RECHTGLÄUBIGE SEKTE ?
von Eberhard Heller
Das sind die Tatsachen: Vor über zehn Jahren wurde der ungültige sog. "NOM" eingeführt, und über zwei Jahre ist es schon her, daß die wahre hl. Messe offiziell verboten wurde. Gleich nach der verbindlichen Promulgation des sog. "NOM" begann man jedoch auch, die entscheidenden Gründe für dessen objektive Ungültigkeit aufzudecken und zu publizieren. Das geschah (und geschieht immer noch) ebenfalls seit über zehn Jahren - man muß fast sagen penetrant und pausenlos, weil es immer wieder (und noch) Gläubige gibt, denen es schließlich gelungen ist, das nach außen mehrfach doppeldeutige, raffinierte Spiel der Reform-"Kirche" zu durchschauen und die sich auch reflexiv Klarheit über das wahre Ausmaß der Zerstörung verschaffen wollen.
Nachdem durch das offizielle Verbot die hl. Messe in öffentlichen Kirchen weitgehendst unterbunden wurde, entstanden, zunächst in München in der Baaderstr. 56 (St. Michael), nach einander eine Reihe von Kapellen und Zentren, deren vorzüglichste Aufgabe es ist, die Feier des Hl. Meßopfers zu sichern. Jeder, der die Arbeit, die damit verbunden ist, nur einigermaßen richtig einschätzen kann, weiß, daß man die nicht zum Spaß macht.
Man sollte also meinen, wenigstens in diesem Punkte herrsche Klarheit bzw. Einmütigkeit der Auffassung in den Kreisen der wahren Gläubigen. Man sollte auch annehmen, bei denen, die immer wieder ihre Treue zur Tradition betonen, bestehe Einhelligkeit darüber, daß eine Hierarchie, die ungültige und/bzw. zweideutige oder zweifelhafte Sakramentsriten promulgiert und durchpeitscht, die also den Gläubigen anstelle des lebendigen 'Brotes' Steine zum Essen vorsetzt, vom Glauben abgefallen und ihres Amtes verlustig geworden ist. (Vgl. die Bulle "Cum ex apostolatus officio" Pauls IV. vom 15.3.1559; abgedruckt in "Einsicht" II(2)1 ff)
Daß dennoch - trotz vieler Bemühungen - weitgehend Unklarheit bei den traditionsgebundenen Gläubigen (und das ist leider die überwiegende Zahl der Meßzentrumsbesucher) herrscht, ist leider auch Tatsache. Häufig bekommt man bezüglich des "NOM" zu hören: (l) Die neue "Messe" sei zwar dogmatisch ärmer als die alte, aber gültig. (2) Sie sei zwar lutherisch, aber keineswegs ungültig oder häretisch, sondern nur doppeldeutig. (3) Der sog. "NOM" sei kulturell ärmer, und darum müsse man sich für die Erhaltung der tridentinischen Messe einsetzen; natürlich bezweifle man keineswegs die Gültigkeit der "Neumesse"; überdies müsse man den Bischöfen gehorchen. (4) Der "NOM" sei nicht ganz so gültig wie der alte. (5) Eigentlich sei die "neue Messe" ungültig, aber weil der Hl. Vater Paul VI. sie eingeführt habe, kann sie dann doch nicht ungültig sein.
Das Problem der abgefallenen oder häretischen Hierarchie scheinen die allermeisten sowieso nicht in den Blick nehmen zu wollen. Ansonsten könnte es nicht vorkommen, daß man die bewußten Zerstörer der Hl. Messe noch um Erlaubnis für deren Durchführung bittet. Das ist genauso unsinnig, als wenn die Juden gerade in Hitler denjenigen hätten sehen wollen, der sie vor den Nazis in Schutz nehmen würde. Es geht auch nicht an, daß man z.B. den abgefallenen (und inzwischen verstorbenen) Paul VI. als legitimen Papst anerkannte, wenn er zufällig einmal etwas richtiges sagte, und ihm den Gehorsam verweigerte, wenn er für einen selbst unangenehme Verordnungen vorschrieb. Ein Papst, der öffentlich häretisch geworden ist, hört ipso facto auf, legitimer Papst zu sein. Um in der angeführten Fehlvorstellung zu bleiben: natürlich nicht nur halb! - ein halb legitimer Papst ist ein Widersinn.
Die Gründe für diese ambivalente Haltung sind vielfältig. Hier soll nicht von denen gesprochen werden, die noch keinen klaren Standpunkt haben und noch ernsthaft am Suchen sind. Man kann niemand zur Einsicht zwingen, die immer auch ein Akt der göttlichen Gnade ist.
Es ist aber in vielen Fällen doch so, daß man glaubt, auf beiden Schultern Wasser tragen zu können, weil man die Konsequenzen scheut und das wahre Ausmaß der der religiösen Katastrophe nicht wahr haben will. Schließlich will man nicht verrecken wie ein Hund, sondern möchte noch "kirchlich" begraben werden. Die allermeisten lassen sich nach anfänglicher Klarheit wieder verwirren durch die professionellen Verunsicherer, die es sowohl bei den "Konservativen" und "Traditionalisten" als natürlich auch bei den Progressisten gibt: die einen entschuldigen damit öffentlich ihre Inkonsequenz bzw. wollen sie dadurch vertuschen - die sie nebenbei noch zum allgemeinen Gesetz machen möchten -; die andern werben nur geschickt für ihr Machwerk - und das nimmt man sowieso an. (Heute lenkt man z.B. in der Reform-"Kirche" die Aufmerksamkeit raffiniert von dem sakrilegischen Geschehen am Altar ab durch einen enormen Aufwand auf die Kirchenmusik von "früher" oder auf's "Latein". Und wer läßt sich nicht gerne von einer Haydnmesse bezaubern.) Viele gehen auch der ganzen Auseinandersetzung aus dem Weg weil sie zu faul sind: "der liebe Gott kennt ja meine Einstellung" - natürlich kennt. Er sie! Verwirrung stiften ebenso die vielen Pseudobotschaften: "Der liebe Heiland hat dem Hl. Vater Paul VI. den NOM persönlich übergeben und ihm ans Herz gelegt" etc. Das gleiche gilt von der weiterhin gezollten Anerkennung der Legitimität der Amtskirche, die in Wahrheit längst abgefallen ist oder aus Opportunismus das schändliche Spiel mitmacht. Natürlich sollte man, wenn man angeblich den wahren Glauben verteidigt, auch wissen, wer ihn zerstört. Und es geht nicht an, daß man sich gerade von denen, die in der Hauptsache die Zerstörung betreiben, noch deren Segen für sein Werk erbittet. (Das wäre das gleiche, als wenn die Leute vom 20. Juli zuerst Hitler um Erlaubnis gefragt hätten, ob sie eine Widerstandsbewegung gegen die Greuel des Dritten Reiches gründen dürften.)
Diejenigen "Traditionalisten", die einen solchen ambivalenten und inkonsequenten Standpunkt beziehen (und damit ihr Anliegen des "wahren Glaubens und der wahren Kirche" auf das Niveau der Berechtigung, die ein Trachtenverein für sich in Anspruch nehmen kann, reduzieren,) müssen sich von ihrer subjektiven Sicht her zu recht fragen lassen: Warum nehmt ihr denn den neuen Ritus nicht an, wenn ihr selbst sagt, er sei gültig? Warum wehrt ihr euch gegen Anordnungen einer Autorität, von der ihr sagt, sie sei legitim? Warum gehorcht ihr also nicht? Warum hängt ihr so an den alten Formen, wenn ihr selbst sagt, ihr wollt keine Formalisten sein? Warum errichtet ihr Altäre gegen die Kirche, der ihr selbst angehören wollt? - Man stelle sich nur einmal vor, was passiert wäre, wenn man, als Pius XII. die Osterliturgie modifiziert hatte, eigene Meßzentren zur Abhaltung der alten Osterliturgie eingerichtet hätte. - All die Vorwürfe der Modernisten müßten sich doch diese Gläubigen zu recht gefallen lassen: Gehorsamsverweigerung, Stören der Einheit, Starrsinn, Formalismus, Mißachtung des Kirchenrechts, Untergrabung der Autorität, Unfriede, Schisma. Jeder kennt ja die Litanei der Vorwürfe, die die Mo- j dernisten sehr geschickt nicht müde werden, immer wieder daher zu singen. Letztlich sollen diese "traditionalistischen Störenfriede" froh sein, daß man sie so "milde" behandelt.
In der Tat läßt sich unser ganzer Widerstand gegen die im Zuge des unseligen Konzils eingeführten "Neuerungen" nur dann legitimieren, wenn wir der Überzeugung sind, daß diese sog. Reformen häretisch sind, und daß unser Ungehorsam gegen die (Schein)Autorität sich bloß dadurch rechtfertigen läßt, daß wir mit Grund die Hierarchie als abgefallen betrachten können. Wenn das nicht der Fall wäre, müßten wir gehorchen, auch wenn die Neuerungen nicht unserem Geschmack entsprechen würden. Das Errichten von Meßzentren wäre dann wirklich eine schismatische Eigenmächtigkeit, die die Kirche nicht dulden könnte. Ebenso müßte sich Mgr. Lefebvre beugen.
Sind aber die Reformen häretisch und die Hierarchie apostatisch bzw. häretisch, dann müssen wir rechtgläubige katholische Christen uns sichtbar von dieser Reform"Kirche" trennen. Etliche glauben ernsthaft, das Problem der wahren und sichtbaren Kirche ausklammern zu können: es kommt nur auf die Spendung gültiger Sakramente an selbst da ist man nicht gerade kleinlich: was anders ist von einem jungen Regens zu halten, der ohne Skrupel einen (wahrscheinlich ungültig geweihten) Priester die Messe lesen läßt, und der erst auf massive Proteste der Gläubigen reagiert? -, die Existenz der wahren Kirche als Heilsanstalt sei nicht so wichtig, weswegen man sich auch nicht von der Reformkirche trennen brauche. Und man zahlt brav die Kirchensteuer weiter. Falls dann einmal solche, die diese Position vertreten, in Konflikt mit der "Amtskirche" geraten, mogeln sie sich meistens mit Tricks über die Schwierigkeiten hinweg.
Diejenigen nun, die eine solche Auffassung vertreten, sollten sich dann auch überlegen bzw. sich im klaren sein, daß für sie das Werk von Mgr. Lefebvre, auf dem angeblich ihre letzte Hoffnung ruht, recht bedeutungslos werden muß. Denn wenn es nur auf die momentane Spendung gültiger Sakramente ankommt, kann man gleich zu den schismatischen Orthodoxen gehen, die selbstverständlich gültige Sakramente haben,~ und man braucht sich wegen des Priestermangels, der apostolischen Sukzession etc. kaum noch Sorgen machen, einmal ganz abgesehen von dem Ärger, den man sich dann auch noch erspart.
Den Glauben lebt man aber nicht im luftleeren Raum, sondern nur in der wahren, d.h. in der von Jesus Christus eingesetzten und bevollmächtigten Kirche. Diejenigen, die die "Koexistenz der vor- und nachkonziliaren Riten" wünschen, berauben sich der eigentlichen Legitimität für ihren vorgeblichen Widerstand. Indem sie das abgefallene Rom als wirkliche Autorität anerkennen und mit der Häresie unter einem Dach wohnen wollen, geben sie den Standpunkt der wahren Kirche auf und versinken in der Reform-"Kirche", obwohl sie den Glauben bewahren möchten, immer mehr als rechtgläubige Sekte.
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