AUCH WEGER IST (WIEDER) DA
von Joachim May
I. "Jesuit als Jugendverführer" hieß die Offenlegung sexualpädagogischer Praktiken des Jesuiten Sigmund Kripp in der EINSICHT (3/1978). Wir stützten uns auf Darlegungen des RHEINISCHEN MERKURS (18.8.1978).Es kam wie es kommen mußte. Ein Gesinnungsgenosse Kripps meldete sich (er "ersuchte"!) zu Wort, um Christa Meves, die Kripps Machenschaften in aller Klarheit bekanntgemacht hatte, "unbewiesener Anschuldigungen", "Verdrehungen", "unterstellter Wertungen" und Streifen "der Grenzen der Verleumdung" zu bezichtigen (RhM 13.10.1978).
Man kennt dieses Spielchen. Der (zu Recht) Bloßgestellte bzw. ein Kumpan tritt die Flucht nach vorne an, und zwar hemdsärmelig. Das Motto lautet: den legitimen Kritiker anklagen, bezichtigen Christa Meves setzte sich zur Wehr, indem sie aus Kripps Aufsatz (ZEIT 12.5.1978) eine Menge Stellen zitierte, die eindeutig die Richtigkeit ihrer Aussagen belegen. Jeder kann sie nachlesen (RhM 13.10.1978).
II. Wir möchten den Gesinnungsgenossen Kripps etwas näher unter die Lupe nehmen. Es handelt sich um den Professor Dr. Karl-Heinz Weger SJ, Leiter des "Instituts für Fragen der Religionskritik" (nach dem "Personen- und Vorlesungsverzeichnis" der "Hochschule für Philosophie" in München vom Sommersemestet 1976).
In den Ausgaben vom 27./28.9.1975, 31.10./1.2.11.1975, 3.4.1.1976 der SUDDEUTSCHEN ZEITUNG und der Ausgabe der DEUTSCHEN TAGESPOST vom 30.3.1976 äußerten sich zum Gebet - in derselben Reihenfolge - der Dominikaner A. Hertz, der Rektor der Münchner Universität N. Lobkowicz, der Jesuit K.-H. Weger und der Dogmatiker L.Scheffczyk.
1. Hertz erklärte, daß die "Vorstellung von Religion, wie sie vor allem im antikchristlichen Lebensraum entwickelt wurde, durch die Säkularisierung des öffentlichen wie des privaten Lebens ans Ende gekommen sei und aufgegeben werden müsse. Der Verfall der Religion käme aus der Erkenntnis der Selbstgesetzlichkeit aller irdischen Bewegungen und Ursächlichkeiten, die von der modernen Wissenschaft (nicht zuletzt von der Soziologie) zur Gewißheit erhoben wurde. 'Der metaphysisch-transzendente Bezug in den Ursachen ist' abgebaut worden; und wenn die Ursache nicht mehr metaphysisch gedeutet wird, entfällt auch die metaphysische Deutung der Folgen.' Unter dem Aufprall dieser Kritik müssen auch die Gottesvorstellungen und das Gebet zu Gott weichen. Gott könne nach modernem Verständnis keine 'zu fürchtende Himmelsmacht' wie auch 'kein Richter über Gut und Böse' sein. Deshalb fällt es auch schwer, heute 'zu einem rettenden Gott oder zu rettenden Göttern zu beten', da diese für das Eintreten von Not und Elend in der Welt wie im Einzelleben nicht verantwortlich seien. - Trotzdem sollen 'Gott' und 'Gebet' nicht ersatzlos gestrichen werden. Freilich sollten sie ihre neue Position auch nicht im Bereich der Lebensängste und der Daseinsnöte finden; denn 'manche seelische Not --- wird nicht mehr bei heiligen Nothelfern, sondern bei Beratungsstellen abgeladen.'. (SZ 30.3.1976).
Spätestens hier wird man hellhörig, denn hier wird Religion mehr oder minder deutlich, durch Psychologie, transzendierende Seelsorge durch Psychotherapie ersetzt. Sehr klar hat der Münchner Psychotherapeut Matussek gesagt, daß "deswegen so viele Menschen die Kirche verlassen,weil deren Seelsorge eine Seelsorge ohne Heil ist", es fehle"eine Seelsorge, die sich nicht in einer Nachahmung weltlicher Dienstleistungen wie Telefonberatung, Sozialarbeit oder Hilfe für die Dritte Welt erschöpft. Dafür gibt es genügend Spezialisten, die für ihre 'Seelsorge' besser ausgebildet sind als theologisch geschulte Priester. Wer kümmert sich um den Teil der Seele, den weder die Psychoanalyse noch andere therapeutische Methoden erreichen? Denn schließlich gibt es doch ein Heil, das sich schon in diesem Leben offenbart, aber über über dieses noch hinausweist, und dem sich eine spezielle, durch keine "weltliche" Psychotherapie zu ersetzende Seelsorge zuzuwenden hat" (RhM 30.1.1976).
Noch mehr verheddert sich Hertz im Gestrüpp seiner säkularisierten Vorstellungen von "Gebet", wenn er an die Stelle des Alten "die Frage nach Sinn des Lebens setzt, die den Menschen in der Meditation an die 'Transzendenz' heranführt", aber ausdrücklich erklärt, "daß diese Transzendenz nicht mit Gott gleichzusetzen sei. Sie ist 'die letzte umgreifende Instanz', die sich dem nach Sinn fragenden Menschen überall offenbart. 'Religion' und ihre Verwirklichung im Gebet bestehen dann wesentlich in der Bereitschaft, 'sich selbst zu transzendieren'. Was aber 'Transzendenz' und 'Sinnerfüllung' inhaltlich bedeuten, wird nicht gesagt." (DT a.a.O.)
Hier wird ein völlig unzureichendes Gottesverständnis erkennbar. Was Hertz vorstellt,ist oberflächlich, bleibt im Bereich des Menschlichen, des Psychologischen. Das Hertz'sche Transzendieren führt nicht zu einem wesenhaft Anderen.. Es ist lediglich eine Art Steigerung des Ich-Zustands, von gehobener Stimmung bis zur Exaltation. Die Unendlichkeit des dreifaltigen Gottes wird nicht erreicht, und solches ist wohl auch nicht intendiert.
2. Auf dieser Linie liegt der Jesuit K.H. Weger, der erklärt, daß es "notwendig" sei, "Das Bittgebet auf den geistig innerlichen Bereich einzugrenzen. 'Ich glaube noch am ehesten (!) an den Sinn des Bittgebetes, wenn es um mein persönliches Verhalten geht. Ich kann Gott sinnvoll darum bitten, daß er mir die Kraft gibt, anderen gegenüber gut zu sein; daß er mein Verantwortungsgefühl stärkt, wenn ich Auto fahre.' Und schließlich: 'ich kann Gott darum bitten, mit den Schickungen des Lebens so fertigzuwerden, wie es Jesus von Nazareth konnte."' (DT a.a.O.)
Aber Weger stellt auch "kritische Fragen": "'Beten um die Abwendung einer Krankheit? Um Gute Ernte? Um ein langes Leben?" Es ist ziemlich eindeutig, daß sich der Autor (Weger) dazu nicht verstehen kann".
Dazu Scheffczyk: Es "fällt auf, daß eines der herangezogenen Beispiele (und vielleicht das wichtigste) nicht gut gewählt ist; denn Jesus von Nazareth hat nicht nur in der Brotbitte des 'Vaterunsers' das Gebet um 'Materiell-Äußerliches' empfohlen, er hat in der Ölberg-Szene selbst um den Eintritt eines solchen äußeren Geschehens gebetet: nämlich um die Abwendung des gewaltsamen Todes ..."
Weger hat noch andere private Absurditäten auf Lager. Er bringt eine Reihe von Gegenbeispielen gegen das Gebet im Bereich des Äußerlich-Materiellen. "Dabei kommt es zur Aufstellung von Problemen, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt, und die von einer gewissen Abflachung der Diskussion zeugen. Wenn der Autor etwa sagt: 'Ich jedenfalls bin durchaus nicht der Meinung, daß sich die klimatischen Verhältnisse in Europa durch die Einführung des Wettersegens nachweislich verändert haben', so wäre darauf zu antworten: Das hat wohl ernstlich nie ein Gläubiger beim Sprechen des Wettersegens intendiert. Wenn weiter gesagt wird: 'Gott wird auch kaum dem Schulbuben beistehen, wenn er betet: 'Lieber Gott laß Tokio in England liegen, sonst ist meine Schularbeit falsch', so ist zu erwidern: Die Aussage 'Gott wird ihm kaum beistehen' ist unpräzis, sie muß richtig heißen: Gott kann ihm nicht beistehen, weil er nichts Widerspruchsvolles und Sinnwidriges tun kann. Das gilt ebenso gegenüber dem theologischen Scheinproblem, das in der Aussage aufgerichtet wird: 'Ich kann nicht ehrlich darum beten, daß bei Tempo soundsoviel mein Autoreifen nicht platzt'; denn ein solches Tun, das ein ethisches Versagen durch eine Intervention Gottes kompensieren möchte, ist kein Gebet" - hier wird Gott zum Lückenbüßer gemacht.
III. Solcher Art ist also der Jesuit K.H. Weger, der so geflissentlich dem Ordensgenossen Kripp beisprang, als dieser wegen seiner sexualpädagogischen Ansichten und Praktiken zur Recht attackiert wurde. Nun könnte jemand sagen, Sexualpädagogik und Gebet seien zwei Paar Stiefel. Aber dem ist nicht so, sie haben einen gemeinsamen Nenner. In beiden Fällen stimmt die Gottesvorstellung nicht (mehr), die auch Gottes Allmacht und Gottes helfende Gnade beinhalten muß. Wer ständig interpretiert und hinterfragt, dem zerbröckelt letzten Endes auch der Rest jeder Substanz in den Fingern und er endet beim Nulltarif; der verkündet dann nicht mehr Gott, sondern seine eigenen Ideen.
SATYRSPIEL als Nachwort
1. Der Jesuit P.H. Kurz empfahl die Lektüre von G. Grass für die Geschlechtserziehung. Gegen dessen Ferkeleien und Blasphemien hatte sich vor Jahren schon die Una voce GRUPPE MARIA in Plakataktionen zur Wehr gesetzt, als er von der Münchner KATHOLISCHEN AKADEMIE eingeladen worden war. Man sieht: Grass, Katholische Akademie und P.H. Kurz in guter Gesellschaft.
2. Dazu stößt neuerdings der Jesuit Professor Walter Kerber, wie Weger an der Hochschule für Philosophie in München tätig.
Es geht um das Genet-Stück "Der Balkon", das in den Kammerspielen mehrfach gespielt wurde und in dem "ein Bordellkunde im Bischofsornat mit Mitra, Bischofskreuz und Bischofsstab (auftrat)" und "sich unter anderem durch Reporter zum Zwecke des Fotografierens im Bordell die Kommunion verabreichen (ließ), wobei als Hostie ein Monokel diente". Selbst von der Staatsanwaltschaft waren "sechs die religiösen Gefühle katholischer Gläubiger verletzende Szenen festgestellt worden." "Führende Katholiken" hatten eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Oberlandesgericht München eingereicht gegen den Intendanten R. Müller und dessen Regisseur R. Wendt.
Diese Dienstaufsichtsbeschwerde wurde durch den Generalstaatsanwalt zurückgewiesen. "Offenbar von entscheidendem Einfluß auf die Zurückweisung ... war ein Schreiben des Jesuiten Prof.Dr. Walter Kerber ... an den Intendanten Reinhard Müller. In diesem hatte er betont, daß Genets 'Balkon' Dinge der Religion und damit auch eigentlich religiöse Gefühle gar nicht direkt berührt würden oder nur insofern am Rande, als mit gewissen Zeichen und Symbolen religiöse Gefühle verknüpft sein könnten, 'wobei das Stück gerade auf die Gefahr des Mißbrauchs solcher Zeichen und Symbole aufmerksam zu machen sucht"'. Der Generalstaatsanwalt gibt Kerbers Äußerungen wieder. (DT 3./4.11. 1978) Die Behauptung Kerbers "stelle die Tendenz des Stückes, aber erst recht der Inszenierung auf den Kopf", erklärte Ermin Brießmann, Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken in München.
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