FRIEDLICHE KOEXISTENZ ?
von Eberhard Heller
Ob Mgr. Lefebvres Bestreben, so rasch wie möglich wieder 'normale' Beziehungen zum Vatikan herzustellen, der Befürchtung entsprang, -in die Isolation gedrängt zu werden - denn die weltweite Taktik Roms und der Presse in den letzten Jahren ging dahin, seine Aktivitäten totzuschweigen -, kann ich nur vermuten; es können auch andere Gründe im Spiel gewesen sein. Tatsache ist, daß die Verhandlungen mit Paul VI., die über de Saventhem (vgl. zu seiner Person EINSICHT VII(1)25-28) liefen, scheiterten (vgl. die Sammlung der ital. "Una voce": "II 'Dossier' Saventhem"). Lefebvres Wunsch, bald bei Luciani eine Audienz zu erhalten, scheiterte wahrscheinlich nur an dessen plötzlichem Hinscheiden, Am 2o.11.1978 überraschte die Presse die Öffentlichkeit mit der Nachricht, daß Lefebvre auf seinen Wunsch hin von Wojtyla am Samstag, dem 18.11.1978 empfangen worden sei. Dies war bereits am Samstag dem 19.11.1978 von dem vatikanischen Pressesprecher Romeo Panciroli bestätigt worden. Einzelheiten über das zweistündige Gespräch wurden von diesem nicht mitgeteilt. Doch war man allgemein der Meinung, daß Lefebvre eine Annäherung der Standpunkte suchte, um, wie er schon im Juli 1978 an Montini geschrieben hatte, "die Rückkehr zu einer normalen Situation zu begünstigen". (Stuttgarter Zeitung vom 2o.11.1978) Die Aussichten einer 'Aussöhnung' mit Rom schienen nie so günstig wie jetzt, gehört doch der (illegitime) Inhaber der Cathedra Petri dem polnischen Episkopat an, der sich in gewisser Weise einmal mit Lefebvres traditionalistischen Bestrebungen solidarisch erklärt hatte.
Da diese Ambitionen für die Gläubigen, die zum großen Teil in Lefebvre - trotz aller gegenteiligen Beteuerungen von seiner Seite - den Führer der Traditionalisten sehen wollten, von erheblichem Interesse sitfid, soll hier, soweit mir das möglich ist, der Weg dieser Verhandlungen nachgezeichnet werden.
Nur spärlich drangen von der ersten Begegnung Einzelheiten an die Öffentlichkeit. Nach einer Indiskretion der Zeitung "Vita Sera" hatte Wojtyla Lefebvre zugesichert, "er werde sämtliche Mißbräuche, Fehldeutungen oder irrtümliche Schlußfolgerungen der nachkonziliaren Entwicklung abstellen. Allerdings wies er nachdrücklich darauf hin, daß an der Gültigkeit des Zweiten Vatikanischen Konzils für die katholische Kirche nicht zu rütteln sei". (NZ, 25.11.1978 - Unterstreichungen im Text jeweils von mir, auch im folg.) Ein weiteres Treffen sollte 2-3 Wochen darauf stattfinden. "Wie später bekannt wurde, soll Mgr. Lefebvre "als Voraussetzung für die Gewährung der Papstaudienz am 18. November die Respektierung der päpstlichen Autorität und der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils zugesichert" haben. (DT vom lo.1.1979)
Die ersten öffentlichen Äußerungen über seine Verhandlungen mit dem Vatikan gab Lefebvre kurz vor einem Termin zu einem weiteren Treffen, das für den lo. 1.1979 angesetzt war. In einem vom Schweizer Fernsehen ausgestrahlten Interview äußerte er die Zuversicht, daß es zwischen Rom und den Traditionalisten zur 'Versöhnung' kommen werde. Bei seinem kommenden Besuch wolle er der Glaubenskongregation "Rede und Antwort stehen". - "Er erwarte, daß dabei nur noch über disziplinarische Fragen diskutiert werde, 'da anscheinend meine Antworten zu Fragen, die das Dogma betreffen, zufriedenstellend waren'". (FAZ vom 8.1.1979) Was heißt das: "meine Antworten zu Fragen, die das Dogma betreffen, (waren) zufriedenstellend"? Die Auflösung dieses Rätsels folgt bald. Auffallend ist auch, daß sich Lefebvre zumindest als Sprecher der Traditionalisten bei seinen Verhandlungen fühlte. Alle diesbezüglichen Appelle und Bitten hatte er vorher jeweils striktissime abgelehnt. Wer hatte ihn also von den Traditionalisten beauftragt? De Saventhem, der Ankuppler? - In einem Gottesdienst, den er in Zürich feierte, erklärte Mgr., "er hoffe, daß in einigen Monaten 'vielleicht nach einem weiteren Gespräch mit dem Heiligen Vater, uns erlaubt wird, unsere traditionelle Glaubensform wieder weiter zu pflegen, zum Wohl der Kirche und für deren Einheit, denn dann würden wir sogleich wieder im Einklang mit den hiesigen schweizerischen Bischöfen befinden. '" (FAZ vom 8.1.79)
Am 10.1.1979 wurde Lefebvre von Franjo Seper empfangen. Dabei antwortete er auf Fragen, die ihm vorher schriftlich zugesandt worden waren. In dem "Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X. für den deutschen Sprachraum" Jan/Febr. 1979/4 stimmt Franz Schmidberger, der sich bis aufs letzte I-Tüpfelchen auf Lefebvre abgestimmt hat, dem Stand der Verhandlungen inhaltlich zu, wie ihn J. Schilling am 13.1. 1979 im MÜNCHNER MERKUR geschildert hat: "Ein anderes Problem wirft die rechtliche Situation seiner Stiftungen auf, die Gebäude, Grundstücke sowie andere Vermögenswerte besitzt. Normalerweise müßten diese den zuständigen Bistümern überstellt werden, da die Genehmigung dafür vor Jahren zurückgezogen worden ist. Offensichtlich ist Lefebvre aber mit der Auflösung seiner Stiftung nicht einverstanden." Dogmatische Probleme gab's keine mehr, es ging also nur noch um Macht und Geld!
Eigenartig überrascht darum Mgr. Protest, von dem die WELT am 22.1.1979 berichtete. In einem Interview, das Lefebvre der Mailänder Zeitung "Domenica del Corriere" gab, soll er gesagt haben: "Rom i r r t , nicht ich." - "Ursache für den Niedergang der Kirche" sehe er im II. Vatikanum; die Reformen seien "modernistisch und liberalkommunistisch". Wem galt dieser Schuß?
Doch bald darauf verkündete Lefebvre erneut, daß sein Streit mit dem Vatikan bald beendet sein werde. "Die Frage des Papstes, ob er die Reformen des Konzils im Sinne der Tradition akzeptiere, habe er bejaht. Darauf sei ihm geantwortet worden: 'Dann gibt es keine dogmatischen Schwierigkeiten zwischen uns!'" (SZ vom 4.2.1979) Wie kann man die Reformen, die uns u.a. eine ungültige Messe, eine protestantische Abendmahlslehre, zweifelhafte bzw. ungültige Riten für die Priester- und Bischofsweihe, die praktische Abschaffung der Beichte etc. etc. beschert haben, im Sinne der Tradition bejahen? Das wäre ja dann ein Super-Berlin-Abkommen, das jeder nach Belieben ausdeuten kann. Solche Gedankenkunststückchen brachte vor Lefebvre nur noch Döpfner fertig, als er einmal meinte: "Wir haben die Einheit mit den Protestanten erreicht, und sind doch noch katholisch geblieben."
Erhellend sind auch die Aussagen Lefebvres, die er in einem Gespräch mit der Schweizerischen Depeschenagentur mashbe, das "Mysterium Fidei"-vom März 1979 nach dem BADENER TAGBLATT vom 29.1.1979 wiedergibt: (Frage:) "Wie ist nun, Exzellenz, der Stand der Dinge nach Ihren letzten Unterredungen?" fragten wir. "Nichts ist beendigt, aber viele Fragen haben sich geklärt" führt Msgr. Lefebvre aus. "Jetzt würde man in Rom nicht mehr sagen wagen, meine Meinung vom Konzil sei unzulässig. Selbst der Hl. Vater hat mir, als ich ihn traf, erklärt, er billige meine Formulierung bezüglich des Konzils, d.h., daß ich die Akten des Konzils billige, sie aber nach der Tradition auslege, insofern sie mit der Überlieferung übereinstimmen.'"(...) Auf die Frage, welche Lösung er sehe, erinnerte Msgr. Lefebvre daran, daß man ihm in Rom diese Frage auch gestellt habe. Er habe darauf geantwortet: "Es gibt darauf nur wenig zu sagen: Man lasse uns einfach jene Mittel der Heiligung gebrauchen, welche die Kirche stets zum Seelenheil verwendet hat. Und das ist alles. Das ist nicht schwer. Die Lösung ist da, und das würde die Dinge auf allen Ebenen gänzlich regeln." - "Da Sie mit dem Papst anläßlich Ihrer letzten Romreise nicht zusammengekommen sind, hat man von einem Misserfolg Ihrerseits gesprochen." "Ein Treffen war nicht vorgesehen" erklärte Lefebvre. "Ich bin mit Kardinal Seper und den Experten zusammengekommen. Es sind mir zahlreiche Fragen gestellt worden. Ich habe darauf geantwortet. Alle diese Schriftstücke sollen in den nächsten Tagen unterzeichnet werden. (...) Ich werde meinerseits keinen Schritt zurück weichen. Ich werde einmal mehr darum ersuchen, man möge uns gestatten, die Tradition zu erproben." - Soweit dieses Interview. Was Lefebvres Standhaftigkeit betrifft, so muß man nüchtern feststellen, daß sie nichts Bestimmtes meint. Denn bisher hat er zu keinem der anstehenden Probleme eine konsequente, eindeutige, wahre Stellungnahme im Sinne der Tradition abgegeben. Insofern ist seine Versicherung eine inhaltsleese Erklärung.
Eindeutig ist jedoch die Antwort auf die Frage, warum Wojtyla mit seinen Antworten bezüglich des Dogmas zufrieden sein konnte, die Lefebvre in einem Interview für die Pariser Zeitung "L'AURORE" gab. Hier zitiert nach FELS vom März 1979, S.92, der sich an einer KNA-Meldung orientiert: "Erzbischof Marcel Lefebvre hofft am 2. März (vielmehr: 12.3. - die 'katholischen Pressedienste' sollten noch fähig sein, den Termin der Thronbesteigung Pius XII. zu ermitteln, denn um den handelt es sich, wie aus der nachfolgenden Meldung der FAZ hervorgeht. Am 4.3. war Lef. übrigens in München erneut von Papst Johannes Paul II. empfangen zu werden. (...) Lefebvre berichtet in dem Interview über die Befragung, der er sich am 1 1. und 12. Januar in Rom unterziehen mußte. Er beklagte, daß die Vertreter der Glaubenskongregation, die diese Befragung durchführten, die von ihm erbetene Anwesenheit eines Zeugen verweigert hätten. Er habe auf einem solchen Zeugen bestanden wegen der Erfahrungen, die er 1975 gemacht habe, als man ihm hinterher nicht einmal das Protokoll der Sitzung zugänglich gemacht habe. Bei den Befragungen habe er klargestellt, daß er in zwei wichtigen Fragen falsch zitiert werde. So habe er weder behauptet, daß sich das Zweite Vatikanum 'gegen den Glauben richte', noch daß die neue Messe ein(e) 'Häresie' und somit ungültig sei. Er sei aber wohl der Auffassung, daß es Konzilstexte - wie die Aussagen über die Religionsfreiheit - gebe, die nicht in Übereinstimmung mit der bisherigen Lehre der Kirche stünden, und daß die 'neue Messe manche protestantischen Giftstoffe' enthalte. (...) In seinem Interview bestätigte der Erzbischof, er wolle bis zur endgültigen Entscheidung des Papstes auf weitere Priesterweihen (Anm. d.Red.: die niederen Weihen, die er am 4.3. in München zählen wohl nicht, nun ja, sie wurden u.a. von Rom auch längst abgeschafft) und die Gründung neuer Seminare und Gemeinschaften verzichten. Diese Zusage sei jedoch an den Vorbehalt geknüpft, daß eine präzise und schnelle Lösung vorbereitet werde. 'Was ich verlange, ist ganz einfach: Daß Rom uns erlaubt, in Frieden und Ruhe das Experiment der Tradition weiterzuführen', sagte Lefebvre. Er hoffe erstens, daß seine 'Bruderschaft Pius X.' von Rom wieder offiziell anerkannt und in die Ordenskongregation eingegliedert werde, und zweitens, daß er weiter die Messe nach dem Ritus Pius X. (vielmehr: V.) und den alten Ritus auch für die Firmung und Priesterweihe beibehalten könne." Soweit Lefebvres Stellungnahme.
Wenn man die entscheidenden Aussagen von ihm festhält, ergibt sich, abgesehen von der Anerkennung des abgefallenen Roms als legitime kirchliche Autorität, folgiendes:
1) Lefebvre bejaht die Gültigkeit des sog. "NOM's Pauls VI. - Das geht auch aus einem Brief hervor, den er de Saventhem geschrieben hat: "Für die universale Kirche sehe ich wie Sie, die friedliche Koexistenz der vor- und nachkonziliaren Riten voraus. Man lasse dann die Priester und die Gläubigen die 'Familie der Riten' wählen, der sie vorzugsweise anhängen wollen. Man warte dann darauf, daß der Zeitenlauf das Urteil Gottes über die, ihnen entsprechenden Wahrheits- und Hei lswi rksiamkeitsgehalte für die katholische Kirche und die ganze Christenheit wissen läßt." (Brief vom 17.9. 1976, in: "II 'Dossier' Saventhem" der (L tal.) Una- voce, der wir niaht angehören!) -Damit hätten wir dann die von Univ. Prof. ,Dr. Dr. Reinhard Lauth apostrophierte "Freimaurerei in der Kirche"! (vgl. EINSICHT VIII(5)19o f.) In diesem Zusammenhang berührt einen auch eigenartig Schmidbergers Versuch, sämtliche Schriften, in denen eindeutig gegen den "NOM" Stellung bezogen wird, aus den ihm unterstellten oder angegliederten Meßzentren entfernen zu lassen.
2) Der wahre Glaube ist für Lefebvre eine Angelegenheit des Experimentierens. - Seine 'Bitte' an die apostatische Organisation, ihm das Experiment der Treue bzw. der Tradition zu gestatten, ist kein einmaliger Versprecher gewesen, sondern eine immer wiederkehrende Redewendung. Der Glaube d.h. die Offenbarung Gottes kann niemals in das Belieben der Gläubigen gestellt werden, er ist in seinem Inhalt absolut verbindlich. (Ganz abgesehen davon, daß es horrend i s t , die Okkupanten um etwas zu bitten, zu dem ich absolut verpflichtet bin!)
B E I D E A U S S A G E N S I N D H A N D F E S T E H Ä R E S I E N !
Schließlioh gibt die FAZ vom 2.3.1979 noch bekannt: "Nach Meldungen der in Rom erscheinender. Wochenzeitung 'II Mondo' steht der suspendierte französische Traditionalistenbischof Lefèbvre im Begriff, einen 'Brief der Unterwerfung' an den Papst zu richten, der Johannes Paul I I , von dem Erzbischof von Genua, Kardinal Siri, aus Anlaß der Fünfzigjahrfeier der Thronbesteigung Pius XII. (vielmehr: 4o-Jahrfeier) übergeben werden solle." Das wäre der 12.3.1979 gewesen.
Wenn die Meldung stimmt - bisher sind darüber noch keine Einzelheiten in den Nachrichten erschienen, man hätte auch Grund, die ;Tatsache der Unterwerfung zu verschweigen -, hätte sich Lefebvre damit, daß er die apostatische Organisation verbindlich anerkennt und sich ihrer 'Autorität', d.h. dem häretischen Okkupanten Wojtyla, unterwirft, förmlich von der wahren römisch-katholischen Kirche losgesagt. Es gäbe dann keinen Grund mehr, ihn und seine Einrichtungen anders zu behandeln als die der Clemente-Sekte. Er und seine Anhänger wären das geworden, was ich in EINSICHT VIII(4) beschrieben habe, nämlich eine rechtgläubige Sekte.
Wegen der Konsequenz, die sich aus dem möglicherweise schon vollzogenen Schritt Lefebvres ergeben würde, nämlich dem ipso facto Erlöschen seiner Zugehörigkeit zur wahren Kirche, rate ich allen Meßzentrumsleitern:
B L E I B E N S I E U M D E R S A C H E W I L L E N S E L B S T Ä N D I G und lassen Sie sich nicht mit der möglichen Drohung, daß Ihnen im Falle der Verweigerung dieses Kompromisses, keine (Econe) Priester mehr zur Verfügung stehen würden, nicht erpressen!
Mit solchen sich eröffnenden Möglichkeiten vor Augen scheint unsere Situation schier ausweglos zu sein. Und sicherlich stehen wir an dem Punkt, an dem sich Christi Gang nach Kalvaria an Seinem mystischen Leibe der Kirche wiederholt. Aber Gott ist denen, die Ihm treu sind, ebenso treu, er läßt uns ganz bestimmt nicht im Stich! Wir können nicht mehr viel mehr tun, als unter dem Kreuz mit Maria und Johannes auszuharren und zu beten, daß sich die Irrenden bekehren, daß Er Seine Kirche wieder zu neuem Leben erwecke und ihr einen Apostel schenke, der sie leite. Wahrscheinlich aber werden die Drangsale für jeden einzelnen noch viel härter, denn nicht umsonst hat Gott uns vorhergesagt, daß alle Ihn verraten würden, wenn Er die Tage der Heimsuchung nicht abkürzen würde. Da bleibt für niemand mehr auch nur der kleinste Spielraum £ür Stolz oder Selbstgerechtigkeit; jeder sollte wissen, wie er ldemnach mit sich dran ist.
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