser Vater und Erlöser ist.
Wir müssten alle fröhlich sein über die
Geburt unseres Erlösers, aber Traurigkeit und Schmerz und Verzweiflung
drücken diese Generation nieder, welche die Bedingung für die Erlangung
dieses so ersehnten, von Gott verheißenen Friedens nicht annehmen
konnte oder wollte: Dieser Friede wird nur den Menschen guten Willens
verheißen.
Im Gegensatz zu diesem guten Willen, den
jeder Christ haben müsste, herrscht in der Welt die Unaufrichtigkeit,
welche die unerlässliche Bedingung für den Fortschritt der Einzelnen
und der Völker zu sein scheint, worüber sich schon Papst Pius XII.
beklagte: "Das Stigma, das unsere Zeit auf der Stirne eingeprägt hat,
die Ursache ihrer Zersetzung und Dekadenz, ist die immer klarer
her-vortretende Neigung zur Unaufrichtigkeit, und diese
Unaufrichtigkeit scheint heute geradezu zum System erhoben und zum Rang
einer Strategie ernannt zu sein, bei der die Lüge, das Verfälschen des
Wortes und der Taten und der Betrug zu den klassischen Angriffswaffen
geworden sind, die einige, stolz auf ihr Können, meisterlich
gebrauchen" (Radiobotschaft Weihnachten 1947).
Es ist unmöglich, den Frieden erlangen
zu können als Ergebnis der Lüge, der Heuchelei, der Unersättlichkeit,
so können nur Hass und Zwietracht entstehen oder zumindest die kalte
Gleich-gültigkeit derer, die Gott nicht in ihrem Herzen tragen.
Dieser Mangel an Aufrichtigkeit, an
gutem Willen, geht so weit, dass er zu etwas wird wie "der wesentliche
Bestandteil der modernen Technik bei der Kunst, die öffentliche Meinung
zu bilden, sie zu lenken und sie in den Dienst der eigenen Politik zu
stellen, entschlossen, wie man ist, in den Kämpfen um Interessen,
Meinungen, Lehren und Vormachtstellungen zu triumphieren, koste es, was
es wolle" (ebd.).
Es gibt keinen Frieden, weil die
Wahrheit offen entstellt wird und an ihre Stelle Falschheit und Hass
zusammen mit dem Ehrgeiz als Grundprinzipien gesetzt werden. In der Tat
hat diese Genera-tion die Botschaft unseres Herrn in seiner
bescheidenen Wiege von Bethlehem nicht verstehen kön-nen. Unser Herr
kam und verachtete die Welt, und diese Generation will Gott und der
Welt dienen, die Gegner sind. Unser Herr kommt, um uns den Weg der
Demut zu lehren, aber der Mensch wurde überheblich, ein autonomes
Wesen, das der Autorität Gottes trotzt, weil "sein tatsächliches
Gesicht eines Geschöpfes, das seinen Ursprung und seine Bestimmung in
Gott hat, ersetzt wurde durch das falsche Bild eines im Gewissen
autonomen Menschen, der sein eigener unkontrollierbarer Gesetz-geber
ist, keine Verantwortung hat gegen seinesgleichen und gegen das
Sozialgefüge, ohne andere Bestimmung außerhalb der Erde, ohne anderes
Ziel als den Genuss der endlichen Güter, ohne ande-re Norm als die
disziplinlose Befriedigung seiner Begehrlichkeiten" (Pius XII.,
Weihnachten 1949).
So kann der Mensch keinen Frieden
bekommen, weil es keine schlimmere Unvernunft gibt, als nur auf sich zu
vertrauen und dabei zu vergessen, dass der Mensch begrenzt ist, dass er
in tausen-derlei Elend verstrickt ist, das ihn absolut von Gott
abhängig macht. Der Demütige versteht das gut, weil er seine Kleinheit
sieht und sich voll Vertrauen der Größe, Güte und Macht Gottes hingibt;
von dorther kommt ihm der Friede, weil Gott ihm wegen seiner Demut
vergeben hat, und nun ist seine Seele ruhig, denn aus der Gnade geht
der Friede hervor.
Damit wir Frieden haben und dieser
Friede vollkommen ist, ist es notwendig, dass in allen Tei-len Ordnung
herrscht, denn nach dem hl. Augustinus besteht der Friede in "der Ruhe
der Ordnung": Ordnung in der Beziehung zu Gott, Ordnung unter den
Menschen und Ordnung in uns selbst. Diese drei Ordnungen gehören
grundsätzlich zusammen.
Wenn die Ordnung in der Beziehung zu
Gott zerbricht, der die höchste Quelle des Rechts und der einzige
Richter ist, der sie zur Rechenschaft ziehen kann, kennen die Staaten
kein anderes Recht mehr als ihren Nutzen und ihre Macht. Auch die
Menschen finden keine andere Norm als ihren Egoismus, und die einen
werden der anderen Wölfe, wobei die Wölfe besser dastehen, weil sie nur
Pfoten und Zähne haben.
Wenn die Ordnung in der Beziehung zu
Gott zerbrochen ist, finden wir auch keine Gründe mehr, um unsere
Leidenschaften zu ordnen und sie der Herrschaft der Vernunft zu
unterwerfen. Und wenn wir wiederum in uns nicht die nötige Ordnung
herstellen, werden wir, vom Vergnügen beherrscht, unmöglich unser Wohl
dem des Nächsten unterordnen und uns Gott unterwerfen.
Christus kam, um den vollkommenen
Frieden und also diese drei Ordnungen wiederherzustel-len. Er
versöhnte uns wieder mit Gott, lehrte uns, unsere Brüder zu lieben und
uns für das Heil anderer zu opfern, Er, der für unser aller Heil starb.
Lasst uns daher zur Krippe gehen, und
der beste Weihnachtswunsch möge sein: "Er, der Herr des Friedens,
gewähre uns, dass wir allzeit und überall in seinem Frieden leben" (2
Thess 3, 16; Verbum Vitae, Bd. IX, S. 99). |