AKTIVE TEILNAHME
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Die Eigenschaften dessen, der beim Opfer Christi mitwirken soll und mitwirkt, sind nicht belanglos, sondern von höchster Bedeutung. F.in, wenn auch unerreichbares Vorbild haben wir in unserer Mutter, der heiligsten Jungfrau Maria. Wir werden gleich zeigen, daß ihre Jungfräulichkeit nicht ein Dogma "Zweiten; Ranges" sein kann, welches so ohne weiteres übergangen werden könnte sondern ein Dogma von unermeßlicher Tragweite sein muß! Sie hat uns Christus geboren, dessen Glieder auch wir sein sollen. Es ist wohl überflüssig, darauf hinzuweisen, in welch äußerst unvollkommenen Ausmaße wir dem zumeist entsprechen.
Diese, womöglich vollkommene Annäherung an das uns in Christus gesetzte Ziel, in Christus Christus zu werden, erstrebt die Hl. Messe, wie wir schon früher angedeutet haben und noch eingehend werden besprechen müssen. In dem Ausmaße, in welchem uns dies gelingt, nehmen wir dann teil an ihren Früchten.
So wie das Opfer Christi nicht Sache einiger Stunden war oder der Leidenswoche, sondern sich auf sein ganzes Leben bezog und in das ewige Opfer vor dem Throne des Vaters ausmündet, so beschränkt sich das Opfer der Mutter Gottes auch nicht auf den Kalvarienberg! - es hat mit ihrer unbefleckten Empfängnis begonnen -, so ist unsere Teilnahme auch nicht nur eine Angelegenheit von ungefähr einer halben Stunde Anwesenheit beim Gottesdiensts, sondern nimmt unser ganzes Leben in Anspruch vom Augenblick der Hl. Taufe bis über den Tod hinaus, so wie das Opfer Christi zum Gedächtnis,: nicht nur des Leidens und des Todes dargebracht wird, sondern auch zum Gedächtnis der Auferstehung und der Himmelfahrt. Dies zu begreifen, dazu genügt nicht das lineare Iogische Verfahren, da muß das Herz "panoramatisch" alles auf einmal erfassen!
In Christus Christus zu werden ist sicher keine leichte Aufgabe, auch wenn wir bedenken, daß praktisch alles von Gott selbst geleistet wird und Er nur auf unser tatkräftiges "Dein Wille geschehe" wartet. Auf unserer Seite muß die Aszese und die Mystik schon das ihrige leisten! Was aber ist Aszese und was ist Mystik? Am kürzesten könnten wir vielleicht sagen: Aszese = virgines fieri, d.i. Jungfrau werden, Mystik dann = concipere de Spiritu Sancto, d.i. vom Heiligen Geist empfangen. Wie wir schon erwähnt haben, ist Maria ein, wenn auch für uns unerreichbares Vorbild von beidem. Bei der Jungfräulichkeit dürfen wir uns nicht mit dem rein sexuellen Gebiete begnügen, wir müssen in ihr ein absolutes Verankertsein in Gott sehen, ein Unberührtsein von jeder Beziehung, die nicht sofort in Gott ausmündet. Und da sich dies auf das ganze Leben bezieht, dürfen wir uns nicht wundern, daß auch die Jungfräulichkeit sich bei Maria auf ihr ganzes Leben bezieht, und selbst die Geburt des Sohnes Gottes sie nicht verletzte, sondern nur noch mehr unterstrich!
Wir haben schon reichlich von der subjektiven Intention gesprochen, wie schaut es mit dieser aber aus!! Wie weit sind wir davon entfernt, Glieder des mystischen Leibes Christi in der Tat zu sein, bzw. dem entsprechend zu handeln! Die JUNGFRAU nennen wir Braut des Heiligen Geistes, Spiegel der Gerechtigkeit 9 Jungfrau der Jungfrauen, Königin der Engel, so sehr leuchtend wird Ihr Bild, entfernt sich aber immer mehr von uns, wenn es uns auch nie verläßt und verlassen wird, solange wir es nicht verlassen. Und selbst dann leuchtet es immer noch weite-, bis der letzte Augenblick, Gott bewahre, verschwunden ist!
Wenn nun die Jungfräulichkeit das Verankertsein in Gott fordert und kein mehr oder weniger zuläßt, nur ein 'entweder oder', erweist sich da nicht unsere so häufige egoistische Einstellung verderblich bei unserer angeblichen Teilnahme am Opfer? Kann es überhaupt eine solche dort geben, wo von Gott als letztem Ziel wissentlich und willentlich abgesehen wird? Damit soll nicht gesagt werden, daß unser Leben praktisch unnütz verläuft, weil das bewußte Verankertsein ein überaus seltener Augenblick in ihm ist, ganz dem entgegengesetzt, was wir bei Maria als selbstverständlich finden! Da müßten wir ja verzweifeln! Es genügt jedoch, wenn wir ein für allemal alles auf Gott hin geordnet haben, und diese Hinordnung nicht widerrufen haben, wie sehr es auch zu empfehlen ist, immer und immer wieder dieses Verankertsein aller unserer Lebensäußerungen zu erneuern. Eine unrichtige, unwahre Intention infiziert selbst die Materie. Beim Offertorium soll doch nicht allein das entsprechende Brot und der entsprechende Wein auf den Altar gelegt werden, sondern auch das durch das entsprechende Brot und den entsprechenden Wein symbolisch dennoch aber wirklich vergegenwärtigte 'Ich'. Gäbe es keine solche Vergegenwärtigung, Präsentation, auch die der Mutter Gottes nicht, dann gäbe es eine Messe, wie laut und aufzwingend der Priester auch die 'essentiellen' Worte: Hoc est enim (...) und Hic est enim (...) ausrufen würde.
Da aber nicht nur Maria, sondern mit Ihr noch viele andere Heilige ihr 'Ich' untrennbar mit dem Brot und dem Wein verbunden haben, ist die Hl. Messe objektiv gesichert, wenn sie auch subjektiv für die welche ihr 'Ich' nicht an das Brot und den Wein geknüpft haben und so das Mitopfern verweigert haben. Daß es unter solchen Umständen bei diesen zu keinem "Mitgeopfertwerden" kommen kann, ist einleuchtend.
Das blutige Opfer Christi ist nicht in sich und für sich abgeschlossen, sondern bietet mit den unblutigen Opfern, welches zu ermöglichen das;Ziel seiner Darbringung war, ein einziges organisches Gebilde. Das heißt: die unblutigen Opfer, welche immer wieder neu hinzutreten, sind nur als Erweiterungen des blutigen Opfers zu betrachten und zu bewerten. Vom Standpunkt der Ewigkeit bilden sie panoramatisch ein einziges Opfer. Das ist für einen jeden von uns von überaus großer Bedeutung, denn auf diese Weise können wir, solange wir leben, an der Vervollkommnung unseres eigenen Opfers arbeiten, welches in dem Ausmaße als vollkommen betrachtet werden kann, in welchem wir unsere Lebensäußerungen in Christus verankert haben, d.h von unseren Lebensäußerungen aussagen können, daß sie als Äußerungen des Lebens Christi betrachtet werden können, ja es in einem gewissen Sinne auch sind. Wie selten es bei uns so weit kommt, erlebt ein jeder an sich selbst - bitter genug! Der Grad der aktiven Teilnahme bewegt sich meistens nahe Null!
Wir können uns hier nicht lange aufhalten. Es bleibt dem Leser überlassen, den Alltag mit dem Kreuzesopfer zu vergleichen. Wenn alles, was wir einem. von den Geringsten unserer Mitbrüder getan haben, wir Christus getan haben, Können wir es als aktive Teilnahme bewerten sowohl positiv als auch negativ. Es wurde oben betont, daß die Hl. Messe sich auf unser ganzes Leben bezieht, wie auch das Leben Christi und Seiner jungfräulichen Mutter ein einziges Opfer war, welches am Kalvarienberg seinen Höhepunkt erreichte.
Wenn, wie dem ja so ist, alle Glieder des mystischen Leibes Christi leiden, wenn ein Glied leidet, alle von der Freude etwas haben, wenn eines sich freut, da ja die vielen Glieder einen Leib bilden, wie schaut es da mit der so geforderten aktiven Teilnahme aus?? Die Erlösten sollten erlöster sein, sagt an einer Stelle Nietzsche mit einer bitteren Ironie! Ein komischer Leib, der sich selbst ohrfeigt! - ja zerfleischt? und mit welch höllischer Lust!!
Wie 'sehr haben wir es da alle notwendig, inbrünstig den Heiligen Geist zu bitten, Er möge Christus, der nach der Konsekration real dem Leibe und der Seele nach, als Mensch und als Gott auf dem Altare gegenwärtig ist, auch in uns zum Vorschein kommen lassen, daß wir im vollen Sinne des Wortes die Worte des hl. Paulus wiederholen können: "Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir!" (Gal.2,20) Dazu ist ja die reale Gegenwart Christi hier, um Seine mystische in uns aufleuchten zu lassen! Dies war auch der leitende Gedanke bei den Gesprächen über die Epiklesis, so wie er beim Konzil von Florenz zum Ausdruck kam. (1) Wie ernst diese Tatsache zu nehmen ist, sollen uns zwei Beispiele aus unserer Zeit zeigen. Im Dorf X ist soeben Fronleichnam. Die Prozession geht an einer Gruppe von Gefangenen, Zivilisten vorbei. Im nu ist diese in Gegenwart des sakramentalen aber realen Herrn von Kopf bis Fuß bespuckt! Ist das aktive Teilnahme? - Fronleichnam an einem anderen Ort. Im Geiste der neuen Liturgie führt der Herr Administrator die Landessprache in eine fremdsprachige Gemeinde ein. Beim ersten Altar ist alles lateinisch, und somit auch alles in Ordnung. Beim zweiten Altar, alles in der Landessprache, was den heißblütigen Schäflein nicht paßt. Zum dritten Altar will niemand mehr dem Hirten folgen. Als keine Aufforderungen mehr helfen und niemand sich rührt, benützt Hochwürden die Monstranz mit dem Allerheiligsten als Rammbock so lange, bis eine der spitzen Strahlen der Monstranz den Hals eines Schäfleins verletzte und es blutet. Nun ist es endgültig mit der "eucharistischen" Feier zu Ende! Ist das aktive Teilnahme??
Wir haben den Mund voll vor lauter "Liebe", vergessen aber dabei, daß diese sich tatkräftig erweisen muß, wenn sie wirklich Liebe sein soll. Bereits beim Offertorium sollten wir in Christo eine Einheit aller Herzen bilden. Muß da nicht jeder von uns sich die Frage stellen: Bin ich zur organischen Einheit geworden oder ein Fremdkörper, der nicht konsekriert werden kann und es auch nicht wird? Brot allein kann konsekriert werden, nicht aber getrennte, wenn auch angehäufte Mehlkörner!! "Wenn du also deine Opfergabe zum Altare bringst und dich erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altare, geh zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder; dann komm und opfere deine Gabe!" (2) Es wurde vor kurzem darauf hingewiesene daß die unwahre Intention das ganze Opfer infiziert, und daß in diesem Falle wir subjektiv selbst keine gültige Materie mehr sind. Da nun die Hl. Messe die Teilnahme an den Genugtuungen und Verdiensten Christi ermöglichen soll, nicht aber bedingungslos, sollte es allen klar sein, daß dies nur bei denen zustande kommen kann, die aktiv an dem Opfer teilnehmen und in dem Ausmaße, in dem sie es tun, nicht was die wesentliche Aufopferung des 'Ich' betrifft, denn da gibt es kein mehr oder weniger, sondern die Art und Weise, wie es geschieht! Es gibt viele Grade der Opferwilligkeit! Der Bund lautet: "Gib mir dein 'Ich', ich gebe dir mein 'Ich'! Das Bundesblut, wenn auch für alle ausreichend, darf nur an die ausgeteilt werden, die den Bund einhalten!
Die Transsubstantiation unseres Anteils am Opfer, welche bei uns allerdings hier auf Erden nur symbolisch erfolgen kann und annähernd verwirklicht wird, muß ob der immerfort eintretenden Rückfälle stets erneuert werden. Denn wir sind nicht immer subjektiv eine gültige Materie, da es an der wahren Intention so oft mangelt.
Infolgedessen ist die Vergegenwärtigung und Erneuerung des blutigen Opfers Christi auf eine unblutige Weise in dem Sinne aufzufassen, daß nicht ES zu uns kommt, sondern wir zu IHM, indem wir uns IHM angliedern, unser 'ich' rückwirkend mit IHM eins werden lassen. Da gibt es keine Vergangenheit mehr, sondern eine unaufhörliche Gegenwart, welche selbst die Zukunft auf eine gewisse Weise bereits beinhaltet, und als ewiges Opfer der göttlichen Majestät angeboten wird. So gibt es keine Schwierigkeiten mit der mystischen Tötung unseres 'Ich', der 'mystica mactatio', da das unwiederholbare blutige Opfer in voller Wesentlichkeit dennoch erneut dargeboten wird, und in Ihm auch unser Opfer dargebracht wird, was ja Grund der Aufopferung Christi ist. (Fortsetzung von: Wurzel, Stamm, Krone, XXXI.)
Anmerkungen: (1) Bessarionis De Sacramento Eucharistiae, pg. 161, col. 495; Jo. Bapt. Franzelin, Tractatus de ss. Eucharistiae sacramento et sacrificio, ed. IV. Romae 1887, pg. 75 ff. (2) Matth. 5,23-24.
|