CHRISTUS AUF DER BÜHNE IN MOSKAU
aus: P. Chrysostumus Dahm OSB: "Millionen in Rußland glauben an Gott" - Jestetten 1974
Ein Augenzeugenbericht aus Moskau, zum ersten Mal in der amerikanischen Zeitschrift »Arizone News" veröffentlicht, schildert die Aufführung eines antireligiösen Theaterstücks. Man stelle sich vor: auf einer kommunistischen Bühne in Italien, Frankreich oder der DDR würde ein antichristliches Stück aufgeführt. Ob sich dann wohl ähnliches wie in Moskau ereignen würde? Ich bin fest davon überzeugt: nie und nimmer. Einen solch erschütternden Ausgang kann es nur im tief religiösen Rußland geben. Ein Ende, an das niemand im Traum vorher gedacht hätte.
Im Moskauer Staatstheater sollte die Premiere des seit langem angekündigten Stückes "Christus im Frack" stattfinden. Schulen, Komsomolzen und Jungarbeiter waren aufgefordert worden, das Stück in ihr Kulturprogramm aufzunehmen und zu diskutieren.
Es wurde aber vom Spielplan abgesetzt und kam nicht mehr zu weiteren Aufführungen.
Für die Hauptrolle des Christus war der berühmte Schauspieler und Kommunist Alexander Rostowzew vorgesehen. Kein Wunder, daß das Theater bis auf den letzten Platz ausverkauft war. Auf der Bühne hatte man einen mit Schnaps- und Bierflaschen übersäten "Altar" aufgebaut und in eine Bartheke umgemodelt, um den sich betrunkene und grölende Popen, Nonnen und Mönche bewegten. Zu Beginn des zweiten Aktes betritt Rostowzew die Bühne, in seinen Händen hält er die Heilige Schrift, aus der er die beiden ersten Verse der Bergpredigt Jesu vorzulesen hat. Laut Regieanweisung hatte er mit Witzen und Clownereien die Zuschauer zu Lachstürmen hinzureißen. Alles, was ja mit Christus und Aberglauben zusammenhing, war ein einziger Spaß und lächerlicher Ulk. Nach Verlesen der beiden Verse sollte der Schauspieler in den Ruf ausbrechen: "Reicht mir Frack und Zylinder!"
Rostowzew beginnt und liest die Verse aus der Heiligen Schrift: "Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land besitzen." In wenigen Augenblicken würden Lachstürme losbrechen, schmunzelt der Regisseur hinter den Kulissen in sich hinein, jetzt müßte der Schauspieler Buch und Obergewand wegwerfen und nach Frack und Zylinder rufen. Aber nichts von dem geschieht. Rostowzew liest weiter: "Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden." Und dann schweigt er. Das Publikum rührt sich nicht, es spürt sofort, daß in Rostowzew etwas vor sich geht. Alle halten den Atem an. Dann, nach kurzer Unterbrechung, liest er weiter. Seine Stimme hat nun einen anderen Klang. Die Macht des Gotteswortes scheint ihn zu ergreifen. Im Theaterrund ist es totenstill.
Der Staatsschauspieler tritt mit der Heiligen Schrift an die Rampe, schaut wie gebannt in das Buch und liest . . . und liest . . . alle 48 Verse des 5. Kapitels des Matthäus-Evangeliums. Niemand unterbricht ihn, alle lauschen seinen Worten, als stünde der Herr Jesus selber vor ihnen und nicht ein Mann namens Rostowzew... "Ihr sollt vollkommen sein wie euer himmlischer Vater vollkommen ist", kommt es leise von den Lippen des Schauspielers. Aber jeder versteht ihn und neigt sein Haupt. Rostowzew schließt das Buch, und es sieht aus, als tue er damit auch für sein Leben etwas Endgültiges. Er bekreuzigt sich nach orthodoxer Art und spricht laut und vernehmbar die Worte des Schächers am Kreuz: "Herr, gedenke meiner,wenn Du in Dein Reich kommst!"
Was als Spiel des Hohns und der Verspottung Christi gedacht war, wurde zu einer Predigt Jesu und zum Glaubensbekenntnis eines Mannes, der auf der Höhe seines Ruhmes vom Mut der Märtyrer überwältigt wurde. Niemand schrie oder pfiff oder protestierte, stumm verließen alle das Theater. Es war wie nach einem Gewitter: der Blitz hatte eingeschlagen und alle getroffen. Das Stück kam nie zur Aufführung, und Rostowzew war nach jenem Premierenabend für immer verschwunden. Gott wird seiner gedenken.
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