DIE NEUE "LIEBE" UND DIE "NEUE MESSE"
von M. Rezloh
Die Evangelien berichten, daß beim Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu, bei seiner Taufe im Jordan, die Stimme vom Himmel erscholl:
"Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen." (Mk 1,11 par)
In ähnlicher Weise und im Gegensatz dazu läßt der russische Dichter und Philosoph Solowjew in seiner "Erzählung vom Antichrist" den Satan zu dem Menschen sprechen, den er sich zum Antichristen erwählt hat.
Dieser Mensch zu dem Satan da spricht, ist der Inbegriff des in sich selbst verliebten, von sich selbst überzeugten, sich selbst bewundernden, sich im Gefühl seiner sittlichen Untadeligkeit und ungewöhnlichen Genialität stolz zum Erstling Gottes aufblähenden selbstgerechten Menschen und prätentiösen Welt- und Menschheitsbeglückers, der von der Menschheit darum nur Bewunderung und Liebe erwarten darf.
Und so nun spricht Satan, der Widersacher Gottes von Anbeginn, zum Antichristen:
"Mein lieber Sohn, auf Dir ruht all mein Segen. Weshalb hast Du nicht mich gesucht? Weshalb hast Du jenen vorgezogen, den Schlimmen, und seinen Vater? Ich bin Gott und Dein Vater. Doch jener Bettler und Gekrenzigte - ist mir und Dir fremd. Ich habe keinen anderen Sohn als Dich. Du bist mein Einziger, aus meinem Blut, mir gleich. Ich liebe Dich und verlange gar nichts von Dir. Du bist so schön, so groß und so mächtig! Tue Dein Werk in Deinem, nicht in meinem Namen. In mir ist kein Neid gegen Dich, ich liebe Dich und will nichts von Dir. Der, den Du für einen Gott hieltest, verlangte von seinem Sohn Gehorsam, unbegrenzten Gehorsam bis zum Kreuzestod - und dann half er ihm nicht einmal am Kreuz. Ich aber verlange gar nichts von Dir, und ich werde Dir helfen. Um Deiner selber willen, um Deiner eigenen Würde und Deiner eigenen Vorzüge willen und aus meiner reinen, selbstlosen Liebe zu Dir werde ich Dir helfen. Nimm meinen Geist an. Wie damals mein Geist Dich erstehen ließ in Schönheit, so wird er Dich jetzt neu erstehen lassen in Kraft".
Soweit nach Solowjew. "Ehre sei dem Menschen ...", kann man da nur noch hinzufügen, Paul VI. zitierend. "Auch wir haben einen Kult des Menschen, mehr als jeder andere!", und am Ende des Hl. Jahres "Die Zivilisation der Liebe" als Programm speziell der Christen proklamierend: "Der Kult - und es handelt sich jetzt gut und gern darum - den wir für den Menschen haben, führt uns dazu, wenn wir wieder an diesen berühmten Ausdruck eines Kirchenvaters, des großen hl. Irenäus, denken: 'Der lebende Mensch ist die Verherrlichung Gottes' (contra haer. IV, 20,73".
Bei Solowjew nun verkleidet sich Satan, wie schon beim hl. Paulus angedeutet, offenkundig als "Engel des Lichts", und zwar in so unverschämter Weise, daß er - der Affe Gottes - den christlichen Gott der Liebe gerade an Liebe zu übertreffen vorgibt, indem er seine neuartige 'selbstlose', grenzenlose, vorbehaltlose, undbedingte Liebe zum Menschen kundtut; der Lügner von Anbeginn bis zum Weltende bietet sich dar als Gott einer Liebe, einer Menschenfreundlichkeit, die an den Menschen keinerlei Forderungen mehr stellt, keine Bedingungen, keinen Gehorsam verlangt, keine vorbehaltlose Unterwerfung unter den Heiligkeitswillen Gottes, die darum kein Opfer mehr kennt, keine Sünde, also auch kein Sühnopfer. Das ist die neue "Liebe", die heute allenthalben von den "hinterlistigen Arbeitern" Satans seit dem Pontifikat Pauls VI. gepredigt und gelehrt wird, die rituell gefeiert wird, durch die neuen Riten der Liturgie-"Reform", die Bußgottesdienste und die "neue Messe".
In diesem Sinn ist diese "neue Messe", die das Opfer Christi, der Kirche und der Gläubigen nicht mehr kennt (bzw. nur noch in verbalen Versicherungen), die Liturgie des unbedingt von Gott geliebten und darum nur noch sich selbst unterworfenen, autonomen Menschen, der nur noch sich selbst vorbehaltlos dient, bewundert, feiert, anbetet, verherrlicht, der bei aller scheinbaren Gottesverehrung immer den entscheidenden Vorbehalt macht, daß alles letztlich ihm zum Nutzen, zum Heil, zur Ehre, zur Verherrlichung geschehen müsse, für den aller scheinbare Gottesdienst in Wirklichkeit nur eine Funktion seiner eigenen Selbstverherrlichung darstellt; eine unvermeidliche Folge solcher Prinzipien wie sie die anthropozentrische "Heilstheologie" und die "existentiale Interpretation" darbieten.
So ist denn die "neue Messe" der "neuen Epoche" Pauls VI. konsequenterweise, der programmierten "Zivilisation der Liebe" entsprechend, nicht mehr ein wahres und eigentliches Opfer, das äußere Zeichen und Symbol des inneren vorbehaltlosen Gehorsams des mystischen Christus gegenüber dem Vater, der bis zum Martyrium, zur Passion, zum Tod am Kreuz fahren kann, sondern sie ist die kultische Feier der vorbehaltlosen Liebe Gottes (d.h. des Gottes dieser Welt) "für alle", die Feier des Menschenkultes, in der sich die von der Nachkonzilskirche angestrebte "Kirche der Liebe" zur Dienerin der "Zivilisation der Liebe", der menschlichen Brüderlichkeit und Solidarität erniedrigt.
So ist die "neue Messe" die Feier des "großen Abfalls", der die Zeit des Antichrist ankündigt, da der Menschenkult an die Stelle des Gottesdienstes tritt:
Robur datum est ei contra iuge sacrificium propter peccata. (Dan 8,12)
(entnommen aus: "Kyrie Eleison" 5. Jg. (1976) Nr. 8; mit Genehmigung des Autors)
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