Das schändliche Leben schlechter Priester
121 - Nun merk auf, liebstes Kind; damit du und Meine andern Knechte noch mehr Anlaß habt, Mir demütiges, dauerndes Gebet für sie darzubringen, will Ich dir ihr schändliches Leben schildern. Wohin immer du dich wendest, zu Laien und Ordensleuten, Klerikern und Prälaten, Kleinen und Großen, jungen und Alten, zu Volk jeder Gattung, überall gewahrst du das Ärgernis.
Weißt du (und merk hin mit Schmerz und Herzensbitternis), woraus sie ihr Prinzip und Fundament machen? Aus ihrer Eigensucht, woraus der Baum der Hoffart emporwuchs, und daraus der Verlust der Unterscheidungsgabe. Wie Menschen ohne Urteil nehmen sie Ehre und Herrlichkeit für sich selber in Anspruch und streben nach hohen Würden mit Zierat und Annehmlichkeiten für ihren Leib, Mir aber fügen sie Schmach und Beleidigung zu. Für sich selber nehmen sie sich heraus, was nicht ihnen gebührt, und Mir geben sie, was nicht Mein ist. Mir schulden sie Verherrlichung und Lob Meines Namens, sich selber aber Abscheu vor ihrer Sinnlichkeit in wahrer Selbsterkenntnis, indem sie sich eines so hehren Amtes, wie sie es von Mir erhielten, unwürdig erachten.
Doch sie tun das Gegenteil. Von Hoffart gebläht hören sie nicht auf, an weltlichen Reichtümern und Vergnügungen zu nagen, sie sind knauserig, habgierig, geizig gegen die Armen. Infolge des elenden Hochmuts und Geizes, der ihrer sinnlichen Eigenliebe entspringt, vernachlässigen sie die Seelsorge. Sie kümmern sich bloß um Weltliches und lassen die Schafe, die Ich ihnen anvertraut habe, ohne Hirten stehn. Sie weiden sie nicht, reichen ihnen weder geistliche noch irdische Nahrung. Zwar spenden sie das geistliche Brot der Sakramente (die durch keinen ihrer Fehler euch entzogen, noch in ihrer Kraft geschwächt werden können); doch sie nähren euch weder mit den Gebeten des Herzens, noch mit dem Hunger und der Sehnsucht nach eurem Heil und einem heiligen, ehrbaren Leben. Sie versehen auch die ihnen Anvertrauten (die Armen nämlich) nicht mit zeitlichen Gütern, aus denen sie, wie Ich dir sagte, drei Teile machen sollten: einen für ihren Bedarf, einen zweiten für die Armen, den dritten zugunsten der Kirche.
Das Gegenteil tun sie: nicht nur verweigern sie den Armen, was sie ihnen zu geben verpflichtet sind, sondern rauben vom Besitz anderer durch Simonie und Geldgier und verkaufen die Gnade des Heiligen Geistes. So verrucht sind sie oft, daß sie dem Darbenden das nicht reichen wollen, was Ich ihnen aus Gnade lieh, um es euch weiterzugeben, falls ihnen dafür nicht die Hand gefüllt wird. Sie lieben ihre Untergebenen entsprechend dem Nutzen, den sie aus ihnen ziehen, nicht weiter. Sämtliches Kirchengut verbrauchen sie für die Kleidung ihres Leibes und tragen weichliche Gewänder, nicht wie Kleriker und Ordensleute, sondern wie Herren und Hofjunker. Ihr Herz schwatzt in ungezügelter Eitelkeit daher, und ihr ganzer Begehr geht auf Wohlleben, so daß sie ihren Bauch zum Gott machen und ohne Maß essen und trinken. Deshalb verfallen sie auch unversehens der Unkeuschheit und geben sich der Unzucht hin.
Weh, weh über ihr erbärmliches Leben! Was das süße Wort, Mein eingeborener Sohn, unter soviel Schmerzen am Holz des heiligsten Kreuzes erworben hat, das vertun sie mit öffentlichen Dirnen. Elendiglich verschlingen sie die Seelen, die durch Christi Blut erkauft worden sind. Ihr Teufelstempel, hoch erhoben hatte Ich euch, damit ihr Engel wäret im irdischen Leben, aber Dämonen seid ihr und tut Teufelsdienst. Sind doch die Dämonen Ursache der Verwirrung und Gewissensqual für solche, die sie dem Stand der Gnade und dem Weg der Wahrheit entfremden und auf dem Weg der Lüge in Sünden stürzen.
Und doch: wer ihnen folgt, ist von der eigenen Sünde nicht entschuldigt, da er weder von diesen sichtbaren noch von den unsichtbaren Teufeln zur Sünde gezwungen werden kann. Also soll niemand auf ihr Leben hinblicken noch ihr Tun nachahmen, wie euch Meine Wahrheit im Evangelium (Vgl. Mt 23, 3) ermahnt; handelt vielmehr nach dem, was sie euch sagen: nach der Weisung, die euch im mystischen Leib der heiligen Kirche gegeben ist in der Heiligen Schrift durch die Vermittlung der Prediger, die Mein Wort verkünden. Laßt ihnen ihr schlechtes Leben und ergreift die Lehre, die Rüge aber überlaßt Mir, denn Ich bin der milde ewige Gott, der alles Gute belohnt und jegliche Schuld bestraft.
123 - Aus Eigensucht haben sie ihre Sinnlichkeit zur Herrin erhoben und ihre bedauernswerte Seele zur Sklavin gemacht, derweil Ich sie doch durch das Blut Meines Sohnes befreite, als bei der allgemeinen Befreiung das ganze Menschengeschlecht der Knechtschaft und Botmäßigkeit des Teufels entrissen wurde. Diese Gnade empfing jedes Vernunftwesen; sie aber, die Ich salbte, befreite Ich auch aus der Knechtschaft der Welt und bestimmte sie zu Meinem, des ewigen Gottes, alleinigem Dienst, damit sie der heiligen Kirche die Sakramente ausspenden. So frei machte Ich sie, daß Ich nicht wollte und auch fürderhin nicht will, daß irgendein weltlicher Herrscher sie richte.
124 - Und nicht nur solche Unreinheit und Schwäche ist an ihnen, zu der ihr wegen eurer schwachen Natur natürlicherweise neigt (obwohl die Vernunft, wenn der freie Wille es fordert, ihren Aufruhr beschwichtigt), die Elenden vollbringen noch Schlimmeres und begehen die verfluchte Sünde wider die Natur. Und wie blinde Toren, deren Vernunft getrübt ist, nehmen sie die Fäulnis und das Elend nicht wahr, worin sie stecken. Nicht nur Mir, der Ich höchste ewige Reinheit bin, ist sie zum Ekel (ja so verabscheuungswürdig, daß Ich um dieser einen Sünde willen fünf Städte durch Mein göttliches Gericht vernichtete, da Meine Gerechtigkeit sie nicht mehr ertragen wollte), sondern sogar den Dämonen.
In solche Finsternis sind sie gehüllt, daß sie die Heilige Schrift, die doch voll Leuchtkraft ist - da Meine Erwählten sie in übernatürlichem Licht von Mir, dem wahren Licht, empfingen -, infolge ihrer Aufgeblasenheit und ihres Hochmuts und weil sie unrein und wollüstig sind, nur der Rinde, das heißt dem Buchstaben nach verstehen, und auch dieser bleibt für sie ohne jeden Geschmack, weil der Geschmacksinn ihrer Seele von der Eigensucht und vom Stolz verstumpft ist.
Ihre Unfähigkeit zur wahren Seelsorge
125 - Wie könnten sie aber, da sie so voller Fehler sind, ihre Untergebenen bessern, an ihnen Gerechtigkeit üben und sie rügen? Sie sind außerstande dazu, denn ihre Fehler benehmen ihnen den Mut und den Eifer heiliger Gerechtigkeit. Und täten sie es noch zuweilen, dann könnten ihre Untergebenen, ruchlos wie sie, ihnen entgegnen: Arzt, heile zuerst dich selbst und mich nachher, dann will ich die Arznei nehmen, die du mir reichen magst. Du stehst in tieferer Schuld als ich und willst mich schelten! Wer bloß mit Worten rügt und nicht auch durch ein gutes und geordnetes Leben, setzt sich ins Unrecht. Nicht als sollte er das Schlechte bei seinen Untergebenen nicht tadeln, sei er selber nun gut oder schlecht; trotzdem ist er im Unrecht, wenn er es nicht durch guten, ehrbaren Wandel zu bessern sucht. Viel schlimmer freilich handelt, wer einen Tadel nicht demütig aufnimmt, woher immer er ihn erhalte, ob von einem guten oder schlechten Hirten, und sein verruchtes Leben nicht bessert. Er verwundet sich selbst und keinen anderen, denn er selber wird für seine Sünden bestraft werden.
Das Versagen der Ordensleute
Alle diese Übelstände, liebstes Kind, reißen ein, weil nicht mit einem guten und heiligen Wandel abgeholfen wird. Denn diese Menschen sind von ihrer Eigensucht verblendet, darin gründen all ihre Schändlichkeiten. Sie sinnen auf nichts anderes, als wie sie ihren ungezügelten Lüsten und Vergnügungen frönen können, sowohl Untergebene wie Hirten, Kleriker und Ordensleute. Ach weh, Mein liebes Kind, wo ist der Gehorsam der Ordensleute geblieben, sie waren als Engel in ihren heiligen Stand gesetzt und sind schlimmer geworden als Teufel. Ich berief sie dorthin, um Mein Wort durch Leben und Lehre zu künden, sie aber vollführen bloß ein großes Wortgedröhn und bringen deshalb im Herzen der Zuhörer keinerlei Frucht. Ihre Predigten werden mehr den Leuten zu Gefallen und zum Ohrenschmaus gehalten als um Meiner Ehre willen; sie erstreben also nicht rechten Wandel, sondern eine geschliffene Sprache.
Solche Mönche streuen Meinen Samen nicht in Wahrheit aus, denn sie bemühen sich nicht, die Laster auszurotten und die Tugenden einzupflanzen. Und weil sie die Dornen nicht aus dem eigenen Garten entfernen, sind sie auch nicht besorgt, sie aus dem Garten des Nächsten zu roden. All ihr Streben zielt darauf, ihre Leiber und ihre Zelle zu schmücken und schwatzend die Städte zu durchziehen. So geht es ihnen wie dem Fisch, der sich außerhalb des Wassers aufhält: er verendet. In gleicher Weise gehen diese Ordensleute mit ihrem eitlen und zügellosen Leben außerhalb ihrer Zelle zugrunde.
Schuld an diesen und vielen andern Übeln tragen die Vorgesetzten, die ihren Untergebenen nicht überwachen, sondern ihn machen lassen. Sie selber schickten ihn hinaus und taten, als sähen sie nicht, wie er verkommt. Und weil auch der Untergebene seine Zelle nicht liebte, ging er schließlich durch die Schuld beider zugrunde.
Sie gelobten die Regeln des Ordens zu beobachten, stattdessen übertreten sie sie, und nicht nur das: wie hungrige Wölfe wüten sie noch gegen die Lämmer, die die Regel beobachten möchten, verhöhnen und verspotten sie. Diese Elenden wähnen mit ihren Verfolgungen, ihrem Sticheln und Höhnen wider die guten und regeltreuen Ordensleute, ihre eigenen Fehler zu verdecken. Aber sie enthüllen sie bloß noch mehr. So schweres Unheil ist in die Gärten der heiligen Orden eingedrungen. Denn die Orden selber sind in sich heilig und vom Heiligen Geist gestiftet und begründet und können daher durch das Versagen der Mitglieder weder verdorben noch zugrundegerichtet werden. Somit soll, wer in einen Orden eintreten will, nicht auf die schlechten Ordensleute achten, sondern voranschwimmen, von den Armen des Ordens unterfaßt, der weder versagt noch versagen kann, und ihm treu bleiben bis zum Tod.
Du siehst: das erste Gelübde des Gehorsams, die Beobachtung der Ordensregel, halten sie nicht. Über diesen Gehorsam will Ich dir später noch reden. Sie geloben ferner, in freiwilliger Armut und bedürfnislos zu leben. Wie aber halten sie sich daran? Schau den Besitz und das viele Geld, das sie für sich selber beiseite tun, abgetrennt von der gemeinschaftlichen Liebe, in der jeder seine zeitlichen und geistlichen Güter mit seinen Brüdern teilen müßte, wie es die Ordnung der Liebe und die seines Ordens verlangt. Sie haben es aber nur darauf abgesehen, sich selber und ihre Tiere zu mästen: so füttert ein Tier das andere, während der arme Mitbruder vor Kälte und Hunger stirbt. Warmgekleidet und wohlgenährt gedenkt er dessen nicht, noch will er mit ihm am ärmlichen Tisch des Refektoriums zusammentreffen. Lieber ist er dort, wo er sich mit Fleisch anfüllen und die Kehle feuchten kann.
Für solche wird es unmöglich, das dritte Gelübde der Enthaltsamkeit zu beachten, denn voller Bauch macht den Geist nicht keusch; sie werden unzüchtig, erhitzen sich zügellos und fallen von Sünde in Sünde. Ihr Besitz wird Anlaß vielen Unheils, denn hätten sie nichts auszugeben, würden sie nicht so ungeordnet dahinleben und hätten keine so absonderlichen Freundschaften. Denn wer nichts zu bieten hat, kann sich derartige Liebe und Freundschaft nicht leisten, die sich bloß auf den Anreiz des Geschenks stützt oder auf sonst irgendeine Freude oder Lust, die man sich gegenseitig bietet, nicht aber auf lautere Liebe. -
O Erbärmliche, durch ihre Schuld so tief erniedrigt, während Ich sie zu solcher Würde erhob! Sie fliehen das Chorgebet wie Gift. Und wenn sie ihm beiwohnen, plärrt wohl ihre Stimme mit, ihr Herz aber ist fern von Mir. Sie haben sich angewöhnt, ohne jede Vorbereitung zum Tisch des Altars zu treten wie zu leiblicher Speisung. All diese Ärgernisse und noch viele andere werden durch das Versagen der schlechten Hirten verursacht, die die Fehler ihrer Untergebenen weder rügen noch strafen; sie sorgen nicht dafür, daß die Ordensregel beobachtet wird, und setzen sich nicht dafür ein, denn sie selber halten sich nicht daran. Sie belasten wohl jene mit Vorschriften, die sich an die Regel halten wollen, und strafen sie gar für Fehler, die sie kaum begangen haben. All das tun sie, weil die Gerechtigkeit nicht in ihnen erstrahlt, sondern die Ungerechtigkeit. Darum legen sie dem, der Gnade und Wohlwollen verdient, ungehörige Bußen auf und hassen ihn; jenen andern aber, die wie sie selber Glieder des Teufels sind, erweisen sie Wohlwollen, Freundlichkeit und Vorrang, indem sie ihnen die Ämter des Ordens übertragen. Wie Blinde leben sie, und wie Blinde verteilen sie die Ämter und regieren ihre Untergebenen. Und wenn sie sich nicht bessern, werden sie in dieser Blindheit zur Finsternis der ewigen Verdammung gelangen und vor Mir, dem höchsten Richter, über die Seelen ihrer Untergebenen Rechenschaft ablegen müssen; sie wird schlimm und bös ausfallen und so werden sie gerechtermaßen von Mir erhalten, was sie verdient haben. (Fortsetzung folgt) |