KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN RELIGION
nach dem vom Gesamtepiskopate Oesterreichs 1894 approbierten Schulkatechismus.
bearbeitet von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
VI.
5. Von den Menschen.
89) Nach den Engeln sind die Menschen die vorzüglichsten Geschöpfe Gottes.
90) Der Mensch besteht aus einem Leib und einer unsterblichen Seele, welche ein natürliches Ebenbild Gottes ist. "Gott der Herr bildete den Menschen aus Erdenstaub und hauchte in sein Angesicht den Odem des Lebens, und also ward der Mensch zum lebenden Wesen." (1 Mos. 2,7) "Laßt Uns den Menschen machen nach Unserem Bild und Gleichnisse!" (1 Mos.1,26)
91) Die Seele des Menschen ist dadurch ein natürliches Ebenbild Gottes, daß sie ein unsterblicher Geist ist und Verstand und freien Willen hat.
92) Gott hat die Menschen erschaffen, daß sie Ihn erkennen und verehren, Ihn lieben und Ihm dienen, und dadurch ewig selig werden. "Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben aus deinem ganzen Herzen." (Mt. 22,37) - Gott "will, daß alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen." (1 Tim. ,4)
93) Die Menschen können nicht durch ihre natürlichen Kräfte allein ewig selig werden; denn die Seligkeit, zu der sie bestimmt sind, ist eine übenatürliche und kann daher nur durch die übernatürlichen Mittel des Glaubens und der Gnade erreicht werden.
94) Die ersten Menschen hießen Adam und Eva; sie sind die Stammeltern des ganzen Menschengeschlechtes. Wunderliche, sich gegenseitig widersprechende Theorien von der Abstammung des Menschen vernebeln das klare Bild vom Werden des Menschen, wie es Gott im ersten Buche Moses uns vor Augen stellt. Ganz unberechtigt wird die sogenannte Wissenschaft als ein billiges Argument angeführt, vor dem angeblich sich ein jeder beugen müsse. Es ist aber gerade die Wissenschaft, welche uns belehrt, daß sie nicht imstande ist, und es wahrscheinlich auch nie sein wird, eine befriedigende Antwort auf die Frage zu geben. "Daß die Lebewesen sich in den geologischen Zeiträumen in ihrer Organisation gewandelt haben", schreibt Prof. Remane von der Universität Kiel, "wird wohl von keinem ernsthaften Biologen bezweifelt. Die spezielle Ausarbeitung der phylogenetischen Umwandlungsreihen hat aber zu einem solchen Chaos verschiedener Meinungen geführt, daß viele Biologen die Phylogenetik für wissenschaftlich nicht fundierte Spekulation halten: verglich sie doch der Morphologe Goebel mit den Produkten dichterisch schaffender Phantasie." (1) Manche lassen sich von der äußeren Form verleiten, der Morphologie, und sind deshalb geneigt, den Walfisch den Fischen zuzuzählen, obwohl er ein Säuger ist, und den erdichteten Urmenschen zu den Menschenaffen, obgleich der Menschenaffe, abgesehen vom äußeren "Aussehen", mit den Menschen nichts Gemeinsames hat! Zu viele Sachen müssen dabei berücksichtigt werden! "Das menschliche Gehirn ist nicht imstande zu den letzten Ursachen vorsudringen das Problem der Gene wird niemals vollständig gelöst werden!"so bemerkt der Professor der experimentellen Medizin, Hans Selye, in Montreal. (2) "Sonderbar ist der Gegensatz, mit welchem dieselben Transformisten, die den einheitlichen Ursprung alles Lebenden predigen, auf einmal den mehrfachen Ursprung des Menschen fordern, und so den Polygenismus (d.h. mehrfache verschiedene Ahnen) dem Monogenismus (welcher den einheitlichen Ursprung des Menschen fordert) gagenüberstellen. Schon de Quatrefages weigerte sich nicht, seit 1877 zu sagen, daß der Polygenismus kein anderes Ziel hat, als den alten Glauben, der den Menschen denselben Vater und dieselbe Mutter gibt, zu bekämpfen. Wissenschaftlich - so warnt der Direktor des bioenergetischen Laboratoriums in Paris, L. Lefèvre, ist der Polygenismus unhaltbar!" (3) Die Unvereinbarkeit des Polygenismus mit der Lehre der Kirche zeigt Papst Pius XII. in seiner Enzyklika "Human) generis". (4) Die unglückliche Kompromißlösung, welche Mivart bietet, nach welcher Gott in den Leib eines Tieres die menschliche Seele einhauchte, ist noch unsinniger: so, als wolle ein Dirigent dem ersten Geiger als Ersatz für die zerdroschene Geige eine Baßgeige geben, um darauf seine Rolle vorzutragen! Daraus ist ganz klar ersichtlich, was jener alles glauben muß, der dem Worte Gottes nicht Glauben schenkt!
95) Als Gott die ersten Menschen erschaffen hatte, waren sie gut und glücklich, denn: 1. sie hatten die Heiligmachende Gnade, waren heilig und gerecht und dadurch ein übernatürliches Ebenbild Gottes; 2. sie waren Kinder Gottes und hatten das Anrecht auf die übernatürliche Seligkeit im Himmel; 3. sie waren ausgestattet mit großer Erkenntnis und mit einem zum Guten geneigten Willen; 4. sie lebten im Paradiese, waren frei von allen Leiden und auch dem Leib nach unsterblich.
96) Die ersten Menschen haben die von Gott empfangenen Gaben nicht für sich allein erhalten, sondern sollten sie auch auf ihre Nachkommen vererben.
97) Die ersten Menschen sind nicht gut und glücklich geblieben; sie haben schwer gesündigt und sind dadurch an Leib und Seele unglücklich geworden.
98) Die ersten Menschen haben dadurch schwer gesündigt, daß sie, vom Teufel verführt, von der Frucht eines Baumes aßen, die ihnen Gott verboten hatte.
Die naive Einwendung, im gegebenen Falle habe es sich nur um eine lächerliche Kleinigkeit gehandelt: nur um einen Apfel, deutet auf zweifaches:
1. der, von dem dieser Einwand vorgetragen wird, hat bestimmt nicht das erste Buch der Heiligen Schrift gelesen, denn dort wird von einem Apfel überhaupt nicht gesprochen (gebraucht wurde diese Bezeichnung erst später auf Grund eines Wortspieles: malum = Übel, und malum = Apfel, welcher Name aber nur symbolisch gebraucht wurde); 2. es handelte sich dabei nicht um irgendeine Frucht als solche, deren Wert dazu noch relativ gering war, sondern um eine Anordnung Gottes, nach welcher sie Ausdruck Seines Willens war, vor welchem sich die Menschen beugen mußten, so wie sie es auch heute noch tun müssen, wenn sie in diesem Leben und dereinst im jenseitigen glücklich werden wollen. Diese Frucht war Symbol des Urbundes: ICH GEBE DIR MEIN "ICH", GEBE MIR DEIN "ICH"; wenn du essen wirst (also den Bund nicht einhalten wirst), mußt du sterben! - Auf die relative Nichtigkeit der Frucht hinzudeuten ist ebenso unsinnig, wie auf den lächerlichen Wert einer papiernen Staatsfahne in der Hand eines Kleinkindes. Würde diese Fahne aber jemand öffentlich zerreißen, so müßte er sich vor Gericht wegen Staatsbeleidigung verantworten. Die Bemerkung, es handle sich doch nur um einen Papierfetzen, würde sich belastend auswirken; im gegebenen Falle ging es ja nicht nur um ein wertloses Stück Papier, sondern um ein Staatssymbol. welches auf diese Weise entehrt würde. Ähnlich war auch die Frucht Symbol des Willens Gottes, vor dem sich der erste Mensch beugen sollte, und durch ihn, mit ihm und in ihm alle von ihm abstammenden Menschen.
99) Die ersten Menschen sind durch ihre Sünde auf folgende Weise an Seele und Leib unglücklich geworden:
1. sie verloren die Heiligmachende Gnade und hörten auf, ein übernatürliches Ebenbild Gottes zu sein; 2. sie hörten auf, Kinder Gottes zu sein, verloren das Anrecht auf die ewige Seligkeit und wurden der ewigen Verdammnis schuldig; 3. ihre Erkenntnis wurde geschwächt und ihr Wille zum Bösen geneigt; 4. sie wurden aus dem Paradiese verstoßen, vielen Leiden und dem Tod unterworfen.
"Der Mensch nämlich, welcher, wenn er den Urbund eingehalten hätte, auch dem Leibe nach geistig sein sollte, wurde dem Geiste nach leiblich, nachdem er gesündigt hatte: in dem Sinne, daß er sich gewöhnlich mit dem begnügt, was er dem Geiste vermittels der Abbildungen der Sachen darbietet." (5)
"Denn die Gedanken der Sterblichen sind furchtsam, und unsere Vorsicht unsicher. Denn der Leib, der verweslich ist, beschwert die Seele, und die irdische Hütte drückt nieder den vieldenkenden Geist. Kaum fassen wir, was auf Erden ist, und, was vor den Augen liegt, finden wir mit Mühe; wer wird denn erforschen, was im Himmel ist." (6)
Das Wissen ist nämlich nicht allein ein automatisches Ergebnis logischen Denkens, sondern genau so wie dieses meistens auch Belohnung für die entsprechende moralische Einstellung, Reinheit des Herzens. Begibt sich jemand freiwillig auf moralische Irrwege: das Herumirren im Gebiete der Logik wird nicht lange auf sich warten lassen. "Darum sind sie nicht zu entschuldigen. Obwohl sie nämlich Gott erkannt hatten, verherrlichten sie Ihn nicht als Gott, noch erwiesen sie Ihm Dank. Vielmehr verfielen sie auf nichtige Gedanken und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert". Während sie sich für Weise ausgaben, wurden sie Toren!" (7)
Nicht jedes Wissen muß seinem Träger und der Menschheit Segen bringen, besonders, wenn er es verabsäumt, sich jenes Wissen anzueignen, welches er als Kind Gottes haben sollte. Der tschechische Literarkritiker F.X. Salda bemerkt in seinen Notizen des Kaspar Lamberk: "Das Genie, die höchste Kraft, kann seinem Träger, wie auch der gesamten Menschheit zum schrecklichsten Fluch werden, wenn es nicht mit religiösem Glauben gefesselt ist. Die Erfahrung und die Geschichte lehren, daß alle großen Persönlichkeiten allein dadurch groß geworden sind, daß sie sich freiwillig gefesselt haben, und sich in den Dienst von Ideen und Glauben gestellt haben; nur diese, wie auch die Liebe und der Eifer, mit welchem sie in Demut und Aufopferung gedient haben, erwirkten ihre Größe!" (8) Wozu dient uns das Wissen, wenn wir mit seiner Hilfe dem Wahnsinn, der Hoffnungslosigkeit, der sozialen, biologischen und zuletzt allgemeinen Vernichtung entgegensteuern? Haben wir denn nicht in Adam das schrecklichste Beispiel? Hören wir denn nicht die höhnischen Worte Mephistopheles': "Folg' nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange, Dir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!!!" (9)
100) Die Sünde Adams hat nicht den ersten Menschen allein geschadet; sie ist samt ihren bösen Folgen auch auf uns übergegangen. die wir von Adam abstammen. "Gleichwie durch einen Menschen die Sünde in diese Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod: so ist der Tod auf alle Menschen übergegangen, weil alle in ihm gesündigt haben." (Röm. 5,12) Nie dürfen wir vergessen, daß die gesamte Menschheit ihrer Abstammung nach bereits in Adam gegenwärtig war und mit ihm den geheimnisvollen mystischen Leib Adams bildete: mit allen seinen Folgen.
101) Die Sünde, welche von den ersten Menschen auch auf uns übergegangen ist, nennt man die Erbsünde , weil wir sie nicht selbst begangen, sondern gleichsam ererbt haben. In Anbetracht unserer Zugehörigkeit zum mystischen Leibe Adams ist die Sünde Adams auch unsere Sünde, und das im vollen Sinne des Wortes: wenn auch durch unsere Natur, nicht durch unsere Person verschuldet. Rollt denn nicht in unseren Adern sein Blut, welches sich empörte?
102) Die seligste Jungfrau Maria allein ist durch eine besondere Gnade, im Hinblicke auf die Verdienste Jesu Christi, von der Erbsünde bewahrt geblieben. Die Unbefleckte Empfängnis hat also nichts Gemeinsames mit der Jungfräulichkeit der Jungfrau Maria (wie fast allgemein angenommen wird), sondern besagt, daß Maria nie, auch nicht im ersten Augenblicke ihres Lebens im Schoße ihrer Mutter, der hl. Anna, im Schatten der Erbsünde stand; sie wurde ohne Makel empfangen!
103) Die seligste Jungfrau Maria ist von der Erbsünde bewahrt geblieben, weil sie zur Mutter Gottes auserwählt war.
104) Damit die Menschen nach ihrem Sündenfalle wieder selig werden können, hat sich Gott ihrer erbarmt und hat schon den ersten Menschen einen Erlöser verheißen. "Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deiner und ihrer Nachkommenschaft; sie (das Weib!) wird deinen Kopf zertreten, und du wirst ihrer Ferse n`achstellen." (1 Mos. 3,15)
105) Der verheißene Erlöser kam, als die Fülle der Zeiten eingetreten war und die Weissagungen in Erfüllung gegangen waren.
106) Gott hat den Erlöser nicht sogleich nach der Verheißung gesandt, weil Er wollte, daß die Menschen das Elend der Sünde erkennen, den Erlöser ersehnen (Adventszeit) und bereitwillig aufnehmen sollten.
(Fortsetzung folgt)
Anmerkungen: 1) Dr. Adolf Remane, Professor der Zoologie, Kiel. Die Grundlagen des natürlichen Systems der vergleichenden Anatomie und der Phylogenetik. II. Auflage. Leipzig, 1956. Seite 1. Einleitung. 2) H. Selye. Supramolekulare Biologie, Die Wissenschaft vom Lebendigen. 1971, Stuttgart-New York, Seite 9. 3) J. Lefèvre. Manuel critique de Biologie. Masson, Paris 1938. pg. 44. 4) Denzinger-Schönmetzer 3897. 5) S.Gregorii Lib. V. in cap. IV. beati Job. cap. XXXIV, 61. 6) Weish. 9, 14-16. 7) Röm. 1, 21-23. 8) Jos.B. Foerster, Co zivot dal (Was das Leben gegeben hat), Prag 1942, Seite 20. 9) Goethe, Faust, 2049.
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