DIE LITURGISCHE SPRACHE
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Fortsetzung von VII(5)211
Müssen wir denn nicht mit unserem "Ich" auch unsere Eigenart, die ja von ihm untrennbar ist, beim hochheiligen Opfer~sterben lassen? "Höre Tochter!", so ruft der Psalmist, "und scheu, und neige dein Ohr, und vergiß deines Volkes und des Hauses deines Vaters! So wird der König nach deiner Schönheit verlangen; denn er ist der Herr, dein Gott, und man wird ihn anbeten!" (12) In der Welt, in welcher wir leben, ist das Opfer der Eigenart zu Gunsten des Allgemeinen im Rahmen der Katholizität unumgänglich. Ein Nichtbefolgen löst das vinculum caritatis, das Liebesband auf, wodurch der, der sich auf diese Weise versündigt hat, aus der heiligen Kirche ausscheidet. Die Betonung des Spezifischen auf Kosten des Allgemeinen ist häretisch, da es die Katholizität nicht nur bedroht, sondern annulliert Sie ist zugleich ein schwerer Verstoß gegen das Hauptgebot der Liebe, wegen seiner eben angeführten Wirkung.
"Wenn also irgend ein Volk sich erklärt, nur unter der Bedingung durch die heil. Taufe in die wahre Kirche Christi eintreten zu wollen, wenn ihm in der Liturgie der Gebrauch seiner Sprache gestattet wird", bemerkt Barták, "wenn Schismatiker oder Häretiker zur kirchlichen Einheit nur unter derselben Bedingung zurückzukehren bereit sind (...) opfert die Kirche" (13) das, was Barták "Akzidentelles" nennt. Diese Forderung ist aber ein Zeichen eines mangelnden Opfergeistes, und eines mangelhaften Erfassen der Grundwahrheiten, was nur vorübergehend von der Kirche geduldet werden kann. Ein Privileg darf nie das Gesetz überschatten wie es heute leider allgemein geworden ist. Außerhalb des Gottesdienstes hat ein jeder tausend Möglichkeiten sich in seiner völkischen Spezifität auszuleben, solange dadurch die Nächstenliebe nicht verletzt wird.
Immer und immer wieder wird die slavische Liturgie der hl. Kirche vorgeworfen. Interessant ist, daß sie sich nicht in Polen, trotz der Nachbarschaft zu Rußland verbreitet hat, wohl aber im Großmährischen Reich. Die Gründe dazu, auf welche wir hier nicht näher eingehen können, waren hauptsächlich politischer Art. Den Germanen und Franken war das Latein ebenso fremd, wie den Slaven, und doch kam es zu keiner ernsten Forderung der Einführung ihrer Sprachen in die Liturgie. Papst Johannes VIII. gestattete zwar mit gewissen Einschränkungen, aus rein politischpastoralen Gründen die slavische Liturgie, Papst Stephan VI. verbot sie jedoch wieder, und als unter dem hl. Gregor VII. ihr Wiederaufleben von seiten des Königs Wratislaw angefordert wurde, wurde seine Bitte abgelehnt. Als Begründung gibt der hl. Gregor folgendes an: "Gott gefiele es manche Stellen der Heiligen Schrift verborgen zu lassen, damit nicht, wenn allen alles durchsichtig wäre, diese am Ende alltäglich werde und der Verachtung anheimfalle, oder schlecht von mittelmäßigen Menschen verstanden, in den Irrtum führe. Auch die Berufung hilfsnichts, daß einige religiöse Männer das, was das Volk in seiner Simplizität forderte, geduldig gestatteten oder unkorrigiert ließen, da die Kirche in den ersten Jahren vieles unberücksichtigt ließ, was später, nachdem das Christentum festen Fuß gefaßt hatte, und die Religion angewachsen war, von heiligen Vätern nach eingehender Überprüfung auagebessert wurde. Infolgedessen, damit nicht das geschehe, was von euren verlangt wird, gebieten wir aufgrund der Autorität Petri dieser Sache Einhalt, und ordnen Dir an zur Ehre des allmächtigen Gottes sich mit allen Kräften dieser eitlen Unbesonnenheit zu widersetzen"(14)
Zu Zeiten des Papstes Klemens VII. wurde bei einer Provinzialsynode in Paris (1527/28) eine ganze Reihe von Irrtümern verworfen, unter welchen auch der achte und sechzehnte Satz gehört, daß einfache Menschen Gebete lateinisch nur nachplappern würden, die sie nicht verstehen, weshalb die Messe in der Volkssprache gefeiert werden solle. Beide wurden als "error Bohemorum", Irrlehre der Böhmen (15) verworfen. Hieraus ist ersichtlich, wie die ausnahmsweise "per indultum" zugelassene slawische Sprache, nicht die erwarteten Früchte trug, und später sogar in die Häresie ausmündete. Deshalb weist Papst Benedikt XIV. auch daraufhin, daß das Schreiben Papst Gregor VII. mit dem Indult Johannes VIII., was die slawische Liturgie betrifft, nicht im Widerspruch ist, da es in der Kirche nichts neues ist, wenn das, was früher gestattet wurde, später infolge der Nachteile des Anstoßes und der Ärgernisse verboten wurde, was ja der, der solches gewählt hatte, nicht voraussehen konnte." (16) Wie wir schon bemerkt haben, bestanden in Polen solche Schwierigkeiten nicht!(17) Guéranger macht darauf aufmerkeam, daß wenn das Bestreben Gregor VII. (der in ganz Europa Ordnung schaffte; O.K.) bei den slawischen Völkern nicht auf einen so großen Widerstand gestoßen wäre, Rußland und die ihm unterworfenen Länder katholisch geblieben wären, und wir hätten nicht das Schisma zu beklagen." (18) Es bleibt einfach unerklärlich, daß nach solchen traurigen Erfahrungen, die Ausnahme allen gewährt wird, wie wir es heute erleben! Pallavicini betont, daß es unvernünftig ist, das, worüber die Kirche im Altertum die Augen geschlossen hatte, und was sich später als schädlich erwies, von neuem zu gestatten. (19) Schon der hl. Augustinus hat darauf hingewiesen, daß "wenn zwei Menschen zusammenkommen, (...) und gezwungen sind zusammen weiter zu gehen, keiner aber die Sprache des anderen versteht, leichter sich verschiedenartige Tiere zusammengesellen, als die beiden, obwohl sie Menschen sind." (20) Es ist also klar ersichtlich, daß die eine Sprache (una voce) eine unaufgebbare Forderung für die Katholizität ist! Vollauf berechtigt ist die Forderung Ledesimas, "wenn der Gebrauch der Volkssprache auch schon irgendwo eingeführt worden wäre, sollte sie als schädlich widerrufen werden. Denn es ist töricht, das, was die Erfahrung als unnütz (ja sogar schädlich; O.K.) erwiesen hat, von neuem einführen zu wollen oder verbissen darauf zu bestehen." (21) So verbot z.B. Alexander II. (1061-73) den Bischöfen von Dalmatien und Kroatien den Gebrauch der slawischen Liturgie mit dem Verweis, allein die lateinische oder griechische Sprache zu gebrauchen. Leider gab es in diesen Gegenden auf diesem Gebiete nie Ruhe! (22)
Bei der Verwerfung der Proposition des Erasmus, in welcher er sich gegen die Rezitation von Gebeten stellte, welche von den Rezitierenden nicht verstanden werden, beruft sich i.J. 1526 die Pariser Theologische Fakultät auch auf das Alte Testament, wo das einfache Volk so manche von Gott eingesetzte Zeremonien zu befolgen hatte, welche es nicht verstand. Zu behaupten, daß dies alles unnütz war, ist ihrem Gesetzgeber gegenüber blasphemisch und häretisch." (23)
Schon der hl. Augustinus weist darauf hin, daß - man möchte es als kleinlich betrachten - das "amen" und "halleluja" weder dem Lateiner noch dem Barbaren erlaubt ist in seine Sprache zu übersetzen, deren Bedeutung doch keinem Christen, wie ungeschult er auch wäre, unbekannt ist!" (24) Mit bezug auf das eben Gesagte klingt es fast komisch, wenn wir von dem Jubel lesen, der vor einigen Jahren in Südamerika erfolgte als ihnen die "Gnade" zuteil wurde "así sea" anstelle des ihnen angeblich unverständlichen "Amen" zu gebrauchen. Da können wir völlig klar sehen, wie weit wir uns vom Kern des hochheiligen Opfers entfernt haben, und wie das so angepriesene "jetzt schon verstehen" eigentlich ein krasses "nicht verstehen" ist!
Der hl. Thomas von Aquin kommt auf die drei Sprachen zu sprechen, in welchen der Kreuzestitel angeführt war, und betont, daß die hebräische Sprache wegen des Kultes des Einen Gottes, die griechische wegen der Weisheit, und die lateinische wegen der Macht benützt wurden. (25) Im Gottesdienst der Mater und Magistra, der Mutter und Lehrerin aller anderen Diözesen, sind alle drei Momente völlig berücksichtigt worden, weshalb, die Erhabenheit, Weisheit und Macht des Kultes der Diözese Rom immer und überall ihren Siegeszug gefeiert hat. De Lugo weist darauf hin daß nicht das Hören und Verstehen, dessen, was der Priester spricht, Ziel des Gottesdienstes für die Gläubigen ist, sondern das, was die Hl. Messe ist! Die Verpflichtung, die Messe zu hören, fordert nicht eine materielle, äußere Handlung, sondern eine heilige, nämlich die Darbringung des Opfers in Verbindung mit dem Priester. (26) Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die größte und hauptsächlichste Aufmerksamkeit dem eigentlichen Opfergegenstand zu widmen ist, dem "Ich", welches wir in Verbindung mit dem der gesamten Kirche im "Ich" Christi darzubringen haben, also dem Mit-leiden und Mit-sterben durch Christus, in Christus und mit Christus, damit wir, mit Ihm auferstanden, am himmlischen Mahle teilnehmen können. Unser mystischer Tod durch Christus, mit Christus und in Christus, das "mysterium fidei", muß der Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit sein! Dazu ist es aber nicht unbedingt notwendig, die Gebete des Priesters zu verstehen. Ja ihr "Verstehen", was nicht so leicht ist, kann sogar zum Hindernis der wahren Anteilnahme am Hochheiligen Opfer werden, wie schon Papst Pius XII. in seiner Enzyklika "Mediator Dei" und in seiner Instructio deutlich betonte. Also brauchen die Gläubigen nicht unbedingt wissen, was der Priester sagt (um am hochheiligen Opfer teilzunehmen), sondern, was sie zu tun haben, (nämlich sich selbst aufzuopfern). In Anbetracht so vieler Schwierigkeiten, welche sich immer und immer wieder in das Mit-Beten eindrängen, wird es in vielen Fällen für die Gläubigen besser sein, von dem Mit-Beten der Gebete des Priesters abzusehen.
Wenn es unterdessen dazu gekommen war, wie z.B. bei Johannes VIII., daß, wenn auch ungern, eine Dispens von der Regel gegeben wurde, so ist nicht zu vergessen, daß die Dispens die Regel bekräftigt, nicht schwächt! (27) Gerade das Gegenteil ist aber nach dem sogenannten II. Vaticanum geschehen. Obwohl auch nach ihm die lateinische Sprache in den lateinischen Riten Gesetz bleiben soll, die völkische ein Privilegium, wurde aus dem Privilegium ein Gesetz gemacht, und aus dem Gesetz ein Privilegium, welches außerdem noch höchst ungern gestattet wird!
Derartige Dispense, wenn sie zahlreicher werden, bedrohen das Band der Liebe, weil sie Gelegenheit zur Lostrennung und zum Schisma bieten. Es gibt kein klareres Zeichen der Liebe als die Einigkeit. Von den ersten Christen wurde gesagt: "Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele" (28) Darum ist es kein Wunder, wenn die hl. katholische Kirche gegen die Einführung der Volkssprache eine "starke Abneigung hatte und hat!" In den wenigen Fällen, wo es trotzdem dazu gekommen ist, besteht sie darauf, daß die ursprüngliche Form beibehalten wird und nicht etwa mit der veränderten Sprache auch sie geändert wird!" (29) So gewährte Paul V. durch sein Breve vom 27. Juni 1615 zwar die Übersetzung der hl. Schrift und den Gebrauch des Chinesischen beim Brevier, der heiligen Messe und Sakramentenspendung, nur sollte dafür nicht die gewöhnliche Volkssprache, sondern die Gelehrtensprache gewählt werden" (30), was allerdings den in Betracht kommenden Missionaren nicht genügte. Den Ritenstreit haben wir schon erwähnt! Theoretisch (und absolut genommen) besitzt die Kirche das Recht, den Ritus, also auch die Sprache, zu ändern. Praktisch, mit Bezug auf die dogmatischen Bedingungen und moralischen Folgen, ist dieses Recht jedoch nicht über den Rahmen einer Dispens hinaus zu verwirklichen bzw. anzuwenden.
Die hl. Kirche ist sich wohl bewußt, daß es Satan selbst ist, der mit der Einführung der Volkssprache auch die Einführung seiner Irrlehren beabsichtigt. So stellt sich Hosius die Frage: "Wer sind die, die so sehr (ihre Einführung) anstreben? (...) Niemand anderer, als neue Arianer (...). Was anderes beabsichtigen sie, alssich vom Leibe Christi, der Einen, heiligen katholischen und apostolischen Kirche zu trennen? Satan ist sich bewußt, daß dort, wo eine festverbundene Einheit besteht, er sie nicht überwinden kann. Infolgedessen sucht er wie ein Wolf die Herde auseinanderzutreiben, wie ein Habicht eine Taube aus der fliegenden Schar. Da er nicht genügend Kraft zum Kampfe gegen alle aufweist, trachtet er einzelne in die Vereinsamung zu treiben, und nützt alles dazu aus, um so viele wie nur möglich vom Körper Christi loszutrennen, um sie auf diese Weise für seine Nachstellungen empfänglich zu machen." (31) So trachtet der alte Feind des Menschengeschlechtes mit Hilfe der Religionsverderber, die ganze Religion zu vernichten. (32)
ANMERKUNGEN:
12) Psalm 44,11. 13) Barták, op.cit.34. 14) P.L. 148,col. 555. 15) Mansi 32, 1178 D/E. 16) Benedicti XIV Opera omnia, Tom. IX. De sacrosancto Missae Sacrificio, Lib.II. cap. II. pg. 69. 17) Hosius, De Sacro vernacule. 18) Epistola Prosperi Guerangerii ad Aeppum Remensem, bei Roskovány, Coelibatus et Breviarium, tom. V. Mon. 781. 19) Histoire du Concile de Trente, Pallavicini, Tom II. col. 1313, Paris 1863. 20) S. Augustini. De Civitate Dei, XIX c.7. 21) Ledesima, op.cit.146. 22) Benedikt XIV., op.cit.Lib.II.cap.II. 23) Roskovány, o. cit, Mon. 406. 24) De Cantu et Musica sacra a prima Ecclesiae aetate usque ad praesens tempus, auctore Martino Gerberto, Tom.I. pg. 56-58. Typis San Blasiensis 1774. 25) S. Thomae Aqu. Super Joannem 2422. 26) De Lugo, Responsa Moralia. De virtute Fidei divinae, Disp. XIII, sec. V. 122. 27) Bona, Rerum liturgicarum, Tom. I. Lib. I cap. V. De prima Missa ab Apostol. celebr. 28) Hosius, De Sacro vernacule, Ende. 29) Hosius, ebendort, pg. 64, 68. 30) Pastor, Geschichte der Päpste, 7. Auflage, 12. Seite 255 sq. 31) Hosius, De Sacro vernacule. 32) Ledesima, op.cit. 124.
|