DIE SELBSTENTLARVUNG DER "KONZILIAREN KIRCHE" - ODER BISCHOF GRABERS BUMERANG
von Anton Holzer
Das Konzil Vaticanum II und die aus ihm folgenden und in seinem Namen praktizierten Reformen haben (abgesehen von der Zerstörung des Glaubens und der Kirche) noch andere seltsamen Früchte gezeitigt, die jeden vernünftigen Menschen, der in der traditionellen Dogmatik etwas bewandet i s t , den Kopf schütteln lassen. Jeder bastelt sich nun seine eigene Theologie für seinen jeweiligen Zweck. Und der Zweck der "konziliaren Kirche" ist bekanntlicn die "SelbstzerstÚrung der Kirche" und somit - soweit Mgr. Lefebvre und sein Werk die Kirche repräsentieren - eben die Erledigung dieses Bischofs und seines Werkes. Man kann dabei öfters den Eindruck gewinnen, daß diese Kämpfer dabei jeweils nicht nur den katholischen Glaubens verleugnen und ihre traditionelle Dogmatik streckenweise ignorieren müssen, sondern daß sie auch zwar nicht die Überheblichkeit ihres Verstandes, aber diesen selbst auf dem Altar der Einheit opfern.
So haben die Chargen und Mitläufer der "konziliaren Kirche" unablässig ihre unhaltbaren Argumente wiederholt, ohne die des Gegners auch nur zur Kenntnis zu nehmen und zu beantworten; sie haben aber auch wieder neue erfunden. Denn auch Haß macht erfinderisch, wenn es darum geht, Mgr. Lefebvre und alle, die man aus irgend einem Grund mit ihm in den Gleichen Topf werfen kann, zu disqualifizieren, sei es intellektuell oder moralisch. Das Schlimmste leisten sich dabei die von der etablierten Theologenzunft.
So hat es P. Dr. Johannes Chrysostomus OSB (Niederalteich) wieder mit dem Vorwurf der Häresie versucht (Leserbrief an die DT v. 14./15. Juli 1978: Die Frage der Gegenkirche): "Das I. Vaticanum, auf das gerade die "Lefebrianer' (sic!) sich so gern berufen, lehrt eindeutig, daß der römische Papst eine v o l l e und h ö c h s t e Jurisdiktion über alle Katholiken besitzt. Verweigert man ihm den schuldigen Gehorsam, so bringt man sich in Gegensatz zu dieser Glaubensaussage."
Bedauerlicherweise ist dem geistlichen Herrn nicht einmal das wirkliche Problem aufgegangen, das sich hier stellt: (1) Nur die Verweigerung des schuldigen d.h. geschuldeten Gehorsams könnte man sich allenfalls in Gegensatz zum Primatsdogma gesetzt vorstellen. (2) Der Begriff "schuldiger Gehorsam" schließt ein, daß es auch einen ungeschulde ten Gehorsam gibt, sei es daß man nicht zum Gehorsam verpflichtet ist, sei es daß man solchen unter Umständen gar nicht leisten darf. (3) Selbst eine legitime Autorität kann in ihren Gehörsamsforderungen ihren Kompetenzbereich überschreiten, so daß ihre Forderung nicht verpflichtet. (4) Der Kompetenzbereich jeder kirchlichen Autorität (auch des Papstes) ist nicht absolut, sondern umfaßt alle Maßnahmen zum Allgemeinwohl der Kirche, zur Verherrlichung Gottes also und zum Heil der Seelen, m.a.W. solche Maßnahmen, welche die Kirche, das Reich Gottes die Königsherrschaft Gottes in Christus über alle Menschen und Völker und den ganzen Kosmos auferbauen. (5) Seit dem Beginn des Vaticanums II aber i s t eine Emanzipationsbewegung weg vom verbindlichen Wort Gottes (Gebote, Dogma usw.) im Gange und eine "Selbstzerstörung der Kirche" festzustellen, die nicht nur von offizieller Seite zugegeben wird, sondern von ebendieser sogar toleriert und gefördert, ja aufgezwungen wird. (6) Nach dem Evangelium (Mt 7,15f und Luk 6,43f) aber bringt ein guter Baum gute Früchte. Die seit dem Vaticanum II erfolgte Manipulation des Baumes "Kirche" aber hat wegen der sehr zweifelhaften Früchte, die er seither produziert, berechtigte Zweifel an der Qualität des Baumes aufkommen lassen. M.a.W. das vom Vaticanum II beanspruchte prophetische Charisma (vgl. Eröffnungsrede Pauls VI.) ist gemäß Mt 7,15 ein falsches Prophetentum, vor dem man sich hüten muß, dem man nicht folgen darf, auf das man nicht hören darf, selbst wenn es in Schafskleidern, im Bischofsornat oder gar in Tiara und Cappa dherkommt. (7) Das einzige, was in der Auseinandersetzung um Lefebvre zur Diskussion stehen kann, ist nicht die Rechtsfrage, ob man grundsätzlich berechtigt oder gar verpflichtet sein kann, unter gewissen Umständen dem Papst den Gehorsam zu verweigern (selbst der papistische hl. Kirchenlehrer Bellarmin hat das passive Widerstandsrecht d.h. Die Gehorsamsverweigerung für rechtens angesehen im Fall, daß der Papst kirchenzerstörende Akte setze), sondern allenfalls die Tatsachenfrage, ob das Prinzip (Unaquaeque arbor de fructu suo cognoscitur Lk 6,44) aut das Verhältnis Konzil - "Selbstzerstörung der Kirche" anwendbar i s t , m.a.W. ob die Früchte wirklich schlecht sind bzw. ob das Schlechte wirklich Früchte des Konzils sind. Und in dieser Frage scheiden sich die Geister und gehen die Wege auseinander. Die einen schließen scheinheilig fromm die Augen und leisten dem Papst blinden Gehorsam, oder nur unter größten Bedenken und Gewissensbissen, und akzeptieren alles, was ihnen im Namen des Konzils und des Papstes vorgesetzt wird, wobei sie das Primats- bzw. Unfehlbarkeitsdogma überinterpretieren; die anderen halten sich strikt an die Definitionen, die überlieferten Prinzipien und die damit übereinstimmende allgemeine Handlungsweise der Kirche und verweigern daher den Gehorsam für alle Maßnahmen der Kirchen-Zerstörung, die ja nicht im Kompetenzbereich der kirchlichen Autorität liegt.
Den zweiten Ladenhüter, den Vorwurf des Schismas, wärmt P.J. Chrysostomus ebenfalls wieder auf: "Schon die alten Väter verurteilten entschieden die 'Aufrichtung eines Altars gegen einen anderen1. Wenn aber heute die 'Lefebrianer' gerade das tun, so ist ihre Gruppe mit Recht als eine im Entstehen sich befindliche Gegenkirche zu bezeichnen. 'Ubi Petrus, ibi ecclesia' - 'Wo Petrus ist, da ist die Kirche' - wurde gerade in der Zeit nach dem I. Vaticanum besonders eindeutig betont. Wo ist denn Petrus bei den 'Lefebrianern' und wann haben sei sich ihm angeschlossen?... " Der gelehrte Pater scheint erstens noch immer nicht bemerkt zu haben bzw. er ignoriert einfach die Tatsache, daß es keineswegs die "Lefebrianer" sind, welche "Altar gegen Altar kehren" bzw. "einen anderen Altar errichten", wie die Formel für das Schisma in der Sprache der Kirchenväter lautet, sondern die "Konzilskirche" selbst. Denn sie hat den zum Osten (zu Gott) gewandten Altar durch einen zum Volk hingewandten Tisch ersetzt, den Opferaltar zum Mahltisch umfunktioniert und einen neuen Kult geschaffen, dessen Mitte der Mensch ist; sie hat die "neue Messe einer "neuen Epoche" (Pauls VI.) geschaffen und sich von der Einheit der Kirche in der Zeit der Tradition, getrennt und ins Schisma begeben.
Zweitens besagt das Prinzip "Ubi Petrus, ibi ecclesia" nicht, daß überall dort, wo eine Person den Anspruch erhebt, der Papst zu sein und als solcher zu handeln, dieser Anspruch gerechtfertigt ist und die Kirche dort ist. Denn wie die Kirchengeschichte für die Vergangenheit zeigt und der Kirchenrechtler Audomar Scheuermann für die Zukunft versichert, gibt es die Möglichkeit von Scheinpäpsten: "Ein Papst, der einer notorischen öffentlich verbreiteten Häresie und damit dem Schisma anheimfallen würde, würde damit ipso facto aufhören Glied und Haupt der Kirche zu sein. Daß es bei den Wechselfällen der Geschichte auch in Zukunft zu Pseudo- oder Putativ-Päpsten kommen kann, ist durchaus möglich." (LThK2 Bd.9, Freiburg/Br. 1964, Sp. 4o5f s.v. Schisma)
Drittens kann selbst ein legitimer Papst nicht prinzipiell in allem völligen Anschluß bzw. absoluten Gehorsam verlangen, sondern nur dort, wo er nach den überlieferten Kritierien mit Gewißheit als Organ Gottes handelt, etwa bei Entscheidungen ex cathedra oder wenn er in Übereinstimmung mit der Tradition seines ordentlichen Lehramtes waltet.
Das Prinzip "Ubi Petrus ibi ecclesia" besagt also nur: wo ein wirklich legitimer Papst (= Petrus) in legitimen Rechtshandlungen seines Amtes zur Auferbauung der Kirche waltet, da ist die Kirche und da ist konkrete Gemeinschaft mit ihm im Gehorsam als Ausdruck der Einheit möglich und gut. Solange also Amtshandlungen selbst eines legitimen Papstes die Kirche zerstören, ist das Prinzip "Ubi Petrus, ibi ecclesia" nicht bzw. nur widersinnig anwendbar.
Zu diesen beiden bereits konventionellen Geschossen gegen Mgr. Lefebvre (Häresie und Schisma) gesellt sich neuerdings ein drittes: die Leugnung der Gültigkeit seiner Weihen. Auch Haß macht anscheinend erfinderisch. P.J. Chrysostomus fährt nämlich in seiner Polemik gegen Ecóne und die "Lefebrianer" fort: "Das eine möchte ich aber doch hinzufügen: warum wurden die von Lefebvre in den letzten Jahren gespendeten Weihen noch immer als g ü l t i g , wenn auch als unerlaubt bezeichnet? Zur Gültigkeit der Weihen gehören: 1. die apostolische Sukzession, 2. die richtige Materie und Form des Sakramentes und 3. Die Intention des 'faciendi quod facit ecclesia' (das zu tun, was die Kirche tut). Die ersten Faktoren sind in unserem Fall zweifellos vorhanden. Aber wie steht es mit dem dritten Faktor? Kann ein römisch-katholischer Bischof, dem vom Papst persönlich die Spendung der Weihen streng untersagt ist, dem sogar alle priesterlichen Funktionen verboten sind, bei der Spendung der Weihen die Intention haben, das zu tun, was die Kirche tut? Ganz anders verhält es sich im Falle derjenigen nichtkatholischen Bischöfe, die gültig geweiht sind. Sie handeln nach der Intention derjenigen Kirche, die sie für die wahre halten. Aber nach der Intention welcher Kirche handelt Lefebvre, wenn er die ihm verbotenen Weihen spendet? Nach der Intention der römisch-katholischen Kirche oder nach der Intention derjenigen Gegenkirche, die aufzubauen er im Begriffe ist? Ich glaube, seine Weihen wenigsten in diesem und im vorigen Jahr, sind zweifelhaft, wenn nicht direkt sogar ungültig."
Zu dieser für die "Konzilskirche" wenig maßgeblichen Meinungsäußerung kommt freilich die Stellungnahme Bischof Grabers von Regensburg, die von größerem Gewicht ist und eine offizielle Verlautbarung darstellt, hinter der man - dem Kollegialitätsprinzip zufolge - mehr als nur die Privatansicht eines einzelnen Bischofs sehen darf. Er Bischof Graber hat laut Kathpreß die Gültigkeit der von Mgr. Lefebvre gespendeten Weihen ebenfalls in Frage gestellt: wegen mangelnder Intention. (Dieselbe theologisch unhaltbare Begründung bietet übrigens in einem Statement zu den Weihen von Palmar de Troya Dr.Ph. Küble in Vox Fidei, Nr.18 vom 15. Sept. 1978 S.12).
Die Auffassung dieser Angehörigen der "Konzilskirche" freilich ist ein Bumerang, wenn man die darin enthaltenen theologischen Implikationen entfaltet. Hatte noch im August 1976 die Fuldaer Bischofskonferenz zum Fall Lefebvre erklärt: "Die katholische Kirche ist keine andere als die 'Konzilskirche1.." (DT 28.9.76 S.7), so wird dieser Anspruch jetzt unter der Hand implizit durch Bischof Graber (und P.J. Chrysostomus) dementiert.
Denn der Sachverhalt liegt folgendermaßen: (1) Mgr. Lefebvre vollzieht bei seinen Weihen in subjektiver und objektiver Intention (wie der von ihm verwendete vorkonziliare Weiheritus zeigt) ohne jegliche Abstriche, Hinzufügungen oder Veränderungen genau das, was die Kirche mit diesem Ritus als ihre Intention objektiv realisierte.
Der Wille zur Realisierung dieser objektiven Intention der Kirche im Vollzug des traditionellen Ritus genügt aber nach der traditionellen Dogtuatik zur Gültigkeit der Weihe. (2) Mgr. Lefebvre handelt also bei seinen Weihen nicht nur nach der Intention derjenigen Kirche, die er rein subjektiv für die wahre hält, sondern welche die allein wahre ist und sogar von der "Konzilskirche" bis August 1976 dafür gehalten wurde (vgl. obige Erklärung der Fuldaer Bischofskonferenz). (3) Die neue "Konziliare Kirche" aber hat den Ritus aller Weihen geändert, in spezifischer und signifikanter Weise geändert, durch Auslassung und Textneufassung, so daß er zumindest nicht mehr in derselben Eindeutigkeit und Klarheit wie der frühere die Wahrheit und das Wesen des katholischen Priestertums (und Episkopats) ausdrückt. Die Intention des neuen Ritus ist somit wenigstens in dieser Hinsicht in typisch (ökumenisch) liberaler Weise der dogmatischen Klahrheit des traditionellen Ritus entgegengesetzt. Zumindest in dieser Hinsicht liegt also (wenn man einmal von einer eventuellen ausdrücklichen inhaltlichen Entgegensetzung absieht) eine Gegenintention zur traditionellen Intention der Kirche vor. Ob diese Gegenintention nach den Kriterien Papst Leos XIII. (Enzyklika "Apostolicae curae" von 1896) zur Behauptung der Ungültigkeit der Weihen nach dem neuen Ritus zwingt, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls verpflichtet das katholische Prinzip des Tutiorismus, wonach im Bereich der Sakramentenspendung immer und grundsätzlich der sicherere Weg einzuschlagen ist , zur Verwendung des traditionellen Ritus, der die kirchliche Intention sichert.
(4) Wenn also die Verwendung des traditionellen Ritus, in dem sich unzweifelhaft die Intention der Kirche objektiviert hat, nach Auffassung der "Konzilskirche" nicht mehr die Gültigkeit der in dieser Intention gespendeten Weihen garantiert, so setzt das voraus bzw. schließt ein, daß der neue Ritus eine inhaltlich und wesentlich andere Intention enthält als der frühere oder daß die Intention der "Konzilskirche" von derjenigen der Kirche vor dem Konzil wesentlich verschieden ist. Das wiederum bedeutet, daß die "konziliare Kirche" nicht mehr mit der römisch-katholischen Kirche identisch ist.
Damit freilich bestätigen Bischof Graber usw., ohne es zu wissen und zu wollen, die These, daß das Vaticanum II keineswegs ein Reformkonzil war, sondern die Konstituante einer neuen Institution, die sich als Quasi-Besatzungsmacht die Organisation der katholischen Kirche usurpierte und sich nun als "konziliare Kirche" deklariert, in Wahrheit aber die Gegenkirche ist, vor deren Zerstörungsarbeit Mgr. Lefebvre durch sein Werk die wahre Kirche aufrechtzuerhalten sucht, soweit er es eben vermag. |