"DER BETRUG DES JAHRHUNDERTS" VON THEODOR KOLBERG
von H.H. Walter W.E. Dettmann
Th. Kolberg behauptet, im Vatikan existiere ein päpstlicher Doppelgänger, und weil eine gewisse Veronika Lueken in Bayside bei New York sagt: "Der Betrug muß der Menschheit enthüllt werden" (S.93), darum läßt Kolberg an einem unbekannten Ort sein Büchlein drucken und schreibt: "Während der fast zwei tausendjährigen Geschichte der Kirche war das Papsttum oftmals das Ziel von Machtkämpfen und Intrigen, wurden Päpste gefangen gesetzt und mißhandelt, wurden Gegenpäpste aufgestellt, die gegen den rechtmäßigen Papst regierten, und manchmal wußten die meisten nicht, wer der richtige und wer der falsche Papst ist" (S. 80).
Aber hier verschweigt Herr Kolberg die Tatsache, daß Bischöfe, Priester und auch die meisten Laien früher immer den Namen des jeweiligen Gegenpapstes gekannt haben, auch wenn sie nicht wußten, auf welcher Seite das Recht war. Heute jedoch warten wir schon lange darauf, daß Herr Kolberg und seine Freundin Veronika Lueken von Bayside endlich einmal mit dem Namen des päpstlichen Doppelgängers herausrücken!
In den Visionen der Veronika Lueken scheint es einige Lücken zu geben, obwohl Herr Kolberg schon haufenweise Fotos von dem geheimnis-vollen Übeltäter im Vatikan zu besitzen vortäuscht. Kolberg wünscht, daß wir glauben, ein unbekannter Doppelgänger, der erst vor drei Jahren aus dem Operationszimmer eines Chirurgen entlassen wurde, habe das große kirchliche Chaos zu verantworten, das Montini bereits vor 25 Jahren vorbereitet und vor 15 Jahren, d.h. seit dem Jahre 1963, über uns gebracht hat. Wenn man die Frage nach einem Doppelgänger mit Hilfe von fotografischen Aufnahmen klären möchte, dann bedarf es der schärfsten Bilder aus Teleobjektiven. Die von Kolberg gezeigten Bilder sind jedoch ein minderwertiges Material. Er wendet sich nur an solche Leser, die von fotografischer Technik und Genauigkeit nichts verstehen.
Schon die Auswahl der Bilder Pauls VI. und des angeblichen Betrügerpapstes ist höchst mangelhaft und einseitig. Die sog. Segensgeste des Doppelgängers, die Kolberg auf S. 34 zeigt, soll nach seinen Worten bei Paul VI. "undenkbar" sein. Aber schon im Jahre 1965, als es bei der Schlußfeier des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils noch gar keinen Doppelgänger gab, ist Paul VI. in dieser Haltung groß fotografiert worden. Herr Kolberg hätte das Bild leicht in dem Buch von Mario Galli "Das Konzil und seine Folgen" auf Seite 291 finden können. Auf S. 38 behauptet Kolberg, auf der Medaille zum 13. Regierungsjahr Pauls VI. sei dieser naturgetreu abgebildet, während auf der Medaille zum 14. Regierungsjahre der Betrügerpapst zu sehen sei. Es wäre besser gewesen, wenn Kolberg statt der Medaillen scharfe Teleobjektivbilder vorgelegt hätte!
Auf S. 44 behauptet Kolberg, der Betrügerpapst besitze gemäß dem Bericht von Augenzeugen grüne Augen, die zwar nicht auf den Medaillen, aber auf Farbfotos zu sehen seien. Ohne Beweis und ohne genaue Messung behauptet Kolberg, das Gesicht des falschen Papstes sei "kürzer, breiter und fleischiger" und der Ausdruck der Augen und des Mundes sei "häßlich". Aber das scheint Herr Kolberg nur deshalb zu schreiben, damit der durch seine schlechten Taten in wirklich häßlichem Licht dastehende Paul VI. ein wenig besser aussieht. Unter dem Bild Nr. 13 behauptet Kolberg, daß der Daumen Pauls VI. gerade sei, während beim "Betrügerpapst" das letzte Glied des Daumens "stark nach außen gebogen" sei. Wenn man das Bild Nr. 13 aber betrachtet, merkt man, daß der Daumen nur deshalb nach außen gebogen ist, weil der angebliche Doppelgänger seine Hand dicht unterhalb des Knaufes an seinem Stabe hält.
Auf S. 5o schreibt Kolberg zu dem Bild Nr. 45: "Der Betrügerpapst mit Kardinal Höffner, Köln, und Bischof Hengsbach, Essen, anläßlich ihres Besuches am 31.3. 1977". Das Klischee dieses Bildes ist aber so unscharf und ungenau, daß man den Bischof von Essen kaum erkennen kann, dasselbe gilt von der Figur Pauls VI. Herr Kolberg behauptet aber steif und fest, es sei der "Betrügerpapst". Einen Beweis dafür hält er für überflüssig:
So arbeiten Kolberg und seine Doppelgänger-Spezialisten!
Bei den von Kolberg gezeigten Bildern ist kein einziges zu finden, auf dem der angebliche Betrügerpapst beim ersten ökumenischen Gottesdienst in der St. Pauls-Basilika zu sehen ist; kein Bild ist von jenem angeblichen Doppelgänger zu finden, der die gottlose neue Messe einführte; wir vermissen auch das Bild Pauls VI. bei jenen sechs protestantischen Geistlichen, die im Vatikan die neue Messe begutachtet und gelobt haben. Herr Kolberg hätte dieses Bild leicht bekommen können. Aber wahrscheinlich waren damals die Chirurgen mit der Montage des Betrügerpapstes noch nicht ganz fertig.
Herr Kolberg hat die Lage auch deshalb noch nicht erfaßt, weil er bloß vom Betrug des Jahrhunderts redet statt vom Betrug des Jahrtausends!Außerdem hat Kolberg noch nicht gemerkt, daß Paul VI. tatsächlich zwei Gesichter besitzt; Mont ini besaß schon damals zwei Gesichter, als er noch lange nicht Papst war: Er trug ein lammfrommes Gesicht im Vorzimmer seines Herrn, Papst Pius' XII., und er trug ein ganz anderes Geschau, wenn er hinter dem Rücken seines Herrn mit den Kommunisten in Verbindung war, wie man bei Reinhard Raffalt nachlesen kann.
Montini zeigt auch ein ganz anderes Gesicht, wenn er hinter dem Rücken Papst Pius' XII. mit den deutschen Führern der liturgischen Bewegung zusammenkam. Entsprechend diesen ganz verschiedenen Gesichtern sind auch die Handbewegungen und das sonstige Benehmen des heutigen obersten Machthabers in der Kirche sehr unterschiedlich. Ein wirklicher Doppelgänger könnte gar nicht so stark aus dem Rahmen fallen, wie Paul VI. seine eigene Rolle zu verändern vermag.
Ein Schwindel besonderer Art ist bei Kolberg das Bild Nr. 73 auf S. 9o, das zwei Personen von der Seite gesehen nebeneinander sitzend zeigt. Kolberg sagt dazu: "Wunderbares Foto: Zwei Päpste auf dem Tragsessel. Ein interessantes wunderbares Foto im Zusammenhang mit dem Betrügerpapst". Kolberg behauptet, die Aufnahme sei "eines der vielen unendlichen Liebesbeweise des Vaters im Himmel für seine Kinder auf Erden, für diejenigen, die glauben' reden hier nur Leute. (S. 91) Dazu ist zu sagen: Von einem "Wunder" die entweder von fotografischen Techniken und Ahnung haben oder solche Leute, die von fotografischen Fehlern keine schwindeln. - Ein ähnliches Bild kann nämlich jeder machen, wenn er vor die Linse des Objektivs einen Ultra-violett-Filter setzt (in Italien braucht man diese Sache häufig), und wenn er dann mit Blitzlicht gegen eine Lichtquelle arbeitet. Auf S. 71 zeigt Kolberg, wie der angeliche Betrügerpapst dem Erzbischof Meliton, dem Abgesandten des Patriarchen von Konstantinopel, gegenübersteht. Dabei behauptet Kolberg, der Doppelgänger sei an dem "abstehenden rechten Ohr und der zurückweichenden Stirn und Kiefer-Partie und an der kurzen, gekrümmten Nase" zu erkennen. Aber dies ist eine offenkundige Unwahrheit, die von den Tatsachen widerlegt wird. Denn das Abs tehen des Ohres ist gar nicht zu sehen, und die Stirn ist sogar sehr hoch, das Kinn ist gut ausgeprägt und die Nase keineswegs kurz. Im übrigen liegt das ganze Gesicht des angeblichen Betrügerpapstes bei der Begegnung mit Erzbischof Meliton im Schatten, während der Hinterkopf mit dem weißen
Käppchen beleuchtet ist. Aus einer derart dunklen Gesichtshälfte mit Sicherheit den sog. Betrügerpapst zu erkennen, gehört zu den sonderbaren Praktiken des Herrn Kolberg gegenüber unwissenden Laien. Wer in solchen Fällen ohne klare Beweise den Ausdruck "Betrug" oder "Betrüger" so schnell gebraucht wie Herr Kolberg, der gerät ebenfalls rasch in den Verdacht des Betrugs. Ohne Beweis behauptet dieser, Paul VI. habe in seinen Ansprachen "beharrlich immer wieder die traditionelle Lehre der Kirche gegen die Glaubensneuerer verteidigt" und er habe von der Beseitigung des Exorzismus bei der Taufe noch dreieinhalb Jahre später offensichtlich nichts gewußt! (S. 68).
Die angebliche Visionärin Veronika Lueken in Bayside verlangt, daß der Betrügerpapst entlarvt werden müsse; sie sagt aber nichts davon, daß der Betrug, den Paul VI. mit der neuen Liturgie begangen hat, aufzudecken sei. - Wenn Montini nicht besser verteidigt wird, als Herr Kolberg und seine Freundin Veronika dies tut, dann steht es nicht gut für ihn.
Die angebliche Gefangenschaft Pauls VI. im Vatikan will Th. Kolberg den Lesern dadurch begreiflich machen, daß er an den Tod Papst Pius' XII. erinnert. Er behauptet: "Von Papst Pius XII. ist bekannt, daß er vergiftet wurde" (S. 81). - Dies ist eine freche Unwahrheit im Munde Kolbergs. Denn er sollte wissen, daß nur das Gerücht von der angeblichen Vergiftung, nicht aber der bewiesene Sachverhalt bekannt ist. Wenn Papst Pius XII. wirklich vergiftet worden wäre, hätten seine beiden Nachfolger vom ersten Tage an die Angelegenheit mit aller Strenge untersuchen müssen. Das ist aber nicht geschehen. Also ist Papst Pius XII. entweder nicht vergiftet worden, oder seine beiden Nachfolger hatten dabei selbst die Hände im Spiel. Kolberg behauptet, "seit der Kurienreform" (!) würden die Widersprüche zwischen den (angeblich guten) Äußerungen Pauls VI. bei seinen mündlichen Ansprachen und den schriftlichen Dokumenten, die aus dem Vatikan kämen, "immer größer und auffallender". Die Quelle dieser Widersprüche könne also "nur im Staatssekretariat liegen, bei Villot - Benelli - Casaroli" (S. 62). Die genannten drei Männer seien gemäß den Offenbarungen von Bayside "drei Päpste in Rom, die vom Satan geleitet werden". - Dazu ist zu sagen: Die Offenbarungen von Bayside sind ein lächerlicher Versuch, die Verantwortung Pauls VI. für das Chaos in der Kirche auf drei andere Leute abzuwälzen. Kolberg täuscht die Leser. Denn Paul VI. ist schon lange vor seiner "Machtübernahme" durch schlechte Äußerungen hervorgetreten. Die Widersprüche liegen in seiner eigenen Person und in seinem eigenen Munde. Die Offenbarungen von Bayside sind mindestens ebenso schlecht und schwindlerisch wie die fotografischen Aufnahmen, die Herr Kolberg von den dortigen Ereignissen veröffentlicht. - Herr Theodor Kolberg bildet sich ein, Tausende von kirchlichen Würdenträgern und weltlichen Staatsmännern gingen dem von Chirurgen präparierten falschen Papst auf den Leim, wie z.B. Kardinal Höffner und Bischof Hengsbach von Essen, und nur er, Kolberg sowie seine Freundin Veronika Lueken von Bayside, könnten den Betrügerpapst entlarven. Kolberg behauptet, vom richtigen Papst habe Kardinal Höffner das Pallium empfangen (S. 25), und mit dem falschen Papst habe er bei seinem Pflicht-Besuch in Rom ("ad limina") über die Angelegenheit der Kölner Diözese gesprochen (S. 5o). Es macht dem Herrn Kolberg gar nichts aus, daß Bischof Hengsbach von Essen, der deutsche Militärbischof, vor dem "Betrügerpapst" wie ein begossener Pudel dasteht, obwohl er vor diesem eigentlich stramm wie ein preußischer Rekrut vor dem Hauptmann von Köpenick stehen sollte (S. 5o). Wenn Herr Kolberg sein neues Buch ebenso wie das erste ("Umsturz im Vatikan") an alle deutschen Bischöfe schickt, werden diese (z.B. der Bischof Tenhumberg) nicht gerade erbaut sein, daß alle Welt sehen kann, wie sie einem Schwindler gehuldigt haben (S. 24). Einerseits will Kolberg bei jeder Fotografie gewissermaßen als anatomischer Sachverständiger und als Fachmann für Lichtbildaufnahmen mit sicherster Bestimmtheit sagen können, welches Bild den echten und welches Bild den falschen Papst zeigt, und anderseits schämt er sich nicht, dem Leser überaus minderwertige, halbscharf und dunkle Bilder vorzusetzen, abgesehen von den kitschigen Amateurbildern bei den Vorgängen in Bayside, die er als wirkliche fotografische "Wunder" bezeichnet (Maria und der Bär", "Das Lichtkreuz auf der Flagge").
Gemäß Herrn Kolberg soll der Erzbischof G. Benelli "die rechte Hand des Antichrists" sein (S. 88). Kolberg veröffentlich sogar ein auf angeblich wunderbare Weise entstandenes "Polaroid-Foto" von Benelli (!) und gibt bekannt, daß dieser der nächste Papst nach Paul VI. sein werde (nebenbei bemerkt: Ein anderer Mann in Bayern hat noch vor dem Herrn Kolberg verkündet, daß der Seher Clemente von Palmar de Troya der nächste Papst sein werde). - Kolberg spricht von der "totalen Entmachtung und brutalen Gefangensetzung" Pauls VI. durch Benelli (S. 60); dieser habe sich "im Einvernehmen mit seinen geheimen Brüdern im Vatikan" möglicherweise selbst zum Kardinal ernannt. Seine Ernennung sei auf alle Fälle durch den "Betrügerpapst" am 17. Juni 1977 bekanntgegeben worden. Die Rede, die der falsche Papst dabei gehalten habe, sei durch "massive Angriffe auf Erzbischof M. Lefebvre aufgefallen" (S. 60), was ein "offensichtlicher Regiefehler" gewesen sei; denn Paul VI. habe "niemals während seines ganzen Pontifikats jemals eine Person, ob Feind oder Freund, in aller Öffentlichkeit angegriffen und beschuldigt oder bloßgestellt, am allerwenigsten einen Mitbruder im Bischofsamt" (S. 60). Kolberg behauptet: "Die plumpe Art des Losdreschens auf Andersdenkende in aller Öffenlichkeit widerspricht völlig der feinen, taktvollen Art von Papst Paul VI. Sie fand erst mit dem Betrügerpapst Eingang in die vatikanische Diplomatie" (S. 61).
Diese sonderbaren Geschichten und Erzählungen des Herrn Kolberg müssen etwas genauer beleuchtet werden:
1. Wer soll die Taschenspielerei mit dem Benelli-Polaroid-Foto ernst nehmen? Diese Sache allein zeigt schon, was von der ganzen Kolbergischen Benelli-Geschichte zu halten ist. In Bayside soll jemand während der öffentlichen Gebetszeit die Statue der Gottesmutter fotografiert haben und bei der Sofort-Entwicklung des Bildes nach dem Polaroid-System sei an Stelle der Statue ein Brustbild Benellis auf dem Abzug sichtbar geworden. Gemäß Kolbergs Schilderung sei dann noch geoffenbart worden, Benelli werde der kommende "Gegenpapst" sein. Der in englischer Sprache verfaßte Begleittext zu dem Benelli-Bild sagt aber auch, dieser werde der nächste "Papst" nach Paul VI. sein. Auch wenn Herr Kolberg in seinem ers ten Buch ("Umsturz im Vatikan") nicht so ungeheuer viel Unsinn geschrieben hätte, könnte man ihm die Sache mit dem Benelli-Polaroid-Foto nicht glauben.
2. Im Mai des Jahres 1967 berichtet die "Herder-Korrespondenz", ein Organ, das viel bessere Augen und viel bessere Verbindungen als Herr Kolberg besitzt, daß Paul VI. "Neubesetzungen an der Kurie" vornahm. Die wichtigste Neuernennung betraf die Konzilskongregation. Zu ihrem Präfekten wurde an Stelle des Ende 1966 verstorbenen Kardinals Ciriaci der bisherige Erzbischof von Lyon, Kardinal Jean Villot, ernannt. - Dies habe, so schreibt die Herder-Korr., nicht so sehr deswegen überrascht, weil damit die Berufung von Nichtitalienern nach Rom fortgesetzt wurde, sondern weil im Zuge der angestrebten Kurienreform " vorübergehend " eine Auflösung der Konzilskongregation, die einst zur Durchführung der Konzilsbeschlüsse von Trient gegründet worden war, in Betracht gezogen worden sei (Herder-Korresp. Mai 1967, S. 2o9).
Bevor das Benelli-Thema hier weitergeführt wird, muß für jene Leser, die sich nicht genau auskennen, folgendes zur Erklärung gesagt werden: Die Ernennung des Kardinals Jean Villot zum Präfekten der Konzilskongregation hatte besonders den Zweck, diese Behörde, die ja nur die tridentinisehe Messe zu schützen hatte, auszuschalten, damit von dieser Seite bei der bevorstehenden Einführung der neuen Liturgie kein Widerstand gegen Paul VI. aufkommen konnte!
Im August 1967 berichtete die Herder-Korrespondenz, daß Erzbischof G. Benelli, der zuletzt Apostolischer Delegat in Westafrika gewesen war, im Staats Sekretariat an die Stelle des bisherigen Substituten Kard. Dell'Acqua, trete. - Am 15. August 1967 hatte Paul VI. auch das Dekret zur Reform der römischen Kurie herausgegeben. Dadurch änderte sich die Gliederung der Kurie in der Weise, daß das Staatssekretariat an die Spitze aller päpstlichen Behörden rückte. Bisher war das Hl. Offizium an erster Stelle gestanden. Von nun an aber wurden alle päpstlichen Behörden dem Staatssekretariat unterstellt. Die Herder-Korrespondenz schrieb im November 1967 über diese Änderung: "Die Kurienreform hat, von der begreiflichen Befriedigung des ersten Augenblicks abgesehen, eher eine kühle Resonanz gefunden ... Die Straffung des Apparats macht diesen zwar zu einem gefügigen Instrument des Papstes ... Diese Straffung kann aber auch Kompetenzüberschreitungen des Kardinalstaatssekretärs fördern". Schlimmer als dies sei jedoch "eine neue Stärkung der Kurie im Rahmen der Gesamtkirche"; es handle sich um "einen neuen pastoralen Zentralismus" (Herder-Korr. November 1967, S. 499).
Man muß hier wissen, daß die Herder-Korrespondenz diese Befürchtung aus der Sicht der meisten Protestanten geschrieben hatte, die jetzt im Papsttum erst recht eine Diktatur erblicken mußten. Denn Paul VI. hatte durch die sogenannte Kurienreform eine ungeheure persönliche Macht in die Hand bekommen.
Kurz nach dem Tode des Kardinals Bea am 15. November 1968 fragte die Herder-Korrespondenz im Januar 1969 sogar: "Wird im derzeitigen kritischen Stadium autoritärer Methoden römischer Kirchenleitung die künftige Wirksamkeit des (Einheits)Sekretariats weitere Früchte tragen?" (S. 22), und die Herder-Korr. sprach von der "Entfaltung einer neuen autori tatsgeprägten Primatsausübung" (S. 24).
Dies alles muß man genau sehen, um den unsinnigen Schwindel des Herrn Th. Kolberg im richtigen Licht zu beurteilen. Paul VI. hatte auf dem Wege einer schlauen Verwaltungsänderung, die er bereits im Januar 1959 durch Johannes XXIII. ankündigen ließ, eine derartige Macht in seine eigene Hand bekommen, wie sie keiner seiner Vorgänger in den Jahrhunderten unmittelbar davor besessen hatte, und Herr Th. Kolberg faselt aber von einer "totalen Entmachtung und brutalen Gefangensetzung Pauls VI. durch Benelli".
Kolberg folgt auch hier seiner alten Praxis: Er wendet sich nur an die Unwissenheit seiner Leser und nützt diese Unwissenheit schamlos aus. Er will mit unsauberen Methoden Mitleid für einen Mann wecken, der nicht nur das hl. Meßopfer sondern den gesamten römisch-katholischen Verwaltungsapparat der früheren Päpste zerstört hat. Kolberg und die Leute hinter ihm wollen gegenüber den einfachen Gläubigen vertuschen, daß Paul VI. eine schrankenlose Willkürherrschaft aufgebaut hat.
Herr Kolberg behauptet, Paul VI. habe "niemals während seines ganzen Pontifikats eine Person, ob Feind oder Freund, in aller Öffentlichkeit angegriffen oder bloßgestellt, am wenigsten einen Mitbruder im Bischofsamt" (S. 6o). Dazu ist zu sagen. Montini hat bereits im Jahre 1958, ein halbes Jahr vor dem Tode seines obersten Herrn, Papst Pius' XII., diesen in aller Öffentlichkeit angegriffen. Denn obwohl er den wiederholt klar ausgesprochenen Willen des Papstes bezüglich der Feier der hl. Messe genau kannte, schrieb er trotzdem im Mailänder Fastenhirtenbrief des Jahres 1958, es gebe zwei Hindernisse für das Verständnis der Messe, nämlich die lateinische Sprache und die Zeremonien.
Das war eine unverschämte Taktlosigkeit Montinis gegenüber dem Papste, der dem Tode nahe war. Dieses Benehmen war umso schlimmer, als Montini seinen eigenen Hirtenbrief sofort in die deutsche Sprache übersetzen ließ: Den Sieg und Triumph, den Montini über den sterbenden Papst zu feiern gedachte, ließ er gleich in die ganze Welt hinaus posaunen, und jenen Kardinalen, die sich ihm später entgegenstellten, entzog er einfach das Recht, an der Papstwahl teilzunehmen.
Mario Galli berichtet, Montini habe bei seinem Weggang von Rom nach Mailand gesagt: "Mit einem Besen werde ich wiederkommen". Es sei bekannt gewesen, daß er sich seit langem mit Plänen zur Umgestaltung der römischen Kurie beschäftigte ("Das Konzil und seine Folgen" S. 43). Kolberg spricht von "totaler Entmachtung und brutaler Gefangensetzung Pauls VI. durch Benelli" (S. 6o). Reinhard Raffalt dagegen, der seit 1952 Organist an der römischen Kirche S. Maria dell'Anima und seit dem Jahre 1945 Korrespondent des Bayerischen Rundfunks in Rom war und der 21 Jahre in Rom zubrachte und sich dort tausendmal besser auskannte als der kleine Herr Kolberg, sagt bezüglich Benelli das Gegenteil, nämlich:
"Der Autonomieanspruch der Bischöfe, der durch den mißverstandenen Begriff der Kollegialität weit über Gebühr gefördert worden war, durfte die Privilegien des Heiligen Stuhles nicht gefährden. Je mehr das antizentralis ti sehe Ressentiment in der Kirche stieg, umso energischer mußte man von den Rechten Roms Gebrauch machen. Benel1 i war bereit, dem Papst die Milde zu überlassen, weil diese ihm ein menschliches Relief geben konnte. Er selbst nahm bedenkenlos in Kauf, als Unmensch zu gelten, wenn Rom dadurch die verlorene Kraft wiedergewann. Um diesem Ziele näher zu kommen, hatte Benelli eine unbarmherzige Prozedur im Sinn - den Ausbau des Staatssekretariats zu einem päpstlichen Superministerium" ("Wohin steuert der Vatikan?", 1973 S. 242).
Wie Benelli sich diese Sache vorstellte, beschreibt Raffalt mit den Worten: "Den Funktionären des päpstlichen Privatsekretariats käme dadurch eine Macht zu, gegen die auch Kurienkardinäle und Bischofskonferenzen wenig ausrichten könnten. Um keinen Mißbrauch aufkommen zu lassen, würden die bevorzugten Monsignori in unregelmäßigen Abständen und ohne Begründung von einem Tag zum anderen abgelöst werden". - R. Raffalt sagt, es sei rätselhaft, wer an diesem Plan den größeren Anteil gehabt hätte, Paul VI. oder Benelli (S. 243-244), und er fährt fort:
"Benelli war sich darüber klar, daß der große Plan im Falle seiner Verwirklichung personale Veränderungen großen Stiles erfordern würde. Auch er selbst konnte davon betroffen sein - die Wahrscheinlichkeit stieg mit der Höhe seines Anteils an dem Vorhaben. Doch selbst um den Preis der eigenen Entfernung war Benelli entschlossen, dem Heiligen Stuhl in Gestalt des Superministeriums eine neue Festung zu bauen ..." (S. 244).
Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen schreibt R. Raffalt, Paul VI. habe einen folgenschweren Entschluß gefaßt: "Er entmachtete die Kardinäle", und: "Er begrenzte das Wahlalter der Kardinale auf 8o Lebensjahre, nach deren Verlauf das Konklave für sie gesperrt war.
Damit schuf der Papst drei neue Tatbestände: Der größte Teil seiner eigenen Wähler hatte die Altersgrenze schon überschritten und büßte den bisherigen Vorrang ein. Das Heilige Kollegium bestand fortan in überwältigender Mehrheit aus Kardinalen, die keine Möglichkeit hatten, dem Papst die Voraussetzungen vorzuhalten, unter denen er selbst gewählt worden war. Die Papstwahl ... verwandelte sich in eine Funktion, deren Träger statistischen Normierungen unterlagen ... Paul VI. hatte manchem Monsignore zeitweilig die Macht gegeben, einen Kurienkardinal zu überspielen. Der Erzbischof Benelli zumal verfügte über mehr Einfluß als alle Kurienkardinäle zusammen. Die Zeit der großen römischen Kirchenfürsten war vorbei" (S. 262-263).
Gegenüber diesen Darlegungen kommt Herr Kolberg mit seinem "Betrug des Jahrhunderts" nicht auf. Reinhard Raffalt hat die rücksichtslose Machtausübung Pauls VI. bei der sog. Kurienreform sehr scharf beobachtet. Die ausführliche Beschreibung, die R. Raffalt von den weit zurück und weit nach vorwärts reichenden Beziehungen Pauls VI. zu Moskau gibt, zeigen jedem verständigen Leser, daß von "Entmachtung und Gefangensetzung Pauls VI. durch Benelli" in keinem Augenblick gesprochen werden kann. - Montini setzte seine ganze Macht und seinen ganzen, allerdings völlig verkehrten, Stolz darein, der Kirche für die nächsten tausend Jahre ein neues Aussehen zu geben: Die einstige Bedeutung Kaiser Konstantins und Kaiser Karls des Großen für die Kirche sollte durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen und durch die Machthaber in Moskau ersetzt werden.
Auf Seite 81 und 82 seines Buches behauptet Kolberg ohne Angabe von Beweisen, Papst Pius XII. sei vergiftet worden" sein Gesicht und seine Hände seien wenige Stunden nach seinem Tode schwarz- geworden, und zum Zweck der öffentlichen Aufbahrung des Leichnams habe man das Gesicht weiß schminken müssen. Der Leibarzt, dem man die Vergiftung habe zur Last legen wollen, habe vergeblich eine öffentliche Untersuchung der Sache gefordert und habe "Hals über Kopf" ins Ausland fliehen müssen, um sein Leben zu retten.
Einerseits behauptet Herr Kolberg, in Bezug auf Stimme und Gesichtsausdruck die allersichersten Beweise für die Existenz eines bösen päpstlichen Doppelgängers im Vatikan zu besitzen; anderseits aber erzählt er die schauerlichsten Geschichten über die Ermordung Papst Pius' XII., ohne auch nur die geringsten Beweise vorzulegen und ohne die Quellen anzugeben, aus denen er seine Behauptungen bezogen hat: Kolberg redet laut vom "Betrug des Jahrhunderts" und erzählt zugleich die ärgsten Mordgeschichten, ohne sie zu beweisen.
In trügerischer Weise nennt Herr Kolberg seine beide Bücher "Umsturz im Vatikan" und "Der Betrug des Jahrhunderts" eine Schriftenreihe, die den Titel "Lux in tenebris", d.h. "Licht in der Finsternis", verdiene... Aber wer solche Mordaffären in die Kirchengeschichte unserer Zeit hineinschmuggeln möchte, ohne sie zu beweisen, der l ü g t geradezu, wenn er behauptet, "Licht in die Finsternis" zu bringen!
Man kann es gut begreifen, daß Herr Kolberg nicht einmal anzugeben wagt, wo er sein "Licht in der Finsternis" drucken läßt: Wer diesem Menschen glaubt, daß er den römisch katholischen Glauben und die Kirche liebe und den Stellvertreter Christi verteidigen wolle, der muß ein Brett vor dem Kopf haben!
Ausgerechnet dieser Herr Kolberg möchte dem Leser weismachen, Jesus Christus sei heute noch "in jedem Tabernakel" unter Brotsgestalten gegenwärtig (S. 101), und die Gläubigen sollten vor jedem Tabernakel für die Rettung Pauls VI. aus der Hand Benellis beten. Mit dem Hinweis auf die Gefangennahme und den blutigen Tod des Apostelfürsten Petrus will Theodor Kolberg die Möglichkeit beweisen, daß Paul VI. auf ebenso geheime Weise im Vatikan ums Leben kommen könnte wie Papst Pius XII.: "Es gibt in der Ewigen Stadt Rom einen Mörder!" verkündet Herr Kolberg im Namen der Veronika Lueken von Bayside (S. 83).
Über die Bedeutung der Zahl 666 schreibt Herr Kolberg, sie sei in der ersten Zeit der Kirche bekannt gewesen; im Lauf der Zeit jedoch sei die Kenntnis der Bedeutung dieser Zahl verloren gegangen, und sie sei "Erst vom Herrn in Bayside erneut offenbart" worden (S.96). Einem aufmerksamen Leser fällt dabei jedoch auf, daß die Offenbarung der Bedeutung der Zahl 666 in Bayside nichts mit jener Bedeutung dieser Zahl zu tun haben kann, die dem Apostel Johannes in der Geheimen Offenbarung gegeben wurde. Denn der Apostel Johannes sagt, es sei die Zahl eines Menschen ("numerus hominis"), während die Veronika Lueken in Bayside behauptet, damit seien unter anderem sechs Dämonen gemeint, die in der Zeit vom 21. Januar 1971 bis zum 7. September 1974 aus der Hölle freigelassen worden seien.
Auch dieses Beispiel zeigt, daß Herr Kolberg und die Veronika Lueken sich nur an ganz unwissende Leser wenden. Mit Kolbergs Buch "Der Betrug des Jahrhunderts" verhält es sich ähnlich wie mit dem Buch von Alfred Rosenberg: "Der Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts": Auf jeder einzelnen Seite steht ungeheuer viel Unsinn.
Mit dem Buch "Der Betrug des Jahrhunderts" ist nicht der "Doppelgänger" im Vatikan entlarvt sondern niemand anderer als Herr Theodor Kolberg selbst und seine Freundin Veronika Lueken aus Bayside. |