DIE HL. MESSE IST KEINE BLOSSE DISZIPLINARSACHE!
von Reinhard Lauth
Es ist heute wesentlicher als je, sich das Entscheidende unseres katholischen Glaubens klar und deutlich vor die Augen des Geistes zu stellen. Warum sind wir katholische Christen (und nicht Protestanten oder bloße Gottgläubige)? Was ist das Eigentümliche der katholischen Kirche - im Gegensatz zu den anderen christlichen Konfessionen? - Die Antwort muß lauten: die treue Verwaltung nicht nur der Lehre Christi, sondern auch der hl. Sakramente. Unsere Kirche ist eine sichtbare Kirche, die als sichtbare notwendig auch eine juridische Gestalt* hat. Sie bekennt nicht nur den Glauben, sondern sie spendet den Gläubigen die hl. Sakramente; vor allem aber ermöglicht sie ihnen die Teilnahme am Opfer Jesu Christi durch die Feier der hl. Messe. Deshalb haben wir in unserer Kirche Bischöfe und Priester in apostolischer Sukzession - denn nur sie können das hl. Meßopfer darbringen und nur sie können die Mehrzahl der Sakramente spenden.
Der Herr hat die unblutige Erneuerung Seines heiligen Kreuzesopfers gewollt, damit die Glaubenden an diesem heiligen Opfer unmittelbar teilnehmen können und damit sie sich mit Ihm nicht nur geistig, sondern auch leiblich immer wieder vereinigen und als Trauben am göttlichen Weinstock in übernatürlicher Weise leben. Der Priester, der das hl. Meßopfer stellvertretend für den Herrn vollzieht, dient also dem ständigen Weitervollzug des Opfers Christi und der durch diesen ermöglichten Kommunion der Gläubigen mit dem Herrn. Das hl. Meßopfer und die hl. Kommunion sind ein Gnadengeschenk Gottes an uns sündige Menschen, um unsere Heiligung zu ermöglichen. Es liegt bei dem Schenkenden, unter welchen Bedingungen er sein Geschenk geben will. Im Falle der hl. Messe ist dies sicherlich ihr gültiger Vollzug, vom dem wiederum die Möglichkeit einer wirksamen Kommunion abhängt.
Schon aus dem bisher Gesagten erhellt, daß es folglich von höchster Wichtigkeit ist, daß das hl. Meßopfer gültig zelebriert wird. Der Herr hat bei seiner Einsetzung gesagt: "Tuet D I E S , so oft ihr es tut, zu meiner Vergegenwärtigung (in meam memoriam)". Er hat also die hl. Wandlung an eine bestimmte Form gebunden. Die Emmausjünger erkannten den auferstandenen Herrn an der Form der Eucharistie; dies war nur möglich, wenn ihnen bewußt war, daß die "Danksagung", die ja auch sonst durch die Juden vollzogen wird, in einer bestimmten Weise, eben in der beim hl. Abendmahl festgesetzten, erfolgen muß.
Welches nun die Bedingungen einer gültigen Wandlung sind, stand von Anfang an in der Kirche fest. Nur ein Priester kann wandeln; er tut dies aber nur, wenn er die erforderliche Absicht bei der hl. Wandlung hat. Zur Wandlung gehören die von Christus gebrauchten Substanzen Brot und Wein; zu ihr gehören ferner die vom Herrn verwendeten Wandlungsworte. Nur diese können - wenn das übrige Erforderliche gegeben ist - die Wandlung bewirken. Diese heiligen Worte wurden von der Kirche zunächst nur mündlich überliefert, um das Geheimnis zu wahren.
Der hl. Apostel Paulus schreibt den Korinthern, daß er als Diener Christi und als Verwalter der Sakramente Gottes angesehen sein wolle. "Von diesen Verwaltern wird aber verlangt, daß sie sich als getreu erweisen." (I.Kor.4,2). Deshalb schreibt er ihnen auch nicht die genauen Wandlungsworte, sondern bemerkt: "Das übrige werde ich jedoch, wenn ich komme, festsetzen." (12,34).
Das Konzil von Florenz hat die Wandlungsworte, welche die heilige römische Kirche, "durch die Autorität und Unterweisung der Apostel Petrus und Paulus gesichert", immer gebraucht hat, noch einmal ausdrücklich wörtlich bestimmt. Dabei heißt es für die Wandlung des Weises in das Blut Christi "pro multis" = für viele.
Das tridentinische Konzil hat ausdrücklich festgestellt, daß es eine auf einem satanischen Anschlag (comentum satanicum) ruchloser Menschen basierende Schandtat (flagitium) sei, die Wandlungsworte gegen das in der gesamten Kirche übliche Verständnis und den offenbaren Sinn, demgemäß sie von den hl. Vätern auch immer verstanden worden seien, zu verdrehen (detorqueri). Es besteht aber kein Zweifel, daß die Worte für die Wandlung des Weines in das Blut Christi nach dem griechischen und lateinischen Text der hl. Schrift, nach dem Verständnis nahezu aller Väter, nach den Bestimmungen der Meßkanones und nach den Festsetzungen des gesamtkatholischen Konzils von Florenz in der hier entscheidende Passage lauten: "mein Blut, das zur Vergebung der Sünden für euch und FÜR VIELE vergossen wird". Papst Pius VI., der den Gebrauch der von Bischof Ricci geforderten Vulgärsprache beim hl. Opfer als haeretisch verurteilt hat, schreibt dazu: "Wir gebieten deshalb allen Christgläubigen beiderlei Geschlechts, daß sie sich nicht herausnehmen, etwas von den besagten Behauptungen und Lehren anzunehmen, zu lehren oder zu predigen, gegen die wir uns in dieser unserer Konstitution (cf. Auctorem fidei) erklärt haben; und zwar so, daß, wer immer diese Behauptungen oder etwas mit ihnen Verbundenes oder aus ihnen Herausgenommenes lehrt, verteidigt, veröffentlicht oder sich mit ihnen öffentlich oder privat disputierend anders befaßt, als um sie zu bekämpfen, der kirchlichen Zensur und den übrigen rechtlich gegen die, die solches tun, festgesetzten Strafen, ipso facto und ohne daß eine weitere Erklärung nötig wäre, verfällt." Es ist klar, daß diese Bestimmung a fortiori für die oben genannten notwendigen Bedingungen einer gültigen Wandlung gilt.
Wenn also Johannes Paul II. Erzbischof Lefebvre gegenüber in seinem Gespräch im November 1978 erklärt hat, die Frage der "tridentinischen" Messe und des Novus Ordo sei eine bloße Disziplinarsache, so hat er sich damit in Widerspruch zu der verpflichtenden Lehre der Kirche gestellt. Der Novus ordo widerspricht der Anordnung Christi, der Überzeugung der Gesamtkirche, den Festsetzungen der Konzile von Florenz und Trient und den Bestimmungen Papst Pius VI. Er ist haeretisch. Haeresie aber ist keine Frage der Disziplin. Die Frage der Gültigkeit der hl. Wandlung ist eine Frage des Glaubens.
Ein Papst kann Änderungen in der hl. Messe nur insoweit vornehmen, als sie die dogmatisch erforderten Stücke des hl. Opfers nicht betreffen. Alle anderen Änderungen sind nicht nur - da durch den Glauben der Kirche verurteilt - null und nichtig, sondern stempeln den Veränderer auch zum Haeretiker und bewirken damit nach der Bulle Pauls IV. für die entsprechenden Anordnungen den Verlust der Amtskraft. Es sollte dies alles klar sein, vor allem den Priestern und Bischöfen. Papst Coelestin schon hat geschrieben: "Es ist keinem Priester gestattet, die kanonischen Bestimmungen nicht zu kennen oder irgend etwas zu tun, das gegen die Regeln der Väter läuft." Schließlich haben die Priester dazu Theologie studiert, daß sie wissen, was sie in ihrem Amt tun.
Es ist auch ohne alles Nachschauen in den bindenden Beschlüssen der Kirche klar, daß ein in seinem Text verfälschtes Testament in dieser Form nicht rechtsgültig sein kann. Nach der hl. Schrift ist jeder doppelt im Anathema, der ein anderes Evangelium verkündet. Und hier ist ein Kernstück des Evangeliums, die Worte des neuen Bundes, an denen die Möglichkeit der gültigen Sakramente und der gültigen Erneuerung des Opfers Christi hängt. Man kann nur hoffen, daß die treugebliebenen katholischen Christen sich durch das sophistische Gerede solcher**, die jetzt den Augenblick für gekommen zu halten scheinen, einen unmöglichen Kompromiß zwischen Mgr. Lefebvre und Johannes Paul I I . zuwege zu bringen, und uns Sand in die Augen schleudern möchten, nicht irre machen lassen.
Ich bitte aber auch dies noch zu bedenken: Wenn die Meßfrage ("tridentinische" Messe oder NOM) eine Disziplinarfrage ist , dann konnte Paul VI. den NOM als gültige Meßform vorschreiben, dann mußten die katholischen Christen ihm gehorchen, und dann sind Mgr. Lefebvre und seine Priester Rebellen, die schon lange in der Todsünde stehen; dann waren die Priesterweihen Mgr. Lefebvres unerlaubt und die Teilnahme an den Messen dieser Priester ist eine schwere Sünde. - Wenn die Meßfrage eine Disziplinarfrage ist , dann müssen wir uns im Falle einer Einigung zwischen Joh. Paul II. und Mgr. Lefebvre drauf gefaßt machen, daß der NOM auch auf unseren Altären gelesen wird, daß unsere Kinder nach der dieser Meßordnung zugrundeliegenden Auffassung über die Messe - daß sie nämlich bloß ein Liebesmahl unter einem Vorsitzenden ist, der das vergangene Ereignis historisch referiert - unterwiesen werden.
Wollen wir das? Können wir das, ohne unseren Glauben zu verleugnen? Wer sich diese Frage klar beantwortet, weiß, wo er zu stehen hat, falls es zu jenem Kompromiß und der aus diesem hervorgehenden Freimaurerei in der 'Kirche' kommen sollte. Wir verlangen eine klare Auskunft darüber, wie es mit solchen Absichten steht, und keine undurchsichtige Diplomatie und Argumente ad hominem, die uns schon allzulange moralisch in unserem Kampf für die Sache Gottes schwächen!
Anmerkungen: * Jede juridische Organisation braucht eindeutige juridische Bestimmungen, an die man sich halten kann. ** Sieht man doch sogar die geruchloseste (-non olent! non olent!-) Kreatur in einer angeblich "traditionalistischen" Zeitschrift vertrakte Bocksprünge vollführen, um geistesschwache Gemüter zu verwirren. |