FREUDE
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Es gibt nichts besseres, als sich zu freuen und gutes zu tun in seinem Leben, so mahnt uns die Heilige Schrift. Verwirklichen können wir es aber nur mit der Hilfe des Heiligen Geistes, um die wir auf das innigste beten müssen. Erheben wir uns zu Ihm, wie eine Blüte sich zur Sonne erhebt, dann neigt ER sich zu uns und beschert uns mit seinen Gaben: Weisheit, Wissen, Rat und Stärke, Kunst und Frömmigkeit, Gottesfurcht. Die Frucht des Heiligen Geistes ist dann: Liebe, Freude, Friede; Langmut - Milde, Güte - Treue, Sanftmut - Enthaltsamkeit. An denen werden wir erkennen, wie weit wir wirklich Diener des Heiligen Geistes sind.
Was nun auch über den Menschen kommen mag, ermahnt uns das Buch der Sprüche, nie soll es ihn traurig machen, da er ja wissen muß, daß denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht.
Wollten wir uns nun die Frage stellen, ja was ist denn eigentlich die Freude, so müssen wir sagen, sie ist ein Erlebnis der Vollkommenheit. Bewerten wir nun unsere Lebensäußerungen, so müssen wir sagen, daß wir die Partitur des Evangeliums verhältnismäßig schlecht vorgetragen haben, doch müssen wir bedenken, daß, wie unvollkommen sie auch sein mögen, nur wenn wir sie Gott anbieten, Er sie vollenden kann.
Wir dürfen nicht vergessen, daß, wo wir uns auch befinden, immer und unter allen Umständen sich die drei wesentlichen Teile der hl. Messe wiederholen: Darbringung des Opfers, seine Verwandlung und ein innigeres Bündnis mit Gott, eine Verinnerlichung, also das Offertorium, die hl. Wandlung und die hl. Kommunion.
Wir müssen es gut beherzigen, daß der Alltag ebensowenig vom Altar, wie der Altar vom Alltag getrennt existieren kann, wenn er einen Sinn haben soll. Wir haben es uns zusehr angewöhnt, in der Hl. Messe einen Überbau zu sehen, der zwar schon ist, aber nicht unbedingt mit dem Bau unseres Lebens verbunden sein muß, der, wenn er nicht vorhanden ist, unserem Leben nicht fehlt. - Der Altar endet also nicht mit den etwa zwei Metern der Mensa, sondern breitet sich auf unsere ganze Lebensbühne, unseren Arbeitsplatz aus, mag dieser bei einer Hausfrau nun die Küche sein, bei einem Bauer das Feld, bei einem Professor der Vortragssaal.
Wollte ich nun eine Frage an euch richten, wie viele Schritte ihr etwa im Leben gemacht habt, seitdem ihr zum erstenmal geführt von der Mutter den ersten Schritt ins Leben getan habt, was würdet ihr mir nun antworten? Wo sind sie alle, die Lebensäußerungen? Wie oft hat sich nun bei der Arbeit unsere Hand bewegt, wie viele Blicke unserer Augen gab es, wie oft hat nur unser Herz geschlagen? Sind diese unsere Lebensäußerungen etwa zu Ruß geworden, der sich langsam aber unaufhörlich auf unser Leben legt, um uns zu ersticken? Wohlan, nicht selten kommt es zu Kurzschlußhandlungen, welche, wie etwa der Selbstmord, nicht mehr in Ordnung gebracht werden können, fast immer aber zum Lebensüberdruß führen. Ein jeder Mensch hat zwei Säcke, in den einen gibt er das, was ihm angenehm ist, in den anderen das, was ihm von den Geschehnissen des Lebens unangenehm ist. Der eine von den Säcken hat ein positives Vorzeichen, ein plus, der andere ein negatives, ein minus. Wie schaut es nun bei uns aus, wenn der Tag sich neigt? Welcher von diesen Säcken ist mehr gefüllt? Der mit den angenehmen oder der mit den unangenehmen? Die meisten von euch werden mir wohl sagen, der mit den unangenehmen! Und so ist es auch in Wirklichkeit, denn so wirklich glückliche Menschen gibt es heute tatsächlich wenige! Wer hat da nun nichts zu beklagen? Und doch sollten wir alle glücklich sein, dazu ist ja der Heiland gekommen und hat uns die Frohe Botschaft gebracht. Die frohe Botschaft mit traurigen Christen bietet ein wirklich trauriges Bild.
Wo wir auch sind, sei es in der Küche, oder in der Fabrik, auf dem Felde oder im Vortragssaal, immer stehen wir durch den Priester in Christus beim Altar, und sollen hier alle unsere Lebensäußerungen auf den Altar legen. Wenn die ersten Christen mit Brot und Wein neben anderen Gaben in die Kirche eilten, die ihre Arbeit und ihr Leid vertraten, sollen auch wir auf die eben genannten zwei Säcke mit der Vorzeichnung: gefällt mir - gefällt mir nicht, nicht vergessen und sie bereitwillig auf den Altar legen. Nichts darf da zurückbleiben, auch kein Grund für Zorn oder Trauer, Ungeduld oder Kleinmütigkeit, allein der Grund zur Freude. Würden wir einen anderen aufweisen, dann bieten sich uns als Erklärung drei Möglichkeiten: Entweder sind wir Narren, und haben etwas gesagt und wußten nicht was, oder Lügner, wie Ananias und Saphira es waren, die sagten, daß sie alles geben, so manches aber behalten hatten, oder aber wir sind Diebe, die alles zwar auf den Altar gelegt haben, sofort jedoch dieses oder jenes wieder entwendet haben. Bist du also nach dem Offertorium und dieses soll sich ja auf unser ganzes Leben ausbreiten, noch zornig, oder traurig, dann bist du eins von diesen drei genannten Dingen, also ein Narr oder ein Lügner oder ein Dieb.
Der Tag des Christen endet also nie mit Verlust, sondern stets mit Gewinn. Am Abend soll er sich eine Frage vorlegen, die an und für sich wichtiger ist als sogar die Gewissenserforschung, nämlich: Was hast Du, oh Herr, mit all dem Gutes beabsichtigt, was sich heute zugetragen hat. Wohl wird es nicht immer leicht sein, sich mit all dem Unangenehmen zufriedenzustellen, aber wir müssen diesem Augenblick dasselbe zuschreiben, wie Joseph als Stellvertreter des Pharaos seinen Brüdern gesagt hatte: Ihr habt es mit mir böse gemeint, doch Gott hat es zum Guten gewendet. Schon die alten Griechen wußten, daß die Götter selbst aus Disharmonien die herrlichsten Harmonien weben können.
Die Ursache, daß wir uns dies so wenig zu Herzen nehmen, liegt darin, daß wir unser Leben überhaupt nicht verstehen. Unser Leben eine Symphonie, welche vier Sätze aufweist. Der erste ist im Schoße Gottes, der zweite Satz im Schoße der Mutter, der dritte von der Wiege bis zur Bahre und der vierte wieder im Schoße Gottes. Nun beschränken wir uns auf einige dissonante Takte aus dem dritten Satze, bedenken oder wollen es vielmehr nicht bedenken, daß etwas vorausgegangen war und nachfolgen wird. Will ich eine Symphonie verstehen, dann muß ich sie wenigstens zweimal hören oder die Partitur durchstudiert haben, daß ich im ersten Ton den letalen höre und im letzten den ersten. Nehmen wir z.B. aus Smetanas Komposition "Aus meinem Leben" jene dissonanten Töne heraus, die seine heranschleichende Taubheit ankündigen sollen, und wüßten nichts von dem, was vorausgegangen war und was nachfolgen wird, dann würden wir den Kopf schütteln und uns fragen, was das für ein Stümper war, und doch ist dieses Werk völlig ausgeglichen. Dem Lieben Gott brauchen wir wohl nicht die Lehre von der Harmonie oder dem Kontrapunkt beibringen zu müssen?
Noch einen Vergleich wollen wir benützen: Was wäre wenn wir in der Frühe in unseren Garten schauen und sehen würden, wie über Nacht sich alle unsere Schritte, die wir im Leben getan haben, in Gänseblümchen verwandelt hätten? Wäre da nicht alles weiß vor unseren Augen, als ob plötzlich eine Schneedecke ausgebreitet wäre? Und was, wenn wir die andern Lebensäußerungen noch dazuzählen wollten? Keine Frühlingswiese ist so herrlich schön wie ein Herz, daß sich Gott geopfert hat. Schneeglöckchen und Gänseblümchen, gelbe Himmelschlüssel und der goldene Löwenzahn, violette Veilchen, blaue Glockenblumen und Vergißmeinnicht, rote Tulpen und Rosen; das ganze Meer von den schönsten Blumen kann nicht entsprechend die Pracht eines gottgeweihten Herzens schildern. So wird unser Herz zum Garten des Himmels. Da können wir mit unsrem Herrn, der hier auf uns sehnsüchtig wartet, lustwandeln in den goldenen Strahlen der Liebe Gottes, und inmitten der duftenden Blumen und Blüten der Tugenden und guten Werke können wir das finden, was die Menschen umsonst in der Welt suchen: Freude und Frieden.
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Gebet
Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu Dir!
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu Dir!
Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen Dir!
Bruder Klaus
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