DER SINN DER FASTENZEIT - SEPTUAGINTA 1977
von H.H. Pfr. Alois Aßmayr
Mit dem heutigen Sonntag beginnt die Vorfastenzeit. Sie ist eine Zeit der Vorbereitung. Wir Katholiken sollen uns Gedanken machen, was wir mit der eigentlichen Fastenzeit anfangen wollen. Wir wissen ja, daß die Fastenzeit eine Zeit der Buße ist oder sein sollte. In dieser Zeit sollten wir uns üben in der Selbstbeherrschung. Das Ziel unseres Lebens ist ja die ewige Seligkeit, der Himmel. Was uns aber hindert, dieses Ziel zu erreichen, sind unsere ungezügelten Leidenschaften, die uns ins Verderben ziehen wollen. Wir müssen deshalb bestrebt sein, sie unter unsere Botmäßigkeit zu bringen und sie unter ihr zu halten.
Wir dürfen unsere Leidenschaften nie aus dem Auge lassen. Die Leidenschaften sind blind, und wenn wir ihnen die Zügel schießen lassen, stürzen sie uns ins Verderben. Aber wir brauchen die Leidenschaften. Ein Mensch ohne Leidenschaften ist ein unmöglicher Mensch. Ohne Leidenschaften gibt es auch keine Tugend. Was wäre die Menschheit ohne Geschlechtstrieb? Die Folgen können wir uns ausrechnen. Er muß aber in Schranken gehalten werden, sonst kann er fürchterliche Verheerungen anrichten, wie wir heute sehen. Was wäre ein Mensch ohne Stolz, d.h. ohne Ehrgefühl? Wenn man ihm aber die Zügel schießen läßt, richtet er furchtbares Unheil an, wie wir auch sehen können. Ein Mensch ohne Stolz ist zu jeder Gemeinheit fähig, aber auch ein Mensch mit unbeherrschtem Stolz. Ähnlich ist es auch mit dem Zorn. Der Zorn steigert unsere Kräfte, wie wir aus Erfahrung wissen, nimmt aber auch unsere Kräfte so her, daß wir mit ihm sparsam umgehen müssen. Man schießt nicht mit einer Kanone auf einen Spatzen. So ähnlich ist es mit allen Leidenschaften. Sie alle hat der Herr uns gegeben. Sie alle können und sollen uns nützen, ja sie müssen uns sogar nützen, wenn wir sie richtig gebrauchen, lenken und leiten. Man kann die Leidenschaften vergleichen mit einem Fahrzeug, das uns sehr viele gute Dienste leisten kann, wenn wir es richtig einsetzen und im Griff haben; ansonsten kann es uns zum Verderben werden; ähnlich ist es mit Sprengstoff und der Atomkraft. Was die anrichten können, wenn sie mißbraucht werden, wissen wir auch aus Erfahrung. Die Gefahr des Mißbrauches der Leidenschaften ist leider sehr groß, weil sie oft sehr schwer zu beherrschen sind und uns, als auch anderen, leicht zum Schaden werden können. Die Fastenzeit will eine Mahnung und eine Aufmunterung sein, die locker gewordenen Zügel wieder fester in die Hand zu nehmen, durch Übung in der Selbstbeherrschung auf den verschiedensten Gebieten. Das wollte einst die Kirche, wenn sie uns das dazu passende Stück des Briefes des hl. Paulus aus dem Korintherbrief vorliest. (1 Cor. 9, 24-27)
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Aus: SPRÜCHE DER VÄTER
Abbas Dulas, der Schüler des Abbas Bisarion, erzählte: "Als wie einmal am Meeresufer entlanggingen, bekam ich Durst und sagte zu Abbas Bisarion: 'Abba, ich habe Durst.' Der Altvater verrichtete ein Gebet und gebot mir: 'Trinke aus dem Meere!' Da werd das Wasser süß, und ich trank.
Ich füllte jedoch auch noch ein Gefäß für den Fall, daß ich unterwegs wiederum Durst bekäme. Als der Greis das sah, fragte er mich: 'Weshalb hast du noch geschöpft?' Ich antwortete: 'Verzeih, für den Fall, daß ich unterwegs wiederum Durst bekäme.' Da sagte der Altvater: 'Gott ist hier und Oberall."'
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