AGGIORNAMENTO VOR 65 JAHREN
zusammengestellt und kommentiert von Anton Holzer
II.
Variationen über ein Thema: aggiornamento
Seit der französischen Revolution wird von den Apologeten des Fortschritts dieselbe Forderung an die Kirche gestellt unter denselben Vorwänden. Nur die konkrete Vorstellung über die Art und Weise dieses Aggiornamentos variiert etwas mit den Zeitverhältnissen: "Wir sehen allenthalben bei den sog. gemäßigten Modernen, um wieviel weiter wir gekommen sind als vor hundert Jahren. Damals, namentlich bei Lamennais, galt die Losung: Die Revolution christianisieren durch Herablassung zu ihr, den Liberalismus katholisieren durch das Eingehen auf die liberalen Ideen Wohin das geführt hat , wissen wir. Heute wird dieser Satz umgekehrt. Friede und Ordnung, sagt man jetzt, kann nur dadurch wiederhergestellt werden,daß der Katholizismus zu einem annehmbaren Christentum vereinfacht wird; dann wird auch unsere Zeit wieder zu gewinnen sein, wenn dieses Christentum den Ausgleich mit den modernen Ideen schließt. Denn immer ist dies in den Kreisen, die wir hier zu berücksichtigen haben das letzte Wort und der ausschlaggebende Gedanke: Die Kirche muß sich dem Kulturzustande der Gegenwart anpassen, der Katholizismus muß von seinen schroffen Ansprüchen zurücktreten, das Christentum muß sich mit der modernen Weltanschauung versöhnen, gerade als sei das Christentum der Störenfried und der Katholizismus der Herausforderer ... " (3)
Die Aufgabe des Christentums sah man nicht mehr in der Wiedergewinnung einer unchristlich gewordenen, apostasierten Welt zum katholischen Glauben, sondern in der "Bildung einer homogenen modernen Weltanschauung": "...Wie das zu stande gebracht werden solle, das bedarf nach dem Gesagten keiner Erläuterung mehr Ausgleich des Christentums mit der modernen Weltanschauung, Anpassung des Katholizismus an die moderne Kultur, Sicheinleben in den modernen Geist, liebevolles Eingehen in den modernen Gedanken, diese und ähnliche Sätze erklären das deutlich genug. Es ist die nämliche Weisheit, die in der Prophetenzeit die nämlichen Wirkungen hervorbrachte,die nämliche Handlungsweise, die Gott beim Propheten schildert mit den Worten: Zwei Übel hat mein Volk getan Mich die Quelle lebendigen Wassers, haben sie verlassen, und Brunnen haben sie sich gegraben, in denen das Wasser nicht hält (Jer 2,13). Der Umbildungsprozeß im religiösen Bewußtsein, einerseits das Preisgeben des Positiven, des Objektiven und des Übernatürlichen, andererseits die Aufnahme alles dessen, was sich als moderne Weltanschauung gibt, kurz - das Streben nach Bildung einer homogenen modernen Weltanschauung - das ist es worin die religiöse Gefahr besteht ..." (4)
Wie aber dachte man sich diese Anpassung des Christentums an die moderne Kultur? "... Soll das Christentum als Religion sich mit der modernen Kultur, insofern diese dem Christentum entgegengesetzte religiöse Ideen enthält, soll sich die christliche Religion mit der modernen Gegenreligion in ein Kompromiß einlassen? daran darf man nicht denken, und daran denken auch die Förderer des Ausgleichs nicht. Nein,sie wollen nur das Christentum, insoweit es die Grundlage der christlichen Kultur ist, mit der modernen Kultur vereinbaren, nicht insoweit diese widerchristliche Ideen vertritt, sondern nur insofern sie Kultur ist. Daher der Ausdruck sie wollten den Ausgleich zu stande bringen, nicht auf dem Boden der Religion, sondern auf dem der Kultur, oder sie wollten nur die christliche und die moderne Weltanschauung miteinander versöhnen. Aus dem soeben Gesagten geht aber deutlich hervor, daß dies unmöglich ist aus zwei Gründen: weil die moderne Weltanschauung die christliche Religion überhaupt nur als Kultur, nicht als Religion gelten läßt, und weil sie umgekehrt die moderne Kultur nicht bloß als Kultur, sondern als Weltanschauung, als Antireligion aufdrängt. Daraus folgt, daß der Gegenstand um dem es sich bei diesem Ausgleich handelt, ganz derselbe bleibt, ob wir nun von Kultur oder von Religion oder von Weltanschauung reden. Der unüberbrückbare Gegensatz bleibt immer der gleiche, dort das Ziel im Jenseits, hier das Aufgehen im Diesseits.
...Das Christentum, so lautet das gleichmäßige Ergebnis aller Untersuchungen, so das Geständnis aller Sachkundigen, so das Zeugnis aller Tatsachen, das Christentum ist geschwunden, wenigstens geschwunden aus dem öffentlichen Leben, und darum auch die christliche Kultur.An die Stelle der christlichen Kultur ist die moderne Kultur getreten, das ist eine unumstößliche Tatsache. Der Grund davon ist aber der, daß an die Stelle des Christentums die sog. moderne Weltanschauung getreten ist. Die ehemalige Kultur war christlich wenigstens zum größeren Teil, weil das Christentum durch den Glauben die Geister und das Leben im großen und ganzen beherrschte. Die moderne Kultur ist unchristlich, ja widerchristlich, wenigstens in den entscheidensten Bestandteilen, weil die moderne Welt den christlichen Glauben preisgegeben hat, weil die moderne Weltanschauung in den wichtigsten Stücken dem Christentum fremd ja feindlich gegenübersteht, so viel sie auch im einzelnen vom Christentum noch beibehalten hat. Die frühere Kultur war christlich, insoweit sie dem Christentum einen entsprechenden Ausdruck schuf, was freilich nie ganz vollkommen geschah, die moderne Kultur ist modern, insoweit sie die Verkörperung der modernen, der antichristlichen Ideen und Bestrebungen ist. Zum Glück fehlt noch vieles an der Durchführung dieses Zieles. Aber da, wo es der modernen Zivilisation noch nicht gelungen ist, die ihr eigentümliche Richtung zum Siege zu bringen, ist eben auch vorläufig noch ein Bestandteil der christlichen Kultur lebendig geblieben, dessen sich die moderne Kultur mit Unrecht als ihrer Errungenschaft und als ihres Eigentums rühmt. Ist dem aber so, dann ergibt sich als unabweisliche Schlußfolgerung der Satz: Die christliche Kultur ist vom Christentum so wenig zu trennen als die moderne Kultur von der sog. modernen Weltanschauung...
Christentum und christliche Kultur sind nicht dasselbe, sondern sie verhalten sich zueinander wie Wesen und wie Eigenschaften, oder wie Ursache und wie Wirkung. Und ebenso ist das Verhältnis zwischen moderner Weltanschauung und moderner Kultur. So wenig man die Eigenschaften vom Wesen einer Sache lostrennen kann, wenn man schon zwischen beiden unterscheiden muß, so wenig kann man die christliche Kultur vom Christentum losschälen, obschon man sie gewiß nicht als eines und dasselbe betrachten und behandeln darf ...
Nein, ein Ausgleich des Christentums und der modernen Kultur ist nicht möglich ohne schwere Schädigung des Christentums selber. In den Köpfen und Herzen der meisten unserer gebildeten Zeitgenossen hat das Diesseits über das Jenseits, hat die Erde über den Himmel gesiegt, sagt ein tiefer Kenner unserer Zeit.
An dieser Tatsache ist nichts zu ändern. Das Christentum ist aber die Religion des Himmelreiches, es ist die Religion der jenseitigen und zukünftigen Welt, für das Diesseits dagegen die Religion des Kreuzes. Das Kreuz kann nie und nimmer Schibboleth der Welt und der Weltmenschen sein. Einem Menschen, der daran festhält und danach lebt, wird die moderne Welt nie den Namen modern und gebildet im vollen Maße zugestehen. Gebt Euch also nicht eitern Einbildungen hin, als ob ihr euch je bei denen empfehlen könntet, die sich mit so großem Selbstbewußtsein moderne Kulturmenschen nennen. Es bleibt dabei, daß wenige derer send, die den schmalen Weg finden, und wenige,die ihn gehen"... (5)
(Fortsetzung folgt)
Anmerkungen: 3) a.a.O. 280 f. 4) a.a.O. 281 f. 5) a.a.O. 332-340.
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