Noch vor zehn Jahren ...
von
Paul Scortesco
Noch vor zehn Jahren wäre derjenige als
unzurechnungsfähig bezeichnet worden, der Ihnen gesagt hätte, daß Sie
eines Tages in die Hand aus Brotkörbchen, die von Mädchen herumgereicht
worden, oder einfach stehend kommunizieren würden ... Zehn Jahre später
ist all das normal und banal geworden. Denn vor zehn Jahren konnte man
noch nicht glauben, daß je ein Papst kommen würde, der alles erlauben,
alles hinnehmen würde ...
Noch vor zehn Jahren hätte man Sie für einen Irren
gehalten, wenn Sie behauptet hätten, daß es eines Tages Jazzmessen, mit
Geschrei begleitet, geben würde und andere Messen, bei denen die
Gläubigen zusammen~n mit ihrem 'Vorsitzorden' an Tischen sitzen und er
mit ihnen einen Fladen teilt...
Noch vor zehn Jahren hätte man Sie wegen
Geistesgestörtheit behandelt, wenn Sie gesagt hätten, daß die Bischöfe
eines Tages glauben würden, daß die Kirchen ausgeräumt, die Altäre
herumgedreht, und die Priester, die ihre Soutane ablegen,
desakralisiert würden und daß ihre Messen zu einem Gedächtnismahl
gemacht würden.
Wer hätte es für möglich gehalten - kaum zehn Jahre
sind vergangen -, daß die Priester die Gemeinden zu zerstören wünschen,
während andere, wie der Jesuit Antoine, wünschen, daß unsere
I:Kathedralen in Konferenzsäle verwandelt werden, in eine neue Art von
Freudenhaus, wo man sich umarmen würde und tanzen, wie es in Straßburg,
Nancy oder St. Germain-des-Prés (Paris) geschieht? Dies sollte alles
geschehen in der katholischen Kirche? Nein und nochmals nein! Unmöglich!
Noch vor zehn Jahren hätte man Sie für einen
gefährlichen Wahnsinnigen gehalten, wenn Sie gesagt hätten, daß das
'Office International Catholique' einer Pornographie den 'Grand Prix'
zuerkennen würde und daß die Bischöfe gegen die Theaterstücke nicht
protestieren würden, in welchen die Allerheiligste Jungfrau und die
Allerheiligste Dreifaltigkeit beleidigt werden. -
Wer hätte vor zehn Jahren geglaubt, daß sich ein
katholischer Priester im Fernsehen darüber brüsten würde, daß er
männliche Paare segnet und daß er selbst homosexuell ist, ohne daß er
sich die geringsto Sanktion seitens seines Bischofs zuzieht?
Wer hätte es vor zehn Jahren für möglich gehalten,
daß die Bischöfe den Ungehorsam als Glauben an die Kirche bezeichnen
und sich angesichts solcher Häretiker wie Cardonnel, Laurentin und
Oraison in Schweigen hüllen würden?
Warum wäre diese Annahme unmöglich gewesen? Weil man
zu dieser Zeit die Bischöfe unter den eifrigsten und gelehrtesten der
Priester wählte, während man sie jetzt unter den "Fortgeschrittensten"
aus:,wählt. Den damit erwählten Typus von Bischof konnte man vor zwei
Monaten am Fernsehen erleben, wo er erklärte, daß die Enzykliken von
Pius IX. und Pius X. überholt sind...
Man stelle sich vor, was ein Katholik noch vor zehn
Jahren gedacht hätte, wenn man ihm gesagt hätte, daß die Dominikaner
von Faubourg-St.Honoré im Verlauf einer Messe ein Credo anstimmen
würden, das offen protestantisch ist, ohne dadurch die leiseste
Reaktion seitens der Person hervorzurufen, die an der Spitze der Kirche
Frankreichs steht
Vor zehn Jahren war die Messe mit ihrem
unveränderlichen Credo das Heilige Opfer Unseres Herrn; zehn Jahre
später ist sie eine Versammlung, in deren Verlauf man die Gottheit
Unseres Herrn leugnen kann.
Bis zum Jahre 1959 hieß es in der Epistel an die
Philipper (II-ó), daß Christus Gott gleich ist; zehn Jahre später
(1969) heißt es, daß "Jesus Christus eigentlich gar nicht mit Gott
gleich sein wollte". Dies ist der wiederbelebte Arianismus: wiederbelebt in offizieller Form, d h. mit der Approbation des Heiligen Stuhls.
Noch vor zehn Jahren war der Modernismus Häresie;
zehn Jahre später ist er reine Orthodoxie. Und damit niemand an der
Wende zweifelt, hat Paul VI. den Antimodernisteneid aufgehoben.
Noch vor zehn Jahren war der Kommunismus im Wesen
pervers; zehn Jahre später ist er die Lehre, mit der man sich im Namen
des "Aggiornamento"' jederzeit arrangieren kann. Nachdem er vom
Vaticanum II nicht verurteilt worden ist, ist er in die Kirche und alle
Stände der Geistlichkeit, hoch und niedrig, eingefallen.
Seit zehn Jahren ist alles von Übel, was sich dem
Kommunismus entgegenstellt; alles aber, was ihn begünstigt, ist gut...
Alle Päpste haben die unveränderliche Lehre der
Kirche gefeiert. Seit dem Tode Pius' XII. wird sie verfälscht und mit
Häresien vermischt: mit dem Modernismus, dem Liberalismus, dem
Protestantismus... Sie nimmt die maurerische Ideologie in sich auf und
die "Deklaration der Menschenrechte"! (Paul VI. am 4.11.1970 - am Tag
des Friedens).
Das sind die Gründe, warum in der Kirche alles so
gut geht, und warum sich Satan in ihr von seinen Ketten befreit, wie
der Elefant im Porzellanladen... Die Neotheologen, die ihn und die
Ursünde leugnen, nehmen der Taute, dem Taufexorzismus, ja sogar der
Idee der Erlösung und eines Erlösers jeden Sinn...
In diesen zehn Jahren sind auch die Sakramente
zusammengebrochen: wozu noch Beichte und Buße? Wozu Ordnung und Gesetz?
Wozu ein versöhnendes und erlösendes Meßopfer? Was ist noch zu erlösen?
Das ist absurd!
Der mündige Mensch bedarf keiner Institutionen und
keiner Gesetze zu seiner Führung; er braucht keine unauflösliche Ehe
mehr; keinen priesterlichen Zölibat, kein kontemplatives und religiöses
Leben; dahin hat es die Kirche in zehn Jahren gebracht - unter dem
ruhmreich regierenden Paul VI. "An seinen Früchten werdet ihr den Baum
erkennen.."
Noch vor zehn Jahren war die Kirche noch nicht vom
Segen des Ökumenismus berührt. Zehn Jahre später "ökumenisiert"' sie
mit allen Mittel. Sie befürwortet eine Vereinigung mit den
Protestanten, mit den Juden und Muselmanen ... Sie befürwortet eine
Superkirche, die der Fürst dieser Welt betreuen wird.
Noch vor zehn Jahren war die katholische Religion
die Gottes; zehn Jahre später ist sie die Religion des Menschen, die
das Blut aus den Zellen des lebenden, mystischen Leibes Christi pumpt!
Das Leben unserer Seelen! ... Denn die Religion des Menschen - "Wenn du
nicht für Mich bist, so bist du gegen Mich" - wird sich früher oder
später in die Religion des Feindes des menschlichen Geschlechtes
verwandeln.
Vor zehn Jahren war die Kirche noch geeint; zehn
Jahre später hat sie zwar kein Schisma, ist aber entzweigerissen; und
zwischen beiden Parteien Rast ein Kampf auf Leben und Tod, ein Kampf
zwischen dem Leben der Kirche und ihrem Tod.
Doch wir wissen, daß es so schien, als würde der Tod
am Kreuz das Leben besiegen... Zehn Jahre der Kreuzigung für die Braut.
Doch wie Christus, ihr Bräutigam wird sie auferstehen!
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