AUCH BEIM ZERSTÖREN GIBTS PROBLEME
von A. Iurator
(aus "Kyrie Eleison" 5. Jg. (1976) Nr. 8; mit Genehmigung des Autors)
Die harten Anstrengungen der Aufbauarbeit und die Leichtigkeit des Zerstörens sind selbstverständliche Dinge; trotzdem dürfen die Probleme nicht übersehen werden, welche auch bei der Zerstörung entstehen können. Bedeutende Anstrengungen werden dann erforderlich, wenn für eine Zerstörung maximale Gründlichkeit erforderlich ist; wenn zum Beispiel etwas ohne Rest beseitigt werden soll.
Nehmen wir ein Unkraut im Garten: den Löwenzahn. Dieser ist bald ausgerissen oder abgeschlagen; aber je stürmischer wir da vorgehen, um so sicherer ist es, daß ein Rest der Wurzel zurück bleibt und die Pflanze bald wieder üppiger dasteht als zuvor. Wenn deshalb einer bei der Beseitigung von solchem Unkraut behutsam vorgeht, so bedeutet das keineswegs, daß er dasselbe schonen will, sondern es deutet darauf hin, daß er etwas von der Sache versteht. Wer gute Sachkenntnis hat, wird zwischendurch überlegen, den Griff wieder lockern, eine Pause einlegen und das Hauptziel, nämlich die Beseitigung ohne Rest niemals gefährden. Wenn eine lebensfähige Wurzel schon fast abgerissen ist, kann es erforderlich sein, daß man wartet, bis der lockere Teil mit dem tiefer sitzenden Teil wieder besser verwachsen ist. Diese Dinge werden von einem Draufgänger nie beachtet. Dieser kennt immer nur sein momentanes Ziel und fragt nichts nach dem Gesetz, welches dem bearbeiteten Gegenstand zu eigen ist; an welchem sich gezielte Förderung und wirkungsvolle Unterdrückung orientieren müssen. Einen Draufgänger kann man ohne weiteres dreinschlagen lassen, wenn möglichst viel in kurzer Zeit verwüstet werden soll. Sobald aber eine Beseitigung ohne Rest erforderlich ist, muß man solche Leute fernhalten.
Wenn wir diese Beobachtungen auf die Kirche übertragen, so scheint es, daß die planmäßig arbeitenden Feinde derselben sich darüber im klaren sind, daß jetzt nur noch der letzte lebensfähige Rest aus der Tradition herausgerissen werden muß, damit endlich das Ganze verdorren kann. Es kann uns nicht trösten, wenn unüberlegt vorpirschende Feinde gelegentlich aus ihren eigenen Reihen zurückgepfiffen werden. Es sind dies meist Leute, die zwischen dem allgemeinen Verwüsten und dem Beseitigen ohne Rest nicht unterscheiden können. Trösten sollte es uns auch nicht, wenn der harte Würgegriff, welcher uns aus dem fruchtbaren Boden der Tradition reißen will, von Zeit zu Zeit gelockert wird. Dieser Griff wird immer dann gelockert, wenn es sich herausstellt, daß sonst ein lebensfähiger Rest zurückbleiben würde. Wenn bei einem solchen Manöver schon ein allzu deutlicher Riß entstanden ist, kann es durchaus dem Ziel, d.h. der Ausrottung, dienlich sein, wenn man zwischendurch eine Heilbehandlung, so etwa in Form eines Dialogs versucht. Machen wir uns da keine Illusionen! Solange die Behandlung nicht die Verwurzelung des Ganzen in der Wahrheit und in der traditionellen Lehre zum Inhalt hat, dient sie eben nur dem Zusammenflicken zweier Teile, von welchen der kleinere ohne Verbindung zum größeren sehr schlecht beseitigt werden kann.
Wenn zum Beispiel der vernichtende Angriff gegen die Sakramente, welche dieselben durch Verfälschung beseitigen soll, noch nicht konsequent zu Ende geführt wurde (1. Fastensonntag 1976), so sicher nur deshalb weil man befürchtet, daß der; verbleibende Rest nicht nur lebensfähig wäre, sondern darüber hinaus, nach der vollkommenen Trennung von dem in Feindeshand befindlichen Teil, sehr stark zu wacheen anfinge.
Wenn wir bei allen Angriffen, welche die Machthaber in Rom gegen Ecône starten, auch noch ein gewisses Zaudern feststellen, sollten wir das nicht voreilig als etwas Positives bewerten, sondern wir müssen uns da im klaren sein, daß irgend welche Leute erkannt haben, daß hier ein lebensfähiger Rest der Kirche nicht mit den gleichen Methoden beseitigt werden kann, welche in den früheren Zeiten die Erfolge brachten. Die Methoden, welche 1900 Jahre hindurch immer wieder Erfolge brachten, und auch jene, welche sich speziell für den Massenabfall unserer Zeit bewährten, sind für den tiefer verwurzelten Rest der Gläubigen nicht in gleicher Weise geeignet. Es ist auch problematisch, wenn man hier die Waffe der Exkommunikation einsetzen will. Sie bringt für die welche sie gebrauchen keine ungetrübte Freude. Eine innere Wirkung hat sie nicht, da sie ja in diesem Fall gegen die unveränderlichen Gesetze der Kirche verstößt, und um einen äußeren Erfolg zu bewirken, braucht selbst der beste Lügenprophet mitsamt den gewaltigen Massenmedien eine gewisse Zeit, in welcher der Nebel erzeugt wird, der zur Tarnung, Verwirrung und zum Verleumden erforderlich ist; aber auch dieser Nebel kann ja nicht verhindern, daß die vom kranken Wildwuchs getrennte Wurzel nur noch kräftiger zu wachsen anfängt. Wenn der Gegner jedoch trotz der Zweischneidigkeit seiner Möglichkeiten, die letzte Verbindung abbricht, dann hat er sich vorher davon überzeugt, daß er mit Taktik das Wachstum der gesunden, tiefen Wurzel so oder so nicht mehr einschränken kann; dann kommt die Brutalität der alten Schlange wieder relativ ungeschminkt zum Vorschein. Richtige Beobachtungen ergeben sich nur durch den Blick auf das, was getan wird; nicht aus dem, was gesagt wird. Das gilt besonders, wenn wir das wirkliche Ziel der Gegner von dem in den Vordergrund gezerrten Pseudo-Ziel unterscheiden wollen.
Nehmen wir zwei Beispiele: die Zerstörung der hl. Messe und die der Sexualmoral.
1. Die Vernichtung der hl. Messe
Was geschieht in der hl. Messe? In Bezug auf jene, die zerstören wollen, ist etwas besonders zu beachten: durch die Darbringung des hl. Opfers wird die Macht des Satans eingeschränkt. Wir dürfen deshalb nicht erstaunt sein, wenn er und sein Anhang die Darbringung deshalb mit allen möglichen Mitteln zu verhindern sucht. Wie aber soll der Kampf geführt werden? Soll da ein plumpes Verbot einfach verkündet werden: "ab sofort ist die Messe verboten"? Und das gerade von den Leuten, die unter guter Tarnung in die kirchlichen Ämter eingedrungen sind? Nein, so kann man das denn doch nicht erwarten. Das würde ja den letzten Schläfer noch aufschrecken und das ganze bisherige Erfolgsmanöver gefährden. Für jene, die heute und jetzt verführt werden sollen, ist diese Methode ungeeignet.
Oder sollte man in voreiliger Weise brutal sein und neue Märtyrer riskieren? Wenn man da den Feinden nicht einmal unterstellen wollte, daß sie bei solchem Vorgehend die Aussaat für neue Christen fürchten, so muß man doch einsehen, daß Leute, welche ihre Position vorwiegend innerhalb der kirchlichen Ämter bezogen haben, dies doch allein schon wegen der eigenen Enttarnung nicht tun können. Wenn der Wolf im Schafspelz erfolgreich sein will, so darf er denselben nicht vor dem Publikum an- und ausziehen.
Läßt sich da überhaupt eine bessere Zerstörungsmethode finden als diejenige, welche tatsächlich angewendet wird? Man läßt den Gläubigen die Worte Messe oder Eucharistiefeier - die Fortgeschrittenen können auch Mahl sagen; auf alle Fälle dürfen sie sich wie gewohnt versammeln; man ändert da nur den Inhalt ein wenig. Das heißt man "verbessert" ihn so, daß man notfalls wohl noch das Lob-, Dank- und Bittopfer darin vermuten kann, daß aber Text und Handlung so sind, daß eindeutig daraus zu entnehmen ist, daß wir uns die Erlösung anders vorstellen, als dies die Kirche bisher gelehrt hat. Den deutlichsten Ausdruck dieser Tatsache bildet wohl die Korrektur am Wort Christi; die Verfälschung des "für viele" in "für alle". Was hier Höhepunkt der hl. Messe war, ist nach der Änderung Protest gegen die vermeintliche Unvollständigkeit des Erlösungswerkes Christi oder auch ein Rehabilitationsgesuch, in welchem die Verdammung von Satan und seinem Anhang zurückgewiesen wird.
Kann es unter diesen Umständen noch trösten, wenn gewissen Leuten der Nachweis wirklich noch gelingen sollte, daß auch die neue Liturgie unter gewissen Umständen noch gültige Messe ist? Daß Christus sich auch unter diesen Bedingungen - unter den Gestalten von Brot und Wein - in die Hände der Sünder ausliefern würde? Muß uns diese etwaige Möglichkeit nicht eher erschrecken als trösten? Trösten wir uns ja nicht mit einer eventuellen Gültigkeit; fürchten wir vielmehr die Möglichkeit in gewissen Fällen. Was ist denn schlimmer, eine Beleidigung von Jesus Christus irgendwo fernab, oder aber direkt bei seiner eucharistischen Gegenwart?
2. Die Vernichtung der Sexualmoral
Betrachten wir nun noch die Zerstörungsarbeit auf dem Gebiet der Sexualmoral. Jahrhunderte lang hat man versucht, diese Säule der Menschheit zum Einsturz zu bringen. Mit viel Aufwand und - alles in allem - mit bescheidenem Erfolg. In La Salette sagte die Gottesmutter: Der Feind wird in die Spitze der Kirche eindringen. Und wir fragen uns, was wird dann mit der Moral, namentlich mit der Sexualmoral geschehen? Wird der eingedrungene Feind ex cathedra verkünden: Ehebruch, außerehelicher Geschlechtsverkehr oder Homosexualität usw. seien erlaubt? Wenn der Feind schon durch List und Schlauheit in die Kirche hineingekommen ist, dann wird er wohl kaum durch Gepolter mit dem Pferdefuß seine Herkunft und seine wahren Absichten bekannt geben. Er wird vielmehr das Vertrauen jener zu gewinnen suchen, die noch zu verführen sind; jener, welche sich noch nicht von der Lehre der Kirche getrennt haben. Ein offenes und direktes Verleugnen der kirchlichen Lehre ist hier ungeeignet. Deshalb wird jener, welcher mit böser Absicht im Innern der Kirche zu wirken versucht, wer also z.B. an der Zerstörung der katholischen Sexualmoral arbeitet, sich um "eine zur Schau getragene Sittenstrenge" (Pius X.) bemühen müssen. Er wird eventuell als Märtyrer auf diesem Gebiet gelten wollen. Wenn der Feind in die höchste Stelle der Kirche eindringt, so tut er dies nicht, um jene zu verführen, welche von der Kirche nichts wissen wollen, sondern er erobert diese Stellung, um jene einzufangen, welche nicht gegen die Lehre der Kirche leben wollen. Seine Hilfe wird er vor allem denen geben, welche bei den Handlungen, welche die wahre Kirche immer verboten hat, nach einer Gemeinschaft verlangen, die sich katholisch nennt. Hier wendet der Feind großzügig die Schlauheit der Kinder dieser Welt an.
Ein findiger Amerikaner empfiehlt - allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang - kurz und treffend, was auch für dieses Gebiet sehr lehrreich ist: Stellen sie sich auf den Geschmack der Leute ein, welche sie beeinflussen wollen; und dann als Beispiel: wenn ich angeln gehe, stelle ich mich auf den Geschmack der Fische ein. Ich selbst esse zwar am liebsten Erbeeren mit Sahne, trotzdem ködere ich die Fische nicht mit Erdbeeren, sondern mit Würmern, welche aus irgend welchen Gründen ihrem Geschmack besser entsprechen. Wer glaubt, der Feind, welcher in die Kirche eingedrungen ist, könne die Gebote mit einem plumpen Federstrich wirkungslos machen, der hat nicht begriffen, daß der Köder dem Fisch und nicht dem Angler schmecken soll.
Direkte Angriffe gegen die Sexualmoral haben diese zum Segen für die Gutwilligen immer belebt. Viel verheerender hat sich dagegen das während und nach dem "Konzil" einsetzende Nachdenken der höchsten kirchlichen Amtsinhaber ausgewirkt. Man stellte das Nachdenken bzw. das Überprüfen der katholischen Sexualmorallehre als Akt besonderer Gewissenhaftigkeit dar, und die allerwenigsten erkannten, daß dies in Wirklichkeit die einzige brauchbare Methode ist, mit welcher man von höchster kirchlicher Stelle aus die Gläubigen von der unveränderlichen katholischen Sexuallehre abbringen kann.
Dieses Manöver der Feinde hatte einen so tödlichen Erfolg, daß sie - in ihrem Sinne gefahrlos - den heuchlerischen Wiederbelebungsversuch "Humanae vitae" vorexerzieren konnten, ohne daß die von der wahren Lehre Abgefallenen wieder zurückfanden. Durch das Nachdenken vor "Humanae vitae" wurde den Leuten suggeriert: die Richtigkeit der katholischen Lehre ist fraglich; und die natürliche Folgerung der Einzelnen war: ich kann nicht warten, bis dieses Nachdenken beendet ist. Wenn man hier schon überprüfen muß, wenn die Chance für einen Irrtum bzw. für Änderungen besteht, dann entscheide ich selber, und zwar umgehend. Dann kann mir niemand mehr den bisherigen Verzicht abverlangen, wie das die "Nachdenker" nach außen hin noch taten.
Die Angst, auf diesem Gebiet - welches ja tatsächlich nicht in jedem Lebensalter gleiche Aktualität behält - zu kurz zu kommen, gab dem ganzen Abfall eine Beschleunigung, welche selbst die Akteure im Hintergrund noch verblüfft haben dürfte. - Hier hat der an höchster Stelle zur Schau gestellte Zweifel mehr zerstört als alle offenen Angriffe der letzten 1900 Jahre. Danach kam
"Humanae vitae", aber - nach den tatsächlichen Auswirkungen beurteilt nicht etwa, um die Sexualmoral wieder aufzurichten, sondern um jene, die anfingen die Sittenverderber zu durchschauen, wieder mit Vertrauen gegenüber denselben zu erfüllen. Die trotz allem noch spärlich einsetzende gute Wirkung von "Humanae vitae", hat man dann wieder im amtskirchlichen, bischöflichen Zweifel erstickt wie zuvor die Unantastbarkeit bzw. Selbstverständlichkeit, welche einem Gesetz die Wirkung erhält. Von einer Maßregelung für diesen Frevel sehr vieler Bischöfe ist nichts bekannt. Beim großen Nachdenken vor "Humanae vitae" bekam der Schafspelz des Wolfes immer größere Löcher" die Enzyklika "Humanae vitae" hatte die Aufgabe, diese Löcher wieder einigermaßen zu verdecken.
3. Zusammenhang beider
An dieses Flickwerk hat man sich offensichtlich in Rom wieder erinnert, als der Schafspelz durch das Verbot der tridentinischen Messe erneut wieder äußerst zerzaust war. Jedenfalls kann man in der zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten "Erklärung der Glaubenskongregation" zu einigen sexualethischen Fragen" - welche ja nicht einmal vom Sprecher von Radio Vatikan ernst genommen wurde - kaum eine andere Wirkung feststellen als die Verdeckung und Tarnung der tatsächlich erfolgten Umkehrung aller Werte.
4. Gottes Zulassung
Wenn wir das immer weiter um sich greifende Zerstörungswerk betrachten, so möchten wir fragen: ist es möglich, ja kann es Gott zulassen, daß die Zerstörer auch noch so tun dürfen, als handelten sie in seinem Auftrag? Wir haben keinen Grund zur Annehme, Gott müßte so etwas unverzüglich verhindern. Im Gegenteil, gerade für die Endzeit haben wir die Voraussage des Herren, daß falsche Christusse auftreten werden, und das ist wohl noch mehr, als wenn im Namen Christi Falsches gesagt und getan wird. Im ersten Timotheus-Brief finden wir auch sehr klare Gründe, warum solches zugelassen wird: "... mit allerlei Verführung zur Bosheit für die, welche die Liebe der Wahrheit nicht angenommen haben, um selig zu werden. Deshalb wird Gott den Irrtum auf sie wirksam sein lassen, so daß sie der Lüge glauben." Denken wir auch an das Wort Christ "Wer Vater oder Mutter usw. mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert". Christus ist aber auch in besonderer Weise die Wahrheit. Wenn wir uns also durch eine falsche Liebe zu den vergänglichen Dingen von Christus abwenden und seiner nicht mehr wert sind, warum sollte er es da nicht zulassen, daß wir dem Irrtum und den Feinden der Wahrheit verfallen. - Kehren wir um zu Christus und lieben wir Gott über alles, dann werden jene, welche sich mit der Zerstörung der heiligen Kirche befassen, bald merken, daß es beim Zerstören nicht nur irgendwelche, sondern sogar noch unüberwindliche Probleme gibt.
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