DIE LITURGISCHE REBELLION GEGEN PAPST PIUS XII.
von H.H. Walter W.E. Dettmann
VI.
Der Ungehorsam gegen Papst Pius XII. trat in einer einmalig interessanten Weise in Erscheinung, als dieser am: 20. November 1947 sein Rundschreiben "Mediator Dei" über die Liturgie veröffentlichte (Acta Apostolicae Sedis, Band XXXIX, 1947. Seite 521 ff.).
Es zeigte sich nämlich, daß die Front der liturgischen Neuerer unter einer geheimen römischen Führung gut organisiert war. Das Rundschreiben über die Liturgie wurde zu Lebzeiten von Papst Pius XII.nicht nur von Freund und Feind zugleich benützt, um sich darauf zu berufen, wie es z.B. heute mit der Liturgiekonstitution des sogenannten Zweiten Vatikanischen Konzils geschieht, sondern das Rundschreiben "Mediator Dei" wurde gerade von denen, die die tridentinische Messe radikal beseitigen wollten, vom ersten Tage an als der Inbegriff aller liturgischen Weisheit gelobt und gepriesen. Dieser Tatbestand muß jedem Theologen und Geschichtsforscher zu denken geben.
Die Feinde der tridentinischen Messe in Italien, Deutschland, Frankreich und in anderen Ländern taten vom ersten Tage an so, als ob das Rundschreiben "Mediator Dei" in ihren Augen wirklich die große Enzyklika sei, "die in gewissem Sinne ein Kompendium liturgischer Theorie und Praxis darstellt" (Romano Guardini, Liturg. Jahrbuch 1956, Seite 134). Bischof Simon Landersdorfer von Passau sagte: "Der liturgischen Bewegung erwächst eine Aufgabe, die durch die klare, zielbewußte Wegweisung der großen Enzyklika unseres Heiligen Vaters über die Liturgie, "Mediator Dei", außerordentlich erleichtert wird" (Lit. Jahrbuch 1953, II, Seite 218).
Der verstorbene Benediktiner P. Theodor Bogler aus Maria Laach schrieb über das Echo auf "Mediator Dei" in Italien folgendes: "Beginnen wir mit dem Land, dem die Enzyklika selber entstammt! Das Anliegen des päpstlichen Rundschreibens fand dort die Gemüter keineswegs unvorbereitet .... Entsprechend den unmittelbaren Anregungen der Enzyklika richtete Italien, wohl als erstes Land, in einer großen Zahl von Diözesen die Liturgischen Diözesan-Kommissionen ein .... Diese Kommissionen stehen unter der unmittelbaren Leitung der Bischöfe ..." (Liturgisches Jahrbuch 1951 Seite 17 - 18).
Für den Eingeweihten besagen diese Worte von P. Theod. Bogler folgendes: Das Rundschreiben Papst Pius XII. fand die Gemüter von Freund und Feind der tridentinischen Messe in Italien nicht unvorbereitet. Aber trotz der klaren Verurteilung der liturgischen Neuerungen durch den Papst haben zahlreiche italienische Bischöfe mit Berufung auf das päpstliche Rundschreiben solche Diözesan-Kommissionen eingerichtet, die die liturgischen Neuerungen fördern sollten! Wie wäre so etwas in Italien möglich gewesen, wenn Montini mit seinem Herrn im Vatikan wirklich zusammengearbeitet hätte?
Gemäß P. Theodor Bogler ist "Mediator Dei" in allen Ländern immer nur gelobt worden! Eine derartig international gemeinsame Heuchelei der Gegner des Papstes kann nur auf eine geheime Weisung aus Rom selbst zurückgehen.
Zu Beginn dieser Arbeit über die liturgische Rebellion gegen Papst Pius XII. ist erwähnt worden, daß die Führer der liturgischen Bewegung in Deutschland sofort nach der Bekanntgabe von "Mediator Dei" beschlossen, das Liturgische Institut in Trier zu gründen. Der Beschluß wurde am 17. Dezember 1947 in Augsburg gefaßt ("zur Förderung des liturgischen Apostolates, gemäß 'Mediator Dei'").
Also ist es doch mit Händen zu greifen, daß zugleich mit der Veröffentlichung des Rundschreibens eine Parole von Rom ausgegeben wurde, nämlich: Lobet das Rundschrieben und gründet nach seiner Anweisung Kommissionen und Institute und haltet Kongresse, bei denen ihr im alten Geiste gegen die tridentinische Messe weiterarbeiten könnt!
In was für einer frühen Zeit die liturgische Bewegung schon gegen das bisherige Meßopfer arbeitet, kann man z.B. an den Auagaben der Schott-Meßbücher aus dem Jahre 1936 sehen (vielleicht findet sich die Sache schon in noch früheren Ausgaben): Das Formular der hl. Messe wurde in Beuron mit zerstörerischen Bemerkungen versehen, ohne daß es die Laien gleich wahrnehmen konnten, weil sie nur auf die eigentlichen Gebete achteten; die Überschrift "Vormesse" stand nämlich erst unmittelbar vor dem Introitus; das vorher stattfindende Stufengebet wurde nur als "Vorbereitungsgebet" bezeichnet. Die wenigsten Laien werden es bisher erkannt haben, wie hier die "liturgische Bewegung" mit ihren Zähnen an der tridentinischen Messe zu nagen versuchte.
Den Wink aus Rom, das päpstliche Rundschreiben zu loben, hatte man in Deutschland im Jahre 1947 sehr schnell begriffen. Am 16. Januar 1950 stand folgende Ankündigung und Einladung im Amtsblatt der Diözese Augsburg:
"Einer Anregung der Liturgie-Enzyklika Pius' XII., 'Mediator Dei' vom 20. November 1947 folgend und als Beitrag zur Feier des Heiligen Jahres veranstaltet das Liturgische Institut in Verbindung mit Haus Altenberg und dem Katechetenverein vom 20.-22. Juni 1950 in Frankfurt am Main erstmalig für Deutschland einen Liturgischen Kongreß. Die Geistlichen aus allen deutschen Bistümern sind zur Teilnahme herzlich eingeladen. Der Kongreß steht unter der Schirmherrschaft der beiden Referenten für liturgische Fragen bei der Fuldaer Bischofskonferenz, der Bischöfe Dr. Stohr von Mainz und Dr. Landersdorfer von Passau, sowie des zuständigen Ortsbischofs von Limburg, Dr. Kempf ...."
Als Hauptthema für die Tagung in Frankfurt wurde die Gestaltung der Sonntagmesse in den Pfarrkirchen angegeben. Zugleich wurde eine Ausstellung "für Kirchenbau aus dem Geiste der Liturgie" angekündigt. Bei der Einladung zur Tagung in Frankfurt wurden drei Organisationen genannt: das Liturgische Institut in Trier, das "Haus Altenberg" und der Katechetenverein. Alle drei Organisationen arbeiteten schon lange nur gegen die tridentinische Messe. Trotzdem verschickten sie die Einladung zum Kongreß nach Frankfurt unter der Flagge der "Liturgie-Enzyklika Mediator Dei". Dabei hatten die Führer der liturgischen Bewegung schon damals den deutschen Kanontext mit geänderten Wandlungsworten griffbereit in der Tasche!
Papst Pius XII. sagte in seinem Rundschreiben 'Mediator Dei': "Ebenso gebührt auch jenen Lob, die sich darum bemühen, daß die Liturgie auch nach außen eine heilige Handlung werde, an der tatsächlich alle Umstehenden teilnehmen. Das kann auf mehrfache Weise geschehen, indem nämlich das ganze Volk nach den liturgischen Regeln auf die Worte des Priesters in gehöriger Weise antwortet oder auch zu den verschiedenen Teilen des Opfers entsprechende Lieder singt, oder beides verbindet, oder schließlich indem es im feierlichen Hochamt auf die Gebete des Dieners Jesu Christi antwortet und zugleich die liturgischen Gesänge singt." (Nr. 81)
Es ist interessant nachzusehen, wie sich die deutschen Bischöfe bei ihrem hohen Lob für "Mediator Dei" zu diesen Richtlinien verhalten haben:
Erzbischof Eugen Seiterich von Freiburg i.B. schrieb am 21.9.1955: "Zur Erfüllung meines bischöflichen Auftrages und im Sinne des Rundschreibens 'Mediator Dei' gebe ich meinem hochwürdigen Klerus die folgenden Richtlinien: (...) Die Singmesse ist von alters her eine beliebte Form für manche Sonntags-Meßfeiern. Es kann jedoch nicht als aktive Teilnahme der Gläubigen im Sinne der liturgischen Weisungen des Apostolischen Stuhles gewertet werden, wenn der Priester nur eine stille Messe liest und die Gläubigen dazu fast ununterbrochen Lieder singen" (Liturgisches Jahrbuch 1956, S. 172).
Bischof Simon Landersdorfer von Passau sagte im Passauer Bistumsblatt vom 8.1.1956: "Pausenloses Singen, umso mehr pausenloses Musizieren während der Messe widerspricht dem Geist der Liturgie und ist abzuschaffen." (Liturgisches Jahrbuch, 1956, S. 176)
Hierzu ist zu sagen: Der Bischof von Passau wußte genau, daß wohl nirgends "Pausenlos" gesungen oder musiziert wurde. Im übrigen war man bisher stets der Meinung, daß ein schönes Orgelspiel während einer stillen Messe den Gottesdienst für alle Menschen anziehend gemacht hat. Bischof Landersdorfer hat unter dem gleichen Datum auch folgendes verfügt: "Ämter vor ausgesetztem Allerheiligsten sollen nach entsprechender Belehrung des Volkes mehr und mehr eingeschränkt werden. Alles, was über die Erlaubnis des Rituale hinausgeht, ist verboten und sofort abzustellen." (Liturgisches Jahrbuch, 1956, S. 176)
In der Seelsorgbeilage zum Würzburger Diözesanblatt Nr. 20 vom 25.10.1951 ist folgendes über das Rundschreiben "Mediator Dei" zu lesen: "Durch das Rundschreiben Mediator Dei unseres Heiligen Vaters, Pius XII., hat die Arbeit an der Erneuerung des katholischen Volkes aus dem Geiste der Liturgie eine gesunde Klärung und Vertiefung erfahren. Zugleich ist dadurch eine Konzentrierung aller der Liturgie dienenden Kräfte eingeleitet worden, wie sie für Deutschland in dem ersten liturgischen Kongreß in Frankfurt 1950 eindrucksvoll in Erscheinung trat. Für jede einzelne Diözese erhebt sich nunmehr die Aufgabe, im Geiste von Mediator Dei zu einer klarbewußten und einheitlich geführten liturgischen Erneuerungsbewegung zu kommen. (...) Die nachfolgenden Richtlinien (...) werden hier erstmals für die Diözese veröffentlicht zur Vermeidung von Willkür und Fehlentwicklungen in der liturgischen Arbeit und zur positiven Ermunterung derselben im Geiste des Gehorsams und der Gemeinschaft (...); (betr.: Betsingmesse:) Eine Meßfeier, bei der vom Anfang bis zum Schluß nur Gesang und Orgelspiel stattfindet, also die reine Singmesse, (...) ist abzulehnen. Hier haben Lied und Orgelspiel ihre dienende Funktion verloren, und ihr Verselbständigen bedeutet einen schweren Nachteil und ein Hindernis für das rechte Verständnis der Meßfeier!" (Liturgisches Jahrbuch, 1953, I., S.111-115)
Hierzu ist nur zu sagen, daß das rechte Verständnis der Meßfeier zwar nicht beim Volke, wohl aber bei den deutschen Bischöfen geschwunden ist. Auch der kirchliche Amtsanzeiger für das Bistum Trier 1954, Nr. 5 beginnt seine Erläuterungen zum neuen Diözesangesangbuch mit einem Lob des Hl. Meßopfers gemäß dem Rundschreiben "Mediator Dei" und sagt danach: "In manchen Pfarreien unseres Bistums feiert man die Singmesse, besonders an Sonn- und Feiertagen, noch so, daß vom Stufengebet bis zum letzten Evangelium fortlaufend ohne Unterbrechung Lieder gesungen werden und Orgelspiel ertönt. Dadurch wird die rechte Mitfeier der Gläubigen erschwert". (Liturgisches Jahrbuch, 1956, S. 178)
Den deutschen Bischöfen ging es nicht darum, das Volk am Singen zu hindern oder die Blaskapellen arbeitslos zu machen; es ging ihnen nur darum, die stille tridentinische Messe jedes einzelnen Geistlichen zu unterbinden. Denn nichts ist den Protestanten ein solcher Dorn im Auge wie die einzelne stille tridentinische Messe. Bischof Michael Keller von Münster sagte auf einer Dechantenkonferenz in Freckenhorst im Mai 1956, "daß die Verkündigung des Wortes Gottes während der Messe in absehbarer Zeit ganz in der Muttersprache geschehen könne. Es dürfe jedoch nichts getan werden, was noch nicht erlaubt sei. In Rom sehe man die Sache durchaus vom Seelsorglichen her und schalte sich mehr und mehr offiziell ein: So wolle der Heilige Vater die Schlußansprache bei der internationalen liturgischen Tagung in Assisi und Rom halten, deren Leitung Kardinal Cicognani, der Präfekt der Ritenkongregation, mit fünf anderen Kardinälen übernehmen werde." (Diskussionsprotokoll des Generalvikariats vom 26.6.1956, in: Liturgisches Jahrbuch, 1956, S.175) Aus diesen Worten des Bischofs ist zu entnehmen:
1. Er ist der Meinung, daß in "absehbarer Zeit", d.h. nach dem Tode Papst Pius XII., mindestens die ganze Vormesse in deutscher Sprache gehalten wird; die Bischöfe rechneten nicht mit einer Sinnesänderung, sondern nur noch mit dem Tode des Papstes.
2. "In Rom'', d.h. in der Umgebung des Papstes, sei man anderer Ansicht als Pius XII., der nicht begreifen könne, daß die deutsche Sprache bei der Hl. Messe in seelsorglicher Hinsicht besser sei als die lateinische.
3. Man dürfe aber Papst Pius XII. nicht ganz beiseiteschieben, weil er noch die Schlußansprache beim internationalen liturgischen Kongreß in Assisi (18.-21.9.1956) halten wolle oder müsse. Der Papst werde wohl oder übel seinen Segen zu den Ergebnissen des Kongresses erteilen müssen.
Bischof Albert Stohr von Mainz sagte am 30.8.1955 in München: "Sie kennen die Worte unseres: Hl. Vaters aus der berühmten Liturgie Enzyklika, in denen die Liturgie als Mitte und Quelle echter christlicher Frömmigkeit bezeichnet wird. Das ist unser Anliegen, diese Quellen kräftiger auszuschöpfen". (Liturgisches Jahrbuch, 1955, S. 76)
Bischof Stohr bietet eines von vielen Beispielen dafür, in welch hohen Tönen das Rundschreiben "Mediator Dei" von den Führern der liturgischen Bewegung gelobt wurde, während man sich als "Mitte und Quelle christlicher Frömmigkeit" eine solche Liturgie vorstellte, in der die tridentinische Messe gar nicht mehr existierte! Aber das unehrliche Lob der deutschen Bischöfe für "Mediator Dei" ist nur ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was Montini mit dem Rundschreiben seines Dienstherrn gemacht hat. (Fortsetzung folgt)
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