DER AFFE GEHT AUFRECHT ODER: RÜCKBESINNUNG AUF MAHNENDE STIMMEN
von Peter Laudert
Auf dem Büchermarkt ist neulich ein Buch erschienen mit dem mehrdeutigen Titel: "Der kiffe gebt aufrecht". Ohne Zweifel~ reiht sich der Verfasser in die zeitgemäße Legion der Darwinisten ein, welche die Abstammung des Menschen vom Affen nachweisen wollen. Nichts anderes wird ja auch unseren Kindern in den Schulen beigebracht. Der Erfolg bleibt nicht aus, denn vom Elternhaus ist kaum noch eine geistig-sittliche Prägung zu erwarten. Es ist doch so befreiend, vom Affen abzustammen, denn es entbindet von den Verpflichtungen gegenüber dem Dreifaltigen Gott.
Der Arzt Joachim Bodamer schreiet in einem seiner auagezeichneten und darum verfehmten Bücher, daß "der moderne Mensch, dessen seelische Glaubenskapazität durch Ideologien, wirtschaftliche Reklame und pseudoreligiöse Propaganda vollauf in Anspruch genommen ist, der innerlich gar keinen Standort mehr hat, von dem, sich abstoßend, er die Bewegung des echten Glaubens, die Richtung ins Jenseitige finden könnte, der sich und seine Welt durch eine technische Mobilisation in einer so rasanten Dauerbewegung hält, daß er dem Glaubensanspruch durch Geschäftigkeit entgeht, dieser moderne Mensch, der nur noch ökonomisch denkt, psychologisch fühlt und vorwiegend zweckhaft handelt, dessen Götter Lebensstandard und steigende Produktivität heißen und der mit einer geradezu barbarischen Naivität davon überzeugt ist oder doch es vor kurzem noch war, daß durch die Verbesserung der Lebensbedingungen der Mensch einen höheren Rang erringe, glücklicher und besser werde, weil er leichter und unbeschwerter lebe, der Not, Schicksal, Schmerz und Krankheit aus seinem Dasein entfernen will, der sich selbst nicht nach seiner Seinsfähigkeit, sondern nach seiner Arbeitsfähigkeit einstuft, also nach seiner Funktionalität, und damit der Maschine die Würde einer ihn richtenden Instanz zubilligt, (...), der - mit einem Wort nicht mehr weiß, wer er ist, und nicht mehr beurteilen kann, was er tut" nicht mehr fähig ist, den göttlichen Auftrag zu erkennen und durch zuführen. (Bodamer, Gesundheit und technische Welt, 1960, Seite 202) Wilhelm Röpke folgert ähnlich (in "Jenseits von Angebot und Nachfrage", 1961, Seite 30): "Der neue Menschentypus (...) ist der 'fragmentarische, desintegrierte' Mensch, das schließliehe Endprodukt fortschreitender Technisierung, Spezialisierung und Funktionalisierung, die die Einheit der Persönlichkeit zersetzt und im modernen Massendasein auflöst, die Kümmerform vom Homo sapiens, die der vor allem durch die Technik bestimmte Zivilisationsprozeß geschaffen hat, die geistig-moralische Zwergwuchsrasse, die sich willig, ja freudig, weil erlöst, zum Rohstoff des modernen kollektivistisch-totalitären Massenstaates gebrauchen läßt. Es wäre aber auch zugleich der geistig heimatlos und moralisch schiffbrüchig gewordene Mensch, dessen Fähigkeit zur echt religiösen Glaubenshingabe und zur Pflege der überlieferten Kulturwerte durch die fortschreitende 'Intellektualisierung' und 'Bewußtseinserhellung' aufgelöst wird." Der holländische Geschichtsphilosoph Johan Huizinga diagnostiziert 1943 in seinem Werk "Geschändete Welt": "Hier erhebt sich die Frage, ob man wirklich glaubt, die Zeit stehe bevor, da Menschen von durchschnittlichem geistigen Niveau sich wieder von Vorstellungen wie dem Kreuzestod und der Auferstehung, der Auserwählung und dem Jüngsten Gericht gänzlich werden durchdringen lassen. Man bedenke, daß eine solche Durchdringung nicht (nur) ein religiöses Bekenntnis zu den Dogmen, sondern eine Erfüllung des ganzen Lebens und also auch der Kultur mit jenen Vorstellungen bedeuten würde. Die Annahme, daß solche Wendung bevorstehe, scheint mir vermessen." -
Was Wunder, wenn auch der französische Philosoph Gabriel Marcel beklagt, daß sich bei zahllosen menschlichen Wesen keine endzeitliche Geisteshaltung mehr findet und daß in der Welt von heute ein Wesen desto mehr das Bewußtsein seiner inneraten und tiefen Wirklichkeit verliert, je mehr es von allen mechanischen Dingen abhängt, deren Funktionieren ihm ein erträgliches materielles Leben gewährleistet. Professor Gundlach, der sich unter Papst Pius XII. einen Namen in gesellschaftspolitischen Fragen gemacht hat und dessen Entwurf für Johannes XXIII. Sozialenzyklika "Mater et Magistra" übrigens ungenutzt blieb, führte 1955 aus: "Das rein diesseitige ethische Pathos um die wahre 'Innerlichkeit' des Daseins durch Arbeiten, Produzieren und Tätigsein überhaupt greift um sich. Der Religionsersatz in einer Art von 'Frömmigkeit' um die 'produzierende Gesellschaft' ist ebenfalls schon spürbar. Die 'Freiheit' von 'abstrakten Normen", von 'starren Gegebenheiten' wie Kirche und Dogma ist eine alte, nur wieder verstärkt aufgenommene Melodie im Kult des konkretlebendigen Tuns aus 'reiner Innerlichkeit'. Hommes hat schon recht, wenn er schreibt: 'Diese im weiteren Sinne verstandene materialistische Geschichtsauffassung zieht heute durch alle politischen und religiösen Lager hindurch immer weitere Kreise."'
Nachdenklich stimmt auch ein Artikel aus dem "Wiesbadener Kurier" vom 03.04.64 ("Bild einer entwurzelten Jugend"): "Am weitesten verbreitet indes und zugleich am schwersten erkennbar sei eine moderne Form der Mystik als geheime Religion, in der sich der Mensch selbst zum Mittelpunkt der Welt zu machen versuche, sich 'vergotte', indem er sich in sich selbst versenke. Die Voraussetzung zu dieser Geisteshaltung liege in dem Verlust des Glaubens an Gott und des Leben nach dem Tode im christlichen Sinne. Gott sei in eine Unfaßbare Ferne gerückt, die Welt löse sich immer mehr in ein sinnloses Leben auf, Geborgenheit gebe es in der Atomwelt der Gegenwart nicht mehr. So bleibe dem Menschen nur der Funke des Daseins in der eigenen Brust, er rede unverhohlen von seiner Sterblichkeit und seinem Totgeweihtsein wie nur je der Mystiker früherer Zeiten. (...) Die Folge seien Vereinsamung, Kontaktlosigkeit und die Befähigung zur plötzlichen Ekstase, die vor allem als Phänomen bei der modernen Jugend zu beobachten sei."
Es ist nur zu selbstverständlich, daß fiese Entwicklung, hier von verschiedenen Stimmen weitergegeben, dem Menschen kein Glück, nach welchem er ja so sehr strebt, gebracht hat, nicht bringen wird und nicht bringen kann. Die gepriesene Selbstbefreiung, der kantianische "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit", nämlich die Abkehr vom Offenbarungsglauben hat die Triebkräfte des Menschen entfesselt, hat ihn zu einem von den täglich neuen Ansprüchen des Zeitgeistes gejagten und gehetzten Wesen gemacht. Der Mensch hat sich damit zum Affen gemacht. Einer schaut auf den Anderen, Gott aber ist für ihn tot. Der Mensch will nicht mehr Ebenbild Gottes sein oder, um mit dem Atheisten Ludwig Andreas Feuerbach zu sprechen: der Mensch schuf einen neuen Gott nach seinem eigenen Ebenbild. In seiner Selbstvergottung geht er aufrecht und zwar gemäß dem kollektivistischen Gleichheitsfimmel ein Jeder im gleichen Maße; es gibt nun die Kollektivseele, die Kellektivfreude und den Kollektivhaß. Kein transzendentes Gesetz bietet sie aber untereinander. - Es mag Nostalgie sein, daran zu erinnern, daß früher die Handwerksburschen fröhlich ihre Arbeit verrichteten, daß man unter der Dorflinde saß und sang: "Was frag' ich viel nach Geld und Gut, wenn ich zufrieden bin". Ein solches Lied wäre heute so unannehmbar wie die alten Kirchenlieder. Heute heißt es: "Meine Ansprüche sind unendlich, und wenn sie nicht befriedigt werden, dann werde ich böser" Es gilt allenthalben nach den Ausführungen eines Psychologen in einem Ratiovortrag das "amerikanische Märchen": 1. Leistung ist absolute Norm, 2. Besitz ist untrügliches Zeichen des Erfolges, 3. Jeder Einzelne ist Teil vom Ganzen und mit diesen identisch, 4. Geistig gesund sein beteutet, keine Probleme haben, 5. Wer nicht permanent glücklich ist, der ist abnorm." Über den Wandel der Tugenden wird permanent diskutiert. Die Frage, was Wahrheit ist, wird, weil sie täglich neue Motivationen erhält, pervertiert. "Die Dummheit rast durch die Welt " (Kuehnelt-Leddihn). Alles wird in Frage gestellt, hinterfragt, solange bis es dem Zeitgeist assimilierbar geworden ist. Am Schluß aber ist die Hand leer. Über solche Hinterfrager bedenke man mit Gabriel Marcel: "Aber am schwersten wiegt daß sie dadurch in Wirklichkeit dazu beitragen, eine Menge rechtschaffener Menschen dazu zu bewegen, (...) sich selbst und ihre Überzeugung in Frage zu stellen, die sicher nicht dazu gelangt, sich genau darzustellen, oder die nicht einmal wagt, sich zu formulieren. (in: "Der Philosoph und der Friede", 1964, S. 52)
Genug der Diagnosen, gibt es Rezepte? "Was nottut, ist die gelassene, ruhige, aber dann auch unerschütterliche und richtunggebende Besinnung auf Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenwürde, Ehrfurcht vor dem Leben und den letzten Dingen und die pflegliche Bewahrung und Befestigung der geistig-religiösen Grundlagen all dieser Werte und Lebensgüter, Förderung der dem Menschen gemäßen Formen des Daseins, die allem diesem Halt und Schutz geben." (in: Röpke: "Jenseits von Angebot und Nachfrage", S.169) "Die Torheit des Handelns im Einzelfall hat ihren tiefsten Grund in der Torheit der Seele, die sich dämonisch gegen göttliches Sein verschließt. Das Handeln wird irrational, wenn es durch ein falsches Bild von der Seinaordnung und der Stellung des Menschen in ihr bestimmt wird; und umgekehrt hängt die Richtigkeit des Handel~s von der Richtigkeit des Ordnungsbildes ab, das der Mensch in seiner Seele trägt und in ihr wirken läßt." (in: Voegelin, Eric: "Erziehung zur Freiheit", 1959, S.370)
Was ist von den modernen, von den modischen Meinungsmache~n zu halten? Antoine de Saint-Exupéry, ein französischer Schriftsteller, sagt deutlich: "Die Menschen haben keine Achtung mehr voreinander. Als seelenlose Gerichtsvollzieher zerstreuen sie ein Mobiliar in alle Winde, ohne zu wissen, daß sie ein Königreich zugrunde richten". (in: "Südkurier" S.151)
"Der Affe geht aufrecht" lautet der erwähnte Buchtitel. Bezagen auf das Geistig-Religiöse darf man schlußfolgern: nur der Affe gebt aufrecht' Uns erinnert der Herz-Jesu-Monat an die Worte Jesu Christi:
"Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen." (Mt. 11,29) |