URSACHEN UND ILLUSIONEN
vonAlois Iurator
Um die tiefen Ursachen der Situation in der Kirche kümmert man sich heute sehr wenig; ähnlich wie in Staat und Wirtschaft, wo man mit einer aufgeblasenen Pseudowissenschaft an Folgen herumoperiert, damit es ja niemand wage an Ursachen zu erinnern, welche nun einmal nicht besonders für das neue Konzept sprechen. Nach Luthers Reformation, dem kleinen Vorbild des heutigen weltweiten Glaubensabfalls war das noch anders. Lesen wir einmal Ausschnitte von dem, was der hl. Robert Bellarmin damals als Ursachen nannte:
"Ich will also nur sagen, daß die Menge unserer Sünden, die Leichtigkeit, sie zu begehen, und der verdorbene Lebenswandel, den wir führen, eine Vorbereitung und der nächste Weg zum Unglauben sei. Denn wir sind von Natur so beschaffen, daß wir das gerne glauben, was uns gefällt und unserer Sinnlichkeit schmeichelt. Fleischliche und wollüstige Menschen überzeugen sich ohne Mühe, da~ß sich die Priester verehelichen sollen, daß man die Keuschheit nicht beobachten könne und daß es gut wäre, die Fasten und Auswahl der Speisen als etwas Überflüssiges und Abergläubiges aus der christlichen Religion zu vertilgen. Bei den Geizigen findet der Wucher, bei den Ehrsüchtigen die Simonie, und bei den Sinnlichen das Laster der Unzucht sehr leicht eine Entschuldigung. (...) Es ist also kein Wunder, daß Mohamed und in unseren Zeiten Luther, welche die Freiheit des Fleisches predigten und allen Lüsten freien Zügel ließen, so großen Anhang fanden; denn in diesen beiden Zeiten, wie aus der Geschichte bekannt ist, waren die Sitten der Christen großen Teils sehr verdorben, die heiligen Sakramente, der Gottesdienst und die Kirchenzucht wurden vernachlässigt und verachtet; ja alle Gattungen der Laster hatten so sehr überhand genommen, daß man die gesunde Lehre nicht mehr ertragen konnte, sondern sich Lehrer suchte, welche die Ohren kitzelten. Man bekannte sich noch nicht zur Ketzerei, weil niemand eine falsche Lehre predigte; aber man war schon aufgelegt, jede Ketzerei, wenn sie gepredigt würde, anzunehmen. (...) Verwundert euch also nicht, wenn uns das Reich Gottes genommen wird. Gott spricht zu uns: Ihr verachtet`-die Buße; Ich will euch das Sakrament der Buße entziehen. Ihr vernachlässigt das heilige Abendmahl; auch diese Speise der Engel wird euch entzogen werden. Ihr verachtet die Priester; und ihr werdet keine Priester haben. Weil ihr diese Quellen des Heils und die Ausspender derselben so gering schätze", will ich zulassen, daß die Menschen zu euch kommen, die euch in allem Ernste sagen werden: Die Buße ist kein Sakrament, in dem heiligen Abendmahle ist der wahre Gottmensch nicht zugegen, die Priesterweihe ist nur ein Blendwerk. Diesen Verführern werdet ihr Beifall spenden; denn das wenige Glaubenslicht, das noch in euch ist, will ich erlöschen lassen, damit euch die Finsternisse überfallen, und ihr in diesen Finsternissen lebet und sterbe". Der wahre Glaube wird deswegen keinen Schaden leiden." (Aus: "Gründliche Beweise" vom hl. Robert Bellarmin)
Sind das alles nicht auch die Ursachen des Abfalls unserer Tage? Wenn das aber so ist, dann können wir erst dort auf Besserung hoffen, wo innere Bekehrung dies rechtfertigt. Gleichsam alle Ursachen zusammenfassend kommt der hl. Paulus zum gleichen Ergebnis, wenn er schreibt: "Mit allerlei Verführung zur Bosheit für die, welche verloren gehen, darum, weil sie die Liebe der Wahrheit nicht angenommen haben, um selig zu werden. Deshalb wird Gott den Irrtum auf sie wirksam sein lassen, so daß sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, welche der Wahrheit nicht geglaubt, sondern der Ungerechtigkeit beigestimmt haben." (Thess. 22,10) Wenn wir dem Abfall vom Glauben widerstehen wollen, dann müssen wir zuerst die "Liebe der Wahrheit" annehmen. D.h. genauer gesagt: die Liebe Christi; denn Christus ist die Wahrheit, und seine Liebe ist die Liebe der Wahrheit. Christus sagt: "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch auserwählt." (Joh. 15,16) Nicht wir haben Ihn zuerst geliebt, sondern Er uns. Wir können Seine Liebe ablehnen, denn Er ist nicht ein Christus, der uns für diese Welt das Paradies verspricht, sondern Er ist Christus, der Gekreuzigte, der uns unverblümt sagt: "Ein Jünger ist nicht über dem Meister, noch ein Knecht über seinem Herren." (Matth. 10,24) "Und ihr werdet von allen gehaßt sein um meines Namens willen." (Mark. 13,13) Wenn wir aber trotz dieser beängstigenden Aussichten seine Liebe annehmen und erwidern, so sagt Er uns ohne das vorherige aufzubeben: "Seid getrost: Ich habe die Welt überwunden!" (Joh. 16,33) Mit diesen Worten deutet Er die geheimnisvolle, wunderbare Hilfe an, mit der Er denen, die Ihn lieben, alles zum Besten gereichen läßt. Nehmen wir also seine Liebe - die Liebe der Wahrheit - an! Sein Erlösungswerk, die Sakramente, ganz konkret: Seine Gebote, denn mit den Geboten nehmen wir nicht nur seine Liebe an, sondern wir erwidern sie auch. Christus sagt: "Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt." (Joh. 14,21) Es ist beleidigend für den, der uns beschenken möchte, wenn wir die Annahme der Gaben von einer mit uns gehenden Gemeinschaft abhängig machen wollen. Wir sollen zwar wünschen und darauf hin wirken, daß alle die Liebe der Wahrheit annehmen; wir selbst aber dürfen mit der Annahme und Erwiderung deswegen nicht zögern. Dann brauchen wir weder nach einer neuen "Botschaft" Ausschau halten, noch uns deswegen verwirren lassen, weil das traditionelle Lehramt der Kirche derzeit von niemandem ausgeübt wird. Wir haben die 2000-jährige Frohbotschaft und Lehre der Kirche, welche mit Martyrerblut versiegelt ist. Behandeln wir dies alles als Geschenke, die uns aus Liebe gegeben wurden, denn Christus hat uns aus unendlicher Liebe beschenkt. Suchen wir dankbaren Sinnes die echten Geschenke Gottes, die noch bereit stehen, und fliehen wir die Illusionen, die uns davon ablenken und abhalten.
Illusionen: Jetzt werden es die Bischöfe einsehen. Das ist der Wunschtraum oder besser gesagt: die Illusion vieler Leute, welche das Falsche der neuen Richtung zugeben, die Notwendigkeit, gegen den Strom zu schwimmen, grundsätzlich bejahen, aber solange warten wollen, bis der Start mit "schweigender Mehrheit" und zumindest einigen Titel- und Würdenträgern als Massenstart durchgeführt werden kann. Hat so ein Würdenträger beinahe mehr als etwas Unverbindliches gegen extreme Auswüchse des Modernismus gesagt, auf dem, was bereits zerstört ist, nicht noch einmal herumgehackt, oder haben Sympathisanten bei einer Veranstaltung traditioneller Richtung eine vier- oder fünfstellige Zahl erreicht, so fühlt man sich dem Gewünschten greifbar nahe. Aus dem gleichen Hoffen und Wünschen heraus ist man auch jenen dankbar, die da behaupten, man könne die neue Liturgie, obwohl sie abzulehnen sei, in der Not schon mal übernehmen, wenn man z.B. die Stelle verlieren würde; oder man könne sie aus dem gleichen Grunde zum Schein übernehmen - neues Buch mit darin versteckten alten Texten. Man meint, diese Dinge könne man ohne schlimme Folgen, für die Übergangszeit schon verantworten; danach wird dann alles relativ schmerzlos von 'oben' wieder ins Lot gebracht. Leider vergißt man, daß Taktieren bzw. Heuchelei dieser Art zumindest seit Eleazar (2 Makk. 6) klar verworfen ist. Dieser starb bekanntlich lieber, als daß er Erlaubtes, unter dem Namen des verbotenen Schweinefleisches, gegessen hätte. Eleazar war nicht bereit, Ärgernis zu geben. Die Kirchengeschichte lehrt uns nicht, daß unser Bekenntnis immer nur soweit gehen muß, wie wir Rückendeckung von einem Priester oder gar Bischof haben. Natürlich muß unser Bekenntnis in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche stehen und damit auch mit dem Klerus; aber genügt was die Personen betrifft, so genügt die Übereinstimmung mit den Heiligen im Himmel. Gott ist nicht verpflichtet, uns vor einer Prüfung zu sagen, daß und wieviele treue Bischöfe derzeit leben.
Sehr "beliebt" sind auch die "Botschaften" und "Erscheinungen", mit welchen sich das Abwarten und Verbleiben - in der alten Gemeinschaft mit der neuen Lehre - rechtfertigen läßt. Wenn da z.B. Warnungen oder Wunder angekündigt werden. Was wird denn aus diesen Dingen anderes abgeleitet, als daß man mit Konsequenzen, zu denen man sich eigentlich verpflichtet fühlt, noch abwarten darf? Kann es denn Botschaften des Himmels geben, welche uns trösten: für die Umkehr zum wahren Glauben bekommt ihr dann später noch eine extra Einladung? Oder - hier ein Zitat aus einer "Botschaft", welche nicht nur typisch ist für die Widersprüchlichkeit, sondern auch charakteristisch ist für den zu Grunde liegenden Zweck: Zieht keine Konsequenzen! Das Zitat: "Die neue Messe ist das Gegenstück zur wahren Messe, das will besagen, daß sie nicht nur nicht wiedergutmacht, sondern im Gegenteil die Beleidigung Gottes vergrößert. (...) Ihr Gläubigen jedoch, die ihr nicht das Glück des wahren Hl. tridentinischen Opfers habt, geht weiterhin in eure Kirchen und opfert dem Himmlischen Vater diese Verwirrung auf." D.h. man beleidigt Christus durch diese Beleidigung, an der man teilnimmt, noch mehr. Müssen wir uns da nicht öfters ins Gedächtnis zurückrufen, was Prof. A. Konzionator (Pseudonym des seeleneifrigen Priesters Prof. Franz Spirago) in seinem Buch "La Salette und die nächste Zukunft" (1921) geschrieben hat: "Der Satan wird sich natürlich auch Mühe geben, durch Scheinwunder und falsche Offenbarungen die wahren in Verruf zu bringen. Die stigmatisierte Jungfrau Marie Julie Jahenny, geb. 1850, hat erklärt, daß zur Zeit des Herannahens der in La Salette verkündigten Strafgerichte eine Unzahl falscher Offenbarungen wie ein Fliegenschwarm aus der Hölle aufsteigen werden, ein letzter Versuch des Satans, den Glauben an die wahren Offenbarungen durch falsche zu zerstören." Es scheint auch, daß Gott auf Grund seiner Allwissenheit die Botschaften nicht erst dann ausgibt, wenn er sieht, wie die Sache läuft oder zu laufen scheint. Die falschen Propheten haben die Beobachtung der jeweiligen Entwicklung jedoch weitgehend nötig. Deshalb Vorsicht mit neuen, aktuellen Botschaften. Gott wußte immer schon, was uns heute begegnet, und Er hat schon seit hunderten von Jahren einigen Dienern die Feder geführt, damit wir wissen, daß trotz der Erfolge der Feinde Er der Sieger bleiben wird. Bei den Botschaften, die von Gott kommen, werden wir immer zwischen den Zeilen den Trost herauslesen können: "Wer ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden." (Matth. 10,22) Bei diesen Botschaften finden wir aber nichts, was die Neugier befriedigt, und wir finden da auch nichts darüber, daß einmal ein besserer, fortschrittlicherer Menschentyp über diesen Planeten gehen oder rasen werde, bei dessen Anblick selbst sein "Stellvertreter" rufen könnte: "Ehre sei dem Menschen", und dem Er dann in aller Eile mit einer "verbesserten" Messe gerecht zu werden versuchte. Dagegen finden wir die Ankündigung, daß die Hl. Messe verboten wird, und daß jene, welche sie verbieten - obwohl kein Name und kein Amt genannt wird - zu den Feinden der Kirche gezählt werden müssen. Erkennen und verlassen wir die Illusionen, welche uns doch nur davon ablenken die Liebe der Wahrheit anzunehmen; wenden wir uns den Geschenken Gottes zu, welche uns vor allem in dem begegnen, was die Kirche immer gelehrt hat. Dann wird das Wort, welches der hl. Robert Bellarmin, nach der Aufzählung der Strafen für den Undank, hinzufügt, auch für uns gelten: "Der wahre Glaube wird deswegen keinen Schaden leiden."
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