ZUR FRAGE DER KIRCHLICHEN AUTORITÄT
von Reinhard Lauth
Es ist immer gut, daß man sich bei einer solchen Auseinandersetzung wie derjenigen, in der wir heute in der Kirche stehen, auf das Wesentliche des Kampfes zurückbesinnt. Was macht uns gerade zu katholischen Christen, sollten wir uns fragen, und warum kämpfen wir für den katholischen Glauben? Wir können das in einer gewissen Weise von unseren entschiedenen Gegnern lernen; denn sie greifen gerade dieses Wesentliche an. Luther z.B. wußte, worum es geht. Sein Kampf hat ein ganz bestimmtes Ziel: die Zerstörung der Heiligen Messe, der Kampf gegen das allerheiligste Sakrament des Altares.
Wir glauben nicht nur an Gott; das tun auch die Heiden. Wir glauben auch nicht nur an eine Offenbarung Gottes; das tun auch die Juden und die Mohammedaner. Wir glauben daran, daß Gott sich geoffenbart hat, weil er sich von Person zu Person als menschgewordener Gott uns vollkommen verbinden will. Infolge des Sündenfalls der Menschen war dies nur in der Weise möglich, daß Gott unsere Sünden, die wir nicht zu sühnen vermögen, auf sich genommen und sie getilgt hat, in dem er schuldlos für uns gelitten hat, gestorben ist und so Genugtuung geleistet hat. Erst über dieses Sühnopfer vermag er mit uns den gewollten Liebesbund einzugehen.
Wir wissen aber und bekennen: Christus hat nach Seinem eigenen heiligen Willen nicht nur ein einziges Mal in der Zeit Genugtuung geleistet und unsere Sünden getilgt, sondern er hat gewollt und er will, daß wir immer wieder an der konkreten Erlösungstat konkret teilhaben können. Dazu hat er das allerheiligste Sakrament des Altares eingerichtet, damit die Gläubigen ständig an Seinem sich erneuernden - wenn auch jetzt unblutigen Opfer - teilnehmen und sich mit ihm geistig und leiblich vereinigen können. Das ständig sich wiederholende Opfer, gültig dargebracht, die ständige Gegenwart des Herrn auch im Fleische unter uns, - das ist es, was wir katholische Christen allein bekennen. Darum ist der innerate Punkt unseres Glaubens das allerheiligste Sakrament des Altares, das wir durch Wort und Tat bekennen. Das Priestertum, einschließlich des Papsttums, dienen diesem zentralen Mysterium. Deshalb ist es grundfalsch, die katholischen Christen als Papisten zu bezeichnen. Nicht das ist der Mittelpunkt unseres Glaubena. Wir haben Priester, damit das unblutige Opfer Christi erneuert werden und Christus sich bis ans Ende der Zeiten immer von neuem mit den Seinen leiblich in der Heiligen Kommunion vereinigen kann. Und nicht: wir haben das Sakrament des Altares, damit wir Priester und einen Papst haben können.
Diese Einsicht hat uns veranlaßt, von Anfang an das allerheiligste Sakrament des Altares zum Zentrum unseres Kirchenkampfes zu machen. Wenn Sie unseren Kampf verfolgt haben, werden Sie sich erinnern, daß unser erstes Plakat schon auf das Wort Papst Pius XII. verwies, Altar und Altarsakrament gehörten zusammen. Der Tabernakel darf nicht vom Altar entfernt werden.
Wir haben damals, um uns, soweit das menschlich möglich ist, in diesem Bruderkampf, der niemand leicht fällt, zu vergewissern und zu stärken, Pater Pio in San Giovanni Rotondo die Frage gestellt: Was sollen wir in dieser kirchlichen Situation tun? Seine Antwort lautete: Sich allem energisch widersetzen, was im geringsten auch nur eine Minderung der Verehrung des Heiligsten Altarsakraments oder der Kirche bedeuten würde. Wir haben damals eine Unterschriftensammlung für den Verbleib des Sakramentes auf dem Altar veranstaltet und das Buch zu Pater Pio hinaufgetragen. Wir haben es ihm vorgelegt, und er hat sich genau informiert. Sie kennen alle das Photo, das über dem Weihwasserkessel am Eingang unserer Kirche hängt: Pater Pio hat unser Werk gesegnet.
Vielleicht ist es an dieser Stelle ganz gut, wenn ich erwähne, daß Pater Pio dagegen war, daß ein Priester die Messe in der Volkssprache las. Als er vom Guardian des Klosters aufgefordert wurde, die Hl. Messe versus populum zu lesen, wies er seinen Vorgesetzten darauf hin, daß dies nicht erlaubt sei, und nur auf den ausdrücklichen Befehl des Guardian hin folgte er im Gehorsam, aber mit zerrissenem Herzen. Natürlich hat er keine andere als die alte heilige römische Messe zelebriert.
Ich komme zu unserem Problem zurück: Unsere entschiedene Verteidigung galt dem Sakrament des Altares und der Hl. Messe, als dem Zentrum unseres Glaubens. Und ich denke, wir können das heute als eine historische Tatsache feststellen: wir waren die einzigen unter den Reformgegnern, die es vorausgesehen haben und sich darauf eingestellt haben: das Zentrum der Angriffe der Reform werde die Hl. Messe und das allerheiligste Altarsakrament sein. Wir haben heute den Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte, wie ihn der Prophet Daniel vorhergesagt hat und Christus selbst als Zeichen der Endzeit benannt hat. "Das tägliche Opfer hat aufgehört".
Und diesem entspricht ein Zweites, das damit verbunden ist, von dem der hl. Paulus gesprochen hat: zugleich mit dieser Verwüstung wird der Antichrist sich in den Tempel Gottes setzen; ja, er wird sich für Gott selber ausgeben. Den ersten Teil dieser letzteren Prophetie haben wir erlebt: den großen Abfall, mit dem zugleich der Mensch der Gesetzlosigkeit offenbar wurde, "der sich über Gott und alles Heilige erhebt". Daß er sich für Gott ausgeben wird, das zu erfahren steht uns noch bevor.
Der entscheidende Vorgang, der das Hl. Meßopfer zerstört hat, ist selbstverständlich nicht der Gebrauch der Vulgärsprache - deren Erscheinen allerdings immer ein Zeichen wirksamer Häresie war -, sondern die Fälschung der Wandlungsworte. Wir müssen dabei immer zweierlei im Auge behalten, zwei gleich gravierende Tatbestände. Der erste ist, daß dem Herrn falsche Worte in den Mund gelegt werden. Christus hat bei der Einsetzung des allerheiligsten Altarsakramentes nicht gesagt, daß das Blut des Bundes zur Vergebung der Sünden "für alle" vergossen wird, sondern nur: "für viele". Das wird am deutlichsten im Evangelium des hl. Matthaeus, wo die Worte alle und viele im selben Atemzug vorkommen: "Nehmet und trinket alle daraus, denn dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird." (Nicht für "die vielen", hoi polloi, sondern "für viele" peri pollon; nicht: peri ton pollon.) Der Evangelist gebraucht hier sowohl nach dem griechischen wie dem lateinischen Text zwei verschiedene Worte. Auch ist die Stelle in der gesamten Geschichte der Kirche (einschließlich der Häretiker) immer nur auf eine Weise übersetzt worden. Und es ist lächerlich zu sagen, die Juden, dieses ausgeprägte Händlervolk, hätten keine sprachliche Unterscheidung für "alle" und "viele" gehabt. Das Gegenteil ist der Fall! Man kann aber nicht annehmen, daß verfälschte Testamentsworte dazu dienen können, die Erfüllung des wahren Testaments zu bewirken. Der Herr erfüllt Seine Versprechung nicht auf eine klare Lüge hin.
Der zweite, ebenso gravierende Tatbestand ist der, daß dies nicht mehr die Worte sind, mit denen der Herr das Sakrament eingesetzt hat und auf die hin allein er bewirkt, daß die Hl. Wandlung sich vollzieht. Es ist ein dogmatischer Tatbestand, daß nur die Worte des Herrn die Wandlung zu bewirken vermögen. Die sog. tridentinische Messe ist ja die Hl. römische Messe aus den ersten Zeiten. Selbst wenn die Aussage "mein Blut, das zur Vergebung der Sünden für alle vergossen wird", sachlich richtig wäre - und das ist sie nicht! -, vermöchte sie die Wandlung nicht zu bewirken, weil das nicht mehr die Wandlungsworte sind. Wenn der Priester statt ihrer sagte: "Christus, du bist der Sohn des ewigen Vaters und selbst ewiger Gott", so wäre dies sicherlich wahr, aber könnte die Wandlung nicht bewirken. Die bewirkenden Worte aber sind mündlich von Anfang an (wenn auch zuerst in Geheimtradition) tradiert worden, und wer sie ändern will, muß zweifelsfreie Gründe haben. Hat er sie nicht, so verunsichert er die Hl. Wandlung und wirkt im Sinne des "Teufels", des "Durcheinanderbringers" (diabolos). Noch dazu hat das Tridentinische Konzil festgesetzt, daß diese Worte in dem einfachen und klaren Sinne zu nehmen sind, in dem sie von der Hl. Schrift und von der Kirche von Anfang an genommen worden sind. Wer es anders mache, begehe einen "satanischen Betrug." Für uns wurde der Kern des Reformwillens greifbar, als Paul VI. vor dem Fernsehen zu Weihnachten 1970, also zweifellos öffentlich, mit den gefälschten Worten zelebrierte. Dies war für uns der entscheidende Moment; von da an wußten wir, was wir vorher ahnend antizipiert hatten, daß die Reform Apostasie und Paul VI. Apostat ist.
Die Frage, die ich heute beehren möchte, ist die Frage, wie es dazu gekommen ist, daß die Kirche in diese Situation hineingeraten ist?
Der französische Schriftsteller Léon Bloy erzählt in seinem Tagebuch, er habe folgenden Traum gehabt: Er sah einen unermeßlich weiten, großen, prächtigen Wald, in voller Blüte; und plötzlich, wie mit einem Schlage, seien sämtliche Blätter von den Bäumen gefallen, und der Wald habe kahl dagestanden. Dies ist ein packendes Bild von dem, was sich mit unserer Hl. Kirche ereignet hat. Nominell umfaßte die Kirche zur Zeit der Reform annähernd 700 Millionen Gläubige. Wie ist es möglich, daß aus dieser ganzen unermeßlichen Schar nur ein einziger Bischof den Mut gehabt hat, aufzustehen, und zu sagen: Was da getan und gelehrt und gelebt wird, ist nicht mehr katholisch? Wie ist es möglich, daß wenigstens 90 Prozent des Klerus dem Reform-Ungeist verfallen ist? Ich will vorsichtig sein in meiner Schätzung. Wir wissen, es gibt noch mehr gläubige Priester unter dem Klerus, als man glauben sollte. Man entdeckt immer wieder treue Hirten unter ihnen; manche lesen nur insgeheim und unter dem Anschein gewisser Neuerungen die gültige Hl. Messe; das ist nicht erfreulich, aber sie haben doch den rechten Glauben. Also, sagen wir, achtzig bis neunzig Prozent des Klerus, und natürlich der überwiegende Teil der Laien.
Wenn man überblickt, wie die Reformen gelaufen sind, so darf man sagen, daß dies ein klassischer Fall des Verrats von oben ist: die Bischöfe sind mehr Verräter als die Priester gewesen, und die Priester mehr als die Laien. Wir haben es hier nicht mit einem Vorgang zu tun wie in der Französischen Revolution, die in einem gewissen Ausmaß tatsächlich ein Volksaufstand war. Zwar ist auch die Französische Revolution vom mittleren und höheren Adel ausgelöst worden, der dem König Rechte abtrotzen wollte, aber sie war eine Revolution des Volkes. Der Adel blieb insgesamt königstreuer als das Volk. So ist es bei unserer kirchlichen Reform nicht! Diese Revolution ist von oben gemacht worden, nach sorgfältiger Vorbereitung, vom Episkopat und den Theologen. Man kann als Faustregel aussprechen, daß, je höher man hinauf geht, man um so sicherer die Urheber und Vollzieher findet.
Ein lateinisches Sprichwort sagt: corruptio optimi pessima. Die schlimmste Verderbnis ist die des Besten. Die Frage ist, wie konnte es zu diesem Verrat des Klerus kommen? Mit wem haben wir es denn hier zu tun?
Nun, es ist im Verlaufe der Heilsgeschichte nicht das erste Mal, sondern bereits das zweite Mal, daß der hohe Klerus Gottes Heilsabsichten zunichte gemacht hat.
Es gibt einen bestimmten Augenblick, der uns das schlaglichtartig klarmachen kann. Als der Herr am Gründonnerstag verhaftet und vor den Hohen Priestern Annas und Kaiphas verhört worden war, mußte man bis zum Tagesanbruch warten, weil nach dem Gesetz das Synedrium dann erst beschlußfähig war. Man wollte ja Jesus zum Tode verurteilen. Es dürfte etwa fünf bis sechs Stunden gedauert haben, ehe man die regelrechte Sitzung eröffnen konnte. Wer in Jerusalem die Kirche In galli cantu kennt, weiß, was man mit den Gefangenen in dieser Zeit zu tun pflegte. Sie wurden an Schlingen unter den Armen in eine 3 bis 4 Meter tiefe lichtlose Grube hinabgelassen, von wo sie wieder heraufgezogen wurden, wenn man sie dem Gericht vorführen wollten. Das Bild einer Betenden aus frühbyzantinischer Zeit an der Wand dieser Gefängnisgrube im Synedrium läßt vermuten, daß schon die frühen Christen angenommen haben, der Herr sei in jener Nacht in dieser Grube gefangen gewesen. Jesus wurde also in diese dumpfe, öffnungs- und lichtlose Grube hinabgelassen. Was mag er in diesen Stunden gedacht haben? Wenn er sich die Frage stellte: Wer ist schuld daran, daß es dahin gekommen war und daß er nun gekreuzigt werden würde? so konnte die Antwort nur lauten: das jüdische Priestertum. Das jüdische Volk war von allen Völkern der Erde dazu auserwählt, daß durch es die Erlösung der Menschen auf der ganzen Erde ermöglicht werden sollte. Im jüdischen Volke waren speziell die Priester auserwählt, dem Willen Gottes zu entsprechen. Was aber haben sie getan? Sie haben sich gegen Gott gestellt und wollten hintertreiben, daß Sein Werk gelänge. Sie waren es, die das Volk aufhetzten, die Kreuzigung Christi zu verlangen - nicht das Volk wollte das von sich aus.
Und wir haben heute leider zum zweiten Mal ganz dieselbe Situation. Der hohe Klerus hat den Leib des Herrn von seinem Herzblut getrennt, indem er die Adern durchschnitten hat, d.h. indem er die Verwandlung des Brotes und Weines in den Leib und das Blut Christi unmöglich gemacht hat und damit den Gläubigen die gültige Kommunion verwehrt.
Wahrscheinlich hat jedes Ereignis vom Leidensweg Christi, das uns in den Evangelien berichtet wird, prototypische Bedeutung, indem sich an Seinem Leibe der Kirche heute das wiederholt, was an Seinem heiligen irdischen Leibe geschehen ist. Wir haben heute denselben Verrat der Hohenpriester - ich sage: der Hohenpriester, denn die erste und schwerste Schuld trifft Johannes den "Guten" und Paul VI. und den Reformepiskopat, die gelehrten Theologen und Ordenspatres - weit mehr Schuld, als die abtrünnigen Priester und Laien.
Wie wahr das ist, sehen Sie an einem einzigen, die Sachlage erhellenden Umstand höchst konkret: Es sind heute vor allem die Laien, die die Kirche wiederaufbauen, die das tun müssen, was Pflicht des Klerus wäre. Diese unsere Kirche St. Michael ist von Laien geschaffen worden - und diese Tatsache steht für den gesamten Vorgang. Diejenigen, denen man zwei Jahrtausende lang gesagt hat, ihr seid Schafe und braucht Hirten, sind in der monströsen Situation, den Hirten auf den rechten Weg helfen zu müssen. Das Ganze hat sich geradezu umgedreht, übrigens wiederum wie beim Tode Christi. Es waren die Laien mit Maria, die unter dem Kreuze standen, die Hirten hatten den Herrn verraten oder verleugnet, von jenem einen unter den Zwölfen abgesehen, dessen Heiligkeit ihn vor dem Abfall bewahrt hat - wiederum wie heute einige wenige Priester dank ihrer Heiligkeit in aller Öffentlichkeit die wahre katholische Religion leben.
Die Priester können deshalb in dieser Stunde der Kirche nicht einfach mit ihren Forderungen an die Laien so herantreten, als ob nichts geschehen sei. Es gibt eine Solidarität des Corps, für das man auch haftet, wenn man selbst persönlich sich nicht verfehlt hat. Jeder Priester muß heute die Schande seines Standes mittragen. Vor allem müssen die Priester einsehen, welche Schuld sich auf ihrer Seite zu erkennen gegeben hat.
Es gibt drei Gründe für das Versagen und den Abfall der Priester, die der hl. Petrus in einem seiner Briefe nennt:
1. wenn sie gezwungen handeln, statt freiwillig; 2. wenn sie nicht um der heiligen Sache willen, sondern aus Gewinnsucht tätig sind; und 3. wenn sie sich als Herren eines Erbteils betrachten und entsprechend benehmen.
Der dritte der genannten Gründe ist der schwerwiegendste und in ihm enthüllt sich das Unheil in seiner Wurzel.
Wenn wir diese Ursachen überdenken, so wird uns zunächst einfallen, wieviele junge Menschen in den vergangenen Zeiten unter Nötigung in das Priesterseminar eingetreten sind. Ist es zu verwundern, wenn diese schlechte Priester geworden sind? Der freie Entscheid ist für keinen Beruf so wesentlich wie für den des Priesters.
Was die zweite Ursache betrifft, ao muß ich immer wieder an den Neffen eines deutschen Reformbischofs denken, der mir einmal sagte: Zu Dreivierteln beschäftigt sich mein Onkel mit der Verwaltung (ces kirchlichen Besitzes und der kirchlichen Stellen). D.h. zu drei Vierteln diente: er den Angelegenheiten des Mammon. Wie oft habe ich den Leuten, wenn sie mich fragten, was Kardinal Döpfner denn von una denke, geantwortet: Er denkt: "Aber die haben doch kein Geld!"
Aber bei dieser zweiten Ursache dürfen wir nicht nur an das Geld denken, wenn auch das Geld hier eine Riesenrolle spielt. (ca. 400000 sfrs sind schon etwas mehr als 50000 DM für Steiner!) Es ist besonders wertvoll, daß Abbé de Nantes in seinem Anklagebuch gegen Paul VI. dessen Simonie mit kirchlichem Ansehen herausgestellt hat. Dieser Mann hat - am gefangen von der Tiara, über die er gar nicht verfügen konnte - kirchliches Ansehen, kirchliche Rechte und kirchliche Heiligkeit preisgegeben und verschleudert, um in der Welt, bei der UNO und KPDSU angesehen zu sein und dort eine Rolle zu spielen. Das ist nicht erlaubt, und wo es geschehen ist, da ist Simonie geübt worden, sei es, daß man um solches Ansehen in der Welt gebuhlt hat oder direkt nach Geld und Macht gegriffen hat. Man hat das Heilige dafür zum Tausch gegeben und den Herrn verkauft. (Auch hier hat man allerdings nicht mehr als den niedrigsten Preis, dreißig Silberlinge, erhalten.)
Die dritte Ursache ist die furchtbarste, und durch sie ist der Verrat letztlich bestimmt. Die Priesterweihe gibt dem Priester zwar den unauslöschlichen Charakter des Gott geheiligten Seins, aber keinen persönlichen (ich meine: nur persönliche~ Anspruch. Christus hat das in der Zurückweisung der drei Versuchungen in der Wüste una allen gezeigt. "Wenn du der Sohn Gottes biet", ao argumentiert der Versucher jedesmal, dann bist du Herr der Natur (Steine: Brot) und des geistlichen Bereiches (Wunder), schließlich ganz nackt: dann biet Du rechtmäßiger Herr der Welt. So haben die Hohenpriester gedacht: Wir sind das auserwählte Volk, das bedeutet ein Anrecht? das una nicht genommen werden kann. W i r verfügen darüber, nicht der Herr. Das Volk und die Herrschaft über dasselbe war ihnen wichtiger geworden als Gottes Wille. Man braucht nicht eben sehr scharfsinnig zu sein, um zu bemerken, wie jeden zum Priester Geweihten diese Versuchung anfällt, das ihm verliehene Amt mit seinem Individuum zu verwechseln. Geschieht das mit bewußtem freien Willen, dann hat sich der Priester "an die Stelle Gottes gesetzt".
Der Griff nach der höchsten Macht erfolgt dabei immer mit zwei Händen, auf dem innerkirchlichen und auf dem weltlichen Wege.
In der Kirche besteht die Herrschaft über das Erbteil darin, daß man bloße Herrschaftsmittel statt der heiligen Mittel anwendet. Die wahre Autorität aus der Heiligkeit wird durch eine falsche ersetzt. Prototypisch dafür ist der Mißbrauch, der mit dem Unfehlbarkeitsdogma nach 1870 getrieben worden ist.
Es ist ein Unglück; daß das Vatikanische Konzil damals abgebrochen werden mußte; ao konnte das Gegengewicht gegen die Seite der Unfehlbarkeit nicht mehr genügend herausgestellt werden. Man hat in der Folge das Autoritätsdenken soweit übertrieben, daß viele katholische Christen mehr oder weniger konfus denken, alles, was der Papat sage oder anordne, sei unanfechtbar. Als ob ein Gehoream in jederlei Hinsicht gegenüber der kirchlichen Autorität bestünde! Einem Soldaten, der seinen Diensteid geleistet hat, kann sein Hauptmann nicht befahlen zu heiraten. Das erscheint jedem Menschen selbstverständlich. Aber daß die Autorität des Klerus, einschließlich des Papstes, bestimmte Grenzen hat, das vermögen viele katholische Christen kaum zu realisieren. Das Dogma und die grundlegenden kirchlichen Gesetze binden auch den Papat, und sein Wort ist auf jeden Fall nichts, wo die Stimme des Gewissens una sagt, daß das, was er befiehlt, nicht erlaubt ist. Kein Papat kann una verpflichten, die Wandlungsworte Jesu zu fälschen!
Aber die Herrschaft wird von dem Klerus, der sich als Herr über das Erbteil ansieht, zugleich auch in der Welt erstrebt. Man wollte mit geistlichen Mitteln herrschen; nur daß es leiser entere, wie in ten letzten Jahrhunderten die Freimaurer, besser verstanden. Das hat den Neid gewisser maßgeblicher Reformer erregt, die es nun auch auf deren Weise schaffen wollen.
Man braucht die Freimaurerei und ihren Erfolg im 18. Jahrhundert gar nicht nur auf geheime Machenschaften zurückzuführen (von denen man ja doch immer nur den geringsten Teil wird beweisen können). Daß die Loge in ihrem Kultus katholische und nicht-katholische Christen, Juden und Mohammedaner in gleicher Weise vereinigte; daß sie lehrte, es komme auf die Konfession, d.i. das spezifische Bekenntnis nicht an, wesentlich sei nur der gemeinsame reine Vernunftglaube an Gott und die Brüderlichkeit, genügt schon, um zu erklären, warum es zur vollkommenen religiösen Nivellierung kommen mußte. Denn wenn zwei sich widersprechende Überzeugungen zugleich wahr oder gut sein können, ao gilt keine.
Um ein anderes Faktum dieser Art zum Vergleich heranzuxiehen: Man kann von allem anderen absehen, was man Luther vorwerfen muß. Es genügt, daß er gelehrt hat, die Ehe sei ein weltlich Ding und die Ehescheidung sei möglich, um das absolut Zerstörerische des evangelischen Christentums zu erklären. Die einen sagen: die Ehe ist heilig und unantastbar; die anderen sagen: die Ehe ist eine weltliche Angelegenheit und kann aufgehoben werden. Beides kann nicht zugleich wahr und gut sein. Zweierlei sich dergestalt widersprechende Aussagen hinzunehmen, bedeutete, das Leben nicht mehr restlos ernstnehmen. Der Indifferentismus war die notwendige Folge.
So war die größte Wirkung der Freimaurerei, daß sie den religiösen Ehebruch gefordert hat. Die Konfession wurde gleichgültig, und das heißt: die Religion wurde gleichgültig. Die Freimaurerei hat damit eine mit der Kirche konkurrierende Herrschaftsform aufgebaut - und zwar eine, die erfolgreicher war als die der Kirche.
Die Gründe liegen auf der Hand. Es war der bequemere Weg, den die Loge der sündenfälligen Menschheit vorschlug. Andererseits gab es seit der Reformation in ten konfessionell gemischten Ländern keine ungebrochene moralische Haltung mehr. Das Schlimmste aber war, daß die kirchliche Hierarchie selbst längst die Herrschaft statt des Reiches Gottes zu erstreben begonnen hatte. Es gilt ein in der hl. Schrift nicht überliefertes Wort Jesu, das sich in Indien findet: "Die Welt ist eine Brücke. Du sollst dich nicht darauf ansiedeln, sondern hinübergehen!" Die Kirche hatte begonnen, sich auf dieser Brücke anzusiedeln. Sie kennen alle die herrlichen Klöster der Barockseit. Leider sind sie auch ein Symbol dafür, daß man begonnen hatte, es sich in dieser Welt gut sein zu lassen, daß der Kampfgeist nachgelassen hatte und man sich auf seinen Pfründen ausruhte. Diese Klöster hätten ihrer Bestimmung nach Energiestationen sein sollen, aua denen die christliche Wahrheit in das Volk hineingepumpt werten sollte. Statt dessen waren sie häufig zu Stätten innerer und äußerer Herrschaft geworden. Deshalb auch der schreckliche religiöse Verfall, der sich mit der Reform gerade in den Klöstern manifestiert hat.
Eine ganz besondere Rolle hat dabei der Jesuitenorden gespielt, eine Rolle, die schon im Ordensprogramm angelegt ist. Ich greife drei Punkte heraus:
1. Der Orden vertrat die Theorie, der Einzelne müsse dazu erzogen werden, ein blindes, willenloses Werkzeug in der Hand der Oberen zu werden. Man zwang die Novizen, gerade das zu vertreten, wovon sie nicht überzeugt waren. Da haben Sie ein Beispiel sowohl des blinden Autoritätestandpunktes als auch einer innerkirchlichen Herrschaftsform.
2. Der Orden trat in der Reformation mit dem speziellen Anspruch auf, in der Abwehr der Reformation eine führende Rolle zu spielen. Man wollte bei dem allgemeinen Brand die Feuerwehr des Papstes sein. Was aber war die Folge? Man hat in dieser "Gesellschaft" nicht mehr, wie in den früheren Orden, die geistlichen Fragen von Grund auf erarbeitet und schöpferisch eigene Lösungen erarbeitet, man hat sich vielmehr auf herrschende Einstellungen gestützt und nur versucht, diesen schlußendlich eine andere Richtung zu geben. So hat der Orden verhindert, daß wesentliche Fortschritte in der Philosophie erkannt und akzeptiert wurden. (Die Philosophie Descartes!) Statt dessen stützte man sich auf im Augenblick erfolgreiche Lehren oder Praktiken, um schnelle Erfolge erzielen zu können. So wurden die Jesuiten ebenso Thomisten, wie später Heideggerianer und zuletzt Marxisten; so verschmähten sie das Salongespräch ebensowenig als Kampfmethode wie heute die Revolution. Handlungsreisende in letzten geistigen und politischen Sachen! Die Folge war, daß entscheidende neue haltbare Positionen außerhalb der Kirche erarbeitet wurden, während die "Gesellschaft" immer rascher ihr Modekleid wechseln mußte.
3. Die "Gesellschaft" führte eine religiöse Praxis (Exerzitien!) ein, bei der man angehalten wird, sich in seinem religiösen Tun, z.B. beim Gebet selbst psychologisch zu beobachten. Es ist aber immer die Haltung der Kirche gewesen, daß man sich beim Beten gänzlich Gott zuwenden soll. Wenn ich "Herr des Himmels" zu beten beginne, sagt ein chassidisches Wort, und das Wort "Herr" auf meine Lippen kommt, weiß ich nichts mehr, als daß ich vor dem Herrn stehe, und ich habe ganz vergessen, daß ich "ces Himmels" sagen werde. Beabachtet man sich aber beim Beten selber, so wird aus der Betrachtung der Herrlichkeit und Größe Gottes immer mehr eine Selbstbespiegelung. Ein so betender Mensch wird anthropozentrisch werden. Am Ende steht schließlich die Auffassung, daß das Gebet und die Liturgie eine zwischenmenschliche Angelegenheit sind, man betet zum Volk gewandt und nicht versus Deum.
Der Jesuitenorden war es auch, der die unheilvollen liturgischen Erneuerungsbestrebungen eingeleitet hat. Er wollte die Missionserfolge im 18. Jahrhundert nicht aufs Spiel setzen und forderte vom Papst die Anpassung an die Formen und Mentalität der Heiden. (Reis statt Brot, Volkssprache etc.) Man hat Papst Pius VI. nie verziehen, daß er diese Bestrebungen wie die damit zusammenlaufenden des Bischofs Ricci als häresienahe verurteilt hat. Die Jesuiten behielten insgeheim ihr Ziel bei und warteten nur auf den Tag, an dem sie es durchsetzen könnten. Der Hintergedanke war immer: der große Erfolg in der Welt und eine äußere Herrschaft, die man sich von der Loge nicht rauben lassen wollte. -
Wie viele Jesuiten sind zur Zeit der josephinischen Reformen spielend zur Loge übergegangen und haben dort als führende Köpfe an der Zerstörung der Kirche und dem Heraufkommen der Revolution mitgewirkt!
Auch im 19. Jahrhundert kam das Bestreben, äußere Herrschaft zu erringen, nicht zur Ruhe. Man forderte katholische Berufs- und Laienbewegungen, die katholische Aktion, die katholischen Standesverbände, Vereine bis hin zum katholischen Fußballverein, um größeren Einfluß auf die weltlichen Dinge nehmen zu können. Der Erfolg dieser Organisationen wurde wichtiger als das Gebet und das religiöse Leben. Ein einfacher Vergleich mit der Ostkirche läßt sofort erkennen, bis zu welchem Ausmaß hier Veränderungen vor sich gegangen sind. Die orthodoxe Kirche kannte keine derartigen Vereine und Aktionen. Dort kommt in die Kirche ausschließlich der, der beten will. Die Folge war, daß die Kirche religiös blieb und die Liturgie so lebendig, daß sie jedem Orthodoxen am Herzen liegt. Man kann sich in jedem orthodoxen Gottesdienst, der noch intakt ist, davon überzeugen, daß dort - wo den Gläubigen ja jede äußere Mitwirkung verwehrt ist - die geistige Teilnahme an der Liturgie weit lebendiger ist als bei uns.
Die römische Kirche aber landete bei der Parole des Aggiornamento, im kontradiktorischen Gegensatz zu dem Gebot der Hl. Schrift: "Ihr sollt euch fiesem Jahrhundert nicht anpassen" (Nolite conformari huic saeculo.) Es kommt aber sehr darauf an, zu erkennen, daß diese Parole des Aggiornamento nicht auf einmal wie durch ein Wunder auftauchte, sondern die Frucht einer langen Entwicklung in der scheinbar intakten Kirche war. Wenn Sie das einsehen, verstehen Sie auch, warum wir keine Traditionalisten sind: gerate in der wurmstichigen Gestalt der vorkonziliaren Kirche liegen die Grünte für die verabscheuenswerte Reform.
Natürlich kommt noch hinzu, daß die kirchliche Hierarchie nicht nur innerlich verdarb, sondern daß die Kirche auch systematisch unterwandert wurde. Nur noch ganz naive Menschen können heute annehmen, die Französische Revolution sei spontan auagebrochen. Wer die Arbeit der Kreise um Voltaire und den Herzog von Orléans in Frankreich und des Illuminatenordens in Deutschland, die 1789 sich vereinigten, kennt, der weiß, welche geradezu generalstabsmäßige Einzelarbeit zum Zustantekommen fieses großen Ereignisses geleistet worden ist.
Nichts andere war es bei dem entscheidenden Schlag gegen die Kirche. Herr Kaplan Dettmann hat in vielen Beiträgen der "Einsicht" gezeigt, wie schon Jahre und Jahrzehnte vor dem Konzil von höchsten kirchlichen Stellen und vom Jesuitenorden in dieser Richtung gearbeitet worten ist. Als ich selber als erster Deutscher nach dem letzten Weltkrieg in Israel philosophische Vorlesungen hielt, sagte mir ein israelischer Professor in Tel Aviv: "Ich möchte Ihnen etwas mitteilen, daß Sie sicher erfreuen wirf. Der engste Mitarbeiter von Kardinal Bea kommt zweimal in jedem Jahr zu uns und berät sich mit uns. Kardinal Bea und sein Kreis sind schon lange davon überzeugt, daß Jesus nicht irgendwo in der Welt, sondern in Israel wiederkommen wird. Aber fiese Wiederkunft wird nicht ein Erscheinen als Person sein, sondern eine große soziale Errungenschaft in diesem Lande, die der ganzen Menschheit zugutekommen wird."
Der jetzige Inhaber des Papststuhls, Paul VI., ist nicht irgendjemand, der da schwach wäre oder unter Druck stünde, sondern er gehörte schon früh zu den führenden Häuptern der Reformbewegung. Die neue "Messe" ist ihm ein persönliches Anliegen.
Nun frage ich: Ist es denkbar, daß Jesus geduldet hätte, daß Petrus zugleich das Haupt der Kirche und einer liberal-revolutionären Bewegung gewesen wäre? Hätte Jesus Petrus nicht wie einen Satan zurückgewiesen, wenn er mit dem Vorschlag gekommen wäre, den Gläubigen die gültige Hl. Messe zu verwehren, statt dessen aber den Juden (Mohamedanern) die Kirche zu öffnen? Wenn Sie, nachdem Sie sich fiese betten Fragen gestellt und beantwortet haben, noch nicht klar erkennen, wer Paul VI. nicht ist, dann sind Sie zu jeder Erkenntnis unfähig.
Was bedeutet aber der allgemeine Zusammenbruch der Kirche? Man muß fiese Frage in einem weltweiten Rahmen stellen und in fiesem zu beantworten suchen. Es gibt für die Menschen grundsätzlich zwei Möglichkeiten, ihr Leben einzurichten. Entweder halten sie das Dasein letztendlich für sinnlos, für ein halbwegs glückliches Zufallsergebnis, das aber früher oder später durch denselben Zufall wieder zerstört werten wirf. Oder sie sind überzeugt, daß das Leben einen Sinn hat, daß eine unendliche Intelligenz und die höchste sittliche Güte die Geschicke leitet, d.i. daß Gott uns liebem ins Dasein gerufen hat und für uns sorgt, wenn wir auch Seine Getanken, die unendlich über unsere erhoben sind, nicht immer erfassen können. Zwischen fiesen betten Auffassungen gibt es keine bei konsequentem Denken haltbare Mittelposition.
Mit der Zerstörung der Kirche gilt die Menschheit den Glauben an einen wahren Sinn des Lebens auf. Die notwendige Folge ist, daß jegliche Moral zusammenbricht, da sich jede noch denkbare Forderung nicht zu legitimieren vermag. Man kann dann nur noch versuchen, sich sein Zufalleglück zu sichern, indem man zusieht, daß man der Stärkere bleibt und sich verschafft, was man braucht. Alles entere muß davor zurücktreten: die lästigen Babys, die Alten, die Feinde der Gesellschaft usw. Der Genuß für uns und der Verbrennungsofen für die, die dem im Wege stehen! "Wenn es keinen Gott gibt, dann gibt es auch keine Sittlichkeit; dann ist alles erlaubt", sagt Dostojewski schon vor 100 Jahren.
Mit dem Zeitalter der Reformation hat eine Entwicklung von etwas begonnen, das es vorher in der Menschheit gar nicht gegeben hat. Es entstand das britische Weltreich, daß keine sittliche Aufgabe mehr vertrat; der Profit wurde offen zum letzten Ziel der gesellschaftlichen Existenz erklärt. Die Engländer, durch Kaperei auf den Weltmeeren und Sklavenhandel reich geworden, konnten selbst ruhig zusehen, wie sich die Französische Revolution, die immerhin noch mit gewissen Idealen antrat, in ihren inneren Widersprüchen verzehrte, um am Ende Frankreich rein machtmäßig auf die Knie zu zwingen. Immerhin blieb auch nach 1815 noch soviel vom alten religiösen Sinn in der Menschheit, daß man nicht allerorten gern offen zugesteht, daß es seitdem um das "Geld" geht. So reden die modernen Wortführer vom Interesse der Gesellschaft und verbrämen ihren ökonomischen Materialismus mit einer Ideologie. Das ökonomische Interesse und die himmlische Gerechtigkeit bleiben aber auf dieser Erde die größten Gegensätze. "Ihr könnt nicht zwei Herren dienen", hat der Herr selber gesagt, "Gott und dem Mammon". Wenn wir dem Mammon dienen, so werden wir Gott, wenn schon nicht hassen, so doch wenigstens verachten. Nun ist aber auch jeder Sozialismus nichts anderes als ein verbrämter Mammonismus, ebenso wie der Kapitalismus, der sich ja übrigens in neuester Zeit auch ideologisch als "soziale Marktwirtschaft" tarnt. Für die Sache Gottes interessiert sich niemand mehr; Er kann in der Ecke stehen, - ganz so wie seine Tabernakel heute (leer) in irgendeiner Ecke der Gotteshäuser. Wenn ich sagte: "interessiert sich niemand mehr", so schließt dieses "niemand" auch die Priester ein (immer von den Ausnahmen abgesehen), die nicht weniger als die Weltlichen nach irdischer Macht und Erfolg streben.
Ich sage das alles angesichts des hohen Ideals des Priestertums, das uns der hochw. Herr Pfarrer Leutenegger noch neulich in einer Predigt so lebendig vor Augen gestellt hat. Was könnten die Priester sein - und was sind sie fast alle, weil ihr Herz von der Simonie beherrscht wird!
Was ist bei all dem zu tun? Ich hatte in meiner Jugend einen Religionslehrer, der uns bei Anlaß des Wortes im Evangelium "Seid klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben" erklärte, worin die Klugheit der Schlangen, die hier gemeint sei, bestehe: Nicht in Hinterlist und Heimtücke, sondern darin: Wenn die Schlange angegriffen werde, so ringele sie sich zusammen und gebe lieber den ganzen Körper preis als den Kopf, den sie auf alle Weise zu schützen suche. Ebendas ist unsere Aufgabe in dieser Zeit: Wir müssen vor allem den Kopf schützen und das Herzzentrum unseres katholischen Lebens. Dieses Zentrum ist das allerheiligste Sakrament des Altares. Es wird bewahrt durch eine gültige Heilige Messe und durch ein gültiges Priestertum, das seinerseits das Opfer Christi immer wieder zu erneuern vermag und den Leib des Herrn den Gläubigen austeilt.
Ich wiederhole noch einmal: das Altarsakrament ist nicht um des Priesters willen da (und wäre er der Papst), sondern der Priester ist Diener des Altars, und das ist:des Allerheiligsten. Der Klerus ist nicht Selbstzweck, sondern er soll Gott dienen - in ganz besonderer Weise.
Alle anderen Sakramente kommen an dieses nicht heran. Ein Bußsakrament ist nur möglich, weil Christus sich dem Vater opfert; der Priester wird nur geweiht, damit er für Christus dieses Opfer unblutig erneuere.
Wir müssen also alles uns Mögliche tun, um das Heilige Altarsakrament zu schützen. Wir haben aber dieses Sakrament nur, wenn wir Priester haben, die, gültig geweiht, immer wieder konsekrieren. Deshalb war es ganz richtig von Erzbischof Lefebvre, daß er aufstand und Priester ausbildete und weihte. Und wir hoffen, daß er auch derjenige sein wird, der uns gültig geweihte Bischöfe hinterläßt, wenn Gott ihn einmal abberufen sollte. Auf jeden Fall haben wir die Zuversicht, daß der Herr dafür sorgen wird.
Natürlich muß darüber hinaus endlich einmal die diabolische Gegenwartssituation der Kirche offen zur Sprache gebracht werden; Paul VI. muß offiziell angeklagt und verurteilt werden, samt den Bischöfen, die sein Zerstörungswerk bejahen. Denn nur, wenn man ein solches Geschwür aufschneidet, kann man den Körper reinigen. So geht es nicht weiter. Wir können nicht ein Verein für entgegengesetzte Ziele bleiben.
Wir unterstützen also entschlossen Erzbischof Lefebvres Erneuerungswerk. Allerdings, wie aus allem zuvor Gesagten hervorgeht, unter einer ganz bestimmten Voraussetzung: Wir sind, wie Sie wissen, keine Traditionalisten und lehnen es ab, uns so nennen zu lassen. Die Erneuerung der Kirche kann nicht so vor sich gehen, daß die alten Fehler wiederholt werden, durch die gerade die Kirche im Reformismus endete. Wir müssen nicht nur den Reformismus, wir müssen auch den falschen Traditionalismus, der nur dessen kehrseite ist, beseitigen. Der Klerus muß sich wandeln! Er kann nicht von neuem mit den gleichen Herrschaftsansprüchen auftreten, durch die er die Katastrophe verschuldet hat. Wir erwarten, daß er wie Petrus "bitterlich weint über seine Sünden". Der Klerus darf nicht über die Erde als sein Erbteil herrschen wollen, sondern er muß mit ganzem Herzen demütig der himmlischen Gerechtigkeit dienen.
Scharen wir uns - so wie die frommen Frauen um den hl. Johannes unter dem Kreuze und nach der Grablegung Christi - um die Priester, die in der entscheidenden Stunde des 7. März treu befunden worden sind. Es sind heilige Männer. -
(Überarbeiteter Vortrag, den Prof. Lauth auf der Vollversammlung des Freundeskreises e.V. des Convents Pius VI. am 28.11.1976 in München gehalten hat; vom Tonband übertragen von M. Schneider.) |