SIE HABEN DEN DREIFALTIGEN GOTT GETÖTET!
von Joachim May
Ordnet man die Synodenvorlage "Unsere Hoffnung..." in einen größeren Zusammenhang ein, dann treten Perspektiven hervor, die zu Ende gedacht, das Zeitalter des Atheismus (nach katholischen Maßstäben) in der katholischen Kirche anzeigen, zwar noch leicht kaschiert, aber durchaus erkennbar. (Hervorhebungen im folgenden von Autor)
"Gott selbst (ist) nicht Subjekt, sondern Inhalt der Geschichte. Das 'theologische Problem' (...) besteht also darin, den Gott der Offenbarung, dessen heilsmächtiges Handeln die biblische Geschichte beherrscht, in eine Kategorie der Geschichte zu überführen (...) Der transzendente Gott ist also zu einem Element der immanenten Geschichte geworden, in die sein 'Name eingegraben ist'". - Das Credo der Kirche wird "seines transzendenten Inhalts beraubt". - Gott verliert seinen Person-Charakter (und damit entfällt die Trinität) und wird zu einem bloßen Accidenz, einem Element der immanenten Geschichte." (J. Dörmann, Ein Glaubensbekenntnis? "Entscheidung" 62/,5) Ähnlich verfährt die Vorlage mit Jesus Christus: "Sie kennt nicht das Leiden, die Sünde und Schuld im Sinne des Christentums: der Inhalt ihrer Hoffnung ist nicht Jesus Christus selbst Sie macht aus dem Christentum eine soziale Heilslehre". Die Grundtendenz der Synodenvorlage "Unsere Hoffnung ..." ist demnach eine katholische Spielart der "Gott-ist-tot"-Ideologie oder eine "katholische" Variation des Slogans "die Sache Jesu geht weiter". Nachdem Jesus Christus endgültig tot im Grabe belassen wird, also nicht auferstanden ist, geht nur sein Anliegen, das die Synodenvorlage rein mitmenschlich-immanentistisch darstellt, weiter. Von einer persönlichen Hinwendung zu Gott, von wo aus die Hinwendung zum leidenden Mitmenschen erst ihre Begründung empfängt, ist nicht mehr die Rede.
Die Synodenvorlage "Unsere Hoffnung ...", die sich ein "Glaubensbekenntnis in dieser Zeit" nennt, ist alles andere als das. Da wird, weil der absolute Glaube verloren gegangen ist, nur noch "gehofft". "Die Stadt Jerusalem, die Kirche, steht (...) vor der Eroberung. Und die Verwüstung steht vor unseren Toren. (...) Eine der Möglichkeiten, die uns bevorstehen, ist, daß bei uns Wüste wird. Wüste geistig (völliger Nihilismus), Wüste noch mehr geistlich (völliges Versickern des Kirchlichen)" (Konrad Repgen, Historische Klopfzeichen für die Gegenwart, Münster 1,,4).
II. Der Widerhall des Gottesmordes kommt von Friedrich Nietzsche: "Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet." Welt und Mensch sah Nietzsche als "Willen zur Macht", als ein ständiges Fließen, das völlig frei von Werten und Unwerten ist. Daher bekämpfte er erbittert das Christentum und den Gottesglauben, weil sie seiner Meinung nach den Willen zur Macht unterdrücken und abtöten. Vor allem verurteilt er die transzendente Ausrichtung des Christentums und den christlichen Sündenbegriff, durch den der Mensch unterdrückt, ja versklavt werde. Gott, Christus, die Kirche müßten bekämpft werden damit der Mensch sich zu seiner vollen Größe (der autonome Mensch) aufrichten könne. Schließlich schlug er Gott tot und triumphierte dann, daß der Mensch nun tun könne, was er wolle, da es keine göttlichen Gebote und Vorschriften mehr gebe. Aber da Nietzsche kein oberflächlicher Denker war, sah er die Konsequenzen der Ermordung Gottes voraus, und wer die geistige Situation der Menschheit von heute und der katholischen Kirche von heute und des Christentums überhaupt ohne Selbsttäuschung betrachtet, dem muß es bei Nietzsches Worten (vor etwa 80 Jahren geschrieben) schauerlich in den Ohren klingen: "Das größte neuere Ereignis - daß Gott tot ist, daß der Glaube an den christlichen Gott unglaubwürdig geworden ist - beginnt bereits seine ersten Schatten über Europa zu werfen. Für die wenigen wenigstens, deren Augen, deren Argwohn in den Augen stark und fein genug für dieses Schauspiel ist, scheint eben irgendeine Sonne untergegangen, irgendein altes tiefes Vertrauen in Zweifel umgedreht: ihnen muß unsere alte Welt täglich abendlicher, mißtrauischer, fremder, 'älter' scheinen. In der Hauptsache aber darf man sagen: das Ereignis selbst ist viel zu groß, zu fern, zu abseits vom Fassungsvermögen vieler , als daß auch nur seine Kunde schon angelangt heißen dürfte: geschweige denn, daß- viele bereits wüßten, was eigentlich sich damit begeben hat - und was alles, nachdem diese' Glaube untergraben ist, nunmehr einfallen muß, weil es auf ihn gebaut, an ihn gelehnt, in ihn hineingewachsen war: zum Beispiel unsere ganze europäische Moral. Diese lange Fülle und Folge von Abbruch, Zerstörung, Untergang, Umsturz, die nun bevorsteht: wer erriete heute schon genug davon, um den Lehrer und Verausverkünder dieser ungeheuren Logik von Schrecken abgeben zu müssen, den Propheten einer Verdüsterung und Sonnenfinsternis, derengleichen es wahrscheinlich noch nicht auf Erden gegeben hat (...)?"
III. "Nietzsche sah voraus, daß sich das Leben und das Bewußtsein der Menschen grundlegend ändern werden. Den einzelnen erwartet eine hoffnungslose Einsamkeit; 'da es keinen Gott mehr gibt, ist die Einsamkeit nicht mehr zu ertragen'. Die Moral lebt letztlich von Gnaden der Religion, so daß es naiv wäre anzunehmen, 'als ob Moral übrigbliebe, wenn der sanktionierende Gott fehlt'. Mit dem Willen zum Guten verschwindet sogleich der Wille zum Wahren; wir werden 'gewissenlos sein in betreff von Wahrheit und Irrtum'. An einer anderen Stelle sagte Nietzsche "Die Wahrheit beginnt zu weinen." Wir erleben das in der Nachkonzilszeit auf Schritt und Tritt, wie an die Stelle der Wahrheit ein schillerndes Etwas tritt, das beliebigen Deutungen Spielraum läßt. Man hält das für einen Fortschritt, was in Wirklichkeit ein Hinausstoßen des Menschen aus der Klarheit und Sicherheit ist. Auf die "Meinungspriester" unserer Zeit trifft das zu, was Ortega y Gasset als bezeichnenden Zug unserer Zeit schon vor Jahrzehnten feststellte: "Charakteristisch für den gegenwärtigen Augenblick ist es (...), daß die gewöhnliche Seele sich über ihre Gewohnlichkeit klar ist, aber die Unverfrorenheit besitzt, für das Recht der Gewöhnlichkeit einzutreten und es überall durchzusetzen." (y Gasset, Der Aufstand der Massen.) Ein breiter Strom der Gewöhnlichkeit durchzieht die katholische Kirche, der aber nicht soziologisch einer bestimmten Schicht zuzuordnen ist, sondern ausschließlich Ausdruck eines bestimmten primitiven Denkens und Denktypus ist, der sich durchaus nicht als Menge (im Sinne einer großen Zahl) zeigen muß und der durchaus auch in höchsten Funktionen der NEUKIRCHE (und des weltlichen Bereichs) zu finden ist. "Die fruchtbringenden Gewässer der Religion sind abgeflossen und die Pfützen der öffentlichen Meinung stehen geblieben." (Nietzsche) Eine solche Pfütze hat beispielsweise die Würzburger Synode hinterlassen. "Der Gott des Synodenpapiers ("Unsere Hoffnung ...") ist ein transzendentes Nichts." (Fels 11/1975) Nietzsche wird Recht bekommen: "Hierdurch wird der Mensch seiner Vorrangstellung in der Welt verlustig gehen. Solange er an Gott glaubte, konnte er sich für ein Geschöpf und ein Kind Gottes halten Mit dem Tod Gottes aber ist 'der Glaube an seine Würde, Einzigkeit, Unersetzlichkeit in der Rangabfolge der Wesen dahin, - er ist Tier geworden, Tier, ohne Gleichnis, Abzug und Vorbehalt'. Hieraus ergeben sich Sinnlosigkeit und Ziellosigkeit; das Leben wird dem Menschen zur Qual. 'Wo ist mein Heim? Danach frage und suche und suchte ich, das fand ich nicht. O ewiges Überall, o ewiges Nirgendwo, o ewiges - Umsonst!'
Wie es aber keinen Sinn mehr geben wird, so wird auch von Ganzheit und Ordnung nicht mehr gesprochen werden können. Die Welt, die als Kosmos betrachtet wurde, löst sich auf in ein Chaos, und alles Geschehen in der Welt wird zur dummen Notwendigkeit." (DJ, 12/1975)
Diese Situation ist heute eingetreten, und sie verschlimmert sich von Jahr zu Jahr. - Toll geworden durch den Gedanken vom Gottesmord läuft bei Nietzsche der Mensch auf die Straße, zündet am hellen Vormittag eine Laterne an und schreit pausenlos: "(...) Was taten wir , als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden? (...)"
Ist es heute anders? Nietzsche geht noch einen Schritt weiter. Er sieht eine Erschütterung der ganzen abendländischen Kultur voraus. "Was ich erzähle, ist die Geschichte der nächsten zwei Jahrhunderte. Ich beschreibe, was kommt, was nicht mehr anders kommen kann: die Heraufkunft des Nihilismus. Diese Geschichte kann jetzt schon erzählt werden: denn die Notwendigkeit selbst ist hier am Werke. Diese Zukunft redet schon in hundert Zeichen, dieses Schicksal kündigt überall sich an; für diese Musik der Zukunft sind alle Ohren bereits gespitzt. Unsere ganze europäische Kultur bewegt sich seit langem schon mit einer Tortur der Spannung, die von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wächst, wie auf eine Katastrophe los: unruhig, gewaltsam, überstürzt, einem Strom ähnlich, der ans Ende will, der sich nicht mehr besinnt, der Furcht davor hat, sich zu besinnen."
Der Nihilismus als gesamteuropäisches Schicksal, von Nietzsche prophezeit, wenn Gott getötet wird! Und es gibt viele Weisen, Gott zu töten. Wer Georg Siegmunds Buch "Gott - Die Frage des Menschen nach dem Letzten" (Bern 1963) oder Max Picards "Die Flucht vor Gott" (Herder- Bücherei 18) oder Leo Scheffczyks zusammenfassendes Werk "Gott-loser Gottesglaube?" (Regensburg 1974) liest, findet sie dort verzeichnet. Robinson ("Gott ist anders", engl. Titel "Honest to God"), Barth, Bultmann, Schoonenberg, Tillich, Dewart, H. Braun und wie sie alle heißen, sie haben Gott auf die eine oder andere Weise erschlagen. Gott ist das "Woher meines Umgetriebenseins", meinte H. Braun, Gott ist die "Tiefe der menschlichen Existenz" (Tillich), "Solange die Menschen das Wort Gottes nicht mehr verstehen, werde ich Kattun sagen" (Tillich), "Gott Existenz zuzuschreiben, ist die extremste Form von Anthropomorphismus" (Dewart). "Der Schrei des Empörers gegen diesen Gott kommt der Wahrheit näher als die Künste derer, die ihn rechtfertigen wollen" (Barth), "Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht", "Gott ist in dieser Welt abwesend", Gott ist "der Mann ohne Eigenschaften" (D. Sölle), "Der Mensch bringt so dem Menschen tatsächlich Gott" (Hasenhüttl). Auch der Gottmensch Jesus Christus unterliegt der Entgottung. Der Würzburger Synodale Olaf Maxelon stellte bei seiner Vorstellung als Synodaler "den Terminus Gottes Sohn in Frage (...) mit der Begründung, Jesus habe nie von sich gesagt, er sei Gottes Sohn, der Jesus von Nazareth sei aber sehr wohl die Nähe Gottes" (DT 16./17.10.1972). Zugleich machte sich derselbe Synodale stark für die immanentistische Heilslehre des Sozialismus, indem er hessische Katholiken in einem Artikel der SPD-Zeitung "Nordhessischen Zeitung" zur Wahl für die SPD aufrief (BK 11.11.1972)
Fast jede Form des "nichttheistischen Gottesglauben" läuft auf eine "Immanentisierung" Gottes hinaus, Gott wird entpersönlicht und seiner Transzendenz beraubt, und so sagt dann Hasenhüttl (katholischer Theologe!), er sei "eine positive Kraft, ein Vollmachtsereignis, das als ständiger Druck auf die Gesellschaftsstrukturen wirkt (...), um eine bessere Welt zustande zu bringen". (Fortsetzung folgt)
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