DIE LETZTE ÖLUNG Eine theologische Untersuchung der sogenannten "Krankensalbung"
von H.H. Dr. Otto Katzer
Fortsetzung
10. Welche Teile des Körpers hier gesalbt werden müssen
"Was die Zahl der Salbungen und die zu salbenden Stellen betrifft, so schien es angebracht, den Ritus zu vereinfachen," das lesen wir in der betreffenden Konstitution Paul VI. ("Feier ...." S. 13). Ihr Schöpfer wird sich wohl nicht daran erinnert haben, daß solche "Vereinfachungen" einfach verboten sind, wie wir bereits angegeben haben (1). Dieses Verbot gilt auch für einen Papst! Im Laufe der Zeit hat sich die Zahl der Salbungen herauskristallisiert und wurde von der Ecclesia Romana, die Mutter aller anderen ist und nach der sie sich zu richten haben, nicht etwa sie nach ihnen, auf sieben festgesetzt, wie wir es im alten römischen Pontificale finden und das Konzil von Florenz im Dekret an die Armenier proklamiert. Die Gründe bietet klar der römische Katechismus: "Nicht aber alle Teile des Körpers dürfen gesalbt werden, sondern nur die, welche die Natur dem Menschen gleichsam zu Werkzeugen der Sinne verlieh: die Augen wegen des Gesichts, die Ohren wegen des Gehörs, die Nase wegen des Geruchs, der Mund wegen des Geschmackes oder der Rede, die Hände wegen des Gefühls, das, wiewohl es sich in den ganzen Körper gleichmäßig erstreckt, dennoch in diesem Teile sich vorzugsweise regt. Diese Weise zu salben beobachtet aber die ganze Kirche, und sie entspricht auch am besten der Natur dieses Sakramentes, da es ja einer Arznei gleicht. Und da bei den Krankheiten des Körpers, obgleich sich der ganze Körper übel befindet, dennoch die Heilung nur bei jenem Teile angewandt wird, von dem, wie von einer Quelle und einem Ursprunge, die Krankheit herrührt; so salbt man deswegen nicht den ganzen Leib, sondern diejenigen Glieder, in denen das Vermögen der Empfindung hauptsächlich hervortritt; auch die Lenden, als den Sitz der Wollust und Begierlichkeit, ferner die Füße, die für uns das Mittel zum Gehen und zur Bewegung von einem Orte zum andern sind." (2) Daß im Notfalle eine Salbung genügt, ist klar.
Der hl. Thomas v. Aquin geht ganz psychologisch vor. Die moderne psychosomatische Medizin kann es nicht besser. Das eine ist nun einmal klar, daß die vom Heiligen Geiste geführte Kirche nicht nur sich von ihrer Aufgabe nicht entfernt, sondern auf eine überaus kluge Weise das übernimmt, was im zugebenen Falle das beste und notwendigste ist. Das Scheitern ihres Bemühens ist nicht durch sie verursacht, etwa durch der Zeit nicht entsprechende Formen, die wenig an die augenblicklichen Bedürfnisse der ihr anvertrauten Kinder angepaßt sind, sondern oft durch die Unerfahrenheit und Trägheit ihrer Hirten, wie auch durch die Unfolgsamkeit und Trägheit der ihnen anvertrauten Herde. Da gelten die Worte der Heiligen Schrift: "Durch den Acker eines faulen Menschen bin ich gegangen, und durch den Weinberg eines törichten Mannes; und siehe, ganz war er von Nesseln voll, und Dornen bedeckten seine Oberfläche." (3)
In meinem priesterlichen Leben habe ich sicher mehr als tausendmal die hl. Ölung erteilt. Dies bereitete mir immer eine große Freude. Ich kam mir vor, als stünde ich in der Schule vor der Tafel und sollte sie reinwaschen. So wusch ich auch weg all das, was an den Sinnen haften geblieben war als Folge schlechter Taten. Mußte da nicht eine seelische und körperliche Erholung eintreten, indem sich von der Seele Ballast loslöste, der sie in den Abgrund der Verzweiflung zu ziehen drohte? Anstelle der körperlichen und seelischen Disharmonie trat eine Ausgeglichenheit ein, natürlich auf das Einwirken Gottes. Wenn schon von den Göttern der Antike gesagt wurde, daß sie aus Disharmonien die herrlichsten Harmonien weben können, so wird dies um so mehr von Gott gelten (dem niemand die Lehre der Harmonie beibringen muß und der den Kontrapunkt beherrscht).
11. Durch welche Form dieses Sakrament vollzonen wird
Die Form des Sakramentes ist aber das Wort, und jenes feierliche Gebet, das der Priester bei jeder einzelnen Salbung verrichtet, wenn er spricht "Durch diese heilige Salbung möge dir Gott verzeihen; was du durch die Schuld der Augen, der Nase oder des Gefühls mögest gesündiget haben." Daß dies aber die wahre und eigentliche Form dieses Sakramentes sei, deutet der hl. Apostel Jakobus an, wenn er sagt: "Sie sollen über ihn beten," "und~das Gebet des Glaubens wird dem Kranken zum Heile sein." Hieraus kann man ersehen, daß die Form nach Art eines Gebetes ausgesprochen werden soll, obwohl der Apostel nicht ausdrücklich angibt, in welche Worte sie vorzüglich zu fassen sei. Dies ist aber durch die glaubwürdige Überlieferung der Väter an uns gelangt, so daß alle Kirchen die Art der Form beibehalten, deren sich die heilige römische Kirche, die Mutter und Lehrerin aller, bedient; denn obgleich auch etliche einige Worte ändern, da sie statt: "Gott möge dir verzeihen" setzen: "er möge erlassen", oder "deiner schonen", zuweilen auch: "er möge heilen, was du verbrochen hast", so ist doch klar, daß weil dadurch der Sinn nicht verändert wird, von allen dieselbe Form gewissenhaft beibehalten werde." (4). ... "Da dieses Sakrament nämlich deswegen erteilt wird, um den Kranken außer der geistlichen Gnade, die es verleiht, auch die Gesundheit wiederzugeben, es aber nicht immer erfolgt, daß die Kranken von der Krankheit genesen, so wird es darum durch die From eines Gebetes vollbracht, damit wir von Gottes Güte erlangen, was die Kraft des Sakramentes in beständiger und immerwährender Ordnung nicht zu bewirken pflegt."(5)
Die jetzige ergänzte Form ist: "durch diese heilige Ölung und seine gütigste Barmherzigkeit, verzeihe dir der Herr, was du durch ... (die einzelnen Sinne) verschuldet hast, Amen.
Von dieser Form sagt nun Paul VI. "Wir haben beschlossen, die sakramentale Formel so zu ändern, daß unter Verwendung der Worte des hl. Jakobus die sakramentalen Wirkungen deutlicher zum Ausdruck gebracht werden." ("Feier ..." S.13). Sie soll fürderhin lauten: "Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes: Der Herr, der dich von den Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf." Gänzlich im Nebel liegt der Satz: "Der Herr, der dich von den Sünden befreit" der Satz kann doch nicht absolut gelten, sondern nur wenn ergänzt wird, "wenn du die entsprechenden Bedingungen dazu erfüllt hast!" Dies als eine schon fertige Tatsache aufzunehmen, ist sicher nicht gestattet.Nicht das Jenseits aber das Diesseits steht im Mittelpunkt dieser neuen Form, wie auch aus dem Einführungswort ("Feier ..." S. 17) ersichtlich ist: "Wir sollen daher in den Kranken den natürlichen Willen, wieder gesund zu werden, erhalten und in der rechten Weise neu zu wecken versuchen." daß damit aber "die sakramentalen Wirkungen deutlicher zum Auedruck gebracht werden" entspricht nicht der Wahrheit, ja diese Weise steht mit ihnen sogar im vollen Widerspruch: die körperliche Heilung wird hier erbeten, die seelische erfolgt automatisch.
Der hl. Albert der Große und der hl. Bonaventura führen eine alte, sogenannte Ambrosianische Form an, welche angeblich zu Zeiten des hl. Ambrosius in Mailand gebräuchlich war: "Ich salbe dich mit dem heiligen Öl, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, damit du, gesalbt wie ein Krieger bereit bist zum Kampfe und überwindest die Mächte in den Lüften!" (6) Die jetzige Form von der Scotus sagt, sie sei die sicherste (7) wurde von dem Konzil zu Florenz, dem Tridentinum, wie auch von den Scholastikern festgesetzt.
Der Kirchenlehrer hl. Bellarmin sagt von ihr aus: "Dreierlei muß hier bemerkt werden. Erstens, daß mit diesen Worten deutlich zum Ausdruck gebracht wird, was in der Form des Sakramentes angeführt werden muß, nämlich die Hauptursache, welche die Barmherzigkeit Gottes ist, und die Instrumentalursache, welche die heilige Ölung ist, wie auch die Wirkung, nämlich die Sündenvergebnis, und folglich die körperliche Gesundheit, welche von dem vollkommenen Nachlaß der Sünde abhängig ist, da ja meistens die Krankheit einer Sünde entspringt." (8) Damit wird nicht gesagt, daß diese tridentinische Form die einzige mögliche ist, wohl aber, daß eine andere ihr völlig entsprechen muß. Auch ist der dritte, die Letzte Ölung betreffende Kanon des Tridentinums zu beherzigen: "Wenn jemand sagt, die Spendungsweise und Anwendung, welche die heilige römische Kirche beobachtet, widerstreiten dem Ausspruche des heiligen Apostel Jakobus und seien deshalb abzuändern, und können von den Christen ohne Sünde mißachtet werden: der sei ausgeschlossen." (9)
Wenn wir nun die neue Formel bewerten, können wir nicht übersehen, daß sie von einem ganz anderen Geist, wie die echte getragen ist.Nicht daß sie umgeändert wurde ist von Bedeutung, aber daß durch sie ein völlig anderer Geist weht, womit sie unsicher geworden ist; zu dem von ihr verfolgten Zweck hat der Heiland das Sakrament nicht eingesetzt, weshalb, ob der unrichtigen Intention die Ungültigkeit sich durchzusetzen scheint, was durch die mögliche, mindestens dubiose Materie nur noch bestätigt wird. Da nun der Spender der Sakramente verpflichtet ist eine sichere Materie und Form zu gebrauchen, sündigt er schwer, wenn er eine unsichere Materie oder Form benützt und die sichere übergeht; selbst wenn er der wahrscheinlichen oder selbst wahrscheinlicheren Meinung über die Wahrhaftigkeit und Hinlänglichkeit nachgeht. (10)
12. Die Griechen
Nicht selten wird auf die Griechen hingewiesen. Dazu muß jedoch betont werden, daß nicht Rom sich nach den Griechen zu richten hat, aber die Griechen nach Rom. Billuart weist auf die Praxis der Griechen "Gesunde zu salben", wie Arcudius, der selbst ein Grieche ist, in seinem 5. Buch über die Letzte Ölung, Allatius im 5. Buch der Übereinstimmung der wesentlichen mit der östlichen Kirche, angibt, wie auch unser Goarius in seinen Anmerkungen zum Eucologium Graecorum.
Arcudius sagt von dieser Praxis seines Volkes, welche er auf das äußerste bekämpft, daß sie ein Mißbrauch ist, im Widerspruch mit dem Zeugnis der Heiligen Schrift und der griechischen Schriftsteller. Diesen Mißbrauch führte nun die Dreistigkeit einiger Ungelehrten ein, als auch die schändliche Gier nach Gewinn, wie wahrlich die Form selbst andeutet, welche von ihnen gebraucht wird: "Heiliger Vater, Arzt der Seelen und der Körper, heile deinen Diener von der ihn festhaltenden Krankheit des Körpers und der Seele."
Von den Neueren bemerkt unser Goar dazu, daß diese Ölung der Griechen keine sakramentale ist aber eine zeremoniale, denn obgleich die sakramentale Form: "Heiliger Vater, Arzt usw." gebraucht wird, dennoch, wie es sich aus den Umständen und der Intention wie der Spender so auch der Empfänger ergibt, handelt es sich nicht um ein Sakrament, bloß um eine Zeremonie. Noch hat das etwas zu bedeuten, wenn diese Ölung von einigen neueren Griechen Sakrament genannt wird, denn entweder nehmen sie Sakrament im weiteren Sinne oder irren sie was den Begriff Sakrament betrifft. Diese Antwort Goars scheint um so glaubwürdiger zu sein, da die Lateiner den Griechen diesbezüglich nie einen Vorwurf gemacht haben." (11) Benedikt der XIV. bemerkt diesbezüglich, wenn er die Forderung einer lebenagefährlichen Krankheit für die Gültigkeit stellt, daß die Gewohnheit der Griechen Gesunde zu salben nichts zu sagen hat, solange sie es nicht tun in der Meinung ein wahres Sakrament zu spenden. Im letzten Falle sind sie schwer zu tadeln, und die Handlung muß ihnen verboten werden, wie auch dann, wenn, wie es bei ihnen manchmal geschieht, anstelle der vom Beichtvater aufzulegenden Genugtuung, sie gesalbt werden." (12) Wenn nun nicht selten auf die bei Markus Kap 6 angeführte Salbung hingewiesen wird, so muß mit dem hl. Bellarmin gesagt werden, daß zwischen dieser und den anderen von den Aposteln, wie auch dem Herrn, bei der Heilung von Kranken gebrauchten Zeremonien, ein großer Unterschied besteht, da diese das Sakrament andeutete, während die anderen auf überwiegend körperliches Heil eingestellt waren. (13)
13. Der Spender
Es wäre eigentlich überflüssig darüber zu sprechen, wenn das Vorwort zur Volksausgabe der "Feier ...", Seite 5 nicht einen Verdacht aufbringen würde, daß da etwas Unzulässiges im Gange ist. Wir lesen dort: "Das sollte nicht nur an der Tatsache deutlich werden, daß je nachdem ein Priester, ein Diakon oder ein beauftragter Laie im Namen der Kirche die Sakramente spendet". Deshalb müssen wir uns den Beschluß des Konzils von Trient ins Gedächtnis rufen: "Wenn jemand sagt, die Priester der Kirche, welche nach der Mahnung des heiligen Jakobus zur Salbung der Kranken herbeigerufen werden sollen, seien nicht die vom Bischofe geweihten Priester, sondern die Ältesten in jeder Gemeinde, und darum sei der eigentliche Ausspender der letzten Ölung nicht Priester allein: der sei ausgeschlossen." (14). Daraus ist ersichtlich, daß kein Diakon und noch weniger ein Laie dieses Sakrament gültig spenden kann, nicht zuletzt, da es seiner Natur nach eine Ergänzung des Sakramentes der Buße ist.
14. Mit welcher Ehrfurcht und Vorbereitung dieses Sakrament empfangen werden muß
Auch hier ist es zu einer Änderung gekommen: das Sakrament der Letzten Ölung soll nunmehr vor der hl. Kommunion empfangen werden. Dazu sind die Worte Benedikt XIV ins Gedächtnis zu rufen. Einige nämlich erteilen das Sakrament sofort nach der Absolution vor der hl. Kommunion, andere nach der hl. Kommunion. "Da jedoch die Römische Kirche nach dem Katechismus des Konzils von Trient die letztere Art behält, ist es billig von ihr nicht abzulassen." 615) Diese Art begründet der Römische Katechismus wie folgt: "Weil man aber mit allem Eifer dafür Sorge tragen muß, daß der Gnade des Sakramentes Nichts in den Weg gelegt werde, nichts ihr jedoch mehr entgegenwirkt, als das Bewußtsein irgendeiner Todsünde, so ist der beständige Gebrauch der katholischen Kirche beizubehalten, vor der letzten Ölung das Sakrament der Buße und Eucharistie zu spenden. Und alsdann sollen die Pfarrer den Kranken dahin zu bringen suchen, sich dem Priester zur Salbung mit solchem Glauben hinzugeben, wie sich einst diejenigen darzustellen pflegten, die von den Aposteln geheilt werden sollten. Zuerst muß man aber das Heil der Seele, dann die Gesundheit des Leibes erflehen, jedoch mit dem Zusatze: Wenn sie zur ewigen Herrlichkeit förderlich sein sollte. Übrigens dürfen die Gläubigen nicht zweifeln, daß jene heiligen und feierlichen Bitten von Gott erhört werden, deren sich der Priester bedient, indem er nicht seine, sondern die Person der Kirche und unseres Herrn Jesu Christi vertritt. Sie sind daher ganz besonders zu ermahnen, dafür zu sorgen, daß ihnen das Sakrament dieseshöchst heilsamen Öls mit Andacht und Ehrfurcht gereicht werde, wenn ihnen teils ein heftigerer Kampf bevorzustehen, teils die Kräfte sowohl der Seele, als des Leibes abzunehmen scheinen." (16)
Wenn wir nun abschließend noch einmal beide Formen übersehen, können wir den Unterschied nicht verkennen, der aus der von Grund aus verschiedenen Einstellung sich ergeben hat. Die Forderung aber aus der hl. Handlung eine gemeinsame Feier zu gestalten entspricht nicht dem Wesen des Sakramentes, wie sehr es sich auch wünschenswert erweist, daß ein womöglich großer;Kreis von Verwandten und Bekannten im Gebete geistig an der hl. Handlung teilnimmt. Ein wirklich Schwerkranker benötigt um sich Ruhe; das weiß der Seelsorger genau so wie der Arzt!
Anmerkungen: 1) Denz. 1533. 2) Röm. Katechismus II. Teil VI. Haupt. 10. Frage, 3) Sprüche 24, 30-31. 4) Röm. Kat. II. Teil ebendort 6. Frage. 5) ebendort 7. Frage. 6) Billuart, op. cit. art. III. 7) Joannis Duns Scoti op. cit. Nr.18-19. 8) Bellarmin, op. cit. cap. VII. 9) Denz. 928. 10) Suarez, op. cit. Tom. III. Disp. XVI. sect. II. 11) Billuart, op. cit. art. VI. 12) Ligori, op. cit. Tom III. pg. 345. 13) Bellarmin, op. cit. cap. VI. Billuart, op.cit, art 1. 14) Denz.908,929 cf. 99 et CIC 938 §1. 15) Ligori, Tom. III. pg. 345. 16) Röm.Kat. II. Teil, 6. Haupt. 12. Frage.
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