DER ANTIMODERNISTENEID
Der "Eid gegen die Irrtümer des Modernismus" (AAS II, 669) wurde am 1. September 1910 von Papst Pius X. verbindlich für alle Kleriker vorgeschrieben. Grundsätzlich mußte er, auch in schriftlicher Form, vor der Subdiakonatsweihe abgelegt werden. Der nachkonziliaren "Kirche" blieb es vorbehalten, dieses Bollwerk gegen die Irrtümer praktisch abzuschaffen.
Ich Umfasse fest und nehme an alles und jedes Einzelne, was vom irrtumslosen Lehramt der Kirche bestimmt, aufgestellt und erklärt ist, besonders die Hauptstücke ihrer Lehre, die unmittelbar den Irrtümern der Gegenwart entgegen sind.
Ich bekenne, dass Gott, der Ursprung und das Ende aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der Vernunft durch das, was geschaffen ist, d.h. durch die sichtbaren Werke der Schöpfung, als Ursache mittels der Wirkung mit Sicherheit erkannt und auch bewiesen werden kann,
Ich anerkenne die äusseren Beweismittel der Offenbarung, d.h. die Werke Gottes, in erster Linie die Wunder und Prophezeiungen (von welchen die Heilige Schrift berichtet), als ganz sichere Zeichen des göttlichen Ursprungs der christlichen Religion. Ich halte fest, dass sie dem Geist aller Zeiten und Menschen, auch der Gegenwart, auf das beste angepasst sind.
Fest glaube ich, dass die Kirche, die Hüterin und Lehrerin des geoffenbarten Wortes, durch den wahren und geschichtlichen Christus selbst während seines Lebens unter uns unmittelbar und direkt eingesetzt und dass sie auf Petrus, dem Fürsten der apostolischen Hierarchie, und auf seine Nachfolger gebaut wurde.
Ohne Rückhalt nehme ich die Glaubenslehre an, die von den Aposteln durch die rechtgläubigen Väter stets in demselben Sinn und in derselben Bedeutung bis auf uns gekommen ist. Deshalb verwerfe ich ganz und gar die irrgläubige Erfindung einer Entwicklung der Glaubenssätze, die von einem Sinn zu einem anderen übergingen, der abweiche von dem Sinn, den die Kirche einst gemeint habe. Ebenso verwerfe ich jeden Irrtum, der das göttliche, der Braut Christi übergebene Vermächtnis, das von ihr treu bewahrt werden soll, durch eine Erfindung philosophischen Denkens oder durch eine Schöpfung menschlichen Bewusstseins ersetzen will, das durch menschliches Bemühen langsam ausgebildet wurde und sich in Zukunft in unbegrenztem Fortschritt vollenden soll.
Als ganz sicher halte ich fest und bekenne ich aufrichtig, dass der Glaube nicht ein blindes religiöses Gefühl ist, das aus dem Dunkel des Unterbewusstseins im Drang des Herzens und aus der Neigung des sittlich geformten Willens entspringt, sondern dass er eine wahre Zustimmung des Verstandes zu der von aussen durch Hören empfangenen Wahrheit ist, durch die wir auf die Autorität Gottes, des Allwahrhaftigen, für wahr halten, was uns vom persönlichen Gott, unserem Schöpfer und Herrn, gesagt, bezeugt und geoffenbart worden ist. In schuldiger Ehrfurcht unterwerfe ich mich und mit ganzem Herzen schliesse ich mich an allen Verurteilungen, Erklärungen, Vorschriften, wie sie im Rundschreiben "Pascendi" und im Entscheid "Lamentabili" enthalten sind, besonders, insoweit sie sich auf die sogenannte Dogmengeschichte beziehen.
Auch verwerfe ich den Irrtum derer, die behaupten, der von der Kirche vorgelegte Glaube könne der Geschichte widerstreiten und die katholischen Glaubenssätze könnten in dem Sinne, in dem sie jetzt verstanden werden, mit den Ursprüngen der christlichen Religion, wie sie wirklich waren, nicht in Einklang gebracht werden. Ich verurteile und verwerfe auch die Auffassung derer, die sagen, ein gebildeter Christ führe ein Doppeldasein, das Dasein des Gläubigen und das Dasein des Geschichtsforschern, als ob es dem Geschichtsforscher erlaubt wäre, festzustellen, was der Glaubenswahrheit des Gläubigen widerspricht, oder Voraussetzungen aufzustellen, aus denen sich ergibt, dass die Glaubenssätze falsch oder zweifelhaft sind, wenn man nie nur nicht direkt leugnet.
Ich verwerfe ebenso eine Weise, die Heilige Schrift zu beurteilen und zu erklären, die die Ueberlieferung der Kirche, die Entsprechung zum Glauben ("analogia fidei") und die Normen des Apostolischen Stuhles ausser acht lässt, die sich den Erfindungen der Rationalisten anschliesst und die Textkritik ebenso unerlaubt wie unvorsichtig als einzige oberste Regel anerkennt.
Auch die Auffassung derer verwerfe ich, die daran festhalten, ein Lehrer der theologischen Geschichtswissenschaft oder ein Schriftsteller auf diesem Gebiet müsse zuerst jede vorgefasste Meinung vom übernatürlichen Ursprung der katholischen Ueberlieferung und von einer Verheissung der göttlichen Hilfe zur steten Bewahrung einer jeden geoffenbarten Wahrheit ablehnen, die Schriften der einzelnen Väter müssten nach rein wissenschaftlichen Grundsätzen erklärt werden unter Ausschluss jeder kirchlichen Autorität und mit derselben Freiheit des Urteils, mit der man jedes ausserkirchliche Denkmal der Geschichte erforscht.
Endlich bekenne ich ganz allgemein: Ich habe nichts zu schaffen mit dem Irrtum, der die Modernisten glauben lässt, die heilige Ueberlieferung enthalte nichts Göttliches oder, was noch viel schlimmer ist, der sie zu einer pantheistischen Deutung der Ueberlieferung führt, so dass nichts mehr übrig bleibt als die nackte, einfache Tatsache, die in einer Linie steht mit den gewöhnlichen Geschehnissen der Geschichte, die Tatsachen nämlich, dass Menschen durch ihre eigenen Bemühungen durch ihre Sorgfalt und Einsicht die von Christus und seinen Aposteln begonnene Schule in den nachfolgenden Zeitabschnitten fortsetzen. So halte ich denn fest, und bis zum letzten Hauch meines Lebens werde ich festhalten den Glauben der Väter an die sichere Gnadengabe der Wahrheit, die in der Nachfolge des bischöflichen Amtes seit den Aposteln ist, war und immer sein wird, so dass nicht das Glaubenegegenstand ist, was entsprechend der Kultur eines jeden Zeitabschnittes besser und passender scheinen könnte, sondern dass niemals in verschiedener Weise geglaubt, nie anders verstanden wird die absolute, unabänderliche Wahrheit, die seit Anfang von den Aposteln gepredigt wurde.
Ich gelobe, dass ich alles getreu, unversehrt und rein beobachten und unverletzt bewahren, dass ich in der Lehre oder in jeder Art von Wort und Schrift nie davon abweichen werde. - So gelobe ich, so schwöre ich, so helfe mir Gott und dieses heilige Evangelium Gottes.
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Diesen Eid mußten alle Kleriker ablegen. Wenn man die kleine Schar derjenigen betrachtet, die dem Glauben der Kirche treu geblieben sind, kann man sich ausrechnen, wie viele Eidbrüchige unter den Klerikern anzutreffen sind: fast alle haben Ihren Herrn verraten.
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