DIE HEILIGE MESSE ALS BESTE ARMENSEELENHILFE
von H.H. Pfarrer Joseph Leutenegger
Spätherbst ist es geworden. Massenhaft fallen die Blätter der Bäume zu Boden. Ein eindrucksvolles Memento mori. Wie lange mag es gehen und du bist auch so ein fallendes Blatt und steigst in das Reich des Todes und bist eine "arme" Seele. Ihrer sollen wir ja im Allerseelenmonat gedenken, der vielen Menschen, die von uns gegangen sind und an deren Gräber wir an Allerseelen gestanden sind. Sinnend fragten wir uns: Wo sind sie alle, die einst mit uns gegangen sind, sich mit uns gefreut, getrauert, gearbeitet und gelitten haben? Wo sind ihre Seelen? Schon bei Gott im Himmel oder noch in der Quarantäne des Reinigungsortes? Und unsere Hände falteten sich an deren Gräbern und aus der Seele stieg's so innig empor: "O Herr gib ihnen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen! Herr lass sie ruhen im Frieden!"
Es ist Glaubenslehre, daß unsere Fürbittgebete, unsere guten Werke im Reich der armen Seelen strafmildernd und strafabkürzend wirken (Trid. Sessio XXV. vom 3.12.1563; ferner II. Makk. XII,46, wo es heißt: "Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke für die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden erlöst werden.")
Die beste straftilgende Armenseelenhilfe ist ohne Zweifel die hl. Messe. So lehrt dies wiederum das trid. Konzil (Sessio XXV).
Im Zuge der kirchlichen Reformen hat die hl. Messe eine gewaltige Abwertung erfahren. Man leugnet immer mehr den Opfercharakter der hl. Messe, spricht stattdessen nur noch von "Eucharistiefeier", "Abendmahlsfeier" und betont auffällig den Mahlcharakter.
I. Wesen der hl. Messe:
Die hl. Messe ist vor allem Opfer! Und zuerst Opfer! "Wenn einer sagt, daß die hl. Messe nicht wesentlich und wirklich ein wahres Opfer ist, der sei ausgeschlossen aus der Kirche", sagt das Konzil von Trient (Sees. XXIII.)
Die hl. Messe ist ein Opfer. Und was das ist, sagte uns der Katechismus: "Ein Opfer ist eine sichtbare Gabe, die wir Gott darbringen, um ihn zu loben, zu danke zu bitten oder ihm Sühne zu leisten für unsere Sünden." (Katech. Bas. Frage 200) Das Opfer ist der höchste Ausdruck der Gottesverehrung. Wir Menschen sind zum Gotteslob verpflichtet. "Wir loben Dich, wir preisen Dich, wir beten Dich an und danken Dir ..." (Gloria) "Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre ..."
Über allem mündlichen Gotteslob steht das Opfer. Ist das nicht auch im täglichen Leben so? Ich lobe ein Kind wegen seines Fleißes. Es freut sich. Wenn ich aber zum mündlichen Lob ein Geschenklein beifüge, dann ist die Freude vollkommen. Für mich aber ist das Geschenklein ein Opfer. Ich verzichte darauf zu gunsten des Kindes. Wenn eine Firma einen treuen Angestellten recht gern ehren will, geschieht das immer in Geschenkform. Die Firma opfert etwas. So ist es auch im religiösen Leben. Das Opfer ist der Ausdruck der höchsten Gottesverehrung. Es gebt weit über das mündliche Lob. Darum haben die Menschen stets zum Opfer gegriffen. Das Opfer ist so alt wie die Menschheit. Kain und Abel, Noeh und Abraham opferten. (1.Mos. IV,1-5; Gen. VIII 20.12., IV 14, 19., XXII 1,12.) Auch die Heiden opferten, um ihre Gottheiten zu ehren oder zu versöhnen. Sie brachten sogar Menschenopfer dar.
Durch das ganze Alte Testament geht des Opfer wie ein roter Faden, und zwar auf Gottes Befehl und Anordnung wird geopfert. Die Israeliten hatten ihre Morgenund Abendopfer, ihre Festtagsopfer, Brand- und Friedopfer. (Gen. III, 1-7 u. 17.) Diese Opfer nahm Gott an als Zeichen der Ergebung, der Unterwürfigkeit, des Dankes, der Sühne. Gott schaut ja vor allem auf das Herz, die Gesinnung. Er nahm diese Opfer an im Hinblick auf das vollkommene Opfer Jesus Christus am Kreuz.
Aber alle Opfer des Alten Bundes konnten Gott weder vollkommenes Lob, noch Dank, noch Sühne leisten. Sie waren alle in ihrem Werte beschränkt, unvollkommen. Gott aber ist unendlich vollkommen, unendlich heilig. Die Sünde aber ist eine Beleidigung des unendlichen heiligen Gottes. Also braucht es auch eine unendlich vollkommene Sühne. Diese konnte nur leisten, wer selber unendlich vollkommen ist. Das war Jesus, der Gottessohn. Deswegen nahm er einen menschlichen Leib und eine menschliche Seele an, um so die unendliche Sühne zu leisten, das vollkommenste Lob, den vollkommensten Dank. Das geschah am hl. Kreuz, in der Hingabe eines Lebens. Da hat Er den Schuldbrief zerrissen, die vollkommenste Genugtuung geleistet.
Wenn aber das Opfer die vollkommenste Gottesverehrung ist, dann muß es auch im Neuen Bunde vorhanden sein. Und wenn im Alten Bunde das tägliche Opfer nie fehlte, dann darf es auch im Neuen Bunde nicht fehlen. Und es fehlt nicht! Schon der Prophet Malachias hat dieses vollkommene, immerwährende Opfer des Neuen Bundes vorausgesagt: "In meinem Namen wird vom Aufgange der Sonne bis zum Untergang (also auf der ganzen Welt) ein reines Speiseopfer dargebracht werden." (Mal. I,2)
Wo ist dieses Opfer zu finden? In der hl. Messe! Der Heiland schenkte es uns beim Letzten Abendmahle: "Tuet dies zu meinem Andenken!" (I Kor. II,26) Im Religionsunterricht hörten wir seinerzeit, daß die hl. Messe das gleiche Opfer sei wie das Opfer Jesu am Kreuze und wie das Opfer Jesu beim Letzten Abendmahle. Und so ist es. In allen Opfern der gleiche Opferpriester, die gleiche Opfergabe; Jesus - und der gleiche Opferherr, der himmlische Vater. Nur die Art und Weise zu opfern ist verschieden. Am Kreuze blutig voll Leid und Schmerz, in der hl. Messe unblutig, ohne Leid und Schmerz. Und dieses vollkommene und unblutige Opfer feierte Jesus beim Letzten Abendmahle. Das war seine Primiz, die erste auf dieser Welt. Der Heiland befahl seinen Aposteln, dieses sein Opfer ebenfalls darzubringen: "Tuet das zu meinem Andenken!" Und sie taten es, sie kamen täglich zusammen und feierten die hl. Messe (Apost. II,47) Wunderbar ist das Zeugnis des hl. Andreas vor seinem Richter Agäus zu Patras: "Ich bringe täglich dem allmächtigen Gott, dem einzigen und wahren Gott, ein Opfer dar, nicht das Fleisch von Stieren und Böcken, sondern das unbefleckte Lamm auf dem Altare. Von seinem Fleisch ißt das ganze gläubige Volk und dennoch bleibt das Lamm, das geopfert wurde, stets unversehrt und lebendig."
Die Apostel feierten die hl. Messe und übertrugen die Opfer- und Konsekrationsgewalt auf die Bischöfe und Priester,und diese wieder auf andere - bis auf den heutigen Tag.
Durch die hl. Messe wandert das Kreuzesopfer Christi durch die ganze Welt bis ans Ende der Tage mit allen seinen Gnaden und seinen Früchten.
II. Die Fruchte der hl. Messe:
Sie sind die gleichen wie beim Kreuzesopfer! - Wie hochbegnadet wurden all jene Menschen, die voll Glauben, Trauer und Liebe unter dem Kreuze standen!
M a r i a vor allem. Sie wurde zur Mutter aller Menschen ernannt. (Joh. XIX, 26 f) Sie wurde zur Königin der Martyrer, zur Pietá, die unzähligen leidgeprüften Müttern die Gnade des Trostes und der Ausdauer verschaffte. Wieviele geplagte und bedrängte Mütter haben bei der hl. Messe Leidenskraft gesucht und erhalten!
J o h a n n e s: Ihm vertraute ja der Herr das Liebste, was er auf Erden hatte, seine Mutter, an: "Sohn, siehe da deine Mutter!" Und von der Stunde an nahm die der Jünger zu sich. Konnte ihm der Herr eine größere Gnade schenken als seine Mutter, die Gnadenvermittlerin! Maria aber steht unter jedem Kreuzopfer, wird erneut unsere Mutter, Gnadenvermittlerin, besonders für das Priestertum. Johannes war unter dem Kreuz Neupriester, geweiht beim letzten Abendmahle. Priester wachsen im Schatten der Altäre. Alle Priester, die ich näher kannte, hatten Mütter, die sozusagen jeden Tag der hl. Messe beiwohnten, und deswegen oft weite Wege machten. Und bei der hl. Messe senkte sich dann die Gnade des Priestertums in die Herzen ihrer Söhne, die Gott berufen zu seinem Dienste. Liegt vielleicht auch hierin ein Grund des heutigen Priestermangels, weil zwei Dinge so abgewertet wurden: Maria und die hl. Messe ? (Sicherlich!)
Unter dem Kreuz sehe ich M a g d a l e n a, die Neubekehrte. Ja, da kniete und betete und weinte sie, und der Herr schenkte ihr die Gnade der Beharrlichkeit. Sie lebte und starb als heilige Büßerin. So viele reuige Seelen haben bei der hl. Messe die Gnade der Beharrlichkeit im Guten erhalten! Ich schaue neben dem Kreuze Jesu in gleicher Kreuzesqual den rechten S c h ä c h e r. Er erhält die Gnade der Bekehrung und die Verheißung des Paradieses. Wieviele Sünderleben haben bei der hl. Messe im Augenblick der Wandlung eine tiefe Reue verspürt mit dem Vorsatz der Lebensbesserung und damit auch die Verheißung des Paradieses.
Ich denke ferner an den heidnischen H a u p t m a n n. Er ist der erste Konvertit. Er legte Zeugnis ab für die Gottheit Jesu. "Wahrlich, dieser war Gottes Sohn". (Lk. XXIII, Mk. XV,39) So viele Konversionen haben beim hl. Meßopfer begonnen. Das Geheimnis der hl. Eucharistie und der hl. Messe haben sie in den Bann geschlagen. In seinem Buche "Eucharistische Konvertitenbilder" berichtet Viktor Cathrein S.J. von nicht weniger als 46 Konvertiten, die vornehmlich durch die hl. Eucharistie den Weg zur Kirche gefunden haben. Ich begreife heute die Klage sovieler Konvertiten angesichts der Zerstörung der hl. Messe.
Und das j ü d i s c h e V o l k ? Erst stand es gaffend und zum Teil wohl auch spottend unter dem Kreuz. Angesichts aber der Ereignisse wie die Sonnenfinsternis (Mt. XXVII,45) und das Erdbeben ging es in sich, schlug an seine Brust (Lk. XXIII,49) und ging reuig von dannen. - Früher hat das katholische Volk bei der Wandlung auch reuevoll an die Brust geschlagen und gebetet: "Jesus, sei mit gnädig, Jesus, sei mir barmherzig, Jesus, verzeihe mir alle meine Sünden." Heute sitzt es teilnahmslos da und hört sich den Abendmahlsbericht (von Wandlung wird überhaupt nicht mehr gesprochen! Das sicherste Zeichen, daß überhaupt kein Meßopfer gemeint ist! Anm. d.Red.) Es schlägt nicht mehr reuevoll an die Brust - warum sollte es auch, bei einem bloßen Bericht? - und geht gnadenlos heim. Denn nur dem Demütigen gibt Gott seine Gnade.
Bis ins Totenreich wirkte sich der Tod Jeus aus. "Viele Tote standen auf und erschienen vielen in der heiligen Stadt." (Mt. XXVII,52) Die Seele Jesu aber stieg hinunter zu den versammelten Gerechten des alten Bundes und verkündete ihnen die baldige Heimfahrt in den Himmel. (5. Glaubensartikel) In der 51. Messe geschieht etwas ähnliches. Sie ist die herrlichste Armenseelenhilfe. Wieviele Seelen werden durch die hl. Messe aus dem Orte der Reinigung befreit und kehren heim in den Himmel. Das hat das katholische Volk immer gespürt, und darum herrscht auch heute noch so ein großer Drang, zumal in der Allerseelenzeit, für die armen Seelen hl. Messen lesen zu lassen.
Die hl. Messe war und ist stets die Quelle der Gnaden. Quelle des Trostes für Lebende und Verstorbene. Sie bringt den Heiland auf unsere Altäre. Gott ist wahrhaft unter uns. Die hl. Messe ist das größte Heiligungsmittel für die Gläubigen, die große Armenseelenhilfe. Sie ist das Herz der Kirche, ihr kostbarster Edelstein. Vom hl. Papste Pius V. purgiert und neu gefaßt auf ewige Zeiten gegeben, kanonisiert: die ewige hl. Messe! Sie wird auch drüben in der Ewigkeit unter Assistenz der himmlischen Chöre gefeiert, wie das die hl. Hildegard einst in einer wunderbaren Vision schauen durfte, als ewiges Lob und Anbetungsopfer.
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