ES BEGANN IM PARADIES!
von H.H. Dr.theol Otto Katzer
II.
Das sog. zweite Vatikan. Konzil betont wohl, wie auch nicht anders möglich ist, die Notwendigkeit, vor der Einführung scheinbarer oder wirklicher Neuigkeiten, vorerst den Glaubensschatz zu befragen. Dem umgeht man aber leicht, indem man sich auf die Neuinterpretation der Beschlüsse beruft. Auf diese Weise haben sich nun ausgesprochen häretische Anschauungen eingeschlichen, wie aus der täglichen Erfahrung nur leider zu bekannt ist. Das schlimmste jedoch ist die verkehrte Einstellung: Nicht die Wissenschaft, d.h. die theol. Interpretation der Offenbarung, hat sich nach dem Glauben zu richten, sondern der Glaube nach der Wissenschaft, ebenso die Moral. Zu welch verkehrten Anschauungen es gerade auf dem Gebiet der Moral da kommen kann, gibt das zwanzigste Jahrhundert ein trauriges Zeugnis.
Leicht wird vergessen, daß der Glaube eine von Gott eingeflossene Tugend ist, deren Auswirkung von der moralischen Qualität des so Begnadigten abhängig ist. Wenn auch der Verlust der heiligmachenden Gnade nicht immer zugleich den Verlust der göttlichen Tugend des Glaubens bedeutet, wozu es sofort bei einer schweren Sünde gegen den Glauben oder die Hoffnung kommt, so ist die Heiligkeit dieses von Gott anvertrauten Lichtes doch immer geschwächt. Von dem Augenblick des Verlustes der Tugend des Glaubens an kann aber nicht mehr von einer Fähigkeit in Wahrheit Theologie zu betreiben gesprochen werden. Das "Dasein und Wesen der Theologie ist durchaus vom göttlichen Glauben abhängig. Eine ungläubige Theologie bietet tatsächlich nur einen krassen Fall der Kategorie vom hölzernen Eisen."(l) Dabei ist es völlig belanglos, ob solch ein sog. unglücklicher Theologe den katholischen oder nicht katholischen Reihen entstammt. Die praktische Leugnung des Dogmas ist eine nur natürliche Folge. Wenn sich heute auf diesem Gebiete Schwierigkeiten zeigen, so ist das einzig und allein deshalb, weil ein großer Teil der Theologen, - welche kirchliche Würde sie auch bekleiden - den mit dem Tridentinisch-Vatikanischen Bekenntnisse verbundenen Eid gebrochen hat. Ein Bild von den verheerenden Folgen kann sich nur ein gläubiger Fachtheologe machen. Sich über das Dogma mit der Berufung auf eine Neuinterpretation hinwegzusetzen, ist absolut unannehmbar, denn die Formulierung eines doktrinärren Schlusses darf nicht umgeändert werden, wie aus der Verordnung des Papstes Agatho an seine Gesandten, den Kaiser und das ganze VI. allgemeine Konzil zu Konstantinopel ersichtlich ist: "Nichts von dem, was regelrecht definiert wurde, darf weder geschmälert, noch umgeändert oder erweitert werden; alles muß dem Wortlaute als auch dem Sinne nach unverletzt erhalten bleiben."(2)
Doch bleiben wir bei diesem sog.pastoralen Konzil. Daß es in der Geschichte der Kirche um das Wohl der anvertrauten Herde besorgte Männer genug gab, wobei stets zu bedenken ist, daß sie unter der Leitung des Hl. Geistes standen, wird wohl niemand leugnen. Auch ihnen boten sich viele Möglichkeiten an, bevor sie jedoch an die Realisierung heranschritten, befragten sie zuerst das kirchliche Lehramt. Hätte es bloß 10 solche Anfragen pro Jahr gegeben, dann müßten wir bei den zwei Jahrtausenden der Kirchengeschichte mit etwa 20tausend Beschlüssen rechnen, an welchen nicht mehr zu rütteln ist, und welche für die ganze Ewigkeit so weiter unverändert bestehen müssen, wie auch bedingungslos respektiert werden müssen. Das wurde beim I. Vatikanischen Konzil ebenfalls besprochen: "Tausente und abertausende dogmatische Urteile wurden vom Apostolischen Stuhl herausgegeben"! (3) Doch wer gibt sich die Mühe nachzuschauen, besonders von denen, die glauben, gescheiter als ihre Vorgänger zu sein und es mit fortgeschritteneren Schäflein zu tun zu haben.
Alles war schon dagewesen, alles wurde schon angefeindet: Der Glaube, die Sitten, die Liturgie, die Sakramente als auch die Sakramentalien. Beschlüsse folgten auf Beschlüsse, um besonders von einigen zu sprechen: Das Tridentinunm, Alexander VII., die Bulle "Unigenitus" von Clemens XI., die Konstitution Pius VI., "Auctorem fidei", die Enzyklika "Quarta cura" von Pius IX., samt dem anschließenden ''Syllabus", die Enzyklika "Pascendi" von Pius X., wie auch sein "Syllabus" und der geforderte Antimodernisteneid usw. Das alles half rein nichts, so schritt man erneut an die Korrektur der Partitur des Evangeliums, wie sie vom höchsten Lehramt ausgearbeitet wurde.
Die Ursache des Scheiterns liegt aber nicht in der Lehre, sondern in uns selbst!
Ja, das sog. II. Vaticanum war ein pastorales Konzil. Die erste Aufgabe der Pastoration ist jedoch die "Cognitio ovium" - d.i. das Bekanntwerden mit den Schäflein. Das ist das Einmaleins der Pastoration! Wie oft ist es aber dem Seelsorger selbst beim besten Willen, der nicht immer vorhanden ist, gelungen, mit den ihm anvertrauten Schäflein persönlich in Berührung zu kommen? Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, da müßten wir mindestens das zehnfache an Priestern haben. Um dieses zu erreichen, hat man ihre Ausbildung umgebaut, die niederen Weihen gestrichen. Auch das ist keine allzu große Neuigkeit! Wenn diese auch nicht gerade schon früher gestrichen wurden, so wurden wenigstens die Zwischenzeiten, Interstitien an manchen Orten gekürzt. Dazu sagt die Synode von Bordeaux im Jahre 1624: "Es ist sehr klug und göttlich eingerichtet, daß die Diener der Kirche über so viele Stufen zum Priestertum emporsteigen müssen. Wenn bei pünktlicher Beobachtung der Zwischenzeiten (bei den einzelnen Weihen) die Zeit fleißig zur Einübung der kommenden Verpflichtungen benutzt würde, dann hätten wir in der Tat Diener der Kirche von evangelischem Leben!" (4) Da durch die erfolgte Abschaffung der niederen Weihen auch die Einwirkung des Heiligen Geistes eigenmächtig unterbrochen wurde, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sich die Seminare leeren. Näher darauf einzugehen, ist hier nicht möglich.
Welches Ausmaß an angewandter Psychologie und Pädagogik der Seelsorger benötigt, davon kann man sich kaum eine Vorstellung machen. Seine Aufgabe ist es: "Christus den Gekreuzigten predigen" (5), wohlgemerkt: Christus predigen - nicht über Christus predigen!!!), so daß er mit dem hl. Apostel Paulus sagen kann: "Noch einmal leide ich Geburtswehen um euch, bis Christus in euch Gestalt gewinnt." (6) Doppelt ist sein Wirken, (soll es wenigstens sein), was die Menge anbelangt: Die Kanzel und die Schule; was das Individuum angeht: der Beichtstuhl. Besonders, was das individuelle Wirken, die Seelenführung betrifft, erfordert sie vom Seelsorger eine theoretische wie auch praktische Kenntnis der Aszetik und der Mystik, damit nicht etwa vorkommt, daß er eine von Gott auserwählte Seele auf Abwege führt, oder wenigstens im Flug nach oben zurückhält. (7)
Unser religiöses Leben wurde verpolitisiert, zur Vereinsmeierei. Als guter Katholik gilt der, der womöglich am Sonntag und am Feiertag den Gottesdienst besucht, die entsprechenden Beiträge zahlt, wo es Brauch ist, etwa einer Bruderschaft angehört. Dabei vergessen wir, daß selbst in der Politik die sog. kath. Politik nicht immer Politik von Katholiken ist. Ja wir müssen sagen, daß, wenn vor dem ersten Weltkrieg nur 20% der Katholiken wenigstens 50% ihrer Verpflichtungen nachgekommen wären, es weder zum ersten noch zum zweiten Weltkrieg hätte kommen können. Sie hätten soviele positive Werte aufkommen lassen, daß sich die negativen nicht hätten durchsetzen können. Bedenken wir nur, wie es im Ehe- und Familienleben aussieht, welche Auswirkungen dies alles auf das öffentliche Leben haben muß, dann werden wir uns nicht über die traurige Bilanz unserer Zeit wundern. Wir reformieren alles mögliche, nur nicht uns selbst, wie wir es tun sollten. Ist es da gar so sonderbar, wenn, "um der Sünden des Volkes willen, ein heuchelnder Mensch regiert?" (8) "Vergleichen wir nun", so warnt Foerster, "die Seltenheit der sich mit Moral befassenden Bücher, mit denen, die sich mit der geistigen Kultur befassen!" (9)
Zum Abschluß nehmen wir uns die Ermahnungen der Legaten des Apostolischen Stuhles an die vereinigten Konzilsväter zu Beginn des Konzils von Trient zu Herzen, (im Auszug):
"Die Aufgabe des Konzils ist: Die Ausrottung der Häresien, die Reform der kirchlichen Disziplin und Sitten (also nicht der Kirche!), der dauernde Friede für die gesamte Kirche!
Wenn wir glauben, daß wir dies auf eigene Faust erreichen können, dann täuschen wir uns gewaltig, da es allein durch Christus geschehen kann, den uns Gott-Vater als einzigen Hüter und Hirten gegeben hat und ihn mit aller dazu notwendigen Macht ausgestattet hat. Auf diese Weise würden wir von Grund auf irren und Gottes Zorn noch mehr herausfordern. Denn wenn wir fügen zu den oben angeführten von uns verursachten Übeln noch die übergroße Sünde hinzu, daß wir die Quelle des lebenden Wassers verlassen, und glauben, mit eigenen Mitteln und eigener Klugheit Abhilfe schaffen zu können.(...) Was einst Christus aus seiner unermeßlichen Liebe zu seinem Vater, und aus Barmherzigkeit uns gegenüber getan hat, das fordert die Gerechtigkeit von uns. Treten wir Hirten nur hin vor den Richterstahl der Barmherzigkeit Gottes, und bekennen wir uns selbst offen schuldig, an all dem Leid, das die Herde Christi bedrückt.Nicht so sehr aus Frömmigkeit, sondern aus Gerechtigkeit, denn wahrlich wir sind schuld an all dem Übel, und bitten um Erbarmung durch Jesus Christus. Waren es denn nicht wir, die die Häresien, Sittenverfall, die inneren und äußeren Kriege, durch unsere Saumseligkeit haben aufkommen lassen? Und als die unglückselige Saat aufgekommen war, ließen wir sie ruhig weiterwachsen, machten uns nicht ans Jäten heran, weshalb wir genau so schuldig sind wie die, die die Saat gesät haben!" (1+)
Solange unsere Priesterseminare Laboratorien bleiben, in denen die künftigen Priester mit dem Skalpell der Logik die Vorstellung oder den Begriff von Gott sezieren werden, und nicht Oratorien, wo sie betend studieren und studierend beten werden, ist kein Frühling zu erwarten!
MUTTER, ERBARME DICH, UND SCHENKE UNS HEILIGE PRIESTER!
Anm.: 1. Eschweiler, a.a.O. S. 200. 2. P.L. 87, 1164. 3. Coll Lac. VII. S.401 d. 4. Mansi 34, 1556 B. 5. 1 Kor. 1,23. 6. Gal. 4,19. 7. Tanquerey, Précis de Theologie, Descleé 1946, S.23 ff. 8. Job 34,40. 9. Foerster, a.a.O. S. 7. 10. Mansi 33,9 ff.
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