ÄRGERNIS VOR GOTT UND DEN MENSCHEN
Eine bemerkenswerte Leserstimme in der "DT" vom 05.07.1978
Zu dem Beitrag "Gegenkirche" in DT vom 23./24. 6.1978, Seite 2.
Anstatt über die Aktivitäten der von Erzbischof Lefebvre gegründeten "Priesterbruderschaft Pius X." in Wehklagen auszubrechen, sollte die DT so ehrlich sein, in eine offene Auseinandersetzung über die Fragen, Probleme und Tatsachen einzutreten, die als Ursachen für ein solches Phänomenen anzusehen sind. Das ist leider bisher nur in ungenügender und einseitiger Weise geschehen. Zu Erzbischof Lefebvre und seinen Zielen bekennen sich in Europa und in der übrigen Welt weit mehr Katholiken, als eine gewisse Kirchenpresse wahrhaben will. Das Totschweigen durch die Massenmedien hilft nicht weiter, denn unter den Anhängern und Sympathisanten der Econe-Bewegung befinden sich zahlreiche Gebildete, tiefgläubige Katholiken und Theologen. Sie lassen sich nicht mit Phrasen abspeisen und sind auch nicht bereit, alles unbesehen hinzunehmen, was unter dem Etikett "Zweites Vatikanum" angeboten wird. Die Konzilstexte liegen seit Jahren vor. Wer ihren Inhalt und ihre Forderungen mit dem vergleicht, was die Exekutoren des Konzils in seinem Namen der katholischen Welt alles zugemutet haben, kommt zu der Feststellung: Die Konzilsväter haben vieles nicht oder anders gewollt, als es durch die ausführenden Kommissionen verwirklicht worden ist. Von diesen Kommissionen sind Schlüsse aus den Konzilsdekreten gezogen und Dinge hineininterpretiert worden, die so nicht gemeint waren und daher rückgängig gemacht werden müssen. Die Schuld für diese bedauerlichen und schädlichen Folgen für die Arbeit der Kirche liegt aber auch zum Teil bei dem Konzil selbst, das in seinen Formulierungen nicht immer eindeutig war, aber auch zu leichtfertig darauf vertraut hat, daß die Ausführungsbestimmungen schon im rechten Geist abgefaßt würden. Das ist aber nicht geschehen, vor allem nicht auf Gebiete der liturgischen Änderungen. Zu ihrer Bestürzung mußten später die Konzilsväter feststellen, daß der Novus Ordo Missae keine bloße Reform brachte, sondern aufgrund einer einseitigen Theologie eine Revolution bedeutete, die mit der Tradition der Kirche kaum zu vereinbaren ist.
Es ist das Verdienst EB Lefebvres, daß er von Anfang an auf diese Tatsachen hingewiesenen und vor allem glaubwürdig aus seiner eigenen Erfahrung als Konzlisvater nachgewiesen hat, daß die Ausführung der Konzilsbeschlüsse in die Hände einer bestimmten progressistischen Richtung geraten ist. Die Vertreter dieses Richtung haben es geschickt verstanden, die entscheidenden Kommissionen mit ihren Leuten zu besetzen - eine Taktik, die auch aus dem parlamentarischen Leben zur Genüge bekannt ist. Ob unser Heiliger Vater, Papst Paul VI., über alle diese Vorgänge und ihre Folgen genau informiert ist möchte ich hier nicht erörtern. Während die meisten Bischöfe schweigen und siech ducken;- den Dingen auch ihren Lauf ließen, hat EB Lefebvre den Mut gehabt, sich energisch gegen eine Strömung innerhalb der katholischen Kirche zu stemmen die uns u.a. (man könnte seitenlang aufzählen) folgende Ergebnisse als angebliche Beschlüsse des Konzils beschert hat:
* Degradierung des Altares zu einem bloßen Tisch; * Zelebration zum Volk, anstatt zu Gott gewendet; * ausschließlicher Gebrauch der deutschen Sprache bei der Feier der heiligen Messe und der Spendung der übrigen Sakramente; * Beseitigung der Kommunionbank und zwangsweise Einführung der Steh- und Handkommunion mit Diskriminierung derjenigen, die kniend kommunizieren wollen; * falsche Übersetzungen heiliger Texte z. B. "pro multis" = für viele"; * teilweise Abschaffung der priesterlichen Kleidung bei der Feier der heiligen Messe und außerhalb (Bischöfe in der Öffentlichkeit ohne bischöfliche Kleidung); * Abschaffung des Katholischen Katechismus; * Infragestellung fast aller Dogmen durch Theologen, ohne von ihrem zuständigen Bischof zum Widerruf gezwungen oder von der Priesterausbildung suspendiert zu werden; * Beseitigung des Tabernakels aus dem Chorraum als dem zentralen Ort des Gotteshauses; * ständiges Experimentieren mit dem Heiligsten (jeder Priester feiert eine andere heilige Messe);
* Geringschätzung des Bußsakramentes als Folge einer neuen Theologie permissiven Charakters; * Entsakralisierung von Liturgie und Gotteshaus und damit Zerstörung der Ehrfurcht vor dem Mysterium, vor allem im Kernbereich der heiligen Messe; * bewußte Schwerpunktverschiebung vom Opfercharakter zum bloßen Mahlcharakter (Gedächtnismahl) der heiligen Messe in Theologie und Liturgie (es mehren sich Fälle, in denen Priester die Kniebeuge nach der Wandlung und auch vor dem Tabernakel unterlassen!) * Vernachlässigung der liturgischen Bildung an den Priesterseminaren und des Studiums der scholastischen Philosophie (Thomas von Aquin) an den theologischen Hochschulen; * Zulassung von Lehrbüchern für den katholischen Religionsunterricht, die dogmatische und sonstige Irrtümer enthalten.
|Die Aufzählung könnte fortgesetzt werden, jedoch liegen genügend Untersuchungen vor, welche sich mit den aufgezeigten Mißständen eingehend befassen. Ich erinnere an das Buch "Les Fumées de Satan" von André Mignot und Michel de Saint Pierre, das sich anhand von Hunderten von Zeugnissen mit den Zuständen in Frankreich befaßt. Im deutschen Sprachbereich sind es vor allem Anton Holzer ("Vaticanum II - Reformkonzil oder Konstituante einer neuen Kirche?") und Wolfgang Waldstein ("Hirtensorge und Liturgiereform"), die zum gleichen Thema umfassend informieren. Neuerdings Siebel "Katholisch oder konziliar?". Den meisten Geistlichen dürfte auch unbekannt sein, daß die Kardinäle Ottaviani und Bacci eine kritische Untersuchung zum Novus Ordo Missae veröffentlicht haben (abgedruckt in "Liturgie und Glaube", Regensburg 1969). Das Kirchenvolk aber wird vor vollendete Tatsache gestellt. Beispiel: Einführung der Hand- und Stehkommunion. Damit sich niemand mehr hinknien kann, stellt sich der die Kommunion austeilende Geistliche in die Mitte des Kirchenschiffs vor die Kommunionbank und läßt die Gläubigen im Gänsemarsch auf sich zugehen.
Interessant ist, daß das inzwischen im Kleinformat erschienene vierbändige Missale Romanum cum Lectionisbus (Typica Vativana) in seiner Institutio generalis (Band I) Vorschriften enthält, die in unserem Lande nicht beachtet werden. Vom "Gloria" sagt die Institutio, daß es entweder gesungen (Schola, vom Volk oder abwechselnd von Volk und Schola) oder gesprochen wird. Nicht erlaubt ist, das "Gloria" durch ein Lied zu ersetzen. Auch über das "Credo" enthält die Institutio (Artikel 43 und 44) genaue Anweisungen. Es muß gemeinsam von Priester und Volk gebetet oder gesungen werden. Für die Kommunionausteilung ist die Patene (Artikel 117) vorgeschrieben. Als Regel gilt daher die Mundkommunion.
Meine Frage: Wer verstößt nun eigentlich beständig gegen die Beschlüsse des II. Vatikanums? Jene, die diese Beschlüsse falsch interpretieren oder nicht einmal das Minimum einhalten, wie es von der Institutio generalis verlangt wird, oder EB Lefebvre, der an einer über tausendjährigen Tradition festhält (die auch das Konzil nicht ändern wollte und zum Teil gar nicht ändern konnte)? So betrachtet, gibt es keine Gegenkirche, sondern Katholiken, die treu zum überlieferten Glaubensgut stehen, und solche, die als Startheologen und falsche Interpreten, selbsternannte und beauftragte, die Aufträge des Konzils mit ihren eigenen Absichten vermengen und als "Geist des Konzils" ausgeben. Es gibt einen schlecht informierten und die Zustände in der Kirche beklagenden Papst (Paul VI.: "Rauch Satans, der durch einen Spalt in die Kirche eingedrungen ist"), es gibt ängstliche und schweigende Bischöfe, die vor den Startheologen zurückweichen, und es gibt die Menge der einfachen Katholiken, die sich schlecht und recht arrangieren, weil sie geistig nicht in der Lage sind, die vielen Irrtümer zu durchschauen. In jedem Falle ist es ein großes Ärgernis vor Gott und den Menschen. Gespannt schaut die moderne Welt auf eine Kirche, die um ihre Identität kämpfen muß. Wie einst die Glaubenspaltung ist auch dieses Ärgernis von den Theologen und Bischöfen, nicht vom gläubigen katholischen Volk ausgegangen. Wer wie die Bischöfe Autorität kraft seines Amtes hat, sie aber im Augenblick der Gefahr nicht zur Geltung bringt, macht sich schuldig durch Unterlassung.
Dr. Theodor Fruhmann, . 6400 Fulda
Oberstudiendirektor, 6400 Fulda
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