DAS WEITERE GESCHEHEN UM ECONE
von Wolfgang Heller
Erinnern wir uns: 29.06.1976: Erzbischof Lefebvre weiht in Econe dreizehn Priester. 07.07.1976: Tadelung durch die "Schweizer Bischofskonferenz" ("Die widerrechtlich vorgenommenen Weihen sind Ausdruck einer offenen Auflehnung gegen Papst und Kirche.") 27.07.1976: Der "Heilige Stuhl" suspendiert Erzbischof Lefebvre "a divinis". 29.07.1976: Entgegnung S.E. auf die Suspendierung durch Rundbrief. 09.08.1976: Interview S.E. im "Spiegel".
Der in Nr. 3 der "Einsicht" begonnene Überblick über das Geschehen um Econe soll im folgenden fortgesetzt werden.
I. 15.08.1976: In Anwesenheit von 600 Gläubigen aus allen Teilen Frankreichs wird das erste traditionalistische Priesterseminar in Frankreich, das Kloster Sainte Anne in Lanvallay bei Dinan in der Bretagne eröffnet. Gleichzeitig rief der Pariser "Erzbischof, Kardinal" Marty im elsässischen Wallfahrtsort Marienthal die Katholiken auf, sich von den Traditionalisten nicht in "ein anachronistisches und nutzloses Schisma" reißen zu lassen. Am gleichen Tage verfaßt der "Hl. Vater" das später veröffentlichte schreiben an S.E. Lefebvre, in dem er diesen ermahnt, die "unhaltbare Regelwidrigkeit Ihrer gegenwärtigen Haltung" zu überdenken, und ihm vorwirft: "Ihre Haltung entspricht nicht dem Evangelium und dem Glauben." Dieses Schreiben, das aus der Umgebung von S.E. als"Aufruf zu bedingungsloser Unterwerfung" charakterisiert wird, und ein"letzter Appell des Papstes" (SZ vom 29.8.76), in dem Montini seine Gesprächsbereitschaft erklärt, gleichzeitig aber Lefebvre auffordert, sich zu besinnen, ehe es zu spät sei, sollen verhindern, daß S.E. Lefebvre die seit langem angekündigte Hl. Messe nach dem vom "Papst" verbotenen tridentinischen Ritus in seiner Heimatstadt Lille zelebriert. Denn diese Hl. Messe wird von einer breiten Öffentlichkeit als Zeichen des drohenden Schismas gesehen. S.E. läßt sich jedoch von all den Aktivitäten gegen ihn und den Verboten nicht beeindrucken.
II. Die Heilige Messe von Lille 29.08.1976: Gemeinsam mit zehn weiteren treu gebliebenen Priestern, die ihm assistieren, und unter tiefer Anteilnahme von ca 6-7000 Gläubigen feiert der 70-jährige Erzbischof die Hl. Messe im Sportpalast von Lille. In der Predigt erklärt S.E.: "Nicht wir bewegen uns auf ein Schisma zu, sondern Rom tut dies. Es befindet sich auf dem Weg zur Häresie. Ich habe auf meiner Seite zwanzig Jahrhunderte Kirchengeschichte und alle Heiligen im Himmel." Über die "verbotene Messe von Lille'! wird ausführlich in den Tageszeitungen und sonstigen Medien berichtet und kommentiert (u.a. auch die Gefahr einer Kristallisation von "Rechtskreisen" und "Faschisten" um Lefebvre propagiert!).
Aus Rom verlautet, der "Papst" habe Lefebvre als Rebellen wider die päpstliche Autorität verurteilt. Levi, Chefredakteur des Osservatore Romano, erklärt in einem Fernsehinterview: "Die Konsequenzen werden entweder in einer stillschweigenden Isolierung Lefebvres bestehen sein Verhalten schließt ihn ja automatisch von der vollen Gemeinschaft der Kirche aus -, oder es könnte zur Erklärung seines Ausschlusses durch die kanonische Strafe seiner Exkommunikation kommen." Lefebvre zeigt sich über die Reaktion aus Rom, das die Messe von Lille als Herausforderung bezeichnete, überrascht und erklärt unter Bekräftigung, auch fürderhin die Hl. Messe feiern zu wollen: "Sie wurde in übertreibender Weise als Herausforderung hingestellt. Aber sie war keine. Dies Ereignis soll nicht solche Proportionen annehmen. Es war nicht das erste Mal, daß ich seit meiner Suspendierung eine Hl. Messe feierte."
Auf Einladung Pfarrer Schoonbroodts von Steffeshausen - Reuland / Belgien, dem der "zuständige Bischof" wegen dieser Einladung die sofortige Amtsenthebung angekündigt hatte, sollte S.E. am 2.9.1976 die Firmung spenden. Diesen Besuch mußte Lefebvre jedoch - wie verlautete aus gesundheitlichen Gründen absagen.
III. Die Hl. Messe von Besancon Wie angekündigt feiert S.E. Erzbischof Lefebvre auch weiterhin die Hl. Messe: Diesmal in Besancon, wo es Lefebvre unter Gendamerieschutz gegen protestierendes Publikum id der mit 5000 Gläubigen gefüllten Sporthalle unternimmt, zur ersten Meßfeier des von ihm geweihten Patrick Groche-Michaud die Predigt zu halten: Er sehe ein tiefes Symbol darin, daß diese Primiz nicht in der Heimatpfarrei des jungen Priesters stattfinden könne, weil der Ortsklerus nicht dazu eingeladen habe. "Aber viele aus der Pfarrei sind heute wahrscheinlich hier unter uns. Und dies ist auch das wahre Drama von Econe, das ja gar kein Fall Lefebvre ist, wie es die Zeitungen immer schreiben. Millionen Katholiken erleben dieses Drama täglich, weil sie in ihrem römisch-katholischen Glauben sterben wollen und nicht als Protestanten. Aber daß wir keine Kirche haben, ist ja nicht einmal das Ausschlaggebende. Bis ins Innerste der Kirche ist der Feind schon eingedrungen. Das heilige Sakrament der Messe ist zerstört worden, und mit ihm unser Glaube. (...) Die Kirchen werden eines Tages leer stehen und sie werden keine Priester mehr haben." S.E. ruft den Gläubigen zu: "Haben sie weiterhin Vertrauen zu uns! Nur von uns kommen die echten, die wahren Priester. Gott ist mit uns!"
Wie aus der FAZ vom 8.9.76 zu erfahren war, soll Lefebvre angedeutet haben, daß die Differenzen zwischen ihm und dem Vatikan beigelegt werden könnten und die Dinge in Ordnung kämen. Er fügte jedoch hinzu: "Wir wollen unseren Glauben nicht aufgeben. Ich bin bereit, zu Füßen des Heiligen Vaters niederzuknien - aber nicht, damit er mich einen Protestanten nennt. Das niemals!"
Von der offiziösen "Kirche" werden inzwischen in Deutschland die Ansichten Lefebvres zurückgewiesen und den Gläubigen Distanz zu den Traditionalisten empfohlen. Alle reden plötzlich von Gehorsam gegenüber dem "Hl. Vater" und von der "Einheit". Es werden aber auch versöhnliche Stimmen laut: So gestand der französische "Erzbischof" Coffy, Beauftragter des Episkopates für liturgische Fragen, die Bedeutsamkeit des Anliegens von Erzbischof Lefebvre zu. Der "Neuüberdenker" und Berufshäretiker Küng fordert sogar ein drittes vatikanische Konzil. Diesem Verlangen ist aber inzwischen "Kardinal" Höffner (Münchner Merkur vom 1.11.76) entgegengetreten.
IV. Die Audienz in Castel Gandolfo 11.09.1976: Für alle überraschend wird an diesem Tag berichtet, Montini habe in seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo den rebellischen Erzbischof zu einer einstündigen Aussprache empfangen. Wie aus dem am Samstagmittag (11.9.) herausgegebenen vatikanischen Communiqué zu entnehmen ist, habe Lefebvre um die Audienz tagszuvor nachgesucht. Montini habe im Gespräch, das mehr in eine Schimpferei ausartete, wie hinterher intern zu erfahren war, aufgefordert, "über die von diesem zum Schaden der Kirche erzeugte Situation nachzudenken". Marcel Lefebvre gibt in Interviews zu verstehen, daß das Gespräch keine Lösung der Differenzen gebracht habe, äußert aber seine "Zufriedenheit über die Audienz mit dem Papst". "Wir hoffen", so fügt er hinzu, "daß dieser ersten Begegnung weitere folgen und der Dialog beginnen kann. Wir haben nichts abgeschlossen. Der Papst hat zu mir gesprochen, wie ein Vater zu seinem eigenen Sohne spricht. Ich habe gesagt, daß es vielleicht eine Möglichkeit gäbe, eine Lösung zu finden, besonders für jene Katholiken, die wegen all der Geschehnisse nach dem Konzil verwirrt sind. Ich hoffe, daß wir uns wiedersehen." In einem offiziellen Bericht über diesen Besuch, den Pater Wodsack darnach in München gibt, heißt es wörtlich: "Der Heilige Vater habe nicht nein gesagt."
In Rom selbst wird unzufrieden und vorsichtig kommentiert: es seien keine eigentlichen Fortschritte ersielt worden, wenn man auch den Beginn eines Dialogs ahnen könne, der zu guten Hoffnungen berechtige.
Am 14.9.1976 dementiert der Vatikan selber, Lefebvre habe ein Unterwerfungsschreiben verfaßt, um die Audienz in Castel Gandolfo zu erlangen. Vielmehr habe Lefebvre in einem kurzen Schreiben, das er selber am päpstlichen Sommersitz abgegeben habe, in höflichen Worten um eine Audienz gebeten. Der Brief sei so formuliert gewesen, daß er "dem Heiligen Vater die Hoffnung auf eine reuige Haltung des Erzbischofs gestattet habe." Auf einer Pressekonferenz betont Erzbischof am 15.9. in Econe, die Audienz sei keine Form des Kompromisses gewesen. Er habe den "Papst" gebeten, den Pluralismus in der Kirche zuzulassen und uns "unsere traditionalistischen Gottesdienste weiter halten zu lassen." Er habe versichert, "daß wir nicht gegen die Person des Papstes seien." Gleichwohl qualifiziert Lefebvre den NOM auch in diesem Interview wieder als Bastard. In einem Bericht der FAZ vom 18.9.1976 wird von Verärgerung und Verbitterung im Vatikan über den Besuch Lefebvres berichtet; weiter: einige Prälaten hätten den Empfang bedauert, Paul VI. habe sich etwas vergeben. Herausgekommen sei rein gar nichts.
Auf den Wunsch S.E. Lefebvres nach Pluralismus in der Liturgie wurde prompt reagiert: Auf keinen Fall sei eine Rückkehr zur tridentinischen Liturgie denkbar, wie Paul VI durchblicken ließ.
V. Die Messe in Friedrichshafen. 24.10.1976: Erst ein Urteil des Amtsgerichtes Tettnang stellt sicher, daß S.E. Lefebvre am 24.10.1976 in Friedrichshafen die Heilige Messe feiern kann. Wie schon zuvor in Frankreich muß für die sakrale Feier ein profanes Gebäude angemietet werden: die Halle der IBO. Nach unbestätigten Berichten soll die IBO nach einer Intervention des "Bischofs" von Rottenburg mit gerichtlichen Schritten versucht haben, aus dem Mietvertrag wieder auszusteigen. Bevor es zur Hl. Messe in Friedrichshafen kommt, verfassen die süddeutschen "Bischöfe" (Stimpfle, Moser) und die Anrainer aus Österreich (Wechner) und der Schweiz (Mäder), und natürlich Schäufele aus Freiburg am 11.10.1976 ein gemeinsames "Hirtenwort" anläßlich des Auftretens von Alt-Erzbischof Lefebvre, das am darauffolgenden Sonntag von den Kanzeln der (ehemaligen) Kirchen in den genannten Diözesen verlesen wird und u.a. den Gläubigen droht: "Wenn sie an der Veranstaltung in Friedrichshafen teilnehmen, werden sie - ob sie wollen oder nicht - Mitspieler im beschämenden Schauspiel einer zerstrittenen Kirche. (...) Ihre Enthaltung ist kein Versäumnis, sondern eine bewußte Tat. Sie ermutigen auch andere, keine unbesonnenen Mitläufer zu werden."
Das Geschehen in Friedrichshafen gerät nicht zuletzt wegen dieses "Hirtenbriefes" in das Licht einer breiteren Öffentlichkeit. Erneut wird dem Erzbischof in Econe ein Schreiben Montinis von einem seiner Sonderbeauftragten übergeben, über das aus vatikanischen Kreisen wenig später verlautet, es fordere nicht zu "bedingungsloser Kapitulation" auf, sondern verlange lediglich jenes "Minimum an kirchlicher Gemeinschaft", das nötig sei, die Differenzen zu beheben. Wie dieses "Minimum" aussieht, erfährt man intern aus sehr wohl unterrichteten Kreisen: Die Seminare müßten samt dem dazugehörenden Besitz der"geistigen" Aufsicht des Vatikans oder der zuständigen Bischöfe unterstellt werden. Der Brief ist ca 16 Seiten stark; man kann sich vorstellen, daß da einiges aufgezählt worden ist, was alles "unterstellt" werden muß. Ferner wird Erzbischof Lefebvre aufgefordert, zum traditionellen Glauben der Kirche zurückzukehren. (!)
Am 24.11.1976 ist die Bodenseehalle mit über 10000 Gläubigen gefüllt; sie kamen aus allen Teilen Deutschlands, der Schweiz, aus Österreichs, ja selbst aus Italien und Frankreich, um mit dem ehemaligen Bischof von Dakar das Hl. Meßopfer zu feiern.
In seiner Predigt geht S.E. Lefebvre auf den Vorwurf der süddeutschen und der anderen "Bischöfe", er spalte die Kirche, mit folgenden Worten ein: "Wo finden wir die Einheit der Kirche? Die Einheit der Kirche finden wir im katholischen Glauben, in jenem Glauben, der zweitausend Jahre lang ganz eindeutig in der Kirche erklärt worden ist und der in goldnen Buchstaben im Römischen Katechismus verkündet wird, dem Katechismus des Konzils von Trient. Hier im katholischen Glauben ist die Einheit der Kirche zu finden. Wenn wir an diesem Glauben festhalten, können wir kein Schisma machen, können wir nicht gegen den Papst sein." Auf den Vorwurf, er betreibe einen Personenkult, antwortet er: "Wir haben das eine erklärte Ziel: den katholischen Glauben zu bewahren und damit das katholische Priestertum. Darum bauen wir Seminare auf, damit das katholische Priestertum erhalten bleibt. Warum soll es erhalten werden? Damit die Heilige Messe weiter existiert."
Im Verlauf der Predigt geißelt Lefebvre den Verfall der Kirche und der katholischen Glaubenslehre, die Nicht-Verurteilung des Kommunismus durch das Konzil und den Pakt mit dem Kommunismus, die Aufkündigung des Kampfes der Kirche für die geoffenbarten Wahrheiten, die Abschaffung des göttlichen Prinzipes der Autorität, den kompromißbereiten Ökumenismus, die Doppeldeutigkeiten im nachkonziliaren religiösen Leben, den drohenden Kompromiß mit den Freimaurern, den Geist des Ausgleichs mit der Welt und dem Modernismus. Leidenschaftlich bekennt er: "Mag man uns schlagen, wir werden den katholischen Glauben auch weiterhin verteidigen (...) und sollte es selbst unser Blut kosten. Wir wären nicht die ersten, denen das in der Kirche passiert. (...) Jawohl, dieser Aussage: Nolimus ipsum regnare super nos (= wir wollen nicht, daß er ((Christus)) über uns herrsche), wie der römische Kaiser aufbegehrte und heute die Welt schreit, diesem Schrei steten wir uns entgegen. (...) Wir beten tagtäglich im Vaterunser: Zu uns komme Dein Reich. Es ist das Reich Christi, das wir erleben. Sein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden: Daß Christus herrsche über den einzelnen, über die Familien und über die gesamte Gesellschaft. Deswegen ist er am Kreuz gestorben. Halten wir uns immer in Erinnerung: Christus herrscht vom Kreuz durch das Kreuz."
Die Reaktion bei den Nicht-(mehr)-Gläubigen ist teilweise erstaunt, teils abfällig und ablehnend. Die "katholischen" Verbände stehen natürlich alle hinter ihren "katholischen" Hirten. Sie verurteilen in einer gemeinsamen Erklärung die "uneinsichtige Haltung" der Anhänger von Erzbischof Lefebvres.
In einer unerwartet präzisen Form erhält Erzbischof Lefebvre Unterstützung von Abbé Barbara - Frankreich. DPA berichtet darüber wie folgt: "Zur Teilnahme an einer 'Widerstandsbewegung' gegen den 'vom wahren Glauben abgefallenen' Papst Paul VI. rief am Freitag in Rom ein Wortführer der traditionalistischen französischen Katholiken und Gesinnungsfreund des suspendierten Erzbischofs Marcel Lefebvre, der Geistliche Noel Barbara, das Kirchenvolk auf. Mit einer polemischen Schärfe, mit der er seinen - nach eigenen Worten - Freund Lefebvre noch übertraf, verglich der Abbé Barbara den jetzigen Papst mit Martin Luther. Zahlreiche Handlungen - von der häretischen Konzilserklärung über die Religionsfreiheit, die er unterschrieben hat, über die Änderungen in Liturgie, Glaubenslehre und Kirchendisziplin bis zur Preisgabe des Glaubenegutes im ökumenischen Bereich - stempelten den Papst zum Schismatiker, Häretiker und Apostaten (Kirchenspalter, Ungläubigen und Abtrünnigen)." In einer Presseerklärung, die allerdings weitgehend von dieser unterschlagen wurde, meinte zuletzt S.E. Erzbischof Lefebvre, es gebe mit Paul VI. wohl nichts mehr zu besprechen. Dieser, Paul VI. hänge seinem alten Traum, alle Religionen zu vereinen, weiterhin an.
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