Eine Klarstellung
von
Prof. Dr. Franz Gölles
Der hochverdiente Erbauer der Grazer Fatima-Kirche und nunmehrige
Leiter des Grazer "Fatima-Verlages" hat in der von diesem Verlag
herausgegebenen Zweimonatsschrift "Mit Maria" den Versuch unternommen,
den von Papst Paul VI. im Jahre 1969 promulgierten "ordo missae
instauratus" zu verteidigen und ihm, weil ja vom Papst angeordnet,
allgemeine Gültigkeit und Rechtgläubigkeit bescheinigen.
Es tut im Herzen weh, wenn man sieht, wie hochverdiente Priester, die
ihr Leben lang der Kirche und ihrem Orden treu gedient haben, nunmehr
aus einem falsch verstandenen Gehorsamsbegriff heraus mit den
modernistischen Neuerem gemeinsame Sache machen und das, was ihnen
gestern noch als sakrosankt und unveränderlich erschien, heute als
überholt und vorgestrig abzutun versuchen, nur weil der Papst, wie sich
jetzt leider immer mehr herausstellt, sei es aus eigenem Antrieb, oder
sei es, weil er einem modernistischen Klüngel im Vatikan nachgibt, die
progressistische Linie einschlägt und, wie man sieht, für diese Linie
den Gehorsam der ganzen katholischen Christenheit aufgrund seiner
apostolischen Autorität beansprucht.
Das ehrliche Bemühen P. Leos soll hier auch gar nicht in Zweifel
gezogen werden. Hat er doch etwa gleichzeitig mit seiner Verteidigung
des neuen ordo in seiner Zeitschrift ein Flugblatt erscheinen lassen
mit dem Titel "Handkommunion, ernste Bedenken gegen Verallgemeinerung",
in welchem sehr gute und treffende Argumente gegen diesen
sektiererischen holländischen Brauch zu lesen stehen.
Allerdings muß hier offen gesagt werden, mit dem Wort des klassischen
Altertums: "Medice, cura te ipsum!" (Arzt, heile dich selbst!)!
Diejenigen Geistlichen, die glauben, aus einer falsch
verstandenen Einschätzung der päpstlichen Lehrgewalt heraus in blindem
Gehorsam gegenüber der päpstlichen Autorität alles gutheißen zu müssen,
was von dieser Seite kommt, und gleichzeitig gegen die modernistischen
Auswüchse ankämpfen, gleichen Ärzten, die nur die äußerlichen Symptome
der Krankheit bekämpfen und nicht aber das Übel, das an der Wurzel
sitzt.
Wir römischen Katholiken bekommen von P. Leo gleich einmal bescheinigt
(Juli/ August-Heft, S. 109), daß wir für ein Trugbild kämpfen. Auch der
erste "Marsch nach Rom" kommt hier schlecht weg.
Hierzu stelle ich fest: (mit den eigenen Worten P.Leos) "In der ganzen
Weltzeit war und ist Christus ein Zeichen, dem widersprochen werden
wird (Lukas, 2, 34) und immer wieder ist davon schmerzhaft mitbetroffen
das Andenken Mariens und der Mutter Kirche."
Ich erlaube mir nun eingangs gleich die Frage. "Was sagt das dritte
Geheimnis von Fatima?" Johannes XXIII. erbleichte, als im Jahre 1960
ihm dieses Geheimnis geoffenbart wurde. Es heißt nämlich nicht mehr und
nicht weniger, als daß Satan es verstehen wird, in die höchsten Spitzen
der Kirche einzudringen. Was aber ist der Weg, auf dem Satan dies
versuchen wird und mit Erfolg bereits versucht hat ? Es ist die
konsequente Zerstörung der vom hl. Pius V., dem größten Papst, den
unser geliebter Predigerorden hervorgebracht hat, endgültig und für
alle Zeiten irrtumsfrei angeordneten Feier des Hl. Meßopfers aufgrund
der dogmatischen Beschlüsse des Tridentinums.
wenn wir uns vor Augen halten, wie lange und wie sorgfältig
dieser rechtgläubige "ordo missae" ausgearbeitet, überprüft und
nochmals überprüft wurde, bis am 19. Juli 1570 Sto Pius V. ihn als
allgemeingültig vorschreibt, sieht man, daß die Hektik der sogenannten
Liturgieerneuerung nach dem Vaticanum II unmöglich das Werk des Hl.
Geistes sein kann, viel eher das Werk des unheiligen Geistes, von dem
geschrieben steht: "Simon, Simon, der Satan hat verlangt, euch zu
sieben wie Weizen! Du aber hinwiederum? WENN DU DICH BEKEHRT HAST, geh,
und stärke deine Brüder!"
Es ist kein Zweifel, daß Paul VI. und die Bischöfe und Kardinäle, von
denen ein beachtlicher Teil sicher schon immanente Apostaten und
Häretiker sind, heute in der Krise der Kirche gesiebt werden wie
Weizen. Wie wäre es anders zu verstehen, daß der Papst einen weiteren
schweren Bruch mit der Tradition vollzogen hat, indem er die über
achzigjährigen Kardinäle mit dem Federstrich eines motu proprio vom
aktiven und passiven Wahlrecht im Konklave ausschloß? Pius IX. konnte
mit Recht von sich sagen: "Die Tradition bin ich!", als er auf dem
Vaticanum I des Papstes Unfehlbarkeit bei Ausübung des höchsten
Lehramtes verkündet wurde. Kann Paul VI., kann jeder zukünftige Papst
dies auch, der aus einem Konklave hervorgeht, an dem eine Anzahl Wähler
nicht teilnehmen durften, nur weil "die Bürde des Alters sie bedrückt"?
Der diabolische Hintergrund wird sofort klar. Man - das sind diejenigen
Leute die dem Papst dieses verhängnisvolle "motu proprio" abgenötigt
haben - will ganz einfach zielbewußt den Einfluß eines Ottaviani,
Tisserant, also der Männer aus der kristallklar katholischen Schule der
großen Pius-Päpste ausschalten.
Nach dieser Abschweifung wenden wir uns wieder dem Thema zu. P. Leo
schreibt: (S. 108) Widersprüche, die überall dort auftreten, wo
Gewohntes abgeändert werden muß und Geliebtes aufgegeben werden muß, um
Neuem den Weg aufzutun. Und wenn, wie in unserem Fall eine nicht
gewohnte Gesamtrichtung eingeschlagen werden soll, und wenn Zeichen und
Formen aufgegeben werden sollen, die völlig in Ordnung waren um des
Gesamtplanes willen (den der Gläubige nicht gleich durchschauen kann),
usw.
Nun in diesem Punkt gibt es verblüffende historische Parallelen. In
Schweden unter den Wasa glaubte das Volk, die einfachen Bauern in
Dalekarlien, noch mindestens 200 Jahre nach der Einführung des
Luthertums und der schwedischen Staatskirche, daß es katholisch sei.
Die Lutherischen Bischöfe und der König hatten hier einen raffinierten
Gesamtplan, dessen Früchte erst spät, allzuspät erkannt wurden.
Oder etwa im England unter Heinrich VIII., wo dem Volk eingeredet
wurde, es sei nach wie vor katholisch, nur eine winzige Kleinigkeit
habe sich eben geändert und sei der modernen Zeit angepaßt worden: "Der
König sei ab nun supreme head and governor of the church of England."
Die Bischöfe bangten um ihre reichen Pfründen und sagten "placet".
Nur einer sagte "non placet" und wurde dafür mit seinem Freund, dem
Lordkanzler St.Thomas Morus öffentlich hingerichtet. Nur um dieser
Kleinigkeit willen.
S.111 schreibt P. Leo sinngemäß:
"Papst Paul war auch durch ausdrückliche Weisung des Konzils
verpflichtet, diese Änderungen in die Wege zu leiten, nach den
Grundsätzen, die das Konzil festgelegt hatte. Er hat sich an diese auch
gehalten, einschließlich, der Weisung, daß das Latein nicht abgeschafft
werden soll."
Bei noch so eingehendem Studium der Liturgiekonstitution des Vaticanum
II kann nichts entdeckt werden, was in der heutigen Form des ordo
missae mißbräuchlich praktiziert wird. Hat das Konzil etwa die
Anweisung gegeben, die Wandlungsworte zu fälschen (pro multis mit "für
alle" zu übersetzen)? Hat das Konzil etwa verlangt, daß die
Gottesmutter nicht mehr mit dem Ehrentitel der "Allzeit Reinen" genannt
werde und daß sie aus dem Embolismus nach dem "Pater noster" entfernt
werde? Hat das Konzil etwa angeordnet, daß die Opferungsgebete durch
ein verbindlich-pantheistisches Gewäsch ersetzt werden sollen?
Im Gegenteil! Die Liturgiekonstitution verlangt ganz eindeutig, daß
"die Heiligen Riten dem Volk deutlicher und klarer gemacht werden
sollen". Wie aber hängt es damit zusammen, daß z.B. bei der
Priesterweihe heute nicht mehr ausdrücklich gesagt wird (Unter
nochmaliger Handauflegung durch den Bischof) "Empfange den Heiligen
Geist! Wem du die Sünden nachläßt, dem sind sie nachgelassen, wem du
die Sünden behältst, dem sind sie behalten"? Klarer und dem Volk
verständlicher kann wohl nirgends die so wichtige Aufgabe des
Priesters, die Sünden zu vergeben, ausgedrückt werden. Es erhebt sich
die ernste Frage, ob nicht durch diesen neue Priesterweihe-Ritus die
Fortdauer der gültigen priesterlichen Absolutionsgewalt in Frage
gestellt ist, das heißt, ob dieser ganze neue Ritus nicht defizient ist.
Hat das Konzil schließlich vielleicht angeordnet, daß die "Messe
allenthalben in der Volkssprache und an einem Tisch unter Zuwendung des
Priesters zum Volke" zu feiern sei? Wenn dem Vaticanum II ein Vorwurf
gemacht werden kann, so ist es dieser, daß es zu wenig klar und zuwenig
deutlich gewesen ist. Für die Deutlichkeit und die Klarheit seiner
Interpretation allerdings haben die modernistischen Neuerer, die
gelehrigen Schüler der "vom höchsten Lehramt absehenden "katholische"
Theologie" gesorgt, da kann das einfache kirchensteuerzahlende Volk
schon beruhigt sein.
Es ist ein krasser Widerspruch, wenn P. Leo (S.109) die neue Theologie
ablehnt (das mit vollem Recht), aber die Folgen eben dieser neuen
Theologie und das ist der ordo missae mit allen seinen üblen
Begleiterscheinungen, als rechtgläubig und einzig wahr hinstellen
möchte.
Die Folgen des ordo missae instauratus zeigen sich in erschreckender
Deutlichkeit: Heute weiß man nicht mehr, ob der Priester, der nach
diesem ordo zelebriert, noch die rechte Intention hat oder ob er
bloß eine "Mahlfeier" nach lutherischem Brauch abhält. Ob der Priester,
der ja sicher noch gültig geweiht ist, sich als in apostolischer
Sukzession stehend versteht, oder ob er bloß "der Messe vorstehen"
will. Am Rande sei vermerkt, daß unser Kampf gegen die unkatholische
"institutio generalis" bereits Frucht getragen. Die skandalöse
Einleitung, die bloß von "sacerdote praeside" spricht, ist inzwischen
durch eine andere ersetzt worden, die den Opfercharakter der Hl. Messe
hervorhebt. Und was hat es schließlich zu bedeuten, wenn 500 Bischöfe
an den Papst die Bitte richten, doch endlich mit den Neuerungen
aufzuhören? Hier höre ich das Gewissen der Kirche, hier spüre ich, daß
der Papst und die Modernisten im Vatikan nicht den "consensus fidelium"
besitzen, auf den sie sich gerne ausreden möchten.
Doch das ist erst ein Anfang. Ziel und Zweck unseres ganzen Kampfes muß
es ein, den ordo missae St. Pius V. und die anderen rechtgläubigen
lateinischen Riten wieder in ihrem alten Glanz hersustellen, im Sinne
der Worte des Hl.Benedikt: "Dem Gotteslob darf nichts vorgezogen
werden."
Es darf doch jeden, der seine fünf Sinne beisammen hat, nicht wundern,
warum der Angriff der Neuerer ausgerechnet bei der Hl. Messe angesetzt
hat. Wie schon Luther richtig formulierte: "Die zwein Säulen, worauf
das Papstthumb stehet, sind die Messe und die Ohrenbeichte." Fallen
diese, so fällt mit Sicherheit das so verhaßte Papsttum. Der Angriff
gegen die priesterliche Standesehre schlägt in dieselbe Kerbe. Man
möchte den Priester so wie den Lutherischen Pastor zum Beamten einer
imaginären "Gemeinde" degradieren und gestattet ihm großzügig zu
heiraten.
Man möchte ferner die ausdrücklich vom Tridentinum dogmatisierte
Ohrenbeichte durch unverbindliche "Bußandachten" mit
"Generalabsolution" ersetzen. Ein Wortführer dieser Bestrebungen ist
der Salzburger Universitätsprofessor Dr. Franz Hikolasoh, der für diese
Ziele unverhüllt im österreichischen "Klerustlatt" Propaganda macht.
Was soll man ferner zur Entleerung und Entsakralisierung unserer
Kirchen sagen? Was soll man davon halten, daß der Rosenkranz lächerlich
gemacht wird? Was soll man von diesen dubiosen "Erleichterungen"
halten, die dem religiösen Laxismus Tür und Tor öffnen?
"Lex credendi est lex orandi" -
Diese Binsenwahrheit zeigt sich deutlich am neuen ordo missae. Wo nicht
mehr geglaubt wird, braucht auch nicht mehr gebetet zu werden. Warum
wurde wohl mit solch diabolischem Haß das leoninische Gebet
abgeschafft? Warum wohl wurden Kreuzzeichen und die Segensgesten im
Kanon (auch im rechtgläubigen) reduziert? Der Teufel freilich freut
sich über jedes Kreuzzeichen, das unterbleibt und über jedes Gebet an
den Hl. Erzengel Michael, das nicht mehr gesprochen wird. Und den
besten Dienst erweisen wir dem Tenfel, wenn wir seine Existenz ganz
einfach nicht mehr zur Kenntnis nehmen, wie es der modernistische
"Theologe" (besser wohl Satanologe!) Herbert HAAG aus Tübingen tut.
Kampf gegen das Papsttum ist und war seit jeher das erste Ziel aller
Kräfte, die die Gehorsamsbindung bekämpfen, die jede Ordnung zerstören.
In diesem Kampf ist nunmehr die Lage so, daß der Papst selbst - ob
gewollt oder ungewollt - durch den neuen ordo missae der
Selbstzerstörung der Kirche Vorschub geleistet und das Signal für den
Einbruch von Weltdienst statt Gottesdienst, von Konformismus und
Libertinismus, von Eliminierung von Gottes Handeln und von Eliminierung
des Bösen gegeben hat. Sein in Gott ruhender Vorgänger hocheseligen
Angedenkens Piius XII., sagte einmal, daß es die größte Sünde
sei, daß die Menschheit die Sünde nicht mehr kennen will.
Was ist der neue ordo denn anderes als die Nachgiebigkeit des höchsten
Amtes vor dem Zeitgeist? Dieser leugnet die Existenz eines personalen
Bösen ("Wertfreie Sexualität" von Schelsky), führt zur Abschwächung und
Auslöschung von Sünde und Schuld und endet mit der Leugnung einer
ewigen Strafe für den unbußfertigen Sünder.
Verehrter Pater Leo, lassen Sie mich schließen mit den uralten Worten,
die der Heilige Papst Pius V. für alle Zeiten zum Bestandteil der
Heiligen Messe gemacht hat: "Judica me, Deus, et discerne causam meam!"
Ja erlöse uns, o Herr, vom bösen ungerechten Mann, vom Zeilgeist des
unheiligen "aggiornamento", vom Modernismus, vom ungläubigen Klerus,
von häretischen Bischöfen und schenk uns in Deiner unendlichen Güte
bald einen Papst, den wir erhoffen und ersehnen, der wirklich, wie es
in der Hl. Liturgie heißt "et ambulabit coram Christo meo cunctis
diebus". (Anm. d.Red.: der wandeln wird mit meinem Christus alle Tage).
Dieser Papst wird ein Held und ein Heiliger sein müssen. Er wird die
Eigenschaften der großen Pius-Päpste potenziert in sich tragen müssen.
Oremus pro pontifice!
|