AKTIVE TEILNAHME
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
II.
Wir zeigten, daß wir das unerreichbare Vorbild, sowohl des Opferers als auch des Opfers, in Maria haben, der Jungfrau. Ihre Jungfräulichkeit ist ein wesentlicher Bestandteil ihres Opfers, wie auch seine Vorbedingung. In diesem Zusammenhange muß also ihre Jungfräulichkeit auch während der Geburt Jesu und nach ihr, und zwar für das ganze Leben, betont werden, weil wir in der Jungfräulichkeit im vollkommenen Sinne des Wortes etwas mehr sehen müssen als eine bestimmte körperliche Unversehrtheit. Da diese das absolute Verankertsein in Gott, überall, jederzeit, von ihrer Geburt bis zum Tode fordert, können wir uns mit der Jungfräulichkeit vor der Geburt des Gottessohnes allein nicht begnügen. Bedenken wir gut, wessen Braut Maria ist: des Heiligen Geistes; was für ein Sohn ihr Sohn ist: der Sohn Gottes, dann ist es für den, der logisch denken kann und sich meditierend im Licht des Glaubens nur ein wenig in dieses Geheimnis vertieft, klar, daß es zu keinem ehelichen Verkehr mit dem hl. Joseph kommen konnte, welcher mit heiliger Scheu seiner Angelobten gegenüber stand, daß also Jesus keine Geschwister hatte. Das "Ökumenische Glaubensbekenntnis" mit seinem "geboren von der Jungfrau Maria" betont höchstens die Jungfräulichkeit vor der Geburt Jesu; nicht aber die Jungfräulichkeit bei seiner Geburt und nachher, wie gebetet wurde und auch gebetet werden soll: "geboren aus Maria, der Jungfrau!"
Wir sehen jetzt also, daß das, was von den Neuerem ein zweitrangiges Dogma betrachtet wird, eine Unwahrheit ist, die einer Gotteslästerung nahekommt, da sie das erhabenste Werk des Heiligen Geistes verletzt. Symbolisch kam dies zum Ausdruck bei dem Anschlag auf die Pietà Michelangelos im Petersdom, worauf schon in "Einsicht" IV, 375 in einem anderen Zusammenhang aufmerksam gemacht wurde.
Der hl. Kirchenlehrer Alphons von Liguri betont von der Mutter Gottes: "Vom Gebrauch der Vernunft an, d.i. vom Augenblicke ihrer unbefleckten Empfängnis, fing sie an, aus allen Kräften Gott zu lieben; so setzte sie es fort ihr ganzes Leben hindurch. (...) es gab für sie kein einziges Wort, keine Gebärde, keinen Blick, keinen Atemzug, der nicht für den Herrn und Seine Ehre gewesen wäre; nie wandte sie sich ab von Ihm, nie löste sie sich los von der Liebe zu Gott. (...) Es war ein ausschließliches Privileg Mariens, sagt Bernardin de Bustis, Gott aktuell in einem jeden Augenblick ihres Lebens zu lieben, und das mit einer so heißen Liebe, daß es nach dem hl. Bernhard ein andauerndes Wunder war, ihr Leben inmitten solcher Flammen zu erhalten. (...) Der göttliche Heiland sagte es (...), daß, wo unser Schatz ist, auch unser Herz sein wird. Da nun Maria keinen anderen Schatz hatte als Jesus, mußten auch ihre Wünsche stets mit Ihm im Himmel sein. (...) Kurz, nie unterbrach sie, nie verlangsamte sie ihren Antrieb zu Gott, nie verlor sie, wegen einer Nachlässigkeit die Gelegenheit in der Vollkommenheit fortauschreiten, (...) in ihrem Herzen vereinigte sie die heroischsten Tugenden, welche je von den Heiligen praktiziert wurden (l).
Wie traurig dem gegenüber zeigt sich das Bild der Menschheit! Von einem Verankertsein in Gott kann nur bei Ausnahmen gesprochen werden, ein jeder will "in seiner facon selig werden", was man ihm nicht gerade so sehr verübeln würde, wenn er dadurch nicht andere beeinträchtigen würde. Auf diese Weise sieht der Organismus der Menschheit wie vom ärgsten Krebs betroffen aus, denn der Krebs ist ein nichtteleologisches Wuchern der Zellen, welche auf ihre Faust, ohne Rücksicht auf den Gesamtorganismus, arbeiten. Der Opfergedanke, so wie wir ihn soeben beschrieben haben, ist meistens ausgestorben, wobei noch ein Opfern vorgetäuscht wird, das jedoch nichts anderes ist, als raffinierter Auadruck der Selbstsucht.
Dort aber, wo der Geist Gottes sich auswirken kann, zeigt sich ein dreifacher Opferraum, wie auch ein dreifaches Opfer. Dieser Raum ist aber nur ein einziger Raum: Golgotha, die Lebensbühne, der Himmel; wie auch nur ein einziges Opfer: die circuminsessio cordium, das gegenseitige 'Sichbesitzen' der Herzen aller im Geiste Gottes sich Liebenden, im allerheiligsten Herzen Jesu, wie Dieses sich auch in einem jeden von ihnen befindet.
"Der erste Akt des menschgewordenen Wortes war, sich seinem Vater als Ganzopfer anzubieten: Schlachtopfer und Speiseopfer für die Sünden hast du nicht begehrt, da sprach ich: Siehe, ich komme!" (Ps 39,7) Die Armut des Stalles, die Härte der Krippe bildeten die entsprechende Umwelt für das göttliche Opfer bei Seinem Eintritt in diese Welt! (2)
Diese volle Ergebenheit in den Willen des himmlischen Vaters ist es, die sich im ganzen Leben, Leiden und in dem Tode Christi offenbart. Wie wir noch an einer anderen Stelle zeigen werden, dürfen wir das Leben eines jeden Menschen, und erat recht nicht das Leben des Erlösers in einzelne Ereignisse zerstückeln, welche nicht innerlich zusammenhängen würden, da nämlich einer um des anderen willen hier ist: also alle zusammen eine organische Ganzheit bilden. Das haben wir auch bei der Mutter Jesu - und auch unserer Mutter - kennengelernt. Da nun das hl. Kreuz Brennpunkt der Liebe ist, in welchem alle Lebensäußerungen Jesu und Mariens einmünden, müssen auch wir dies, soweit es die menschliche Schwäche gestattet, bei uns zu verwirklichen trachten. "Mn wahrer Sohn Mariä ist der, der ihr auf den Kalvarienberg folgt, der mit ihr am Fuße des Kreuzes verbleibt: dieser ist so eng durch den Heiligen Geist verbunden, daß das Band unzerbrechlich ist und für alle Ewigkeit auch dauern wird!" (3) Das macht, in aller Kürze, das Wesen der aktiven Teilnahme am hochheiligen Opfer aus. Nie dürfen wir vergessen, daß das allerheiligste Altarsakrament eben der Brennpunkt des Kreuzesopfers ist. "Wenn wir uns recht genau ausdrücken wollen", sagt J.A. Möhler, "so wird das Opfer Christi am Kreuze nur als Teil für ein organisches Ganzes gesetzt; denn sein ganzes Leben auf Erden, sein Wirken und Leiden, sowie seine immerwährende Herablassung zu unserer Dürftigkeit in der Eucharistie, bildet einen großen Opferakt, eine große, aus Liebe zu uns unternommene, für unsere Sünden genugtuende Handlung, die zwar aua verachtedenen einzelnen Teilen besteht, aber so, daß keiner von denselben für sich allein, streng genommen, das Opfer ist; in jedem besonderen Teile kehrt das Ganze wieder, so wie das Ganze wiederum ohne seine Teile nicht gedacht werden kann. Der Wille Christi, in der Eucharistie gnadenvoll sich zu uns herabzulassen, bildet in seinem großen Werk nicht minder einen integrierenden Teil als alles übrige. Oder wer möchte wohl die Behauptung wagen, daß die eucharistische Herabkunft des Sohnes Gottes nicht eben auch zu dem Gesamtverdienste desselben gehöre, das uns zugerechnet wird? Das sakramentale Opfer ist daher auch ein wahrhaftes Opfer, ein Opfer im eigentlichen Sinne, jedoch so, daß es in keiner Weise von allem übrigen, was Christus für uns noch tat, getrennt werden darf." (4)
Unser ganzes Leben muß dementsprechend ein einziger Opferakt werden, wenn wir von einer aktiven Teilnahme an der Hl. Messe sprechen wollen, die mit allen, den bereits gelesenen Messen, wie mit denen, die es noch werden, in Verbundenheit mit der ersten Hl. Messe im Abendmahlsaal, als Ausweitung des Kreuzesopfers ewig auf dem himmlischen Altar dargebracht wird.
Es wurde schon darauf hingewiesen, wie sehr der Heiland gerade für die gelitten hat, die aktiv an seinem Opfer nicht teilnehmen. So schreibt die hl. Katharina von Siena: Für den Heiland war "größer das Kreuz der Sehnsucht, als des körperliche. Seine Sehnsucht bestand darin, daß Er nach unserer Erlösung dürstete, um den Gehorsam dem Vater gegenüber zu erfüllen. Als Weisheit des ewigen Vaters sah Er die, welche an seinem Blute teilnahmen, und jene, die aus eigener Schuld an ihm nicht teilnahmen. Und weil sein Blut für alle bestimmt war, litt Er für die Unwissenheit jener, die nicht teilnehmen wollten. Und das war die bittere Sehnsucht, die Er vom Anfang bis zum Ende getragen hatte!" (5) Aus diesen Worten ist klar ersichtlich, daß in Anbetracht der gegebenen Tatsache, daß nicht alle Menschen aktiv an Christi Opfer teilnehmen, das hochheilige Blut für diese erfolgreich, effektiv nicht vergossen wird, wie auch nie vergossen werden kann, infolgedessen ihnen auch nicht appliziert werden darf! Daß der Heiland nicht für alle effektiv Sein Blut vergießen konnte, das also verursachte Ihm den größten Schmerz, da dies ja direkt gegen Seine Sendung war. Die Hl. Messe ist das Opfer des mystischen Christus, an welchem sich alle seine Glieder beteiligen sollen. Wollen sie es aber nicht, dann verläuft der ganze heilige Akt ergebnislos für jene, die einer Umkehr nicht mehr fähig sind, d.h. für die Verdammten. Ihnen trotzdem das Blut Christi aufzwingen, ist mehr als satanisch!
Wie könnten die gerade das "Liebste" - ihr eigenes "Ich" aufopfern, die es für die ganze Ewigkeit an Gottes Stelle gesetzt haben? Wenn wir aktiv am Opfer seinehmen, müssen wir doch das tun, was der Erlöser getan hat. Müssen die Glieder nicht dort sein, wo das Haupt ist? Bover betont, "daß beim Kreuzesopfer die Materie der Tod des Herrn ist, die Form der Gehorsam, oder klarer, der Wille, sterbend Seinem Vater die gerechte Ehre zu erweisen als auch die entsprechende Genugtuung für die Sünden der Menschen zu leisten." -"Auch dürfen wir nicht daran zweifeln, daß wir im vollen Sinne des Wortes die ewige Dauer der Aufopferung Christi vor Augen haben!" (6) Infogedessen müssenwir mit Kardinal Manning und anderen sagen: "Ein einziges Opfer hat die Welt ein für allemal erlöst, und dieses wird ununterbrochen im Himmel als auch auf Erden aufgeopfert: im Himmel durch den einzigen Priester vor dem ewigen Altar; auf Erden durch die Priester, die überaus große und ununterbrochene Kette, die ja nichts als eins ist mit Ihm, und an Seinem Priestertum teilnimmt." (7) "Es geschieht nicht auf Grund einer neuen Handlung, daß die Konsekration bei der Hl. Messe stattfindet, sondern durch die ein für allemal vollbrachte Tat des Hohen Priesters. Christi Tat setzte das Opfer ein, Christi Tat verewigt es." (8)
"Deus noster ignis consumens est" - Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer", (Hebr. 12,29) Wir haben schon gesagt, daß es ein Wunder der Wunder war, daß Maria in einem solchen Feuer der Liebe noch weiter leben konnte; so gilt es auch für uns, "es genügt nicht allein, daß wir uns selbst sterben, wir müssen uns völlig verzehren: um ein vollkommenes Opfer zu sein, ist es notwendig, daß das Ganzopfer an Gott zurückkommt!" (9) Ermahnt uns da nicht der hl. Apostel, wenn er sagt: "Seid so gesinnt wie Christus Jesus. Er, der in Gottesgestalt war, erachtete sein gottgleiches Sein nicht für ein Gut, das er mit Gewalt festhalten sollte. Vielmehr entäußerte er sich, nahm Knechtsgestalt an und wurde den Menschen gleich. Er erschien im Äußeren als Mensch und erniedrigte sich und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze. Darum hat ihn auch Gott so hoch erhoben und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist!" (10) Auch wir sollen uns gänzlich entäußern; dies bedeutet aber für uns keine Demütigung, denn es heißt die Fetzen der durch die Erbsünde als auch der durch die persönlichen Sünden entstellten menschlichen Natur ablegen, um an der Natur Gottes teilnehmen. Und dennoch tun wir es nicht!!
Mit der Ablehnung des sich auf das ganze Leben des Christen beziehenden Offertoriums durch die Reformation und hiermit der Erneuerung des Opfers Christi, beginnt die Tragik der Neuzeit! Das "Ich" muß unbedingt in Christus und mit Christus sterben, damit es in Christus lebe, wie er in una! "Woher kommt Zank und Streit unter euch?" fragt der hl. Jakobus, "woher andere als von euren Begierden, die in euren Gliedern streiten? Ihr begehrt etwas und erhaltet es nicht. Ihr mordet und seid neidiach und könnt es nicht erlangen. Ihr kämpft und streitet um etwas und erreicht es nicht, weil ihr nicht betet. Ihr betet um etwas und erhaltet es nicht, weil ihr schlecht betet; ihr wollt es für eure Lüste verwenden. Ihr Ehebrecher, wißt ihr nicht, daß Freundschaft mit der Welt Feindschaft gegen Gott bedeutet? Wer also Freund der Welt sein will, macht sich zum Feinde Gottes!" (11)
Wir haben schon einigemal die Bilanz des 20. Jahrhunderts gezogen: rund 200 Millionen Tote, direkt oder indirekt Opfer der Kriege mit ihren scheußlichen Konzentrationslagern, fast ebensoviele Krüppel, ein Meer von Blut und Tränen, ein moralischer Sumpf, wo kein gediegener Charakter mehr aufwachsen kann!
Die Reformation verwarf die konkrete Autorität Gottes, wie sie im Lehramt der hl. Kirche zum Ausdruck kommt, und versetzte alles in die Menschen; der Heilige Geist wirke angeblich direkt auf einen jeden persönlich. So gibt es ebensoviele Päpste wie es Menschen gibt, da ein jeder sich selbst Papst ist. Es bewahrheiten sich die Worte Luthers, die er an die Antwerper Schrieb: "Es gibt unter uns so viele Religionen wie es Menschen gibt. Unter den Eseln finden wir keinen solchen, der so blöde und wahnwitzig wäre, daß er die Traumgebilde seines Schädels und seine eigenen Ansichten als Eingaben des Heiligen Geistes und hiermit sich selbst als Propheten betrachten würde." (12) Das Endergebnis ist eine Egolatrie, d.i. Anbetung des eigenen Ichs, wie Papini in seinem Gog beschreibt. Ein Titanenkampf setzt bald ein. In der Ukraine gibt es ein Sprichwort: Eine jede Schlange möchte Drache werden, dazu muß sie aber eine andere Schlange auffressen! Und so greifen sich die Schlangen tüchtig an! Das Ende ist die Götterdämmerung. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang nicht an die Worte des hl. Paulus? "Wenn ihr aber einander beißt und zerreißt (eine schöne aktive Teilnahme! O.K.) so seht zu, daß ihr einander nicht aufzehrt." (13)
Immer und immer wieder bekommen wir zu hören, daß das Christentum versagt hat. Nicht das Christentum hat versagt, sondern die Christen! Dieser Tatsache war sich Rom bewußt, als es das Konzil von Trient zusammenrief, um den unglücklichen Zustand der Welt zu heilen. Das "non serviam" ("ich will nicht dienen") des Teufels drang tief, selbst in die Reihen der Diener der Kirche ein, und war nicht zuletzt eine Vorbereitung des allgemeinen Abfalls. Lange bevor das Offertorium abgeschafft wurde, wurde es gerade von denen nicht praktiziert, die es von den Gläubigen anfordern sollten. Diese Tatsache wurde in der Ermahnungsrede von den Vertretern des Heiligen Stahles klar zum Ausdruck gebracht. Ziel des Konzils ist die Ausrottung der Häresien, Reform der kirchlichen Disziplin und Sitten, dauernder Friede in der ganzen Kirche. Der unglückliche Zustand indem sich die Herde Christi befindet, ist von den Vertretern der Kirche verschuldet worden: "Zu diesen Übeln, welche unseretwegen eingetreten sind, weil wir die Quelle des lebendigen Wassers verlassen haben," sagte Rom, "fügen wir noch eine andere überaus große Sünde hinzu, nämlich die, daß wir vermittels unserer eigenen Klugheit und Macht Abhilfe schaffen wollen!" Christus soll wieder das Vorbild werden, der die Sünden aller auf sich geladen hat. "Was nun Christus aufgrund seiner unermeßlichen Liebe dem Vater gegenüber getan hat, und aus Mitleid mit unserem Geschlecht, das fordert die Gerechtigkeit, daß wir jetzt selbst tun, nämlich daß wir Hirten uns jetzt vor das Gericht des barmherzigen Gottes stellen, uns all der Übel, von welchen die Herde Christi geplagt wird, schuldig erklären, und alle Sünden auf uns nehmen, nicht so sehr aus Tugend~ sondern aus Gerechtigkeit, weil in der Tat wir sie zum großen Teil verschuldet haben; so wollen wir durch Jesus Christus uns die Barmherzigkeit Gottes erflehen." (14) Wenn nun der Klerus beim tridentinischen Konzil, was die Häresien, Sittenlosigkeit, Unruhen und Kriege anbelangt, sich als schuldig erklärt, müssen wir in der noch mehr verkommenen Zeit nicht dasselbe tun? Nicht nur der Klerus, sondern auch die "bereits mündigen Christen", das "allgemeine Priestertum", das am liebsten überhaupt keine Priester mehr haben möchte, da es glaubt, für alles selbst zu genügen und berechtigt zu sein. Nun aber, wenn sie Priester spielen wollen, mögensie auch die Verantwortung anerkennen und die Schuld der Gerechtigkeit entsprechend auf sich nehmen! Als Glieder des mystischen Leibes Christi müssen sie sich der Tragweite ihrer Lebensäußerungen, wie auf dem natürlichen Gebiet so auch übernatürlichen voll bewußt werden! Bedenken wir nur die Wirkungskraft der Werke, z.B. eines Beethovens. Wieviele Menschen hat er näher zu Gott gebracht, ihren Geist veredelt! "Die Gerechten werden glänzen, "lesen wir im Buch der Weisheit, "und wie Funken im Geröhre hin und her fahren!" (15) Raum und Zeit sind für sie keine Grenzen, für sie, die Kinder der Ewigkeit sind. Wenn auch nicht ein jeder Beethoven gleich sein kann und / oder den anderen Künstlern, so hat ein jeder Mensch eine Aufgabe zu erfüllen, die niemand anderer erfüllen kann. Verachten wir keinen Augenblick unseres Lebens, von welch geringer Bedeutung er uns auch zu sein scheint! Vergessen wir nie, daß aus einem kleinen Funken ein großes Feuer werden kann! Solange wir uns nicht zum Bewußtsein durcharbeiten, daß die geringste gewollte und verschuldete Übertretung des moralischen Gesetzes, wenn Gott die in ihr verborgene zerstörende Kraft voll zum Durchbruch kommen ließe, größeren Schaden anrichten würde, wie etwa beim Zusammenprall von zwei Himmelskörpern zustande käme, verstehen wir von unserem Glauben und der Bedeutung unserer Persönlichkeit rein nichts. Bedenken wir nun die Bilanz unseres Jahrhunderts allein, dann haben wir vor uns ein Wunder, von dessen Größe wir uns keine richtige Vorstellung machen können; längst müßte dieser von uns bewohnte Erdball schon pulverisiert sein!
Es gibt aber nicht nur negative Kräfte, sondern auch positive. Solange wir uns nicht bewußt werden, daß die geringste Einheit der Gnade Gottes, soweit wir in diesem Zusammenhang so sprechen dürfen, eine größere Kraft aufweist als die gesamte geschaffene physische Energie des Weltalls, verstehen wir von unserem Glauben und unserer Würde rein nichts. Wenn nun diese Erde noch nicht pulverisiert ist, dann haben wir es nach der Mutter Gottes und so vielen Heiligen, vielleicht einem armen Straßenkehrer zu danken, der ob der Reinheit seines Herzens und seiner Aufopferung vollauf die Gnade Gottes schöpfte und wieder ausstrahlte, welche allein imstande ist, die negativen Kräfte, die heute die Welt zu vernichten drohen, in Schach zu halten. Was wir auch sein mögen und wo wir uns auch befinden: ein armes altes Mütterchen im Altersheim, ein Kranker im Krankenhaus, ein Arbeiter oder eine Hausfrau, ein Universitätsprofessor oder ein Schuster usw., wir haben alle die Pflicht, unser ganzes Leben in ein unaufhörliches Offertorium umzugestalten. So werden bei der Hl. Wandlung durch das Feuer des Heiligen Geistes auch unsere Lehensäußerungen - wie gering sie auch zu sein scheinen - in Fünkchen der Liebe verwandelt und das Reich des Lichtes in der Finsternis der Zeit verbreiten, getreu der Mahnung des Herrn: "So leuchte euer Licht vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen." (16)
Der Priester von heute hat leider den Manipel abgelegt, und mit dem Manipel das Offertorium. Selten hören wir die Worte des Gebetes, welches er beim Anlegen betet: "Möge ich mich, o Herr, würdig erweisen, den Manipel der Tränen und der Schmerzen zu tragen, damit ich mit Freuden den Lohn für meine Bemühungen empfange! " Tiefer Ernst begleitet das Leben eines katholischen Christen. Er weiß, daß wir hier auf Erden nur Pilger sind, und uns gegenseitig helfen müssen, mit dem Heiland über Golgotha in das ewige Heim zu gelangen. Raum und Zeit haben dabei nichts zu sagen! Das ist die wahre aktive Teilnahme! An den Früchten werden wir sie erkennen!
Anmerkungen: (1) Les Gloires de Marie, S. 217 f, 221, 223, 260, 262; (2) Maréchaux Elévations sur la sainte vierge, S. 63; (3) ebd., S. 88; (4) Möhler, Symbolik, Mainz 1834 (3. Auf.), S.301; (5) Tesoro Cattolico, clas. 3. Bd. XIV, Napoli 1856, Lettr. di S. Cathar. d.S.; (6) Bover, De oblatione Christi... Roma 1921, S. 162; (7) H.E. Manning, The eternal Priesthood; (8) A. Macdonald The Sacrifice of the Mass... London 1924; (9) Jean J. Olier, Traite des saintes ordres, Paris 1672, III, S. 383-385; (10) Philip. 2, 5-9; (11) Jak. 4,1 -5; (12) Antidotum Libertinismi moderni, P. Bohuslav Herwig, Pragae, 18. Jahrhd.; (13) Gal. 5, 15; (14) Mansi, Concil. Gen. 33, 9-11; (15) Weish. 3,7; (16) Matth. 5,16 .
(Fortsetzung folgt) |