"KONZILSKIRCHE" ODER DIE "WELT ALS SAKRAMENT"
von Anton Holzer
Das Vaticanum II hat bekanntlich eine Neukonzeption des (katholischen) Christentums zwar nicht erst erfunden, aber doch sanktioniert (vgl. A. Holzer, Vaticanum II, Reformkonzil oder Konstituante einer neuen Kirche, S. 143), eine Neukonzeption, die man als modernistische und naturalistische Neuauslegung des Verhältnisses von Kirche und Welt, Natur und Gnade bezeichnen kann (vgl. I.c. 218 ff, 205 f, 157 ff; 255): Natur (als geschaffene Wirklichkeit) und Gnade (als übernatürliche freigeschenkte Zugabe) werden als real identisch aufgefaßt, wenn man sie auch als formal oder wenigstens modal verschieden ansieht (vgl. z.B.: 1.c. 205).
Die natürliche Wirkung dieser immanent-apostatischen Neufassung des Christentums, ihre artgemäße Frucht ist die nachkonziliare Zerstörung des bisherigen (kath.) Christentums; diese Zerstörung ist total, extensiv und intensiv: weder läßt sie irgendeinen Bereich des kirchlichen Lebens aus noch bleibt sie bei Peripherem stehen; sie dringt ins Zentrum, ins innerate Wesen vor.
Freilich ist diese Neukonzeption nicht auf dem Vaticanum II erst vom Himmel gefallen oder "Divino afflante Spiritu" dem Konzil geoffenbart worden; vielmehr haben sich die Konzilsväter "motu proprio" bzw. "suadente diabolo" unter dem Einfluß gruppendynamischer Prozesse den satanischen Irrtümern des Zeitgeistes geöffnet, in dessen Lichtglanz und Blendwerk sich Satan verbarg (vgl. 1 Kor 11,14); und das schon lange vor dem Konzil, um Einlaß in die Kirche Gottes zu erlangen, um sie von innen heraus durch Umfunktionierung zu zerstören. Aber sein Erfolg war auf ein Minimum beschränkt; es gab immer schon "Risse" im Gemäuer der Kirche, durch die der "Rauch Satans" eindringen konnte. Vaticanum II freilich hat damit wirksam Schluß gemacht; nicht daß es die Risse durch Renovierung der Kirche (Erneuerung und Reform) ausgebessert hätte; vielmehr hat Johannes XXIII. mit seinem "aggiornamento" die Fenster der Kirche weit geöffnet, um als "frische Luft" die Rauchschwaden des Zeitgeistes und Satans herein und jegliches übernatürliche Leben ersticken zu lassen.
Diese Zerstörung der Kirche hat also als Grundlage eine ideologische Neukonzeption des Christentums und damit die Neukonstituierung einer "anderen Kirche". Als Vehikel dazu diente von Anfang an eine neue Sprache (vgl. l.c. 117 f), die dem vom heutigen Zeitgeist konditionierten modernen Menschen allein noch verständlich sei, oder - viel heimtückischer - eine neue Verwendung der bisherigen kirchlichen Sprache, die unmerklich zu deren Sinnentleerung bzw. Umwertung führt. Erinnert sei an die Bezeichnung "Sohn Gottes", "Eucharistie" oder "Kirche" (zu letzterem vgl. Holzer l.c. 173 ff).
Auch der Begriff "Sakrament" war von diesem Schicksal nicht ausgenommen, zumal es ein, zentraler Begriff der katholischen Theologie, eine für das katholische Christenleben zentrale Wirklichkeit bezeichnet. In der Umwertung von Begriff und Sache "Sakrament" lassen sich verschiedene Phasen bzw. Etappen erkennen.
Schon vor dem Konzil manipuliert man eifrig mit dem Sakramentsbegriff, zunächst noch ganz in der Linie der Tradition, als man von J. Christus als dem Ursakrament und von der Kirche als Grundsakrament sprach. Aber bald wurde das "Sakrament" zum Kristallisationspunkt der modernistischen Zerstörungsarbeit in der Kirche. Es wird zunehmend seines traditionellen Gehaltes entleert, indem der Begriffsumfang so erweitert wird, daß neue, in der Tradition nicht damit bezeichnete Wirklichkeiten ebenfalls unter das Wort "Sakrament" fallen. Dabei fällt als erster Wesensbestandteil der Sakramente die Stiftung durch J. Christus weg, nachdem man diese schon bei den überlieferten 7 Sakramenten durch historische (?) Kritik verdünnt bzw. eliminiert hatte (vgl. K. Rahner, Kirche und Sakramente, Frbg 21960). Ebenfalls erweiterte man den Zeichencharakter über die kultisch-rituellen Handlungen hinaus auf den Bereich der Ethik bzw. Moral, indem man vom "Sakrament des Bruders" zu sprechen begann, weil man im "Bruder" d.h. im Mitmenschen, im Nächsten, zeichenhaft und heilshaft zugleich Christus begegne. Man konnte sich dabei (freilich zu Unrecht, wenigstens was die Sakramentalität der Begegnung angeht) auf das Wort Jesu berufen: "Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." (vgl. Mt 25,34 f). Schon hier wird die Akzentuierung deutlich, die zu einer weiteren Irrlehre in der Sakramententheologie führen wird: die "Begegnung". Wenn auch jedes Sakrament für den Empfänger eine gnadenhafte, heilshafte Begegnung mit Christus bedeutet, so ist nicht jede Begegnung mit Christus, und sei sie gnadenhaft, auch Sakrament.
Nachdem die personale Begegnung im Sakrament so stark akzentuiert war, daß das "opus operatum" keinen Raum mehr hatte, war der nächste Schritt möglich.
Man kreierte das "Sakrament der Frau" (besser wohl müßte es "Sakrament des Weibes" heißen; aber das wäre vielleicht zu deutlich gewesen). Freilich, neu ist das auch nicht; jedenfalls hat schon Goethe zumindes t eine Ahnung davon gehabt, als er sein Faust-Drama (Teil II) so ausklingen läßt: "... das Ewig-Weibliche zieht una hinan." Doch lassen wir dies und kehren zur sog. Theologie zurück, die in der "Konzilskirche" propagiert wird. Folgender Text nämlich fand sich in dem vom B. Kühlen Verlag (Mönchengladbach) herausgegebenen Liturgischen (Abreiß-)Kalender auf der Rückseite des Blattes vom 19. Nov. 1978 (= 27. Sonntag n.Pf. = sog. 23. Sonntag im Jahreskreis. Für die "Textzusammenstellung" und Textauswahl zeichnet verantwortlich ein P. Bernward Kliewer OFM.) der Text (zu Montag, 20. Nov. 1978) lautet also: "Die Frau ist ein 'Abbild', ein 'Zeichen', das auf eine reichere, vollere Wirklichkeit verweist. Doch dies ist sie auf eine besondere Weise ... Die Frau ist Abbild und Zeichen in dem Sinn, den wir außerhalb rein menschlicher Verhältnisse ausschließlich hier im Heilsmysterium der persönlichen Begegnung finden: Sie ist ein 'Sakrament'. Das soll heißen: Sie ist ein Zeichen, das das Heil anzeigt und vermuten läßt, worin jedoch das Heil gleichzeitig verwirklicht wird. Sie selbst ist der Weg zu dieser reicheren, volleren Wirklichkeit - sie ist die reichere, vollere Wirklichkeit in Person - sie ist deshalb selbst das Heil für den, der ihr personal begegnet."
Das Zitat selbst stammt aus dem Buch "Christsein in dieser Zeit" von J.L.F. Dankelmann (Bd. 2, Freiburg/Br. 1967, S.85). Dieses Buch hat ein zweifaches Imprimatur: sowohl vom damaligen Bischof von Roermund/Holland (1964) alsauch vom damaligen Generalvikar Ernst Föhr unter Erzbischof Schäufele/Freiburg i.Br. (1966). Da die kirchliche Druckerlaubnis die Herausgabe glaubensgefährlicher Schriftwerke verhindern will, geht ihr eine Zensur voraus, die "sich auf die Übereinstimmung der im Buch enthaltenen Ansichten mit den Glaubenssätzen der Kirche und der allgemeinen Kirchenlehre richten und den sicheren Weg der Mitte gehen muß" (LThK2 II Frbg. 1958, Sp.743). Sowohl für den Zensor bzw. Generalvikar von Roermund wie für den von Freiburg i.B. gehört die tridentinische Lehre von den 7 Sakramenten (DS 1601) also nicht zu den Glaubenssätzen der Kirche noch zur allgemeinen Kirchenlehre noch zum sicheren Weg der Mitte. Eine eindeutige Häresie wurde schon damals sei es ignoriert sei es als neue Kirchenlehre unters Volk gebracht. Außerdem wird der Sakramentsbegriff um einen neuen Bestandteil verkürzt: es ist nicht mehr Wirkursache des Heils, sondern nur noch eventuelle Gelegenheit, aber eine Gelegenheit für ein anderes Heil als das Heil Christi; von Gnade ist da keine Rede mehr, sondern nur noch von einer "reicheren, volleren Wirklichkeit". Damit ist das Heil in modernistischer Weise um seine übernatürliche Dimension verkürzt, naturalisiert.
Das Vaticanum II wird diese Linie in der Konstitution "Gaudium et Spes" über die Kirche in der Welt von heute vollenden (vgl. Holzer I.c. 155 ff).
Der Weg zu einer reicheren, volleren Wirklichkeit und das Zeichen dieser Wirklichkeit in einem ist das neue Wesen des Sakraments in der neuen "konziliaren Kirche". Von hier aus öffnet sich der Weg für das neue "konziliare" Verständnis der "Zeichen der Zeit", die als "Wege und Schritte" zu Gott, zum Heil, folglich zu einer "reicheren und volleren Wirklichkeit" anzusehen sind (vgl. Holzer I.c. 136 f). Offen ist der Weg damit allerdings auch dazu, alle Wirklichkeit, ja alles, die ganze Welt zum Sakrament zu erklären. Solches unternimmt der brasilianische Dogmatikprofessor Leonardo Boff (1970 in München bei Prof. Scheffczyk und H. Fries über "Die Kirche als Sakrament im Horizont der Welterfahrung" promoviert) in seinem Buch "Kleine Sakramentenlehre" (Patmos-Verlag, Düsseldorf 1976). Er schreibt dort: "Der Mensch ist das Wesen, das fähig ist, die Botschaft der Welt zu lesen ... In kurzlebigen Dingen vermag der Mensch Dauerndes zu entdecken, im Zeitlichen Ewiges und in der Welt Gott. So trans-figuriert sich Kurzlebiges in ein Zeichen für die Gegenwart des Dauernden, Zeitliches in ein Symbol für die Wirklichkeit des Ewigen und die Welt in das große Sakrament Gottes. Wenn die Dinge anfangen zu sprechen und der Mensch beginnt, ihre Stimme zu vernehmen, dann entsteht das Gebäude der Sakramente. Auf seinem Giebel steht die Inschrift: Alles Wirkliche ist nichts anderes als Zeichen Zeichen für was?-: Für eine andere Wirklichkeit, die Wirklichkeit die allen Dingen zugrunde liegt, Gott." (S.10) Und weiter: "Christentum besagt zuvörderst die Mitteilung göttlichen Lebens an die Welt. Welt, Dinge und Menschen sind durchdrungen vom Lebensatem Gottes. Die Dinge bergen das Heil und ein Geheimnis in sich. Deshalb sind sie sakramental ... Für den Christen ist Materie ... auch Trägerin Gottes und Ort der Begegnung des Heils Materie ist sakramental." (S.14). Innerhalb dieser "universalen Sakramentalität" gibt es nun verschiedene Dichtegrade, mit dem Höchstgrad in Jesus Christus; diese höchste sakramentale Dichte ging später auf die Kirche über; und diese wieder konkretisiert sich vornehmlich in den 7 Sakramenten, aber nicht ausschließlich: "Alles kann sakramentales Medium der göttlichen Gnade sein. Es ist Aufgabe des mündigen Glaubens, in dieser Weise Heil in derart konkreten Zeichen herauszuspüren und anzunehmen. Christen müßten heute dazu erzogen werden, die Wirklichkeit des Sakraments auch über die engen Grenzen der 7 Sakramente hinaus zu sehen. Sie müßten lernen, als mündige Menschen Riten zu entwerfen und zu vollziehen, die den Einbruch der Gnade in ihr Leben und in ihre Gemeinschaft signalisieren und zum Ausdruck bringen." (S.14 f) Fürwahr ein weitreichendes Reformprogramm, das bislang nur teilweise gelungen ist.
Das Grundprinzip dieser Sakraments-Sichtigkeit ist reiner Subjektivismus, mißbräuchlich mit dem traditionellen Wort "Glaube" genannt, da es ein modernistisches Glauben ist. So heißt es bei L. Boff (S.114): "Sakrament ist vor allem eine bestimmte Art zu denken. Sakramentales Denken versteht die Wirklichkeit nicht als Sache, sondern als Symbol. Das Symbol entsteht dabei aus der Begegnung des Menschen mit der Welt. In dieser Begegnung erfahren sowohl der Mensch als auch die Welt einen Wandel."
In dieser Art zu denken also deutet der Mensch die ihm begegnende bzw. widerfahrende Wirklichkeit der Welt nur um: von ihrer Außenseite hin zur dadurch bezeichneten Innenseite(Transsignifikation), von ihrem äußeren Schein auf ihre reichere, vollere Wirklichkeit hin (Transsubstantiation), von ihrem bloßen Vorhandensein auf ihren wahren Sinn und Zweck hin (Transfinalisation), von ihrem bloßen Dingsein eben auf ihr Sakramentsein (Transfiguration). Diese Fähigkeit und Weise zu denken ist jedem Menschen gegeben. Daher sind diese Sakramente auch "nicht Privateigentum einer ehrwürdigen Hierarchie. Vielmehr gehören sie zum menschlichen Leben konstitutiv dazu. Der Glaube sieht, wie Gnade in den einfachsten Gesten des Lebens gegenwärtig ist. Deshalb ritualisiert er sie und hebt sie auf die Ebene des Sakraments." (S.18). So gibt es dann ein "Sakrament des Wasserbechers", des Zigarettenstummels, des Brotes, der Weihnachtskerze usw. Auch die traditionellen 7 Sakramente sind nicht vergessen: sie "entfalten und sublimieren dabei nur die Hoch-Zeiten des Lebens"(S.79 f); mehr nicht, da ja "alles für den Menschen zum Sakrament werden kann, sofern er sich nur für alle Dinge öffnet und sie in seine Wohnung aufnimmt" (S. 32). Alles ist also sakramental, wenn auch in verschiedenem Grad und in verschiedener Dichte. Sakramente existieren auch außerhalb und vor dem Christentum, nur in der Weise der Anonymität. Sie werden zu christlichen Sakramenten, indem Christus "in einem spezifischen Sinn ihr Urheber" wird: keineswegs indem er sie historisch (neu) einsetzt und stiftet, sondern es genügt, daß er sie auf sich, sein Christusgeheimnis bezieht, Jaß er ihre "wenn auch für die Religionen verborgene, aber nichtsdestoweniger präsente Wirklichkeit aufdeckt und jetzt im Lichte des Christusgeheimnisses offenbart" (S. 88), Christus ist Urheber der Sakramente nur noch so wie etwa Johannes XXIII. für die Revolution des Vaticanum II und die"Selbstzerstörung der Kirche".
Damit ist wie das "Grundsakrament Kirche" (vgl. Holzer, I.c. 173 ff) das "Sakrament überhaupt in alles bzw. in nichts aufgelöst: Kirche ist Welt, Gnade ist Natur, Heil ist alles; nur eben nicht von außen, sondern von innen her gesehen.
Hier zeigt sich wiederum weshalb die "konziliare Kirche" die Traditionalisten als "Sekte" ansieht: sie stehen draußen, schauen nur die Außenseite, sind Außenseiter und Fremdkörper. Sie stören die Einheit der neuen sakramentalen Weltsicht und die Gemeinschaft der sakramentalen Denker bzw. Ökumeniker. Beides ist unvereinbar und kann nicht gleichberechtigt nebeneinander und unter einem Dach bestehen. Wer solches annimmt oder fordert, stellt sich auf den Boden des Konzils und des Liberalismus; genauer gesagt, der macht den ersten Schritt auf die schiefe Ebene zum Abgrund, also einen Fehltritt!
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