AKTIVE TEILNAHME
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Nachdem wir das hochheilige Opfer von verschiedenen Seiten betrachtet traten, können wir seine angeführte Definition noch weiter kürzen:
Die heilige Messe ist die durch Christus, mit Christus und in Christus erfolgte Darbringung des in Adam verweigerten paradiesischen Opfers des leib-seelischen "Ich".
Wenn wir vom Opfer sprechen, dann müssen wir auf die Mehrdeutigkeit und den Mißbrauch dieses Begriffes hinweisen.
Es kann im wahren Sinn nur ein einziges Ganzopfer geben, welches Gott allein dargebracht wird! Dieses Opfer ist das Opfer des leib-seelischen "Ich". Alle anderen Opfer sind nur schwache Analogien und können auch nicht mehr sein.
Wie die Kirche mit Augustinus lehrt, sind in Adam, dem einen, individuellen Menschen, alle Menschen ein Mensch gewesen. Von dieser Quelle her sind deshalb alle Bächlein vom höllischen Gift der Schlange durchdrungen! ... In Adam sündigten also alle, da sie in seiner Natur enthalten waren, und noch alle eins waren, die er erzeugen konnte. ... Alles, was im kommenden Geschlecht war, beinhaltete das Leben dieses einen Menschen, nämlich Adams. ... Durch den bösen Willen Adams sündigten alle in ihm, von dem jeder einzelne die Erbsünde übernahm! (1) "Mit Recht trägt nun dieser Mensch keinen anderen als den allgemeinen Namen: Mensch. 'Adam' heißt nämlich 'Mensch', da er gewissermaßen Mensch im allgemeinen war, in dem alle anderen enthalten waren." (2)
So wie wir in Adam ein Leib waren: das Corpus Adae mysticum, der mystische Leib Adams, so müssen wir es in Christus werden: Glieder des Corpus Christi mysticum, des mystischen Leibes Christi, und das Opfer des absoluten Gehorsams, welches wir in Adam verweigert haben, in Christus darbringen, sodaß wir mit dem hl. Paulus sagen können: "Mit Christus bin ich gekreuzigt. Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir." (3) Der Urbund lautete:
Ich gebe dir mein "ICH", gebe mir dein "Ich"; wenn du essen wirst, d.i.: das Verbot übertreten wirst, mußt du sterben! Von allen Seiten bekommen wir in diesem Zusammenhang zu hören, daß es sich um ein Märchen handle bei dieser Geschichte vom Apfel, höchstens um einen Mythus, den wir erst entziffern müssen. Alle nehmen Anstoß an der Geringfügigkeit der Frucht und an der angeblich nicht entsprechenden Tragweite des Ungehorsams. Diesen allen möchten wir empfehlen, das Gedicht "Das verschleierte Bild zu Sais" von Schiller zu lesen: Auf der Suche nach der Wahrheit kommt ein Jüngling bis nach Ägypten und sieht in einer einsamen Rotonde ein verschleiertes Bild. Als er von seinem Führer, einem Priester, erfährt, daß hinter dem Schleier das verborgen ist, was er so sehnsüchtig sucht: die Wahrheit, treibt es ihn, den Schleier zu heben. Jedoch er wird gewarnt! Kein Sterblicher, so sagt die Gottheit, rückt diesen Schleier, bis ich selbst ihn hebe. Und wer mit ungeweihter, schuldiger Hand den heiligen, verbotenen früher hebt..., der sieht die Wahrheit! Nur diese dünne Scheidewand trennt mich von meinem Ziel? jammert der Jüngling. Nicht nur die Scheidewand, bemerkt der Führer, sondern auch ein Gesetz! Der Jüngling beherrschte sich nicht, und sah die Wahrheit, wie sie Adam und Eva sahen und mit ihnen alle Menschen!
Also nicht bloß um eine unbedeutende Frucht handelte es sich, sondern um ein Gesetz, um einen Bund mit Gott!
Würden wir die Staatsflagge zerreißen, dann müßten wir die Folgen tragen, denn es handelt sich dabei nicht um ein unbedeutendes Stück Stoff, sondern um eine Transsignifikation, um eine Bedeutungsänderung, um ein Symbol des Staates; und ein Vergehen ihm gegenüber wird als ein Vergehen gegen den Staat bestraft. Kommt jemand da auf den Gedanken von einem nichtsnutzigen Stück Fetzen zu reden? Als die ersten Christen sich weigerten, ein Weihrauchkörnchen auf die glühende Kohle zu werfen, und sich lieber selbst auf glühende Kohlen werfen ließen, handelte es sich ja auch nicht nur um ein nichtiges, völlig wertloses Körnchen Harz, sondern um ein Glaubensbekenntnis! Durch Sein blutiges Opfer hat der Erlöser allen Menschen ihr "Ich", welches durch die Ursünde dem Teufel und der Hölle verfallen war, zurückgewonnen.
Nun können und sollen alle Menschen den nach dem Letzten Abendmahl geschlossenen Neuen Bund einhalten und so die Erlösung der Menschheit auf sich anwenden. Er lautet: Gebe mir dein "Ich", Ich gebe dir mein "ICH"; wenn du nicht essen wirst, d.i. das Gebot nicht einhalten wirst, mußt du sterben, und zwar diesesmal unwiderruflich, auf ewig!
"Essen und Trinken" bedeutet aber vollauf am Leben Christi teilzunehmen, denn nur so kann das Ewige Leben gewonnen und erhalten werden!
Wie im Alten, so auch im Neuen Bund wird die Frucht von den Menschen nicht richtig eingeschätzt. Im Paradies wird sie überbewertet: "Jetzt erst sah die Frau, wie köstlich die Früchte des Baumes munden müßten, welch lieblichen Anblick sie darboten, wie begehrenswert die Früchte des Baumes seien, um durch sie weise zu werden!" (4) Im Neuen Bund wird die Frucht des Baumes des heiligen Kreuzes meistens, selbst dort wo man es nie erwarten dürfte, unterschätzt: Eine Oblate soll Gott und Mensch sein? "Diese Rede ist hart! Wer kann sie hören?" (5) Das Fleisch Christi essen und sein Blut trinken? Wer kennt sich da aus?! Und wirklich: wie wenige sind es, die dieses Geheimnis verstehen!!!
Und so brachte die paradiesische Frucht den Tod, wie die des heiligen Kreuzes das Leben denen bringt, die sie richtig einschätzen! "Gute kommen, Böse kommen, alle haben SIE genommen: die zum Leben, die zum Tod" (Sequenz Lauda Sion)! Dieses "Nichts" ist der persönliche absolute Mittelpunkt des Weltalls; wer Ihn unterschätzend beiseiteschiebt, der schleudert sich selbst auf die Peripherie des Seins, in das ewige Sterben, den ewigen Tod!
Der Erlöser hat allen ihr "Ich" zurückgewonnen, da aber nicht alle den Bund einhalten, kann Er nicht allen Sein Blut geben und hiermit das Ewige Leben, sondern nur denen, die Ihm ihr Blut gegeben haben, die "Seinen Kelch trinken", d.i. Ihm nachfolgen, denn Er ist der WEG, wie ER auch die Pforte ist. Deshalb mahnt uns der Herr: "Tretet ein durch die enge Pforte! Denn weit ist die Pforte und breit der Weg, der ins Verderben fahrt, und viele sind es, die da hineingehen. Eng dagegen ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und nur wenige sind es, die ihn finden!" (6)
Der Mensch muß zwar auch nach erfolgter Erlösung dem Leibe nach sterben, aber dieser Tod ist, wenn er vorher geistig in Christus und mit Christus auf eine unblutige Weise beim hochheiligen Opfer gestorben ist, ein beglückender Tod, denn: "vita mutatur, non tollitur", das Leben wird verwandelt, nicht genommen, und er kann sagen: "Vater, ich bin hier!"
Da aber dieses unser Opfer meistens von sehr kurzer Dauer und schwacher Intensität ist, muß es wiederholt werden. Um dieses unser unblutiges Opfer und seine Wiederholung überhaupt zu ermöglichen, brachte der Heiland Sein blutiges dar und setzte vor dessen Darbringung das unblutige Opfer ein, in dem Sinne, daß durch seine Wiederholung die Ausweitung des Kreuzesopfers zustandekommen könne und zuletzt in das vor dem Throne Gottes ewig dargebrachte Opfer einmünde. Daß dies nicht so leicht ist, verspürt ein jeder von uns, und doch gelten vollauf die Worte des hl. Paulus: "Freut euch vielmehr, daß ihr an Christi Leiden teilnehmen könnt, damit ihr auch bei der Offenbarung Seiner Herrlichkeit euch freuen und frohlocken könnt!" (7)
Wir haben schon einigemale auf den Unterschied zwischen Melchisedechs und Aarons Opfer, welches mit dem Tode des wahren Osterlammes zu Ende ging, hingewiesen. Melchisedechs Opfer von Brot und Wein bringt das "Für-Gott-zu-leben" vollauf zum Ausdruck, wie das Sterben in Aarons Opfer zum Ausdruck gekommen war. Nachdem aber das wahre Osterlamm geschlachtet war und - vom Tode auferstanden - nicht mehr sterben kann, bleibt das Opfer Melchisedechs übrig, welches im vollen Sinn das paradiesische Opfer zum Ausdruck bringt, Gott restlos zu dienen, alles für den Dienst Gottes einzuschalten. Wenn schon jede einfache Nahrungseinnahme uns befähigt, die im Dienste Gottes verbrauchte Energie durch die in der Speise enthaltene Energie zu ersetzen und für weiteren Gottesdienst zu gebrauchen, umso klarer ist es bei der himmlischen Speise. In Christus und mit Christus gestorben, sollen wir weiter in Christus für Gott leben, zwar in der Welt, aber nicht mehr von der Welt.
Anmerkungen:
(1) Lib.III. De peccatorum meritis et remissione, PL 44, col.194. Lib.II. De nuptiis et concupiscentia, PL 44, col. 444-445. (2) Sebastiani Barradii, S.J., Opera Omnia, Moguntiae 1627, Tom.I. De Messia ex Genesi, Lib.III. cap.ó. (3) Gal. 2,19-20. (4) Gen.3,6. (5) Joh. 6,60. (6) Mt. 7,13-14. (7) 1 Petr. 4,13.
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Nachricht Aus "Kirche und Welt" (Schweiz) vom 4.12.76: Der "Erzbischof" von Melburne, Thomas Francis Little, hat Schwester Mary Cloonan zur Bischofsvikarin ernannt. (Anm.d.Red.: Trotz ihrer "fortschrittlichen" "Synode 72" kommt in diesem Punkt die gute Schweiz nun doch wieder zu spät.)
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