MACHWERK EINHEITSGESANGBUCH
von Joachim May
"Ob das, was im EGB (-Einheitsgesangbuch) auf Gesangbuchebene übertragen wird, die vom Konzil beabsichtigte Liturgiereform darstellt, ist mehr als fraglich. Die echte Reform, die aus der Tradition organisch hervorwuchs, schlug sich in Diözesangebetbüchern, wie z.B.. dem Limburger, Südtiroler oder Freiburger (-Regeneburger), nieder. Mit diesen Büchern hatten wir lebendige Gemeinden, die sich an der Meßfeier beteiligten, wie es dem Wunsche des Konzils entsprach. - Das EGB dagegen scheint die 'Eindeutschung der römischen Liturgiereform' nur zum Vorwand zu nehmen (!), um breitere katholische Kreise im ökumenischen bzw. saekular-protestantischen Sinne umzuschulen. Das geschieht gar nicht so sehr durch die Aufnahme evangelischer Kirchenlieder, wohl aber durch eine bestimmte, das ganze Buch prägende modische Theologie (!), durch eine bestimmte modische Pastoral (!) und ein bestimmtes modisches Musikgefühl (!)"(DT 17.1.1973).
Diese unzweideutigen Tatsachen, die jeder nicht ideologischökumenisch verbildete Gläubige im EG jederzeit nachprüfen kann, waren und sind indessen nicht die Meinung des Chef-Machers des EG, des Weihbischofs Nordhues. In der Weihnachtsausgabe der DT 1972 erklärte er unumwunden, das EGB mindere die katholische Glaubenssubstanz nicht. Die ganze Verwirrung von Nordhues wird erkennbar, wenn der ehemalige protestantische Pfarrer Peter Pfeiffer erwiderte, es "ließen sich krasse Gegenbeispiele vor allem aus den in den Probeveröffentlichungen enthaltenen katechetischen Abschnitten anführen, aber auch aus der Vorauspublikation 'Gesänge zur Meßfeier' ..., die bereits endgültigen Charakter hat" (DT 17.1. 1973). Einige solcher Beispiele aus der Endfassung:
1. "Der ganze Schlußteil des Liedes ('Zu dir, o Gott, erheben wir ...') fällt unter den Tisch, weil da bisher zum Verdruß derer, die eine 'Eucharistiefeier' veranstalten wollten, gebetet wurde: 'Erfüll mit deiner Gnade Licht die Diener deines Thrones! Mach unser Herz von Sünden rein, damit wir würdig treten ein zum Opfer deines Sohnes!' Statt dessen heißt es jetzt einfach: 'Erfüll uns mit der Gnade Licht und schenk uns dein Erbarmen.' Die Änderung versucht, die hl. Messe als Opfer vergessen zu machen." Dieser Schluß ist zwingend: Katholische Glaubenssubstanz wird protestantisierend.auagetilgt. Dasselbe ist an zahlreichen anderen Stellen der Fall.
2. In dem Lied "Schönster Herr Jesus" (5. Strophe) ist "Jesus nicht mehr gegenwärtig 'im hochheilgen Sakrament', sondern 'durch dein Wort (1) und Sakrament'. Die veränderte Fassung ist zwar im Textzusammenhang theologisch nicht falsch, aber ökumenisch gefärbt, blaß und blutleer", die Akzentuierung der wesentlichsten Gegenwartsweise Jesu Christi, nämlich im Altarssakrament, wird "aufgelockert", abgeschwächt durch die typisch protestantische, weil im Protestantismus einzige Präsenz Jesu im, besser "durch" das Wort. Was sich in der Veränderung des Liedverses bekundet, ist die auch in der nachkonziliaren kirchlichen Gesetzgebung klar feststellbare Betonung der vielfachen Daseinsweisen Christi: im Wort, in der versammelten Gemeinde ("wo zwei oder drei ..."), in der Person des Priesters, im Altarssakrament. Das ist theologisch nicht falsch, aber zusammengesehen mit zahlreichen anderen Änderungen in den liturgischen Texten und Praktiken in der Nachkonzilszeit geht es dabei eindeutig um eine Schwächung der zentralen Anwesenheitsweise des verklärten Herrn in der Eucharistie und damit, da die Protestanten den katholischen Glauben von der Realpräsenz (vere realiter ac substantialiter - so im Tridentinum) nicht teilen, um ein Entgegenkommen gegenüber dem Protestantismus. Die Gleichrangigkeit der Gegenwartsweise des auferstandenen Christus im "Wort" und im Sakrament wird sich in das Bewußtsein der Gläubigen - derselbe Gedanke wird ja unentwegt auch anderswie akzentuiert - einschleifen, die Gleichwertigkeit und somit Austauschbarkeit von der hl. Messe und protestantischem Gottesdienst (eventuell mit Abendmahl) wird zur Selbstverständlichkeit werden, die Austauschbarkeit von (katholischem) Priester und nichtkatholischem Religionsdiener (dessen Aufwertung ja von protestantischer und katholischer Seite vehement betrieben wird) wird hinzukommen, der "Priestermangel" der Neukirche wird ein willkommenes Alibi dafür bieten, "notfalls" katholischen Gläubigen den Besuch eines nichtkatholischen Gottesdienstes zu empfehlen (was eventuell als "erfüllte Sonntagspflicht" zu Buche schlägt). Schließlich ist aus den geschilderten Denkweisen auch die Aufwertung, der Länge und dem Inhalt nach, des sog. Wortgottesdienstes in der NEUMESSE zu erklären, und wer beobachtet, daß dieser Wortgottesdienst mitunter doppelt so lang dauert wie die (zuweilen rasch und lieblos absolvierte) "Eucharistiefeier", der sieht genau, von welchen Voraussetzungen die Reformer, auch die des Einheitsgesangbuches, auagegangen sind und welche Ziele sie verfolgen.
3. In der 2. Strophe des Liedes "Es ist ein Ros entsprungen" sollte nach dem Willen einiger Reformer getilgt werden der Vers;i"... und blieb doch reine Magd", wofür die Worte "... welches uns selig macht" gesetzt werden sollten. "Der bisherige Text ... ist denen, die die jungfräuliche Unversehrtheit Mariens auch in und nach der Geburt leugnen, ein Ärgernis. Hier wird ein Dogma angegriffen!"
Inzwischen hat, besonders dank der pausenlosen Aktivität des "ideologischen Hauptkommissars" Rahner der dogmatische Relativismus und die Leugnung der Dogmen in der NEUKIRCHE weit um sich gegriffen. Man höre und staune, was Weihbischof Nordhues zu jener Verfälschung des Marienliedes vorzubringen hat: "Der erste Teil der 2. Strophe wird von den Evangelischen als marianische Aussage akzeptiert, nachdem lange Zeit das Wort 'Röslein' auf Christus statt auf Maria bezogen worden ist. Hier liegt das Zugeständnis an die Katholiken vor." Diese Argumentation ist unbegreiflich. Im ersten Teil der 2. Strophe heißt es: "Das Röslein, das ich meine, davon Jesaias sagt, Maria ist's die Reine ...". Wer "Röslein" oder "Rose" auf Christus bezogen hat, kann einen einfachen Text nicht lesen und verstehen. Der erste Teil der 2. Strophe ist eine marianische Aussage, er braucht als solche von den Protestanten nicht akzeptiert zu werden, und wenn sie diese Aussage nicht "akzeptieren" wollen, dann würde ein standfester Katholik gar nicht mit den Weigerern verhandeln, sondern sagen: Laßt es bleiben! Ein gläubiger Katholik, ein Bischof bettelt nicht um protestantische Zugeständnisse, er rechnet auch nicht ein protestantisches Zugeständnis in Händler-Manier gegen ein katholisches Zugeständnis auf. Das ist würdelos. Aber Ökumeniker sind nun einmal Schacherer ...
Man höre weiter, was Nordhues zur Begründung des Veraustausches sagt: "An die Stelle der mariologischen Aussage tritt eine christologische. Infolgedessen waren die Evangelischen bereit, das ganze Lied für den ökumenischen Bereich (!) anzuerkennen. Zweifellos liegt hier ein Zugeständnis an die Evangelischen vor." Völlig klar also: Der Ökumenismus lebt vom Kompromiß. Die katholische Seite, im Besitz der Fülle der Wahrheit, anerkennt die protestantische Partei als gleichberechtigt und ist bereit, Abstriche vom katholischen Glaubensgut zu machen.
Nachdem die Konzessionen ausgetauscht waren, heißt es in der Verlautbarung von Nordhues weiter: "Wichtig ist, daß durch diese Absprache das Lied für den ökumenischen Bereich gesichert wird, ohne daß Maria als Mutter Jesu Christi in Vergessenheit gerät." Offenbar verbucht Nordhues die katholischerseits erfolgte Tilgung des Dogmas von der immerwährenden Jungfräulichkeit als Erfolg. "Maria als Mutter Jesu Christi ist auf alle Fälle anerkannt", schreibt er. Darum war es doch gar nicht gegangen. Maria als Mutter Jesu wird ja doch von den Protestanten und von ten Ungläubigen nicht bestritten. Es ging um das Dogma von der immerwährenden Jungfräulichkeit, und das wurde geopfert. Die Anerkennung (!) des Liedes "für den ökumenischen Bereich" ist nur für den wichtig, der ökumenisch für katholisch setzt, also auf jene Dritte Konfession hinsteuert. Folgerichtig drischt er auf die Feststellung in der Zeitschrift "Suchen und Finden" (2/1973) herum, wo von "Verächtlichmachung der Marienverehrung" die Rede ist, und behauptet, der Autor dieser Worte habe "katholischen und evangelischen Bearbeitern eine Ungeheuerlichkeit unterstellt", die Zeitschrift ("Suchen und Finden", die damals noch kompromißlos katholisch war) sollte dem "ökumenischen Anliegen dienen und den Frieden zwischen allen Christen wahren", es sollten keine Ressentiments geweckt werden, "die dem Anliegen der Einheit schädlich sind".
Diese Auslassungen sind ungeheuerlich. Sie besagen nicht mehr und nicht weniger als: Katholiken dürfen sich gegen die Tilgung eines marianischen Dogmas nicht zur Wehr setzen, weil - diese Begründung spottet jeder Beschreibung - das "ökumenische Anliegen", der "ökumenische Friede", das "Anliegen der Einheit" gefährdet werden könnten. Für den treuen und gläubigen-Katholiken sind das alles gar keine "Anliegen". Er will in der Kirche den unverkürzten Glauben der Kirche auch im Lied bekunden. Er pfeift auf die Herstellung der sogenannten Einheit, wenn damit Abstriche vom katholischen Glaubensgut verbunden sind. Diese sogenannte Einheit ist weder ein erstrebenswertes Ziel noch ist die Methode (Ökumenismus) eine saubere, glaubenstreue Weise des Vorgehens.
DAS ERGEBNIS
Schlägt man die Endfassung des "Einheitsgesangbuches" auf, dann findet man dort zwei Fassungen des Liedes "Es ist ein Ros entsprungen".
a) Der bisherige katholische Text behält den Vers " und blieb doch reine Magd" bei (Nr. 132). b) Eine zweite "ökumenische Fassung" (Nr. 133) tilgt diese Verszeile und setzt dafür "welches uns selig macht".
Hier wird das Wesen des Ökumenismus und zugleich auch des fatalen Pluralismus offenbar.
Wenn man unter Katholiken ist, darf man die bisherige Aussage ("und blieb doch reine Magd") singen und damit auf dem Boden des katholischen Dogmas bleiben.
Ist man mit Protestanten zusammen (oder anderen nichtkatholischen Denominationen), wird durch Absingung des Verses "welches uns selig macht" das katholische Dogma gestrichen. Das heißt klipp und klar: Ökumenismus ist ad-hoc-Leugnung des Katholischen, damit die Schafe gemeinsam blöken. Der Katholik soll offenbar - bestenfalls noch - zweispurig denken: katholisch und ökumenisch. Es steht außer Zweifel, daß diese schizophrene Zumutung schließlich zur Auslöschung des Katholischen führen muß. Wenn das Profil verwischt wird, rinnt mehr oder minder rasch auch die Substanz aus, zumal diese auch in den anderen nachkonziliaren Texten verwässert, unscharf, ambivalent gemacht worden ist. Der neue Pegel, der anvisiert wird, ist die protestantische Position. Daher ist es berechtigt und notwendig, jeden, sei es auch, wer immer, der behauptet, der Ökumenismus schwäche die katholische Glaubenssubstanz nicht, einen Ignoranten oder einen Lügner zu nennen, und da diese Leute vielfach wider besseres Wissen handeln und sprechen, wird man ihnen durch Hinzufügung des Attributs "zynisch" ihre ganze Unverfrorenheit ins Gesicht schleudern müssen.
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