"GANZ SCHÖN BIST DU MARIA"
von H.H. Pfarrer Alois Aßmayr
Wir hätten allen Grund das Fest Maria Unbefleckte Empfängnis mit großer Freude und Dankbarkeit gegen Gott und auch gegen Maria zu feiern. Ist doch ihr unbeflecktes Ins-Daseintreten etwas ähnliches wie das Aufgehen des Morgensternes, der das baldige Ende der Nacht ankündigt. Maria ist noch nicht der ersehnte Erlöser, aber sie bringt den Erlöser und kündigt daher das baldige Ende der Nacht,des Unfriedens mit Gott, dem Herrn an. Maria ist daher unsere Hoffnung.
Maria war von Gott als die Mutter des Mensch werdenden Gottes-Sohnes ausersehen, die dann auch einmal Königin des Himmels sein sollte, wenn sie bei Erfüllung ihrer Aufgabe nicht versagen würde. Für die Lösung der ihr zugedachten Aufgabe ist Maria auch mit allen nötigen Gnaden und Gaben versehen worden. Der Herr stattet ja jeden Menschen mit allem das, was er zur richtigen Lösung der ihm zugedachten Aufgabe bracht. Freilich ist dabei die treue Mitwirkung und das demütige Wirkenlassen der Gnaden und Gaben notwendig. Wem der Herr mehr zumutet, dem gibt Er auch mehr.
Der Herr hat Maria ungeheuer viel zugemutet: Sie soll ein ganz sündenloses Leben führen, wie es sich für die Mutter des Mensch werdenden Gottes-Sohnes geziemt, dann soll sie auch ein Opferleben führen, ähnlich dem des Erlösers. Als Mutter des Erlösers mußte Maria ja notwendigerweise an Seinem Leiden teilnehmen. Was daher von Maria gefordet wurde, davon haben wir nur eine blasse Ahnung.
Fordert der Herr von Seinen gewöhnlich begnadeten Dienern schon sehr viel, wie wir aus eigner Erfahrung wissen, dann um so mehr von den besonders Begnadeten, wie wir aus der Geschichte der Heiligen wissen. Maria hat der Herr so reich mit Gnaden und Gaben ausgestattet wie kein anderes Geschöpf. Darum hat Er von Maria erst recht viel verlangt. Trotzdem hätte auch Maria versagen können, wie Eva versagt hat. Maria aber hat nie versagt. Sie ist ganz rein erschaffen worden, ist aber auch ganz rein und sündenlos geblieben.
Wir dürfen aber nicht meinen, daß Maria das nichts gekostet hat, im Gegenteil. Satan hat alles aufgeboten, um auch Maria zu Fall zu bringen. Zu seinen eigenen raffinierten Verführungskünsten hat er auch die Fehler, Sünden und bösen Neigungen der Menschen benützt. Aber auch der Herr selber geht mit Seinen Auserwählten eher alles andere als zimperlich um, wie wir aus dem Leben Jesu, aber auch aus dem Leben heiliger Menschen wissen. Man braucht nur die Lebensbeschreibung solcher Menschen zu lesen, z.B. die der hl. Theresia von Avila, des hl. Pfarrers von Ars, der seligen Creszentia von Kaufbeuren, der Maria Anna Lindmayr, der hl. Marg. Maria Alacoque, Maria de Valles, Sr. Faustina und vieler anderer. Aus diesen ersehen wir, daß der Herr sie wohl reich begnadet hat und an sich zieht, sie Seine Süßigkeit kosten läßt, sie aber auch wieder in vollkommene Finsternis taucht und sie scheinbar ganz dem Teufel als Spielball überläßt. Was solche Begnadete in einem solchen Zustand durchmachen, läßt sich nur annähernd beschreiben (was ich gar nicht versuchen möchte). Wir dürfen sicher sein, daß Maria beides nicht erspart geblieben ist.
Hierzu kommt noch die Bosheit oder der Unverstand der Menschen. Begnadete sind anders als andere. Daher versteht man sie selten. Der Herr wirkt in ihnen, wie Er will und wie Er es für gut hält. Wie sollten wir z.B; folgende Begebenheit bei Marg. M. Alacoque verstehen: sie liegt sterbenskrank darnieder, plötzlich steht sie auf und ist vollkommen gesund. Es ist eben ein Wunder, und wer versteht ein Wunder? Es ist daher sehr leicht, die Krankheit als Einbildung, Heuchelei und als Hysterie zu erklären und die betreffende Person entsprechend zu behandeln. Wie "wohl" das tut, kann sich jeder selber ausrechnen. Der Herr aber benützt den Unverstand, und auch die Bosheit der Mitmenschen als Werkzeug, um die begnadete Person in den verschiedensten Tugenden zu prüfen und um sie darin um so rascher wachsen zu lassen. Auch der Teufel benützt mit Vorliebe die Fehler und Bosheiten der Menschen, um die betreffende Person zu Fall zu bringen. Neid und Eifersucht spielen dabei eine große Rolle. Besonders Begnadete sind für viele Menschen ein Ärgernis, weil sie eben anders sind und anders handeln. Das verträgt man nicht, es erregt Neid und Eifersucht, die sich in kleineren und engeren Gemeinschaften ganz besonders unangenehm auswirken können. Ich denke dabei an die selige Crescentia von Kaufbeuren. Sie ist jedoch dabei nicht nur nicht zerbrochen, sondern hat an Vollkommenheit rasch zugenommen. Alle waren nur Werkzeuge in der Hand Gottes.
Noch gefährlicher können die Bewunderer einer begnadeten Seele sein, wenn sie von ihnen schon als Heilige verehrt und mit Lob überschüttet werden. Manche Begnadete hat Satan dadurch zu Fall gebracht und mit ihr das "Spiel" weiter geführt, um so viele fromme Seelen irre zu führen, wie wir auch heute und besonders heute, feststellen können. Rosalia Püt (gest. 1919), eine Begnadete, sagte einmal: "Ein stolzer Gedanke, und alle Gnaden sind dahin". Alle diese begnadeten Seelen dürfen nie vergessen, das alle Gnade von Gott ist und dürfen daher ja sich selber nichts Gutes zuschreiben. Darauf besteht der Herr, widrigenfalls verdirbt man es mit Ihm.
Zur hl. Marg. Maria Alacoque sagte der Herr einmal: "Wenn ich eine Elendere gefunden hätte als dich, so hätte ich diese gewählt!" Zur Maria Anna Lindmayr sprach er ähnlich: "Gedenke, daß du ungeschlachtetes Holz bist, das weit mehr zum Verbrennen im Feuer als zu einem Bilde tauglich wäre. Ich, der Bildhauer, habe dich neben so vielen schönen Stämmen ausgewählt und zum Bilde gemacht. Wenn nun das Bild deiner Seele als Kunstwerk erscheint, wem gehört dann die Ehre?" Ein andermal bekam sie vom Herrn zu hören: "Bleibe nur klein, Maria Anna, bleibe nur klein! Verlange die Kleinste zu sein unter allen Menschen. Je kleiner, desto besser. Den Kleinen offenbare ich mich, an den Kleinen habe ich meine Freude, die Kleinen lasse ich zu mir kommen, mit ihnen verkehre ich gerne ..."
Ganz klein, ja der Geringste in der Welt sein wollen, nicht gelten, ja sogar verachtet und verspottet sein wollen, ist alles andere als eine leichte Sache. Man braucht dazu die besondere Hilfe von Oben. Damit man aber diese Gnaden verträgt, führt der Herr solche Seelen schon von Anfang sehr harte Wege, damit ihnen weder Lob noch Tadel der Menschen etwas anhaben können.
Menschlich gesprochen ist es auf der Welt durchaus keine angenehme Sache, von Gott besonders begnadet zu werden oder zu sein, da der Herr um so mehr verlangt, je begnadeter eine Seele ist. Das Begnadetsein ist aber auch eine gefährliche Sache, wenn eine solche Seele versagt. Wenn sie jedoch durchhält-wozu sie durchaus imstande ist - ist sie die glücklichtste Seele auf der Welt und wird zur Wohltäterin der Menschheit.
Kein Geschöpf ist von Gott mit soviel Gnaden und Gaben ausgestattet worden wie Maria und zwar schon bei ihrer Empfängnis. Der Herr hat ihr ungeheuer viel zugemutet und zugetraut. Was Maria aber dabei gelitten und ertragen hat, davon haben wir nur eine ganz leise Ahnung. Maria hat nie versagt, Sie hat so durch ihre Haltung an Gnaden reichlich zugenommen, so sehr, daß der Erz. Gabriel sie voll der Gnade nennen konnte. Dadurch ist Maria der ganzen Welt zum Heile geworden. Wir können ihr daher nie genug danken und sie ehren. Hätte Maria versagt, wären die Folgen für uns alle unabsehbar geworden.
Auch für unser Verhalten sollten wir entsprechende Folgerungen ziehen: jeder von uns ist in irgend einer Weise begnadet. Wenn wir der Begnadung entsprechen, können wir vielen zum Segen, wenn wir versagen vielen zum Verderben sein. Bleiben wir uns dessen bewußt und handeln wir danach.
Biberwier, am 7. Dez. 1978 Alois Aßmayr Pfarrer. |